BT-Drucksache 16/6762

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/3349- Praktika gesetzlich regeln 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/3544- Perspektiven für die Generation Praktikum schaffen

Vom 23. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6762
16. Wahlperiode 23. 10. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Barbara Höll,
Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/3349 –

Praktika gesetzlich regeln

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Grietje Bettin, Ekin Deligöz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/3544 –

Perspektiven für die Generation Praktikum schaffen

A. Problem

Zu Nummer 1

Praktikantinnen und Praktikanten werden zunehmend von Unternehmen als Ar-
beitskräfte weitgehend ohne Vergütung und arbeitsrechtlichen Schutz einge-
setzt. Dies führt für die oft am Anfang ihres Arbeitslebens stehenden Absolven-
ten einer Berufsausbildung oder eines Hochschulstudiums zu einer beruflichen
und persönlichen Perspektivlosigkeit sowie einer finanziellen Unsicherheit. Für
die übrigen Beschäftigen kommt es zu einem erhöhten Druck, schlechtere Ar-
beitsbedingungen hinzunehmen. Dies hat schließlich einen Anstieg der Arbeits-
losigkeit in der Bevölkerung und eine weitere Abnahme sozialversicherungs-
pflichtiger Arbeitsverhältnisse zur Folge.

Zu Nummer 2

Mit dem Begriff „Generation Praktikum“ wird eine Entwicklung bezeichnet, in
der vor allem Hochschulabsolventinnen und -absolventen nach Studienab-
schluss anstatt eine ihrer Qualifikation entsprechende Anstellung zu finden, ein

Praktikum oder auch mehrere aneinandergereihte gering oder unbezahlte Prak-
tika absolvieren.

Praktika, welche nicht die individuellen Berufsperspektiven verbessern, scha-
den dem Einzelnen und auch der Gesellschaft. Denn sie ersetzen reguläre Be-
schäftigungsverhältnisse und können den, meist in der „Rushhour des Lebens“
befindlichen, Praktikantinnen und Praktikanten die für die Lebensplanung er-

Drucksache 16/6762 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

forderliche Sicherheit nicht geben. Des Weiteren werden junge Leute durch
diese Missstände abgeschreckt, ein Studium zu beginnen. Für die Entwicklung
zur Wissensgesellschaft braucht Deutschland aber in Zukunft deutlich mehr
Akademikerinnen und Akademiker.

B. Lösung

Zu Nummer 1

Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Angebot und die Inanspruchnahme
von Praktika in den Arbeitsmarktstatistiken der Bundesagentur für Arbeit aus-
zuweisen und die Bedingungen, unter denen Praktika zulässig sind, gesetzlich
zu regeln.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/3349 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Zu Nummer 2

Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit einer Reihe von Maßnahmen, ins-
besondere dem Einsatz für eine tarifliche Aufwandsentschädigung und der
Aufklärung über ihre arbeitsrechtlichen Ansprüche, für eine bessere Stellung
von Praktikantinnen und Praktikanten zu sorgen und damit bessere Perspekti-
ven für die „Generation Praktikum“ zu schaffen

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/3544 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 16/3349;

Annahme des Antrags auf Drucksache 16/3544.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6762

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Antrag auf Drucksache 16/3349 abzulehnen;

2. den Antrag auf Drucksache 16/3544 abzulehnen.

Berlin, den 4. Juli 2007

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ulla Burchardt
Vorsitzende

Dorothee Bär
Berichterstatterin

Swen Schulz (Spandau)
Berichterstatter

Uwe Barth
Berichterstatter

Cornelia Hirsch
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

und die Inanspruchnahme von Praktika in den Arbeits-
marktstatistiken der Bundesagentur für Arbeit auszuweisen,

ginn eines Studiums abhalte. Zusammen mit den verant-
um damit die Datenlage in diesem Bereich zu verbessern.
Ferner solle ein Entwurf zur Änderung des Berufausbil-
dungsgesetzes (BBIG) und gegebenenfalls weiterer Gesetze
vorgelegt werden, in welchen die Bedingungen, unter denen

wortlichen Gremien müsse die Bundesregierung, welche die
Problematik bis vor kurzem vollständig und hartnäckig
ignoriert habe, dafür Sorge tragen, dass diese Missstände
bald der Vergangenheit angehören.
Drucksache 16/6762 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dorothee Bär, Swen Schulz (Spandau), Uwe Barth,
Cornelia Hirsch und Kai Gehring

I. Überweisung

Zu den Nummern 1 und 2

Der Deutsche Bundestag hat die Anträge auf den Druck-
sachen 16/3349 und 16/3544 in seiner 76. Sitzung am 18. Ja-
nuar 2007 beraten und an den Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden
Beratung und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales,
den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sowie den
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Nummer 1

Die Fraktion DIE LINKE. erklärt, dass gut organisierte
und zum Teil auch vergütete Praktika im Rahmen eines Stu-
diums, einer Berufsausbildung oder einer Qualifizierung
grundsätzlich von hoher Bedeutung seien, weil sie den
Praktikantinnen und Praktikanten die Möglichkeit böten,
Einblicke in betriebliche Abläufe zu erhalten, Berufspraxis
zu sammeln oder auch berufliche Perspektiven zu ent-
wickeln.

Die derzeitige Situation, dass „echte“ und „unechte“ Prak-
tika nicht gesetzlich geregelt seien, ginge aber zulasten der
Berufsanfänger nach Abschluss einer Berufsausbildung
oder eines Hochschulstudiums. Diese ließen sich aus Angst
vor Lücken in ihrem Lebenslauf vermehrt von Unternehmen
ausbeuten, indem sie unbezahlte Praktika ableisten, in
denen sie häufig vollwertige Arbeitsaufgaben zu erfüllen
hätten. Dies bringe die Praktikantinnen und Praktikanten in
finanzielle Schwierigkeiten und habe Planungsunsicherheit
und berufliche Perspektivlosigkeit zur Folge. Da sie die
Chance auf eine Festanstellung bei ihrem Arbeitgeber nicht
verspielen wollten, würden viele Praktikantinnen und Prak-
tikanten davon absehen, gegen arbeitsrechtliche Verstöße zu
klagen und eine angemessene Vergütung für ihre Tätigkei-
ten einzufordern.

Des Weiteren würden Praktika, die eigentlich verdeckte
Arbeitsverhältnisse darstellten, die Krise auf dem Arbeits-
markt verschärfen. Dies habe eine weitere Abnahme sozial-
versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse und
steigende Arbeitslosenzahlen zur Folge. Außerdem wüchse
der Druck auf die regulär beschäftigten Arbeitnehmer, ähn-
lich ungesicherte Arbeitsbedingungen und sinkende Vergü-
tungen hinzunehmen. Die Bundesregierung habe es bisher
versäumt, auf diese Situation angemessen zu reagieren.

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, das Angebot

– eine präzise Definition von Praktika in Abgrenzung zu
regulären Arbeitsverhältnissen,

– der Berufseinstieg nach einem abgeschlossenen Studium
darf nicht als Praktikum deklariert werden,

– Abschluss eines Praktikantenvertrages, welcher keine
Umgehung von Arbeitnehmerrechten ermöglichen darf,

– angemessene Vergütung, hierbei Orientierung in einem
anteiligen Verhältnis an einem gesetzlichen Mindest-
lohn,

– angemessene Betreuung während des Lernverhältnisses,

– kein Ersetzen von regulären Arbeitsverhältnissen,

– Ausstellung eines Zeugnisses,

– Beteiligung der Betriebsräte bei Abschluss sowie gege-
benenfalls Kündigung von Praktikumsverträgen.

Zu Nummer 2

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, dass
Praktika für junge Menschen zur Berufswahlorientierung
und Qualifizierung sowie für Praktikumsgeber als Chance,
potenzielle Nachwuchskräfte für die Beschäftigung im eige-
nen Unternehmen zu finden, von hoher Bedeutung seien.

Vermehrt würden sich Hochschulabsolventinnen und -ab-
solventen nach Abschluss ihres Studiums, mangels einer
ihrer Qualifikation entsprechenden Anstellung, auf ein oder
sogar mehrere aufeinanderfolgende gering- oder unbezahlte
Praktika einlassen, um „Lücken im Lebenslauf“ zu vermei-
den. Dies habe eine schleichende Dequalifizierung zur
Folge und verringere ihre weiteren Chancen bei der Job-
suche.

Dieses, als „Generation Praktikum“ bezeichnete, Phänomen
habe negative Auswirkungen auf den Einzelnen und die
Gesellschaft, indem sozialversicherungspflichtige Stellen
verdrängt und der Gesellschaft dadurch Steuern und Sozial-
versicherungsbeiträge entgehen würden. Dazu falle der er-
schwerte Berufseinstieg der „Generation Praktikum“ in die
„Rushhour des Lebens“, wodurch zu befürchten sei, dass
diese aufgrund ihrer geringen Lebensplanungssicherheit ge-
rade die Familiengründung verschieben oder ganz auf sie
verzichten würden. Auch die Einführung von Studiengebüh-
ren führe zu neuen Belastungen dieser Generation.

Da Deutschland für die Entwicklung zur Wissensgesell-
schaft in Zukunft deutlich mehr Akademikerinnen und Aka-
demiker als bisher brauche, müsse alles dafür getan werden,
dass die momentane Lage der Generation Praktikum keine
abschreckende Wirkung habe und junge Menschen vom Be-
Praktika zulässig sind, geregelt werden. Eine gesetzliche
Regelung müsse mindestens folgende Punkte enthalten:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit einer Reihe
von Maßnahmen dazu beizutragen, dass Perspektiven für

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/6762

die „Generation Praktikum“ geschaffen werden. Im Einzel-
nen solle die Bundesregierung dazu beitragen, dass

– Praktikantinnen und Praktikanten besser über ihre
Rechte informiert werden (insbesondere über ihre ge-
setzlichen Ansprüche auf Urlaub, Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall, einen Praktikumsvertrag und ein qualifi-
ziertes Zeugnis),

– die „Teams Akademische Berufe“ bei den örtlichen Ar-
beitsagenturen für Arbeit weiter gestärkt werden,

– gemeinsam mit den Ländern für eine verbesserte Inte-
gration von Praktika in die Studienordnungen gesorgt
wird,

– die berufliche Entwicklung von Hochschulabsolventinnen
und - absolventen in die empirische Arbeitsmarkfor-
schung aufgenommen wird,

– sich Anbieter von Praktika zu einer zeitlichen Begren-
zung der Praktikumsdauer verpflichten,

– es eine tarifliche Aufwandsentschädigung für Praktikan-
tinnen und Praktikanten gibt,

– ein unabhängiges Qualitätszertifikat „Faires Praktikum“
geschaffen wird,

– in allen Bundesbehörden faire Praktikantenbedingungen
vorliegen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Nummer 1

Die mitberatenden Ausschüsse haben jeweils mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimment-
haltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfoh-
len, den Antrag auf Drucksache 16/3349 abzulehnen.

Zu Nummer 2

Der mitberatende Ausschuss für Arbeit und Soziales
und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend haben jeweils mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen FDP und DIE LINKE. empfohlen, den Antrag
auf Drucksache 16/3544 abzulehnen.

Der mitberatende Ausschuss für Wirtschaft und Techno-
logie hat mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 16/3544 empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat die Vorlagen in seiner 40. Sitzung
am 4. Juli 2007 beraten und empfiehlt:

Zu Nummer 1

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/3349 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP

Zu Nummer 2

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/3544 mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und DIE
LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

Vonseiten der Fraktion der CDU/CSU wird den Antrag
stellenden Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN hinsichtlich des Themas „Praktikum“ eine feh-
lerhafte Sachverhaltsschilderung vorgeworfen. Die daraus
abgeleiteten Schlussfolgerungen und Forderungen an die
Bundesregierung könnten dementsprechend auch nicht rich-
tig sein. Die öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses,
die Analysen der Hochschul-Informations-System GmbH
(HIS) und eigene Erfahrungen zeigten, dass die Grundan-
nahmen der Antragsteller falsch seien. Man habe es nicht
mit einem Massenphänomen zu tun. Probleme bei Praktika
treten offensichtlich nur in einzelnen Sektoren, Fachrichtun-
gen und universitären Ausbildungsgängen auf.

Es wird auf Äußerungen vonseiten des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales (BMAS) in der öffentlichen Sitzung
des Petitionsausschusses am 26. März 2007 hingewiesen. In
Bezug auf die vorliegenden Petitionen wurde erklärt, dass
man der relativ geringen Zahl von Betroffenen einen Bären-
dienst erweisen würde, wenn man den Anliegen der Peten-
ten stattgeben würde. Es wird auf das Gütesiegel „Fair
Company“ hingewiesen, über das Bundesminister Müntefe-
ring die Schirmherrschaft übernommen habe. Es enthalte
zielführende Anregungen. Die Fraktion der CDU/CSU
weist darauf hin, dass es ein Instrumentarium, mit dem die-
jenigen, die sich betroffen fühlten, ihre Rechte gerichtlich
durchsetzen könnten, bereits gebe. Es wird dafür plädiert,
eine weitere Studie durch das BMAS abzuwarten und diese
Analysen als Grundlage einer Einschätzung eines gesetzge-
berischen Handlungsbedarfs, zum Beispiel in der Form
einer gesetzgeberischen Klarstellung, zu machen. Den vor-
liegenden Anträgen könne man vor diesem Hintergrund
nicht zustimmen.

Vonseiten der Fraktion der SPD wird einleitend auf die
HIS-Studie „Generation Praktikum – Mythos oder Massen-
phänomen?“ hingewiesen. Ein Ergebnis der Studie sei, dass
problematische Praktikumsverhältnisse kein Massenphä-
nomen seien. Dies sei von der Fraktion der SPD auch nicht
behauptet worden. Eine mediale Zuspitzung auf die Aus-
beutung von Hochschulabsolventen als Praktikanten sei
nicht beabsichtigt und auch nicht sachgerecht. Allerdings
würden vor dem Hintergrund der Ergebnisse der HIS-Studie
und der beiden Massenpetitionen durchaus Schwierigkeiten
im Zusammenhang mit Praktika gesehen, die über Einzel-
fälle hinausgingen. Es sei daher eine genaue Analyse der
tatsächlichen Verhältnisse und auch der Wirksamkeit der be-
reits bestehenden rechtlichen Möglichkeiten notwendig. Es
dürfe nicht von der Wirtschaftskonjunktur abhängen, ob
junge Leute mit einer Berufsausbildung oder einem Hoch-
schulabschluss angemessene Stellen besetzen könnten oder
die Zeit in zweifelhaften Praktikanten-Warteschleifen ver-
bringen müssten. Es sei erforderlich, auf der Basis der
Analyseergebnisse zu entscheiden, ob und wie die Situation
verbessert werden könne.

Man sehe die Gefahr, dass mit manchen Vorschlägen in den

gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimment-
haltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Anträgen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die falschen Wirkungen erzielt würden. Eine

Drucksache 16/6762 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begrenzung der Dauer von Praktika oder die Vorgabe von
Mindestlöhnen für Praktikanten könne zur Vernichtung von
Praktikumsplätzen führen und sei daher kontraproduktiv.
Für die Fraktion der SPD sei das Thema nach wie vor
aktuell, aber man brauche noch mehr Erkenntnisse über die
Studien des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und
der HIS hinaus, um zu einer Lösung der Verbesserung der
Situation von Praktikantinnen und Praktikanten vielleicht
noch im Jahr 2007 zu kommen. Daher lehne die Fraktion
der SPD die Anträge der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

Vonseiten der Fraktion der FDP wird ausgeführt, dass die
vorliegenden Anträge dem Motto folgten „Übertreiben hilft
Veranschaulichen“. Die aus den angesprochenen Analysen
abgeleiteten Schlussfolgerungen seien übertrieben und ver-
mutlich falsch in ihren Wirkungen. Es gebe im Bereich der
Praktika Regelungen und Grundlagen, wie zum Beispiel die
Definition des Praktikums durch das Bundesarbeitsgerichts
2003, die insbesondere den Vorschlägen im Antrag der
Fraktion DIE LINKE. widersprächen. Ein Praktikum im
Rahmen einer Gesamtausbildung diene vorübergehend dem
Erwerb praktischer Erkenntnisse und Erfahrungen in be-
trieblichen Abläufen und stelle keine systematische Berufs-
ausbildung dar. Die geforderte grundsätzliche Vergütung,
orientiert an Mindestlöhnen, entspreche dem Vorwurf an die
Unternehmen, aus Praktikumsplätzen reguläre Arbeitsplätze
zu machen. Die zentrale Frage sei, welchen Zweck ein Prak-
tikum für die beteiligten Studierenden, Hochschulen und
Unternehmen erfülle und ob die Praktika den wirklichen
Wert hätten, den man ihnen unterstelle.

Es wird auf Umfrageergebnisse hingewiesen, dass zum Bei-
spiel bei der Hälfte der Unternehmen in den Dienstleis-
tungsbranchen ein Praktikum kein notwendiges Einstel-
lungskriterium sei, und in anderen Branchen sei dieser An-
teil der Unternehmen, die ein Praktikum verlangten, noch
geringer. Die Fraktion der FDP sehe als Einstiegshürde eher
die Praxiserfahrungen und weniger Praktikumserfahrun-
gen. Man appelliere an die Hochschulen, zielführende Prak-
tika in einem angemessenen Zeitrahmen zu verlangen.

Es sei nicht angemessen, Studierende als erwachsene Men-
schen ständig über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.
Sie seien vielmehr aufgerufen, sich untereinander über
Unternehmen, die Praktika missbrauchten, auszutauschen.
Neue gesetzgeberische Initiativen seien nicht notwendig,
und Gütesiegel wären zwar hilfreich, aber diese gebe es be-
reits.

Aus Sicht der Fraktion der FDP liege daher die Verantwor-
tung bei den in der Praktikafrage involvierten Einrichtungen
und Personen selbst.

Vonseiten der Fraktion DIE LINKE. wird die Auffassung
vertreten, dass zunächst gesetzliche Regelungslücken vor
dem Versuch einer Koordinierung unter den Beteiligten ge-
schlossen werden müssten. Man teile die Interpretationen
der HIS-Studie nicht, dass es keine Probleme im Zusam-
menhang mit Praktika gebe. Auch wenn zurzeit nur jeder
siebte bis achte Hochschulabsolvent ein Praktikum ableiste,
zeigten die massenhafte Unterstützung der beiden öffent-

Die Antragsteller werfen der Bundesregierung und der Ko-
alition von CDU/CSU und SPD Hinhaltetaktik vor. Zu-
nächst habe man sich nicht mit der Studie der DGB-Jugend
befassen wollen, da sie unwissenschaftlich sei und habe auf
die zu erwartende HIS-Studie vertröstet. Als dann die HIS-
Studie vorgelegen habe, habe man diese als noch nicht aus-
reichend bewertet. Daher wolle man die Ergebnisse der Stu-
die des BMAS abwarten. Man wolle daher die Bundesregie-
rung nach dem Veröffentlichungstermin und dem Mehrwert
der Studie des BMAS gegenüber den vorliegenden fragen.

In der Anhörung im Petitionsausschuss sei das Qualitätssie-
gel „Fair Company“ kritisiert worden. Zu wenige Firmen
seien davon erfasst. Man erwarte auch nicht vonseiten der
Fraktion DIE LINKE., dass die Probleme alleine durch pri-
vatwirtschaftliche Initiativen gelöst werden könnten.

Der Antrag enthalte drei Forderungen, Qualitätskriterien für
Praktika während der Ausbildung einzuhalten, eine Ver-
gütung vorzusehen und missbräuchliche Praktikaangebote
für Personen mit berufsqualifizierendem Abschluss abzu-
schaffen.

Die Bundesregierung wird gefragt, wie sie den Berufsein-
stieg nach einem anerkannten Berufsabschluss definiere, ob
nicht der Anspruch bestehen sollte, nach diesem Abschluss
ein reguläres Arbeitsverhältnis anstatt eines Praktikums zu
beginnen.

Zum Zweiten wollen die Antragsteller wissen, wer die ge-
setzliche Regelungskompetenz im Hinblick auf die Gestal-
tung von Praktika habe. Man betrachte die Kompetenzfrage
analog zu den Zuständigkeiten im Rahmen des Berufsbil-
dungsgesetzes.

Zuletzt wird die Frage gestellt, ob Praktika im Bundeskanz-
leramt und den Ministerien vergütet würden.

Vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wird hervorgehoben, dass die heutige Beratung im Aus-
schuss auch der Analyse der aktuellen Situation diene. Man
sei erstaunt, wie einfach die Probleme vonseiten der Frak-
tion der CDU/CSU abgetan würden. Man sei auch vor dem
Hintergrund der Ergebnisse der HIS-Studie der Auffassung,
dass es bei der Situation vieler Praktikanten noch keinen
Grund zur Entwarnung gebe. Laut HIS-Studie dauere die
Hälfte der Praktika von Hochschulabsolventen länger als
drei Monate. Nach der Auffassung vieler Arbeitsmarkt-
experten und Gewerkschafter bestehe bei Praktika über drei
Monate durchaus die Gefahr des Abbaus regulärer Arbeits-
plätze. Man bitte um eine Stellungnahme der Bundesregie-
rung zu dieser Auffassung.

Die HIS-Studie weise darüber hinaus darauf hin, dass
34 Prozent der Hochschulabsolventen für ihr Praktikum
nicht bezahlt würden. Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN fordere keinen Mindestlohn, da es sich um Lern-
und kein Arbeitsverhältnis handele. Die Frage der Gewäh-
rung einer Aufwandsentschädigung sei Verhandlungssache
der Tarifpartner und der Firmen und Einrichtungen, die
Praktika anböten.

Eine weitere Aussage der Studie sei, dass 20 Prozent der
Praktikanten sich ausgenutzt fühlten. Die aktuelle Entspan-
nung auf dem Arbeitsmarkt schütze die Praktikanten nicht
lichen Petitionen, dass es Probleme gebe und die Notwen-
digkeit des Handelns bestehe.

vor schwarzen Schafen. Die Antragsteller sähen es als Auf-
gabe der Politik, Arbeitgeber und Gewerkschafter an, faire

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/6762

Praktikumsbedingungen zu schaffen. Es gehöre auch zur
Aufgabe der Hochschulpolitik, die Praktika angemessen in
das Studium zu integrieren. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN schlage daher eine ausgewogene Mischung von
gesetzlichen und untergesetzlichen Maßnahmen vor.

Die Anhörung im Petitionsausschuss habe Handlungsbedarf
identifiziert, und seitens des BMAS seien gesetzliche Klar-
stellungen angekündigt worden. Man kritisiere die Hin-
haltetaktik der Bundesregierung und wolle jetzt konkret von
ihr wissen, ob man im BMBF oder BMAS gesetzliche
Regelungen entwerfe, und welche Konsequenzen sie aus
der Anhörung im Petitionsausschuss zögen.

Man begrüße, wenn die Bundesregierung die Schirmherr-
schaft über „Fair Company“ übernehme. Man sei jedoch
verwundert, wenn in den Ministerien keine Aufwandsent-
schädigungen für Praktika bezahlt würden, obwohl „Fair
Company“ dies fordere.

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. wird ausgeführt,
dass man mit Teilen der Analysen übereinstimme, man aber
eine Verengung auf gesetzliche Maßnahmen ablehne und
man die Situation verschiedener Praktika-Gruppen differen-
ziert betrachten müsse. Daher wolle man sich gegenüber
dem Antrag enthalten.

Vonseiten der Bundesregierung wird deutlich gemacht,
dass man bei dem Thema „Generation Praktikum“ an der
Nahtstelle zwischen Hochschul- und Arbeitsmarktpolitik
stehe. Die zentrale Frage sei, ob es einen missbräuchlichen
Einsatz von Hochschulabsolventen als Praktikanten bei
einem Berufseinstieg gebe. Die Bundesregierung lehne
grundsätzlich jede missbräuchliche Ausnutzung von Prakti-
kanten ab. Sie habe vielfältige Maßnahmen ergriffen, um
Praktikanten über ihre Rechte zu informieren und einen
fairen Umgang mit Berufseinsteigern sicherzustellen. Eine
davon sei „Fair Company“.

Der entscheidende Punkt sei, ob es Anhaltspunkte für einen
umfangreichen Missbrauch von Hochschulabsolventen als
Praktikanten gebe. Die DGB-Studie könne aufgrund ihres
zu geringen Umfangs nicht so repräsentativ sein wie die
HIS-Studie mit 12 000 befragten Absolventen. Laut HIS-
Studie hätten 15 Prozent der Hochschul- und 12 Prozent der
Fachhochschulabsolventen ein Praktikum abgeleistet. Da-
von hätten ca. 20 Prozent die Praktika negativ beurteilt. Das
bedeute, dass nur jeder 30. oder 35. Absolvent einer Univer-
sität oder Fachhochschule sein Praktikum mit einem unbe-
friedigenden Ergebnis abgeschlossen habe. Diese Zahlen
belegten, dass es sich bei den geschilderten Problemen nicht

um ein Massenphänomen handle, das zusätzliches Handeln
erfordere. Die Bundesregierung sei der Auffassung, dass der
geltende Rechtsrahmen für eine Absicherung der Praktikan-
ten ausreichend und eine Ergänzung des Berufsbildungs-
gesetzes nicht notwendig sei. Die im Petitionsausschuss be-
handelten Beispielfälle seien durch die aktuelle Rechtslage
abgedeckt. Es liege im Ermessen der Absolventen von miss-
bräuchlichen Praktika, den Rechtsweg einzuschlagen. Es sei
allerdings notwendig, die Fragestellung auf Praktika von
Nichtakademikern auszuweiten.

Die Untersuchung des BMAS beziehe sich auf problema-
tische Praktikumsverhältnisse aller Berufseinsteiger; sie
werde voraussichtlich noch im Herbst 2007 vorgelegt. Von-
seiten der Bundesregierung werde dann auf dieser neuen
Grundlage der rechtliche Handlungsbedarf geprüft. Im Hin-
blick auf die Hochschulabsolventen sehe man zurzeit keinen
Regelungsbedarf.

Vonseiten der Bundesregierung werden Praktika im Rahmen
der Umstellungsphase auf Bachelor-Studiengänge ange-
sprochen. Hier gebe es das Problem, ein strukturiertes Stu-
dium in einem angemessenen Zeitrahmen mit Praxisphasen
und Auslandsaufenthalten zu verknüpfen. Die Bologna-Fol-
gekonferenz habe daher die Empfehlung von dreieinhalb-
bis vierjährigen Bachelor-Studiengängen ausgesprochen,
die eine Praxisintegration ermöglichen könnte. Die Bundes-
regierung stehe einem Praktikum nach Abschluss von Ba-
chelor-Studiengängen kritisch gegenüber. Man hoffe, dass
mit dem Abschluss der Einführung der gestuften Bachelor-
und Master-Studiengänge auch die in der Anhörung geäu-
ßerten Probleme gelöst worden seien.

Zur Problematik einer zu langen Dauer von Praktika und der
Gefahr, Praktika als Billiglohnarbeitsersatz zu missbrau-
chen, führt die Bundesregierung aus, dass es gerade im
naturwissenschaftlichen Bereich längere Praktika als drei
Monate gebe und längere Praktikumsphasen in Abhängig-
keit von den jeweiligen Arbeitsbereichen zu guten Ergeb-
nissen führen könnten. Eine undifferenzierte Festlegung der
Praktikumsdauer auf höchstens drei Monate halte sie für
nicht angemessen.

Man rege daher an, die Ergebnisse der Studie des BMAS,
die sich auf alle Berufseinsteiger beziehe, abzuwarten und
dann einen Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung
zu prüfen. Die HIS-Studie gebe keinen Anlass, über das be-
stehende breite Instrumentarium der Missbrauchsbekämp-
fung hinaus zu gehen.

Berlin, den 4. Juli 2007

Dorothee Bär
Berichterstatterin

Swen Schulz (Spandau)
Berichterstatter

Uwe Barth
Berichterstatter

Cornelia Hirsch
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

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