BT-Drucksache 16/6671

Abschuss von Passagierflugzeugen auf Befehl des Bundesministers der Verteidigung

Vom 10. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6671
16. Wahlperiode 10. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Wolfgang Gehrcke,
Inge Höger, Ulla Jelpke, Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Ulrich und der Fraktion
DIE LINKE.

Abschuss von Passagierflugzeugen auf Befehl des Bundesministers
der Verteidigung

Mit seinem Urteil vom 15. Februar 2006 hat das Bundesverfassungsgericht un-
missverständlich klargestellt, dass der Abschuss eines entführten Luftfahrzeugs
durch die Bundeswehr mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Das Grundgesetz
erlaube es nicht, die Bundeswehr „bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen
und besonders schweren Unglücksfällen mit spezifisch militärischen Waffen“
einzusetzen. Wären gar tatunbeteiligte Menschen durch einen Abschuss eines
Luftfahrzeugs betroffen, läge zudem ein Verstoß gegen das Recht auf Leben
in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Artikels 1 Abs. 1 GG vor.
Trotzdem hat der Bundesminister für Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung,
wiederholt seine Bereitschaft angekündigt, den Befehl für den Abschuss eines
entführten Passagierflugzeugs zu geben und damit gegen grundgesetzliche Nor-
men zu handeln.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Treffen die Medienberichte zu, dass Verteidigungsminister Dr. Franz Josef
Jung den zuständigen Dienststellen Anweisung gegeben hat, nach Piloten zu
suchen, die sich verpflichten, im Ernstfall auf Befehl des Vorgesetzten bzw.
des Verteidigungsministers ein entführtes Passagierflugzeug abzuschießen?

2. Wenn ja, welche Dienststellen waren an der Identifikation geeigneter Piloten
beteiligt und auf welcher Befehls- und Rechtsgrundlage handelten sie bei ih-
rer Mithilfe bei der Suche nach Piloten, die den Befehl eines Vorgesetzten
über das Grundgesetz stellen?

3. Trifft es zu, dass bereits vor oder während der Fußballweltmeisterschaft ge-
währleistet wurde, dass den Alarmrotten Piloten zugeteilt wurden, die bereit
gewesen wären auf Befehl ein Passagierflugzeug abzuschießen?

4. Wenn ja, wer hat dies wann veranlasst?

5. Wie viele Piloten in den Alarmrotten haben ihren Vorgesetzten bzw. dem Ver-

teidigungsminister eine direkte Zusicherung gegeben, im Ernstfall dem Be-
fehl für den Abschuss eines Passagierflugzeuges zu befolgen und wie erfolg-
te diese Zusage?

Drucksache 16/6671 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Konsequenzen einer solchen Maß-
nahme für das Arbeitsklima und den dienstlichen Umgang der Piloten un-
tereinander, und wie wird eine Benachteiligung der Piloten, die nicht bereit
sind, eine solche Zusicherung zu geben, ausgeschlossen?

7. Welche Konsequenzen wurden vom Bundesminister der Verteidigung aus
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 hinsicht-
lich der militärischen, politischen und rechtlichen Schulung der Piloten ge-
zogen, insbesondere bei denen der Alarmrotten?

8. Wer entscheidet über die Zusammensetzung der Piloten der Alarmrotten?

9. In welchem Turnus werden die Piloten der Alarmrotten ausgetauscht?

10. Welche dienstrechtlichen Konsequenzen hat die Ankündigung bzw. schrift-
liche Zusicherung eines Piloten, im Ernstfall den Befehl seines Vorgesetzten
zu befolgen obwohl dieser verfassungswidrig ist?

11. Welche dienst- und strafrechtlichen Konsequenzen könnte die tatsächliche
Befolgung des Befehls zum Abschuss eines entführten Passagierflugzeuges
für den bzw. die Piloten haben?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die möglichen Konsequenzen der An-
kündigung des Verteidigungsministers, das Grundgesetz zu missachten, für
die zukünftige Vermittlung der Grundwerte des Prinzips der Inneren Füh-
rung an die Soldaten?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Entführung eines Passa-
gierflugzeugs unter bestimmten Umständen eine „Gefahr oder Gefährdung
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ (Verteidigungsminister
Jung gegenüber dem Magazin Focus am 17. September 2007) darstellt, und
wenn ja,

a) mit welcher Begründung?

b) welche Szenarien legt die Bundesregierung dieser Auffassung zu
Grunde?

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Entführung eines Passa-
gierflugzeugs unter bestimmten Umständen einen militärischen Angriff auf
die Bundesrepublik Deutschland darstellt, und wenn ja,

a) in welchen Fällen und unter welchen Bedingungen?

b) welche Dienstanweisungen, Dienstvorschriften oder Belehrungen exis-
tieren hierzu?

Berlin, den 10. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.