BT-Drucksache 16/6509

Umsetzung der in der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes enthaltenen Regelungen zur angemessenen Berücksichtigung von Frauen in klinischen Arzneimittelprüfungen

Vom 21. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6509
16. Wahlperiode 21. 09. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Harald Terpe, Irmingard
Schewe-Gerigk und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung der in der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes enthaltenen
Regelungen zur angemessenen Berücksichtigung von Frauen in klinischen
Arzneimittelprüfungen

Im Jahr 2004 wurde bei der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) unter
anderem der § 42 AMG (Verfahren bei der Ethik-Kommission, Genehmigungs-
verfahren bei der Bundesoberbehörde) verändert. Zielsetzung war, Frauen künf-
tig angemessen bei klinischen Arzneimittelprüfungen zu berücksichtigen. Es
sollte dem Missstand abgeholfen werden, dass Arzneimittelstudien (z. B. zur
Zulassung von Medikamenten) bis dahin überwiegend an Männern durchgeführt
wurden. Dadurch blieb unberücksichtigt, dass Frauen und Männer unterschied-
lich auf Medikamente ansprechen bzw. diese verstoffwechseln. Ziel war und ist,
durch eine ausreichende Zahl von Probandinnen eine geschlechtsspezifische
Auswertung vornehmen zu können. Darauf basierend sollte – wenn notwen-
dig – zukünftig bei der Medikamentenanwendung eine nach Geschlecht diffe-
rierende Dosierung bzw. Therapieüberwachung erfolgen.

§ 42 AMG sieht u. a. vor, dass

● die zuständige Ethik-Kommission die zustimmende Bewertung sowie die zu-
ständige Bundesoberbehörde die Genehmigung unter anderem versagen darf,
wenn „ … die klinische Prüfung ungeeignet ist, den Nachweis der Unbedenk-
lichkeit oder Wirksamkeit eines Arzneimittels einschließlich einer unter-
schiedlichen Wirkungsweise bei Frauen und Männern zu erbringen“ (§ 42
Abs. 1 Satz 7 Nr. 2 sowie § 42 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 AMG),

● das Bundesministerium mit Zustimmung des Bundesrates ermächtigt wird, in
einer Rechtsverordnung Regelungen zu erlassen, die unter anderem „die Auf-
gaben der und das Verfahren bei Ethik-Kommissionen einschließlich der ein-
zureichenden Unterlagen, auch mit Angaben zur angemessenen Beteiligung
von Frauen und Männern als Prüfungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilneh-
mer …“ sowie „die Aufgaben der zuständigen Behörden und das behördliche
Genehmigungsverfahren einschließlich der einzureichenden Unterlagen,
auch mit Angaben zur angemessenen Beteiligung von Frauen und Männern
als Prüfungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilnehmer …“ festlegen (§ 42

Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 AMG).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wann hat das Bundesministerium für Gesundheit (früher: und Soziale
Sicherung) die Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen
Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln

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zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung – GCP-V) den Anforde-
rungen der 12. Novelle des AMG angepasst?

b) Welche Konkretisierungen wurden darin zur Sicherstellung einer ange-
messenen Berücksichtigung von Frauen bei klinischen Studien vorgenom-
men?

c) Inwieweit besteht die Rechtspflicht, in den Anträgen für klinische Prüfun-
gen darzulegen, ob bzw. welche geschlechtsspezifischen Auswertungen
vorgesehen sind, und ob die Sponsorinnen und Sponsoren sowie Prüferin-
nen und Prüfer (z. B. aufgrund von bekannten geschlechtsspezifischen
Unterschieden dieses bzw. verwandter Medikamente) geschlechtsspezifi-
sche Unterschiede erwarten?

2. a) Wie definiert die zuständige Bundesoberbehörde die Angemessenheit der
Beteiligung von Frauen, und welche Kriterien wurden hierzu entwickelt?

b) Hat die zuständige Bundesoberbehörde Kriterien entwickelt, unter wel-
chen Bedingungen sie dazu auffordert, eine geschlechtsspezifische Aus-
wertung vorzunehmen?

c) Gibt es zwischen den Ethik-Kommissionen Verabredungen, wie diese die
Angemessenheit der Beteiligung von Frauen definieren, und falls ja, wie
lauten diese?

d) Gibt es zwischen den Ethik-Kommissionen Verabredungen, welche Krite-
rien bei der Bewertung der Anträge zur angemessenen Beteiligung von
Frauen herangezogen werden, und falls ja, wie lauten diese?

e) Falls jede Ethik-Kommission die Angemessenheit der Beteiligung von
Frauen selbst definiert: Wie viele Ethik-Kommission haben hierzu Festle-
gungen getroffen, und wie lauten diese exemplarisch?

f) Gibt es zwischen den Ethik-Kommissionen Verabredungen, wann eine ge-
schlechtsspezifische Auswertung der Studien zu empfehlen ist, und falls
ja, wie lauten diese?

g) Falls jede Ethik-Kommission selbst entscheidet, in welchen Fällen sie eine
geschlechtsspezifische Auswertung der Studien empfiehlt, wie viele
Ethik-Kommissionen haben hierzu Festlegungen getroffen, und wie lau-
ten diese exemplarisch?

3. Gibt es in der zuständigen Bundesoberbehörde und den Ethik-Kommissionen
Personen, die für die Bewertung der Angemessenheit der Repräsentanz von
Frauen als Probandinnen spezielle Kompetenzen mitbringen?

Falls ja, welche sind dies?

4. a) Wie viele Anträge zur Bewertung bzw. Genehmigung lagen den Ethik-
Kommissionen bzw. der zuständigen Bundesoberbehörde seit der entspre-
chenden Anpassung der GCP-V vor?

b) Bei wie vielen dieser Anträge waren keine Frauen als Probandinnen vor-
gesehen, und was waren die häufigsten Begründungen für ihren Aus-
schluss?

c) Bei wie vielen dieser Anträge wurde von Seiten der Antragstellerinnen
und Antragsteller dargestellt, welcher Anteil von Frauen als Probandinnen
mindestens gewonnen werden müsse, um von einer angemessenen Reprä-
sentanz zu sprechen?
Wie verteilen sich diese Angaben auf die Angaben bis 30 Prozent, 30 bis
50 Prozent, mehr als 50 Prozent?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6509

d) Bei wie vielen dieser Anträge war von Seiten der Antragstellerinnen und
Antragsteller eine vordefinierte Mindestbeteiligung von Frauen vorgese-
hen?

5. Bei wie vielen dieser Anträge wurde von der zuständigen Ethik-Kommission
bzw. der zuständigen Bundesoberbehörde der vorgesehene Frauenanteil an
Probandinnen als nicht angemessen angesehen und eine Korrektur erwartet?

6. Bei wie vielen dieser Anträge waren im Studiendesign geschlechtsspezifi-
sche Auswertungen der (Neben-)Wirkungen vorgesehen?

7. Bei wie vielen dieser Anträge wurde von der zuständigen Ethik-Kommission
bzw. der zuständigen Bundesoberbehörde im Studiendesign eine geschlechts-
spezifische Auswertung der (Neben-)Wirkungen als notwendig erachtet und
ergänzend vorgeschlagen?

In wie vielen Fällen wurden diese Vorschläge aufgegriffen?

8. a) Liegen der Bundesoberbehörde in Zulassungsverfahren bereits Studien-
ergebnisse vor, die nach der hier angefragten Veränderung der GCP-V be-
antragt wurden?

Falls ja, in welchem Umfang?

b) Wie verteilt sich in diesen Studien (getrennt nach Phase I, II und III) der
tatsächliche Anteil von Frauen an allen Probandinnen und Probanden (un-
terteilt nach keine, bis 15 Prozent, 15 bis 30 Prozent, 30 bis 50 Prozent,
über 50 Prozent)?

c) In wie vielen Studien wurde eine geschlechtsspezifische Auswertung vor-
genommen?

d) In wie vielen Fällen führte diese geschlechtsspezifische Auswertung zu
unterschiedlichen Empfehlungen (Indikationen und Dosis)?

e) In wie vielen Studien ohne geschlechtsspezifische Auswertung wäre, nach
der Einschätzung der zuständigen Zulassungsbehörde, aufgrund von Hin-
weisen auf z. B. eine unterschiedliche Metabolisierung von Frauen und
Männern eine geschlechtsspezifische Auswertung sinnvoll gewesen?

9. a) Geht die Bundesregierung davon aus, dass die vorgenommenen Verände-
rungen im AMG und der GCP-V zu einer höheren und angemessenen Be-
teiligung von Frauen in klinischen Prüfungen geführt hat?

Falls nein, welche nationalen und europäischen Maßnahmen ergreift sie,
um dies zu verändern?

b) Plant die Bundesregierung, in der GCP-V für geschlechtssensible Arznei-
mittelgruppen oder generell eine Mindestbeteiligung von Frauen (z. B. je
nach geschlechtsspezifischer Prävalenz der Erkrankung) vorzuschreiben,
von der nur mit einer expliziten pharmakologischen Begründung, dass
keine geschlechtsspezifische Unterschiede zu erwarten sind, abgewichen
werden kann?

c) Plant die Bundesregierung, sich auf der europäischen Ebene dafür einzu-
setzen, dass bei klinischen Studien eine Mindestbeteiligung von Frauen an
klinischen Studien (mit einem geregelten Verfahren für wissenschaftlich
begründete Abweichungen) vorgeschrieben wird?

d) Geht die Bundesregierung davon aus, dass die vorgenommenen Verände-
rungen im AMG und der GCP-V dazu geführt haben, dass häufiger als bis-

her geschlechtsspezifische Auswertungen in klinischen Studien vorge-
nommen wurden?

Drucksache 16/6509 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Falls nein, welche nationalen und europäischen Maßnahmen ergreift sie,
um dies zu verändern?

e) Plant die Bundesregierung, sich auf der europäischen Ebene dafür einzu-
setzen, dass bei klinischen Studien eine geschlechtsspezifische Auswer-
tung von (Neben-)Wirkungen (mit einem geregelten Verfahren für wissen-
schaftlich begründete Abweichungen) vorgeschrieben wird?

Berlin, den 21. September 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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