BT-Drucksache 16/6359

Zusammenarbeit von deutschen Ausländerbehörden mit Sicherheitskräften aus Guinea

Vom 12. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6359
16. Wahlperiode 12. 09. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen und der Fraktion DIE LINKE.

Zusammenarbeit von deutschen Ausländerbehörden mit Sicherheitskräften aus
Guinea

Vom 17. Juli bis 3. August 2007 hielt sich eine Delegation von Vertretern des
Außen- und des Sicherheitsministeriums aus dem westafrikanischen Guinea in
der Ausländerbehörde Braunschweig auf, um im Auftrag deutscher Behörden
bei einer Sammelanhörung afrikanische Flüchtlinge zu identifizieren und ihnen
Papiere für eine Abschiebung auszustellen (http://www.guineenews.org/artiles/
article.asp?num=200772121830).

Solche Delegationen waren 2005 bereits zweimal in der Hamburger sowie 2006
in der Dortmunder Ausländerbehörde tätig.

Laut Aussage des Leiters der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Dortmund
Friedhelm Weller entscheidet die Delegation „aufgrund der Aussprache und der
Gesichtsform“ über die guinesische Staatsangehörigkeit (DIE WELT, 7. April
2006, „Es gilt das Recht Guineas“). Die Räume der Ausländerbehörde, in denen
die afrikanischen Flüchtlinge befragt werden, würden dabei „quasi exterritoria-
les Gebiet“, so ZAB-Chef Weller. Bei der Befragung gelte das Recht Guineas.

Neben den fragwürdigen Methoden der Identitätsfeststellung gilt die Kritik von
Flüchtlingshilfsorganisationen der Befürchtung, dass Beamte aus einem Folter-
staat nach Deutschland kommen können, um sich hier potentielle Folteropfer
auszusuchen (DIE WELT, a. a. O.).

Das seit 1984 diktatorisch von General Lasana Conté als Präsident regierte
Guinea ist eines der ärmsten Länder der Welt mit weit verbreiteter Korruption.
Menschenrechtsorganisationen sprechen von routinemäßiger Anwendung von
Folter und Misshandlungen im Polizeigewahrsam und exzessiver Gewaltanwen-
dung der Sicherheitskräfte beim Vorgehen gegen Demonstranten. Nach Anga-
ben von Amnesty International wurden 130 Personen, darunter auch Klein-
kinder, allein im Januar und Februar 2007 von den Sicherheitskräften getötet
und über 1500 verletzt (http://www.asyl.net/Laenderinfo/Guinea.html).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus Guinea haben in den

letzten 10 Jahren Asyl in Deutschland beantragt (bitte jeweils, d. h. auch im
Folgenden, nach Jahren differenzieren)?

a) Wie viele von ihnen haben Asyl erhalten oder wurden als Flüchtlinge im
Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt?
Drucksache 16/6359 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

b) Bei wie vielen von ihnen wurden Abschiebungshindernisse festgestellt,
wie viele erhielten deswegen eine Duldung bzw. eine Aufenthaltserlaub-
nis?

c) Wie viele Personen, denen eine guineische Staatsangehörigkeit unterstellt
oder nachgewiesen wurde, wurden in andere Länder als Guinea (welche?)
abgeschoben?

d) In wie vielen Fällen wurde eine Abschiebung durch die vorangegangene
Identitätsfeststellung durch eine guineische Delegation ermöglicht?

2. Inwieweit war das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland über
Hintergründe, Zusammensetzung und Ziel der Delegationen aus Guinea im
Juli 2007 unterrichtet und an deren Zustandekommen beteiligt?

3. Inwiefern wird das Verfahren der Identifizierung „aufgrund der Aussprache
und der Gesichtsform“ vor dem Hintergrund der praktischen Erfahrungen des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), insbesondere mit
Sprachanalysen, für zuverlässig erachtet?

4. Wer genau gehörte der letzten Delegation aus Guinea an, und welche Er-
kenntnisse hat die Bundesregierung über Verwicklungen von Delegations-
teilnehmern oder den durch sie vertretenen staatlichen Institutionen in Men-
schenrechtsverletzungen oder sonstige Straftaten?

5. Welche weiteren Vorführungen/Anhörungen mutmaßlich guineischer, kame-
runischer und togoischer Staatsangehöriger haben 2007 nach Kenntnis der
Bundesregierung wo stattgefunden?

Wie weit sind Planungen gediehen, die bei diesen Vorführungen Identifizier-
ten gesammelt abzuschieben?

6. Welche Legitimation hatte die Delegation in der Ausländerbehörde Braun-
schweig vom 17. Juli bis 3. August 2007 angesichts der Tatsache, dass der in
einer Verbalnote an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Guinea
angekündigte Delegationsleiter, der Directeur National des affaires juridi-
ques et consulaire des Außenministeriums, Ousmane Diao Balde, nie in
Braunschweig eintraf und der guineische Außenminister jede Beteiligung am
Zustandekommen der Delegation bestritt?

a) Von welcher Stelle oder welcher Behörde in Guinea wurde die Verbalnote
an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland übermittelt, bzw. wer
unterzeichnete die „ordre de mission“ für die Delegationsmitglieder der
Delegation nach Braunschweig vom 17. Juli bis 3. August 2007?

b) Wodurch wurde die Anreise des in einer Verbalnote des guineischen Au-
ßenministeriums vom 16. Juli 2007 angekündigten Directeur National des
affaires juridiques et consulaire des Außenministeriums, Ousmane Diao
Balde, als Delegationsleiter nach Braunschweig verhindert?

7. Wie ist allgemein sichergestellt, dass Mitglieder von Delegationen, insbeson-
dere aus armen Ländern wie Guinea, das von Transparency International als
eines der korruptesten der Welt eingeschätzt wird, nicht im eigenen finanzi-
ellen Interesse handeln?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zum Stand der Ermittlungen we-
gen Schleusertätigkeiten gegen den guineischen Delegationsleiter N’F. K.,
der vom 20. bis 31. März in der zentralen Ausländerbehörde Dortmund zur
Identifizierung vermeintlicher Guineer war?

a) Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung für zukünftige Delegatio-
nen aus den Schleuservorwürfen gegen N’F. K. gezogen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6359

b) Sind der Bundesregierung weitere Fälle bekannt, in denen ausländische
Delegationsmitglieder zu Vorführungen bei Ausländerbehörden in
Schleuseraktivitäten verwickelt waren?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Menschenrechtslage in Guinea gene-
rell?

a) Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen nach Guinea abge-
schobene Flüchtlinge Repressalien durch die dortigen Sicherheitskräfte
ausgesetzt waren, und wenn ja, welche?

b) Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass nach Guinea ab-
geschobene Flüchtlinge nicht festgenommen und gefoltert werden?

10. Inwieweit gab oder gibt es Bemühungen, mit Guinea ein Rückübernahme-
abkommen für (eigene oder fremde) Staatsangehörige zu schließen, wie
weit sind diese Bemühungen gegebenenfalls gediehen, und enthält das ggf.
geplante Rückübernahmeabkommen Garantien der guineischen Seite be-
treffend den Umgang mit Rückgeschobenen?

11. Gibt es darüber hinaus Bemühungen, auch mit anderen subsaharischen
Staaten über Rückübernahmeabkommen zu verhandeln, wenn ja, mit wel-
chen (bitte auch EU-Ebene in die Beantwortung miteinbeziehen)?

Berlin, den 12. September 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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