BT-Drucksache 16/6280

Zusammenarbeit deutscher und US-Behörden im Irak

Vom 27. August 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6280
16. Wahlperiode 27. 08. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Inge Höger, Jan Korte, Monika
Knoche, Kersten Naumann, Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE.

Zusammenarbeit deutscher und US-Behörden im Irak

Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r

Ein in Deutschland studierender Iraker wurde in Bagdad willkürlich verhaftet
und monatelang unter Folter verhört. Dies wäre ein Schicksal unter Zehntausen-
den im besetzten Irak, wenn nicht die von der Tageszeitung „junge Welt“
geschilderten Umstände auf eine mögliche Verwicklung deutscher Behörden
und Geheimdienste hindeuten würden (http://www.jungewelt.de/2007/07-14/
008.php).

Nach Angaben der „jungen Welt“ fuhr der 29-jährige Abdul-Hameed Al Obaidi
im Januar 2006 zu Verwandtenbesuchen nach Bagdad. Nach einer Schießerei
auf dem Al-Tahrir-Platz im Stadtzentrum wurde er mit weiteren unbeteiligten
Passanten von irakischen Soldaten verhaftet und nach eigenen Aussagen drei
Wochen lang gefoltert. Anschließend wurde er in ein anderes Gefängnis verlegt
und dort im Verhör von einem Angehörigen der US-Armee beschuldigt, an
einem Anschlag auf eine Brücke beteiligt gewesen zu sein. Ein- und Ausreise-
stempel seines Passes beweisen jedoch, dass Al Obaidi zum Zeitpunkt des An-
schlages in Deutschland war. Al Obaidi gab gegenüber „junge Welt“ an, bei ei-
nem weiteren Verhör von zwei offensichtlichen deutschen Muttersprachlern
verhört worden zu sein, die blaugefleckte US-Tarnuniformen ohne die üblichen
Namensschilder trugen. Die Ermittler hatten eine Kopie von Al Obaidis deut-
schem Führungszeugnis, in welchem der Generalbundesanwalt beim Bundesge-
richtshof bestätigte, dass keine Eintragung vorliege. Dennoch wurde Al Obaidi
noch wochenlang regelmäßig von der US-Army bei verbundenen Augen verhört
und dabei direkt neben seinem linken Ohr von einem Lautsprecher dauerbe-
schallt. Im Entlassungsschreiben des US-Verteidigungsministeriums heißt es,
dass Al-Abaidi vom 19. Mai bis zum 1. Juni 2006 „wegen verdächtiger Aktivi-
täten“ inhaftiert war und „entlassen wurde, nachdem eine Untersuchung seine
Unschuld ergeben hatte.“ Sowohl die Haftzeit bei der irakischen Armee als auch
die weitere Haft nach den US-Verhören, die nach seinen Angaben bis September
2006 dauerte, wurden nicht erwähnt. Aufgrund seiner Haft konnte Al Obaidi
sein Studentenvisum in Deutschland nicht rechtzeitig verlängern und verlor sei-
ne Aufenthaltsgenehmigung. Ein ärztliches Attest des Krankenhauses im spani-

schen Gijon bestätigte ihm eine traumatische Hörstörung durch „Überlautstärke
in großer Intensität während zweier Monate im Jahr 2006“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Festnahme von Ab-
dul-Hameed Al Obaidi im Jahr 2006 im Irak?

Drucksache 16/6280 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
a) Ab welchem Zeitpunkt und durch wen wurden deutsche Behörden über
die Inhaftierung von Al Obaidi informiert?

b) Welche Reaktionen erfolgten von deutschen Behörden auf die Nachricht
von Al Obaidis Inhaftierung?

2. Waren nach Kenntnis der Bundesregierung Angehörige einer deutschen Be-
hörde am Verhör von Al Obaidi beteiligt?

a) Wenn ja, welcher Behörde gehörten die Ermittler an?

b) Wenn ja, mit welchem Auftrag waren die deutschen Ermittler im Irak tätig?

c) Wenn ja, mit welchem Ziel beteiligten sie sich an dem Verhör?

d) Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgte das Verhör?

3. Wieweit ist es nach Meinung der Bundesregierung zulässig, dass sich Ange-
hörige einer deutschen Behörde an Verhören von Terrorverdächtigen im Aus-
land beteiligen, wenn der Verdacht auf Folter oder Misshandlung des Verhör-
ten besteht?

4. Inwieweit und auf welcher rechtlichen Grundlage ist es nach Kenntnis der
Bundesregierung üblich, dass Führungszeugnisse oder sonstige Informatio-
nen über in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer oder Bun-
desbürgerinnen und Bundesbürger den Besatzungsbehörden im Irak oder den
irakischen Behörden zur Verfügung gestellt werden?

5. Mit welcher Begründung wurde eine erneute Visumvergabe für Al Obaidi ab-
gelehnt?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Weigerung deutscher Behörden, Al
Obaidi erneut ein Studentenvisum oder ein Touristenvisum zu erteilen, ob-
wohl sein bisheriges Studentenvisum aufgrund seiner Haft ohne eigenes Ver-
schulden nicht verlängert werden konnte?

7. Inwieweit hätte sich Al Obdaidi auf die Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts berufen können, wonach auch im Zusammenhang des § 51
Abs. 1 Nr. 7 AufenthG (Erlöschen des Aufenthaltstitels nach sechsmonati-
gem Auslandsaufenthalt) „Fristversäumnisse im Ausnahmefall dann nicht
anspruchsausschließend oder rechtsvernichtend sind, wenn die Säumnis auf
höherer Gewalt beruhte“ (Evaluationsbericht des Bundesministeriums des
Innern zum Zuwanderungsgesetz vom Juli 2006, S. 123, m. w. N.)?

8. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, dass Al Obaidi sein ohne
eigenes Verschulden ausgelaufenes Studentenvisum erneuert bekommt und
sein Studium an einer Hochschule in Deutschland fortsetzen kann?

Berlin, den 27. August 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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