BT-Drucksache 16/6215

Leistungen der Bundeswehr im Innern anlässlich des G8-Gipfels (Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 16/5148)

Vom 6. August 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6215
16. Wahlperiode 06. 08. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel,
Inge Höger, Monika Knoche, Jan Korte und der Fraktion DIE LINKE.

Leistungen der Bundeswehr im Innern anlässlich des G8-Gipfels
(Nachfrage zur Bundestagsdrucksache 16/5148)

Umfang und Qualität des Bundeswehreinsatzes zum G8-Gipfel unterliegen wei-
terhin einer starken öffentlichen Kritik. Dass Tornados der Luftwaffe mit der
Überwachung von Protestcamps beauftragt, Spähpanzer der Bundeswehr zur
Kontrolle etwaiger „verdächtiger“ Bewegungen an strategisch wichtigen Punk-
ten stationiert waren und Polizeikräfte von Bundeswehrfahrzeugen transportiert
worden sind, wird vielfach als verfassungswidrig eingeschätzt. Starke Kritik
gibt es auch an der Informationspolitik der Bundesregierung. So hat die Bundes-
regierung trotz mehrerer parlamentarischer Anfragen nach dem Umfang des
Bundeswehreinsatzes den Einsatz von Tornados erst zugegeben, nachdem ent-
sprechende Presseberichte erschienen waren.

Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Einsatz der Bundes-
wehr im Inneren anlässlich des G8-Gipfels“ vom 11. Juli 2007 (Bundestags-
drucksache 16/6046) wird von den Fragestellern für völlig ungenügend gehal-
ten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Zu welchem Zeitpunkt wurden Amtshilfeanträge anderer Behörden an das
Bundesministerium der Verteidigung oder nachgeordnete Dienststellen der
Bundeswehr gestellt?

a) Was war jeweils der Wortlaut des Amtshilfeersuchens?

b) Mit welchen sachlichen Erfordernissen wurde das Ersuchen begründet,
und was wurde als Zweck der von der Bundeswehr angeforderten Leistun-
gen angegeben (bitte detailliert erläutern)?

c) Enthielten die Amtshilfeersuchen jeweils genau angegebene Einsatzzah-
len und konkret beschriebene Gerätschaften/Fähigkeiten/Materialien, und
wenn ja, hat die Bundeswehr vor Endredaktion der Amtshilfeersuchen
entsprechende Hinweise über die vorhandenen Potentiale gegeben?

d) Wer hat zu welchem Zeitpunkt darüber entschieden, in welcher konkreten

Form den jeweils bewilligten Amtshilfeersuchen stattgegeben werden soll
(bitte nach den einzelnen Amtshilfeersuchen aufgliedern und militärische
Abkürzungen ggf. erläutern)?

e) Welchen konkreten Amtshilfeersuchen lassen sich die auf Bundestags-
drucksache 16/6046 in Anlage 2 aufgeführten Verwendungen von Trup-

Drucksache 16/6215 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

penteilen jeweils zuordnen und wie wurde der zur „Eigensicherung“ erfor-
derliche Bedarf von der Bundeswehr begründet?

2. Wie wurden die Amtshilfeverfahren vorbereitet?

a) Welche Vorab-Anfragen, informellen Gesuche, Gespräche und andere
Vorbereitungen gingen den formellen Amtshilfeersuchen voraus?

b) Wer hat wann vor dem jeweiligen Amtshilfeersuchen die polizeilichen
Ressourcen (in Bund und Ländern) ermittelt?

c) Wann wurde jeweils über die Kostenfrage, d. h. Kostenübernahme und
Kostenumfang entschieden?

d) Haben die ersuchenden Behörden sich vor Fertigstellung des Amtshilfe-
ersuchens bei der Bundesregierung oder der Bundeswehr erkundigt, wel-
che Kapazitäten ggf. zur Verfügung stünden (bitte erläutern)?

e) Hat die Bundeswehr vor Fertigstellung eines Amtshilfeersuchens signali-
siert, dass diesem nicht stattgegeben werden könne (bitte ggf. den Inhalt
des beabsichtigten Ersuchens und die Gründe angeben, die zu einer Ab-
lehnung geführt hätten)?

f) Hat die Bundesregierung die Behörden des Landes Mecklenburg-Vor-
pommern oder andere Behörden von sich aus auf Möglichkeiten des Bun-
deswehreinsatzes aufmerksam gemacht, und wenn ja,

– bei welcher Gelegenheit,

– zu welchem Zweck,

– welche Formen des Militäreinsatzes wurden dabei angeregt,

– wie haben die Behörden darauf reagiert?

3. Wer hat zu welchem Zeitpunkt eine verfassungsrechtliche Prüfung der Amts-
hilfeersuchen vorgenommen?

a) Wer, bzw. welche Instanz bei der Bundeswehr ist befugt, Amtshilfeersu-
chen zu bescheiden, und wie ist diese Befugnis nach Umfang und Qualität
des Ersuchens hierarchisiert, d. h. welche Instanz kann welche Ersuchen
entscheiden?

b) Wer, bzw. welche Instanz der Polizei und des Landes Mecklenburg-Vor-
pommern konnte im Falle der Einsätze rund um den G8-Gipfel welche
Amtshilfeersuchen nach welchen militärischen Fahrzeugen, Gerätschaf-
ten, Ausrüstungsgegenständen und Fähigkeiten stellen?

4. Inwiefern entspricht es den bisherigen Gepflogenheiten bei Gewährung
von Amtshilfe, dass nach deren allgemeiner Bewilligung (hier der Anfor-
derung von „Aufklärung“) die Ausgestaltung der konkreten Einsätze „den
Fachleuten überlassen“ wird (Innenminister von Mecklenburg-Vorpom-
mern Lorenz Caffier laut NDR Online-Nachrichten am 23. Juli 2007) wie
im Falle der mindestens fünf nicht vom Verteidigungsminister gebilligten
Tornadomissionen, d. h. mindestens zehn Flügen?

5. Auf welcher Rechtsgrundlage kommen „Eurofighter“ und „Phantom“ „im-
mer“ (Spiegel-Online 3. Juli 2007) bei Staatsbesuchen zum Einsatz, und wer
fordert sie in welchem Umfang jeweils an?

Wer hat die vier „Eurofighter“ und acht „Phantom“ wann im Falle des G8-
Gipfels angefordert, und wer hat den konkreten Umfang und Einsatz bewil-
ligt?

6. Warum wurde das Amtshilfeersuchen der Stadt Schwerin zur sanitäts-

dienstlichen Unterstützung durch drei Krankenkraftwagen während einer
Demonstration am 2. Juni in Schwerin abgelehnt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6215

a) Um welche Demonstration handelte es sich dabei?

b) Wann wurde das Amtshilfeersuchen gestellt, wann wurde es abgelehnt?

c) Lagen der Ablehnung praktische Gründe oder rechtliche Einschätzungen
zu Grunde (bitte erläutern)?

7. Welche Behörden bzw. Einrichtungen abgesehen von der BAO Kavala
haben den Auftrag zur Fertigung weiterer Luftbilder außer den Aufnahmen
von den Camps Reddelich und Wichmannsdorf erteilt oder waren an der Be-
auftragung beteiligt?

8. Mit welchem Wortlaut hat welcher Angehörige der BAO Kavala im April
2007, der Tornado-Überwachung bestimmter Areale die oberste Priorität
gegeben, und welche Areale waren damit gemeint?

9. Wer hat an der Besprechung am 8. Mai 2007 teilgenommen, auf der
Strecken markiert wurden, die der zweithöchsten Prioritätsstufe zugeordnet
wurden und um welche Strecken handelte es sich dabei?

10. Warum enthalten zahlreiche der an die BAO Kavala übermittelten Tornado-
Bilder Bildunterschriften wie „Kleintransporter in unüblicher Parkposi-
tion“, „Gehöft mit möglichem Blockadematerial“, „mögliche Baumateria-
lien“, die offenkundig nichts mit dem behaupteten Auftrag („Erkennung
möglicher Erddepots sowie die Erfassung von Manipulationen an wichtigen
Straßenzügen“) zu tun haben, da parkende Autos weder ein Erddepot noch
eine Bodenmanipulation darstellen?

a) Wer hat diese Bildunterschriften auf wessen Anforderung hin erstellt?

b) Wann wurden diese Bildunterschriften erstellt (bitte erläutern, welche
Änderungen zu welchem Zeitpunkt vorgenommen worden sind)?

11. Wie viele Airborne Warning and Control System (AWACS)-Flugzeuge
waren im Einsatz?

a) Wie viele Soldaten jeweils welcher Armee sind hierbei eingesetzt wor-
den?

b) Wie viele Flugstunden haben die AWACS-Flugzeuge in Zusammenhang
mit dem Gipfel absolviert?

c) Wer hat um den Einsatz der AWACS gebeten, zu welchem Zeitpunkt und
wer hat hierüber auf welchem Entscheidungsweg zu welchem Zeitpunkt
entschieden?

12. Warum wurden am 5. Juni 2007 bis zu 100 Polizisten durch V-Boote der
Marine transportiert?

Warum sind ausweislich der Liste der Amtshilfeersuchen diese Transporte
nicht vorab beantragt worden, auf wessen Anfrage und Veranlassung, und
auf welcher Rechtsgrundlage wurden sie durchgeführt?

13. Woher nimmt die Bundesregierung die Gewissheit, dass die Transporte
„nicht im Zusammenhang mit einem unmittelbaren polizeilichen Einsatz“
gestanden haben, wo sie doch sonst auf Fragen zu Polizeieinsätzen niemals
Angaben macht und auf ihre Unzuständigkeit bzw. Unwissenheit hinweist?

Warum fand der Transport überhaupt statt und warum mit militärischen
Fahrzeugen?

14. Wie ist der Begriff eines „unmittelbar“ bevorstehenden Einsatzes zu ver-
stehen?

a) Handelte es sich um eine außerdienstliche Fahrt der Polizisten?
b) Wie viel Zeit ist bis zum nächsten Einsatz der Polizisten vergangen?

Drucksache 16/6215 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
c) Hat die Polizei die Zusage gegeben, die Polizisten seien nicht auf dem
Weg zu einem Einsatz, und wenn ja, hat die Polizei angegeben, wo und
wann die Polizisten zum nächsten Mal eingesetzt werden, und welche
Möglichkeiten hatte die Bundeswehr, dies zu überprüfen?

d) Ist die Aussage, die Polizisten seien nicht „unmittelbar“ auf dem Weg zu
einem Einsatz gewesen, so zu verstehen, dass der Transport ansonsten
verweigert worden wäre, und wenn ja, welche rechtlichen Überlegungen
sind darüber von wem angestellt worden, welche Anweisungen an die
Dienststellen der Bundeswehr sind mit welchem inhaltlichen Tenor hier-
zu übermittelt worden?

15. Warum wurden vom 5. bis 8. Juni 2007 13 Bundeskriminalamt (BKA)-Be-
amte mit Bundeswehrhubschraubern ohne Amtshilfeersuchen transportiert?

a) Wer hat um diese Transporte ersucht, und auf wessen Veranlassung, und
auf welcher Rechtsgrundlage wurden diese Transporte durchgeführt?

b) Zu welchem Zweck wurden die BKA-Beamten transportiert, was war
ihre Mission am Zielort?

16. Wie erklärt die Bundesregierung, dass zum Transport von Journalisten ein
Amtshilfeersuchen des Landes Mecklenburg-Vorpommern erforderlich ist,
zum Transport von Polizisten aber nicht?

a) Sind Militär und Polizei schon so weit miteinander vermengt, dass solche
Transportdienste informell und quasi „auf Zuruf“ durchgeführt werden
dürfen?

b) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen nicht auf
dem Wege der Amtshilfeersuchen durchgeführten Unterstützungsleis-
tungen, um in Zukunft die Trennung von Polizei und Militär wieder
sichtbar zu machen und auch den Eindruck zu zerstreuen, die Bundes-
wehr sei ein Taxiunternehmen?

17. Auf welche Weise wurden wann welche Polizeiebenen über die Möglichkeit
und das Abfassen von Amtshilfeersuchen informiert, geschult oder hinge-
wiesen, und auf Grundlage welcher Materialien, Vorträge, Handreichungen
o. Ä wurden diese Einweisungen von wem jeweils vorgenommen?

18. Warum wurden am 6. und 7. Juni 2007 sieben Tonnen Verpflegung und Ver-
sorgungsgüter von Bundeswehrhubschraubern an Polizeikräfte ausgeliefert,
ohne dass hierfür ein Amtshilfeersuchen gestellt wurde?

Wer hat diese Dienste wann und in welcher Form beantragt, und wer hat
wann und auf welcher Rechtsgrundlage die Genehmigung hierfür erteilt?

19. Hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, ob das Grundgesetz das
mittelbar obrigkeitliche Tätigwerden der Bundeswehr in Form der Bereit-
stellung von Spähpanzern, Tornados und Transportkapazitäten für die Poli-
zei unter Genehmigungsvorbehalt nach Artikel 87a Grundgesetz stellt?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, welche Überlegungen wurden konkret angestellt, welche Ab-
wägungen wurden vorgenommen?

Berlin, den 1. August 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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