BT-Drucksache 16/6212

Verhalten deutscher und türkischer Sicherheitskräfte am 16. April 2007 beim deutsch-türkischen Wirtschaftsgipfel in Hannover

Vom 6. August 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6212
16. Wahlperiode 06. 08. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen und der Fraktion DIE LINKE.

Verhalten deutscher und türkischer Sicherheitskräfte am 16. April 2007 beim
deutsch-türkischen Wirtschaftsgipfel in Hannover

Am 16. April 2007 fand in Hannover ein deutsch-türkischer Wirtschaftsgipfel
statt, an dem auch der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan und die
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel teilgenommen haben. Die Gelegenheit
wurde von einem der durch die „islamischen Holdings“ aus der Türkei wirt-
schaftlich Geschädigten, Herrn D., für den Versuch genutzt, auf die Lage dieser
Gruppe aufmerksam zu machen, deren rechtskräftig durch deutsche Gerichtsur-
teile festgestellten Rechtsansprüche in der Türkei nicht vollstreckt werden kön-
nen. Wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ (HAZ) in ihrer Ausgabe vom
19. April 2007 berichtete, wurde er jedoch von türkischen Sicherheitskräften
brutal aus dem Saal verbracht, nachdem er aus dem hinteren Teil des Saals „Frau
Merkel, bitte helfen Sie uns“ gerufen hatte. Von dem Übergriff trug Herr D., der
auch Vorsitzender des „Solidaritätsvereins der Türken in Europa“ (ein Zusam-
menschluss der durch die „Islam-Holdings“ Geschädigten) ist, Kopfschmerzen,
Sehstörungen und eine 15 cm lange Risswunde davon (HAZ, 11. Juli 2007).

Für Verwunderung sorgte dabei, dass weder deutsche Sicherheitskräfte Herrn D.
vor den – mit keinerlei hoheitlichen Befugnissen ausgestattenen – türkischen
Sicherheitskräften in Schutz nahmen, noch dass anschließend konsequent gegen
die türkischen Sicherheitskräfte ermittelt wurde. Nach Angaben von Report
München (Ausgabe vom 9. Juli 2007) ist die Identität der beteiligten Sicher-
heitskräfte bis heute nicht geklärt, seitens des Auswärtigen Amts sei „eine
Verfolgung des Sachverhaltes (…) nicht erwünscht“, wird ein Vermerk eines
Ermittlers zitiert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Regelungen gelten beim Einsatz ausländischer Sicherheitskräfte zum
Zweck des Personenschutzes von Vertretern fremder Staaten allgemein, und
durch welche speziellen Regelungen werden sie im Falle der Türkei gegebe-
nenfalls ergänzt?

2. Gehört es zu den allgemeinen Gepflogenheiten, dass ausländische Sicher-
heitskräfte nicht nur unmittelbar die Sicherheit der ausländischen Staatsgäste

gewährleisten (mit den Rechten aus § 127 STPO), sondern bei Veranstal-
tungen auf potentielle „Störer“ reagieren, indem sie sich ständig in ihrer
Nähe aufhalten und sie ggf. aus dem Saal entfernen?

3. Welche Mechanismen gibt es beim Bundeskriminalamt (BKA) oder anderen
Sicherheitsbehörden des Bundes, neben der Belehrung ausländischer Sicher-
heitskräfte über die ihnen zustehenden Rechte und die in Deutschland gelten-
de Rechtsordnung, Rechtsverletzungen zu verhindern?

Drucksache 16/6212 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. Welche Möglichkeiten stehen ganz allgemein der Bundesregierung zur Ver-
fügung, um Rechtsverletzungen durch ausländische Sicherheitskräfte

a) in der Bundesrepublik strafrechtlich zu verfolgen,

b) eine solche straf- oder disziplinarrechtliche Verfolgung im Heimatstaat
zu erreichen oder

c) bestimmte Personen nach Rechtsverstößen nicht mehr einreisen zu las-
sen?

5. Hat die Landesregierung Niedersachsen die Bundesregierung gebeten, um
die Übernahme der Strafverfolgung durch die Türkei nach Artikel 21 des
Europäischen Rechtshilfeübereinkommens nachzusuchen, und wie geht die
Bundesregierung ggf. mit dieser Bitte um?

6. Hat die Bundesregierung die ihr vorliegenden Namen der türkischen Dele-
gation an eine Strafverfolgungsbehörde weitergegeben, wenn ja, an welche,
wenn nein, warum nicht?

7. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass im konkreten Fall eine Strafver-
folgung gegen die entsprechenden Delegationsteilnehmer möglich war bzw.
ist, weil der Immunität an dieser Stelle ein höherwertiges Rechtsgut (kon-
krete Gefahr für den Leib anderer) entgegensteht?

8. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, zumindest für die Zukunft die
Teilnahme der an dem Vorfall beteiligten türkischen Sicherheitskräfte aus-
zuschließen, wird sie davon Gebrauch machen, und wenn nein, warum
nicht?

9. Welche besonderen Aufgaben kamen den Beamten des BKA beim deutsch-
türkischen Wirtschaftsgipfel zu?

10. Haben Beamte des BKA den Vorfall verfolgt, in welcher Art und Weise
haben sie eingegriffen, und falls sie nicht eingegriffen haben, warum nicht?

11. Welche konkreten Maßnahmen wurden von Beamten des BKA oder von der
Generalbundesanwaltschaft eingeleitet, um das Vorliegen der Voraussetzun-
gen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen?

12. Sind der Bundesregierung Ermittlungsverfahren in dieser Sache bekannt,
von wem wurden sie geleitet und wie unterstützt die Bundesregierung diese
Ermittlungen?

13. Trifft der Zeitungsbericht in der HAZ vom 11. Juli 2007 zu, nachdem bereits
die Ermittlung der Namen der Tatbeteiligten vom Auswärtigen Amt als
„nicht erwünscht“ bezeichnet wurde, und was ist hierfür ggf. der Grund?

14. Sind der Bundesregierung aus der Vergangenheit weitere Fälle bekannt, in
denen ausländische Sicherheitskräfte über den Rahmen des Zulässigen und
Üblichen hinaus agiert und z. B. gegen Protestierende und Demonstranten
vorgegangen sind, und was waren dort im Einzelnen die Folgen?

Berlin, den 2. August 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.