BT-Drucksache 16/6179

Umsetzung der EU-Liste terroristischer Organisationen

Vom 30. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6179
16. Wahlperiode 30. 07. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Kersten Naumann, Sevim Dag˘delen und
der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der EU-Liste terroristischer Organisationen

Auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. De-
zember 2001 „Über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen
gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus“, veröffent-
licht im Amtsblatt der EU vom 28. Dezember 2001, hat die Europäische Union
zwei Listen von ihr als „terroristisch“ eingestufter Personen und Organisationen
beschlossen.

Laut der Verordnung sind alle Gelder und finanziellen Vermögenswerte und
wirtschaftlichen Ressourcen der in der Liste aufgeführten Personen, Vereinigun-
gen und Körperschaften einzufrieren, zugleich dürfen ihnen weder direkt noch
indirekt Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Res-
sourcen zur Verfügung gestellt werden.

Eine Liste betrifft Osama bin Laden, Al Quaida und die Taliban, eine weitere
Liste sonstige Organisationen und Personen. Diese Liste terroristischer Organi-
sationen, Körperschaften und Personen wurde von einem geheim tagenden und
konsensual beschließenden Gremium mehrfach aktualisiert und ausgeweitet,
zuletzt am 28. Juni 2007 (2007/445/EG, Amtsblatt der Europäischen Union
vom 28. Juni 2007).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) rügte den EU-Rat bereits mehrfach wegen
formaler Fehler bei der Aufnahme von Personen und Organisationen auf die
Liste. So gab der EuGH im Dezember 2006 einer Klage der iranischen Oppo-
sitionsgruppe Volksmudschaheddin gegen ihre Auflistung ebenso statt, wie am
11. Juli 2007 den Klagen der niederländischen Al-Aksa-Stiftung und des im
niederländischen Exil lebenden Vorsitzenden der Kommunistischen Partei der
Philippinen Jose Maria Sison. Die Betroffenen hätten keine hinreichende
Begründung für ihre Klassifizierung als terroristisch erhalten. Ihre Verteidiger-
rechte seien missachtet worden und sie hätten keine Gelegenheit bekommen,
sich gegen die Aufnahme in die „Terrorliste“ und die damit verbundene Einfrie-
rung ihrer Gelder zu wehren (http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/
0,1185,OID7092148_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html).

Die Liste umfasst auch Organisationen wie die kurdische PKK und die tami-

lischen Tamil Tigers, die palästinensische Hamas und die kolumbianische FARC.
Kritiker sehen eine Friedenslösung etwa im Nahen Osten, der Türkei, Sri Lanka
oder Kolumbien durch die Aufnahme dieser Organisationen in die Liste er-
schwert. Behindert wird so beispielsweise, dass EU-Mitglieder als Vermittler
auftreten oder EU-Länder als neutrale Orte für Friedensgespräche genutzt wer-
den können.

Drucksache 16/6179 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Als wie verpflichtend betrachtet die Bundesregierung die in der Verordnung
(EG) Nr. 2589/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 getroffene Verord-
nung von restriktiven Maßnahmen gegen die als „terroristisch“ eingestuften
Organisationen und Personen für deutsche Behörden und Banken?

2. Welche Folgerungen ergeben sich aus diesen Listen für die Arbeit der Nach-
richtendienste?

3. Welche der auf den EU-Listen terroristischer Organisationen genannten
Gruppierungen oder Einzelpersonen sind nach Erkenntnissen der Bundes-
regierung im Bundesgebiet vorhanden?

a) Welche dieser Gruppierungen oder Einzelpersonen sind im Bundesgebiet
politisch in Erscheinung getreten?

b) Welche dieser Gruppierungen haben lediglich Unterstützer oder Mitglie-
der im Bundesgebiet, ohne direkt politisch in Erscheinung zu treten?

c) Welche dieser Gruppierungen oder Einzelpersonen sammeln Gelder im
Bundesgebiet zur Unterstützung ihrer Organisationen?

4. In wie vielen und welchen Fällen wurden Gelder oder sonstige Vermögens-
werte der auf den EU-Listen genannten Organisationen, Körperschaften und
Einzelpersonen von deutschen Banken oder Behörden eingefroren?

a) Welche Gruppierungen oder auf den Listen genannte Einzelpersonen
waren betroffen?

b) Wie hoch waren die eingefrorenen Gelder oder Vermögenswerte jeweils?

c) Wo wurden diese Gelder oder Vermögenswerte aufgefunden?

d) In welchen Fällen wurde auf den Listen genannten Personen oder Unter-
stützern der genannten Organisationen oder Körperschaften die Bereitstel-
lung von Geldern, Krediten oder sonstigen wirtschaftlichen Ressourcen
verweigert?

e) In welchen Fällen wurden strafrechtliche Schritte gegen in Deutschland
ansässige Firmen wegen geschäftlicher Beziehungen mit auf den Listen
genannten Organisationen, Personen oder Körperschaften eingeleitet?

5. Welche rechtlichen oder sonstigen Möglichkeiten haben Personen, deren
Vermögenswerte oder Gelder aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 2589/2001
von deutschen Banken oder Behörden eingefroren wurden, gegen diese Maß-
nahme vorzugehen?

a) In welchen Fällen haben Betroffene bereits dagegen geklagt und mit wel-
chem Erfolg?

b) Woher nehmen deutsche Banken und Behörden die Sicherheit, dass es sich
bei den eingefrorenen Geldern um Organisationsvermögen und nicht um
private oder geschäftliche Gelder der Betroffenen handelt?

6. Welche über das Einfrieren von Geldern hinausgehenden restriktiven Maß-
nahmen wurden in Deutschland gegen die auf der Liste genannten Gruppie-
rungen oder Einzelpersonen von deutschen Behörden eingeleitet?

a) Inwieweit führte die Aufnahme von Personen oder Organisationen in die
EU-Listen zu Ermittlungsverfahren oder Verurteilungen aufgrund §§ 129,
129a, 129b StGB?

b) In welchen Fällen wurden Ermittlungsverfahren aufgrund einschlägiger
Straftaten (insb. §§ 129, 129a, 129b StGB) gegen Mitglieder oder Unter-

stützer von auf den Listen genannten Gruppierungen eingeleitet?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6179

c) In welchen Fällen kam es zu Verurteilungen von Mitgliedern oder Unter-
stützern der auf den Listen genannten Gruppierungen wegen einschlägi-
ger Straftaten?

d) In wie vielen und welchen Fällen wurde aufgrund einer Nennung in den
EU-Listen Einreiseverbote nach Deutschland verhängt bzw. eine Einrei-
seerlaubnis verwehrt bzw. Personen ausländischer Herkunft des Bundes-
gebietes verwiesen?

e) In wie vielen und welchen Fällen wurde aufgrund einer Nennung in den
EU-Listen eine Einbürgerung verweigert oder eine Vorangegangene Ein-
bürgerung widerrufen?

f) In wie vielen und welchen Fällen wurde aufgrund einer Nennung in den
EU-Listen der Flüchtlingsstatus widerrufen?

7. Welche auf den EU-Listen genannten Organisationen oder Personen haben
nach Kenntnis der Bundesregierung gegen ihre Klassifizierung als „terroris-
tisch“ rechtliche Mittel vor einem deutschen oder europäischen Gericht ein-
gelegt?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorgehensweise des EU-Rates bei
der Klassifizierung von Personen, Körperschaften und Organisationen als
„terroristisch“ angesichts der mehrfachen Rügen des EuGH, dass dabei Ver-
teidigerrechte von Betroffenen verletzt wurden?

9. Inwieweit unterscheidet die Bundesregierung bei der Verfolgung der auf
den Listen genannten Organisationen zwischen militärischen und poli-
tischen Flügeln?

10. Inwieweit trifft die Aussage des Politologen Michael Jacobson vom
Washington Institute zu, dass die Bundesregierung eine Aufnahme der
libanesischen Hisbollah in die Liste befürwortet (zusammenfassend auf
http://www.washingtoninstitute.org/templateC05.php?CID=2625)?

a) Warum wurde die Hisbollah nicht auf die Liste aufgenommen?

b) Inwieweit betrachtet die Bundesregierung die Hisbollah oder eine ihrer
Teilorganisationen als terroristisch, auch wenn die Hisbollah nicht auf
der EU-Liste genannt wird?

11. In welchen Fällen wurde eine von der Bundesregierung befürwortete Auf-
nahme einer Gruppierung oder Person in die Listen durch das Veto anderer
EU-Mitglieder verhindert?

12. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Aufnahme von Gruppierungen wie
die palästinensische Hamas, die Tamil Tigers, die kurdische PKK oder die
kolumbianische FARC in die Terrorliste als förderlich für einen Friedens-
prozess in den betroffenen Regionen an?

Berlin, den 23. Juli 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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