BT-Drucksache 16/616

Auswirkungen der Verwaltungsvorschrift zur Regelung der Entgelte für die Nutzung bundeseigener Land- und Wasserflächen auf gemeinnützige Wassersportvereine

Vom 2. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/616
16. Wahlperiode 02. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Katrin Kunert, Dr. Petra Sitte
und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der Verwaltungsvorschrift zur Regelung der Entgelte
für die Nutzung bundeseigener Land- und Wasserflächen auf gemeinnützige
Wassersportvereine

Trotz Bekenntnissen von Bund und Ländern zum Sport sind in vielen Sportver-
einen finanzielle Engpässe nicht zu übersehen. Ganz besonders trifft das in
jüngster Zeit auf Wassersportvereine zu. Im Vergleich zu anderen Sportarten
sind Sportgeräte und Nutzungsentgelte für die Steganlagen größere Kosten-
faktoren. Von einigen Wassersportvereinen werden zudem Straßenreinigungs-
gebühren für die Stegflächen oder Ausfallzahlungen von Fischern verlangt.

Die neue Verwaltungsvorschrift „Wasser- und Schifffahrtsverwaltung – 2604“
(VV WSV-2604) spitzt die Situation zu. Sie schreibt eine Kopplung der Entgel-
te an den Grundstücksmarkt sowie deren flächenbezogene Berechnung vor.
Anders als ihre Vorgängervariante beinhaltet die Vorschrift nicht mehr eine 1/3-
Reduzierung der Entgelte für gemeinnützige Wassersportvereine an Bundeswas-
serstraßen. Die Vereine werden nunmehr mit gewerblichen Nutzern wie zum
Beispiel Marinas, Bootshäusern oder Sportbootwerften gleichgesetzt.

Die Regelung betrifft besonders alle Wassersportvereine in den neuen Bundes-
ländern und in Berlin, weil diese alle neuen Verträge mit Anpassungsklauseln,
anders als bis dahin in den alten Bundesländern, enthalten. Die Quadratmeter-
entgelte können damit von 0,15 Euro für Altverträge auf bis zu 3,50 Euro für an-
gepasste und neue Verträge steigen.

Mit der Anwendung der Vorschrift könnten große Teile des gesamten organisier-
ten Wassersports an bundeseigenen Land- und Wasserflächen, besonders in den
neuen Bundesländern und in Berlin, mittel- bis langfristig in existenzielle Be-
drängnis gebracht werden.

Hierzu drei Beispiele aus Berlin:

Der Wassersportverein Karolinenhof e. V. soll, laut seinem stellvertretenden
Vorsitzenden, wegen einer baulichen Veränderung an der Steganlage einen neu-
en Vertrag bekommen und statt bisher 1 075 Euro nun 3 628 Euro bezahlen.

Nach Aussage des Vorstands des Berliner Yachtclub e. V. am Wannsee wurde

dort aus gleichem Grund das Nutzungsentgelt von ca. 3 700 Euro auf ca. 21 000
Euro erhöht.

Der Segel-Club Argo e. V. soll statt 3 650 Euro nach der pauschalen Erhöhung
um 30 Prozent für alle Nutzer bundeseigener Land- und Wasserflächen nun
4 750 Euro bezahlen, erwartet aber nach Fertigstellung des Ersatzbaus seiner
Steganlage mit einem neuen Vertrag eine Entgeltforderung in Höhe von ca.

Drucksache 16/616 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

16 000 Euro. Die Durchsetzung dieser Forderung hätte die Zahlungsunfähigkeit
des Vereins zur Folge, so der Vorstand des Vereins.

Die konsequente Anwendung der genannten Verwaltungsvorschrift hat darüber
hinaus auch erhebliche Auswirkungen auf den Wassertourismus und damit auch
auf den organisierten Wassersport, weil dadurch die Liegeplatzgebühren für
Bootshäuser, Marinas und kommunale Häfen enorm steigen müssen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche gesetzliche Grundlage gibt es auf Bundesebene für die Förderung
und den Schutz des in gemeinnützigen Sportvereinen organisierten Breiten-
sports?

2. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um gemeinnützige Sportvereine
vor unangemessenen und/oder unzumutbaren finanziellen Forderungen, un-
ter anderem auch von Seiten der Organe und/oder Institutionen des Bundes,
zu schützen?

3. Wie kann sichergestellt werden, dass die mit der Nutzung von Bundeseigen-
tum (hier von Land- und Wasserflächen an Bundeswasserstraßen) für ge-
meinnützige Vereine verbundenen finanziellen Belastungen minimiert wer-
den?

4. Wurden die Auswirkungen der VV-WSV 2604 auf den organisierten Was-
sersport in gemeinnützigen Vereinen sowie auf den Wassertourismus vor
der Inkraftsetzung untersucht?

Falls ja, mit welchen Ergebnissen?

Falls nein, warum nicht?

5. Wie viele Nutzungsverträge mit gemeinnützigen Wassersportvereinen gibt
es in den Bereichen der einzelnen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen
(WSD), und wie hoch sind die jährlichen Einnahmen aus Nutzungsverträ-
gen in den jeweiligen WSD und bundesweit?

6. Wie viele Verträge wurden mit Vereinen in den neuen Bundesländern und
im Ostteil Berlins abgeschlossen, und wie hoch ist die jährliche Summe der
Entgelte für diese Vereine?

7. Wie viele Verträge wurden insgesamt nach dem Januar 2000 neu abge-
schlossen oder hinsichtlich der Höhe des Nutzungsentgelts geändert, und
wie hoch ist die Summe der Einnahmen für diese Verträge?

8. Wie viele von den unter Frage 7 aufgeführten Verträgen betreffen Vereine in
den neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins, und wie hoch ist die Sum-
me der Nutzungsentgelte für diese Verträge?

9. Warum sollen die Nutzungsentgelte für die unter Frage 7 genannten Vereine
weiter erhöht werden, wenn diese von Anfang an höhere Entgelte zahlen
mussten und diese Entgelte bis zum Inkrafttreten der VV-WSV 2604 bereits
weiter erhöht wurden?

10. Wie wird ein angemessenes Entgelt für die Nutzung von bundeseigenen
Landflächen in Uferstreifen ermittelt, die keine Grundstücke und im Grund-
satz nicht veräußerbar sind und deshalb nicht am allgemeinen Marktverkehr
von Grundstücken teilnehmen sowie wesentlichen Nutzungseinschränkun-
gen sowohl wegen ihrer Lage und Beschaffenheit als auch zeitlich (Saison)
unterliegen?

11. Wie wird die Beibehaltung der Gleichbehandlung von Land- und Wasserflä-
chen im Gegensatz zu den Festlegungen der Wertermittlungs-Richtlinien

(Punkt 6.6.5 der WertR) begründet?

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12. a) Welche Gründe gibt es dafür, dass die Nutzungsentgelte für Land- und
Wasserflächen am Grundstücksmarkt orientiert werden, ihre Anpassung
jedoch nicht an die Entwicklung des Grundstücksmarkts, sondern an die
Entwicklung der Lebenshaltungskosten erfolgen soll?

b) Warum wurde den entsprechenden Forderungen des Bundesrechnungs-
hofs und des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundes-
tages (Bundestagsdrucksache 14/4226 Nr. 43) entsprochen?

13. Wie ist es zu begründen, dass Vereine nach genehmigten baulichen Verän-
derungen Verträge mit neuen Konditionen bekommen müssen?

Berlin, den 9. Februar 2006

Dr. Martina Bunge
Katrin Kunert
Dr. Petra Sitte
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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