BT-Drucksache 16/5986

Haltung der Bundesregierung zu den Aktivitäten der "Heimattreuen Deutschen Jugend"

Vom 3. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5986
16. Wahlperiode 03. 07. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Heidrun Bluhm, Sevim Dag˘delen und der
Fraktion DIE LINKE.

Haltung der Bundesregierung zu den Aktivitäten der
„Heimattreuen Deutschen Jugend“

Die „Heimattreue Deutsche Jugend e. V.“ (HDJ) ist ein in Deutschland bundes-
weit tätiger Jugendverband. Der eingetragene Verein charakterisiert sich selbst
als traditionsbewusst und werteorientiert.

Nach Einschätzung antifaschistischer Gruppen, aber auch dem Berliner Landes-
amt für Verfassungsschutz ist die HDJ jedoch eine eindeutig neonazistische
Jugendorganisation. Ihr Ziel besteht in erster Linie in der Ausbildung von Kin-
dern und Jugendlichen für die neonazistische Szene (vgl. Verfassungsschutz-
bericht Berlin 2005, S. 232 f.).

Der Schwerpunkt der HDJ-Aktivitäten liegt in diesem Sinne in der Ausrichtung
von Zeltlagern für Kinder und Jugendliche. Hierbei werden diese sowohl ideo-
logisch indoktriniert als auch durch eine paramilitärische Ausbildung auf einen
etwaigen Straßenkampf vorbereitet werden. Filmaufnahmen sowie beschlag-
nahmte Fotos zeigen, dass Zelte bei den Treffen Aufschriften wie „Führerbun-
ker“ und „Germania“ tragen, Kinder mit dem Hitlergruss begrüßt werden sowie
zumindest in einem Fall Hinrichtungen nachgestellt wurden (vgl. Ferienlager im
Führerbunker – Panorama Sendung vom 24. Mai 2007).

Die HDJ weist nicht nur unmittelbare ideologische Bezüge zur „Hitler Jugend“
des Dritten Reiches auf. Vielmehr zeigen sich auch erhebliche personelle und
ideologische Kontinuitäten zu der 1994 vom Bundesministerium des Innern ver-
botenen „Wiking Jugend“ (WJ). Beobachter bezeichnen die HDJ deshalb als Er-
satz- und Nachfolgeorganisation der „Wiking-Jugend“ (vgl. Röpke: Die Hei-
mattreue Deutsche Jugend, in: Der Rechte Rand vom 23. Oktober 2006 sowie:
Panorama Sendung vom 24. Mai 2007).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Durch welche Aktivitäten trat die HDJ in der Bundesrepublik Deutschland
in den Jahren 2000 bis 2007 in Erscheinung (bitte nach Datum, Ort, Art der
Aktivität, Teilnehmerzahl, Herkunft der Teilnehmer auflisten)?

2. Wer sind die derzeitigen Funktionsträger in der HDJ und wie werden diese
hinsichtlich ihrer Stellung in der rechtsextremen Szene beurteilt?

3. Welche rechtsextremen oder sonstigen Straftaten wurde im Rahmen von Ver-
anstaltungen der HDJ oder durch Funktionäre der HDJ begangen?

4. Wie viele HDJ-Mitglieder waren Funktionäre bzw. Mitglieder der WJ?

Drucksache 16/5986 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. Wie viele NPD-Funktionäre/Mitglieder sind in der HDJ Mitglied bzw.
Funktionär?

6. Welche internationalen Verbindungen hat die HDJ?

7. Wie viele Einheiten mit wie vielen Mitgliedern hat die HDJ?

8. Welche Lager wurden wann, wo mit wie vielen Teilnehmerinnen und Teil-
nehmern bekannt?

9. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass in einem Camp in Wilsum
(bei Nordhorn, Grafschaft Bentheim) Scheinhinrichtungen durchgeführt
wurden?

10. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass das Camp in Wilsum von
Neonazis und NPD-Funktionären aus Vechta und Osnabrück organisiert
wurde?

11. Welche Erkenntnisse liegen über die Märkischen Kulturtage, deren Organi-
satorinnen/Organisatoren und Teilnehmerinnen/Teilnehmer vor?

12. Wird die HDJ vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet?

a) Wenn ja, warum findet sie, obwohl sie sich in den letzten Jahren zu der
größten jugendbetreuenden Neonazi-Organisation entwickelt hat, keinen
Eingang in den jährlichen Verfassungsschutzbericht des Bundes?

b) Wenn nein, warum nicht?

13. Aus welchen sachlichen Gründen verweigerte das Bundesministerium des
Innern gegenüber den für „Panorama“ recherchierenden Journalisten (Aus-
strahlung des Beitrags am 24. Mai 2007) eine Stellungnahme zu der HDJ?

14. Durch welche Fakten sieht die Bundesregierung die Einschätzung von Ex-
perten und Journalisten, dass es sich bei der HDJ aufgrund der personellen,
ideologischen und konzeptionellen Kontinuität um eine Nachfolgeorganisa-
tion der verbotenen WJ handelt bestätigt oder widerlegt?

15. Erwägt der Bund ein Verbot der Organisation (bitte begründen) und wenn
nein, welche Maßnahmen will der Bund treffen, um Kinder und Jugendliche
von der Indoktrination durch nationalsozialistisches Gedankengut bei
Ferienlagern der HDJ zu schützen?

Berlin, den 28. Juni 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.