BT-Drucksache 16/582

Biogaseinspeisungsstrategie entwickeln und Biogaseinspeisungsgesetz vorlegen

Vom 7. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/582
16. Wahlperiode 07. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Hans Josef Fell, Cornelia Behm, Dr. Reinhard Loske, Sylvia
Kotting-Uhl, Matthias Berninger, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Ulrike Höfken,
Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Undine Kurth (Quedlinburg), Renate Künast,
Fritz Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Biogaseinspeisungsstrategie entwickeln und Biogaseinspeisungsgesetz
vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nicht zuletzt der russisch-ukrainische Streit um Gaslieferungen hat Deutschland
und Westeuropa die eigene hohe Abhängigkeit von Energieimporten vor Augen
geführt. Es ist abzusehen, dass mit der Endlichkeit der fossilen Energierohstoffe
und des Urans politische Spannungen und Konflikte zunehmen werden. Deshalb
muss es Ziel einer zukunftsfähigen Energiepolitik sein, die Abhängigkeiten un-
serer Wirtschaft und unserer Gesellschaft von Mineralöl, Kohle, Gas und Uran
deutlich zu verringern – für eine höhere Versorgungssicherheit, aber auch aus
Gründen der Ökologie und des Klimaschutzes.

Die Erdgasversorgung innerhalb Europas hängt von nur wenigen Lieferländern
ab. Die Abhängigkeit von Ländern außerhalb der EU wird sich zudem vergrö-
ßern, da Großbritannien und die Niederlande mittelfristig nicht mehr als Erdgas-
exporteure zur Verfügung stehen werden, selbst zu Importeuren werden und
auch die deutsche Erdgasförderung rückläufig ist. Damit sind sowohl Versor-
gungssicherheit als auch Preisstabilität in Deutschland und Europa gefährdet.

Der Deutsche Bundestag sieht wirksame Ansatzpunkte zur Reduzierung der Ab-
hängigkeit von Erdgasimporten, die bis heute unzureichend genutzt werden: Ins-
besondere durch das Energiesparen, durch mehr Effizienz bei der Energieerzeu-
gung und beim Verbrauch sowie durch einen Umstieg auf erneuerbare Energien.
So können z. B. im Wärmesektor große Mengen an Erdgas kostenneutral durch
die Modernisierung von Altbauten eingespart werden. Sonnenkollektoren, mo-
derne Bioenergieheizungen wie Holzpellet- oder Geothermieanlagen ermög-
lichen zudem einen Umstieg auf erneuerbare Energien, der sich für die Anwen-
der heute schon rechnet.

Eine besonders hoffnungsvolle Möglichkeit für den Ersatz von Erdgas stellt die
Erzeugung von Biogas dar, welches weitgehend in der vorhandenen Infrastruk-
tur eingesetzt werden kann. Biogas kann europaweit in großen Mengen erzeugt
werden und damit einen relevanten Beitrag zur Verringerung der Abhängigkeit
vom Erdgas leisten. Eine aktuelle Studie der Gas- und Biogasverbände zeigt al-
leine für Deutschland ein Biogaspotenzial von 10 Mrd. Kubikmetern jährlich
auf – das sind mehr als 10 Prozent des heutigen Erdgasverbrauchs. Die euro-

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päischen Potenziale gilt es noch zu ermitteln. Sie dürften vor allem wegen der
großen landwirtschaftlichen Flächen Osteuropas deutlich höher sein als das
inländische Potenzial.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die deutsche Bundesregierung seit 1999
erheblich zum Fortschritt der Biogastechnologie beigetragen hat. Die installierte
Leistung von Biogasanlagen wurde mehr als verzehnfacht. Mittlerweile sind
rund 2500 Anlagen in Betrieb, die vor Ort Strom und z. T. Wärme auch erzeu-
gen. Um die vorhandenen Potenziale wirksamer auszuschöpfen, muss die
Einspeisung von Biogas in die Erdgasnetze ermöglicht werden. Die ersten
Grundlagen hierfür hat die Bundesregierung der Fraktionen der SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und dem
Energiewirtschaftsgesetz gelegt.

Um der Biogaseinspeisung zum Durchbruch zu verhelfen, sind jedoch weiterge-
hende Schritte erforderlich: ein Biogaseinspeisungsgesetz nach dem Vorbild des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Strombereich.

Aus Sicht des Deutschen Bundestages wäre eine Biogasstrategie ein wichtiger
Beitrag zur nationalen und europäischen Gasversorgungsicherheit. Biogas steht
im Gegensatz zu Erdgas zeitlich unbegrenzt zur Verfügung. Seine Kosten sind
langfristig kalkulierbar. Es ist sogar zu erwarten, dass aufgrund der technischen
Entwicklung in der Erzeugung z. B. bei der Ligninaufschließung sowie der Fort-
schritte im Pflanzenbau mit stetig fallenden Erzeugungskosten zu rechnen ist.

Eine europaweite Biogasstrategie wäre zudem ein wichtiger Beitrag für den
Klimaschutz. Biogas ist dadurch, dass nur so viel Kohlendioxid freigesetzt wird,
wie in der verarbeiteten Biomasse gebunden wurde, klimaneutral. Das bedeutet,
dass durch den Ersatz klimaschädlicher fossiler Rohstoffe der Ausstoß von
Klimagasen in die Atmosphäre verringert wird.

Die Umsetzung einer europäischen Biogasstrategie schafft durch die Bereitstel-
lung der Rohstoffe, den Bau und den Betrieb der Anlagen zusätzliche Wert-
schöpfung und damit Arbeitsplätze in Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe.
So führt die Biogaseinspeisung in das Gasnetz letztlich zu wirtschaftlicher Pro-
sperität und ist damit in allen europäischen Ländern ein wichtiger Beitrag zur
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Entwicklung ländlicher Räume.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● ein Einspeisungsgesetz für Biogas vorzulegen, das wirksame Anreize zur
Einspeisung von Biogas in das Gasnetz liefert. Zudem muss die vorrangige
Aufnahme und Durchleitung von Biogas festgeschrieben werden. Als Vor-
bild sollte das Erneuerbare-Energien-Gesetz für den Strombereich dienen;

● die Beimischungspflicht für Biokraftstoffe auf Erdgas auszuweiten, damit
Biogas auch im Verkehrsbereich verstärkt zum Einsatz kommt;

● eine europäische Biogaseinspeisungsstrategie zu initiieren und voranzutrei-
ben. Dabei sollte insbesondere mit den mittel- und osteuropäischen Ländern
kooperiert werden, durch die Erdgaspipelines aus Russland führen. Die Bun-
desregierung sollte u. a. auf EU-Ebene darauf hinwirken, die Biogaseinspei-
sungsstrategie über die Grenzen der EU hinaus auszuweiten. Auch die zu-
künftigen Beitrittsländer sowie Russland, die Ukraine und Weißrussland soll-
ten dazu eingeladen werden, sich an dieser Initiative zu beteiligen;

● die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zur Erzeugung von Biogas
sowie zur Einspeisung von Biogas zu verstärken sowie Demonstrationspro-
jekte zu unterstützen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/582

● innerhalb der Biogasstrategie auf nachhaltige Anbaumethoden der Energie-
pflanzen auszurichten, die den Anbau von großflächigen Monokulturen und
den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen ausschließen.

Berlin, den 7. Februar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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