BT-Drucksache 16/5813

zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Kornelia Möller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/2080- Ausweitung und Stärkung des Kündigungsschutzes

Vom 22. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5813
16. Wahlperiode 22. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Kornelia
Möller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/2080 –

Ausweitung und Stärkung des Kündigungsschutzes

A. Problem

Eine weitere Aufweichung des Kündigungsschutzes, wie im Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD vorgesehen, hätte schwerwiegende Auswirkun-
gen auf die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten und die Handlungsfähigkeit
der betrieblichen Interessenvertretungen der Arbeitnehmer. Die häufig vorge-
tragene Behauptung, der Kündigungsschutz in Deutschland sei ein Beschäfti-
gungshemmnis, ist durch empirische Untersuchungen widerlegt. Stattdessen
führen Lockerungen und Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten zu unsicheren
Beschäftigungsverhältnissen. Dies wirkt sich negativ auf Motivation und Krea-
tivität der Beschäftigten aus.

B. Lösung

Die Bundesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen zur Ausweitung und Stär-
kung des Kündigungsschutzes zu ergreifen: So sollen die Wartezeit auf drei Mo-
nate verkürzt, der Schwellenwert aufgehoben, der Kündigungsschutz für Ältere
verbessert, Kündigung auf Grund von lang anhaltender oder häufiger Erkran-
kung eingeschränkt, die Kriterien für die Sozialauswahl erweitert, Betriebs-
vereinbarungen zur Sozialauswahl und Namenslisten der zu Kündigenden
unterbunden, ein Verbandsklagerecht für die jeweils zuständige Gewerkschaft
ermöglicht, ein Mindestabfindungsanspruch in Höhe von einem Monatsgehalt
pro Beschäftigungsjahr eingeführt und sachgrundlose Befristungen abgeschafft
werden.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion

DIE LINKE.

Drucksache 16/5813 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5813

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/2080 abzulehnen.

Berlin, den 20. Juni 2007

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau) Anette Kramme
Vorsitzender Berichterstatterin

punkt gegenüber den neoliberalen Dogmen zur Lockerung
III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung

des Kündigungsschutzes.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, die
ideologisch geführte Debatte über den Kündigungsschutz
Drucksache 16/5813 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Anette Kramme

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache
16/2080 ist in der 54. Sitzung des Deutschen Bundestages
am 28. September 2006 an den Ausschuss für Arbeit und
Soziales zur federführenden Beratung und an den Rechts-
ausschuss und den Ausschuss für Wirtschaft und Techno-
logie zur Mitberatung überwiesen worden.

Der Rechtssausschuss und der Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie haben die Vorlage in ihren Sitzungen am
20. Juni 2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen,
den Antrag abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit sei das drängendste in-
nenpolitische Problem in Deutschland, das nicht mit den
Mitteln des Kündigungsschutzes und erst recht nicht mit
einem weiteren Abbau von arbeitsrechtlichen Schutzvor-
schriften bekämpft werden könne, benennt die Fraktion DIE
LINKE. den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Sie fordert
daher die Bundesregierung auf, Maßnahmen zur Auswei-
tung und Stärkung des Kündigungsschutzes zu ergreifen.
Dies erhöhe die Motivation und Kreativität der Beschäftig-
ten, da sie keine Angst um ihren Arbeitsplatz haben müssten.
Zudem würden durch den Kündigungsschutz Anreize für die
Unternehmen gesetzt, in innovative Arbeitsorganisation und
Qualifikation zu investieren, statt Entlassungen vorzuneh-
men. Es gebe keinen empirisch belegbaren Zusammenhang
zwischen Kündigungsschutz und Beschäftigungsentwick-
lung. Weder Schwellenwerte, ab denen der Kündigungs-
schutz gilt, noch die Betriebsgröße hätten einen Einfluss auf
das Einstellungs- und Kündigungsverhalten der Unterneh-
men. Der bisherige Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten
habe zu keiner Entlastung des Arbeitsmarktes geführt.
Weder der Erlass des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsför-
derungsgesetzes von 1996 noch das als Teil der Agenda 2010
verabschiedete Gesetz über Reformen am Arbeitsmarkt von
2003 hätten die gesetzgeberischen Intentionen erfüllt. Lang-
fristig führten prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu einer
Beeinträchtigung der Innovationsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft. Aufgrund seiner positiven Wirkungen für die
Beschäftigten und die Unternehmen müsse der Kündigungs-
schutz daher auf möglichst viele Betriebe und Beschäftigte
ausgeweitet werden.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

Im Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. beschlossen, dem Deutschen Bundestag die Ableh-
nung des Antrags auf Drucksache 16/2080 zu empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU betonte, dass die Weiterent-
wicklung des Kündigungsschutzrechts sicherlich erforder-
lich sei, denn es sei derzeit zum Teil ein reines Richterrecht,
das nicht immer Rechtssicherheit für die Beschäftigten und
Arbeitgeber gebe. Kündigungsschutz müsse einerseits die
Schutzfunktion des Arbeitsverhältnisses nachhaltig sichern,
dürfe aber keine Hürde für Neueinstellungen darstellen. Die
Zunahme der Zeitarbeit in Deutschland sei hier ein Indikator,
weil mit ihr betrieblich angepasst und flexibel agiert werden
könne. Diese notwendige Flexibilität für die Betriebe wür-
den die Forderungen des Antrags nicht geben, sondern viel-
mehr zugunsten eines starren Korsetts zerstören.

Die Fraktion der SPD fand zwar im Antrag einige wenige
bedenkenswerte Vorschläge, wie etwa die Einführung eines
Verbandsklagerechts, aber insgesamt handele es sich um vie-
le Bruchstücke, die so nicht vorstellbar seien. Insbesondere
gelte dies für die Aufhebung des Schwellenwerts, die den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus den Augen verliere.
Kombiniert mit der Forderung nach Ausschluss jeglicher
ordentlicher Kündigungsmöglichkeit ab einem Lebensalter
von 55 Jahren und einer Betriebszugehörigkeit von zehn Jah-
ren bedeute dies in der Praxis für einen Kleinstbetrieb, dass
betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr möglich seien. Es
bleibe dann nur noch die Einstellung des Betriebes. Die SPD
stimme aber mit dem Grundsatz überein, dass eine Locke-
rung des Kündigungsschutzes keine zusätzlichen Arbeits-
plätze bringe.

Die Fraktion der FDP vertrat die Auffassung, ein gut aus-
gebauter Kündigungsschutz sei angenehm für denjenigen,
der Arbeit habe. Aber für bestimmte Personenkreise, bei-
spielsweise ältere Arbeitnehmer oder Menschen mit geringer
Qualifikation, seien durch den jetzigen Kündigungsschutz
Eintrittsschwellen errichtet worden, die zu überwinden einer
großen Zahl von Menschen schwerfalle. Das habe dazu ge-
führt, dass in den letzten Jahrzehnten mit jedem Abflauen
der Konjunktur der Sockel an Arbeitslosigkeit in Deutsch-
land zugenommen habe. Daher sei der Vorschlag der Frak-
tion der FDP richtig, der eigentlich bei allen Punkten des
Antrags genau das Gegenteil fordere.

Die Fraktion DIE LINKE. machte deutlich, die Motivation
und Kreativität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
sei das Wichtigste im Wirtschaftsleben. Diese müssten erhal-
ten und in den Unternehmen gefördert werden, anstatt stän-
dig in der Angst des Verlusts des Arbeitsplatzes zu leben.
Dies greife der Antrag auf, indem er den Kündigungsschutz
stärke und ausweite. Er setze insofern auch einen Kontra-
der Vorlage in seiner 53. Sitzung am 20. Juni 2007 aufge-
nommen und abgeschlossen.

verstelle die sachpolitische Debatte. Auch wenn der Kündi-
gungsschutz nicht darüber entscheide, in welchem Umfang

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5813

eingestellt oder entlassen werde, sei es nicht egal, wie er im
Einzelnen ausgestaltet sei. Es komme auf das richtige Ver-
hältnis und die richtige Ausgestaltung an. Es bestehe aber
derzeit kein Handlungsbedarf im Kündigungsschutz, son-
dern vielmehr beim Arbeitsrecht. Es sei so schlank, dass es
in der Auslegung zum Richterecht werde.

Berlin, den 20. Juni 2007

Anette Kramme
Berichterstatterin

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