BT-Drucksache 16/5788

Für die zügige Vorlage eines qualifizierten Berichts über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland

Vom 21. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5788
16. Wahlperiode 21. 06. 2007

Antrag
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Jan Korte und der
Fraktion DIE LINKE.

Für die zügige Vorlage eines qualifizierten Berichts über die Lage
der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Deutsche Bundestag erinnert an die gesetzliche Verpflichtung der Beauf-
tragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, dem
Deutschen Bundestag „mindestens alle zwei Jahre einen Bericht über die
Lage der Ausländer in Deutschland“ vorzulegen (§ 94 Abs. 2 des Aufent-
haltsgesetzes – AufenthG).

2. Der Deutsche Bundestag lehnt vor diesem Hintergrund die von der Beauf-
tragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration beab-
sichtigte Verschiebung der Vorlage des Lageberichts, die nach dem Aufent-
haltsgesetz zum Juni 2007 hätte erfolgen müssen, auf das erste Quartal 2008
ab (vgl. Schreiben der Beauftragten an den Präsidenten des Deutschen Bun-
destages vom 30. April 2007 mit Anlage des Vermerks vom 13. Oktober
2006).

3. Der Deutsche Bundestag kritisiert insbesondere die in der beabsichtigten Ver-
schiebung und der Art und Weise der Unterrichtung des Deutschen Bundes-
tages zum Ausdruck kommende Missachtung des Parlaments und des gesetz-
lichen Auftrags zur fristgemäßen Vorlage eines Lageberichts.

4. Der Deutsche Bundestag lehnt auch die beabsichtigte inhaltliche Neukonzep-
tion des Lageberichts ab, insofern eine dem Gesetzesauftrag entsprechende
wissenschaftlich fundierte Darstellung der Lage der Ausländerinnen und
Ausländer in Deutschland vermischt werden soll mit Vorhaben der Bundes-
regierung im Rahmen der Erstellung eines Nationalen Integrationsplans.

5. Der Deutsche Bundestag weist darauf hin, dass der im Juni 2005 vorgelegte
Sechste Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutsch-
land der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration (Bundestagsdrucksache 15/5826) eine außerordentlich wertvolle
und umfangreiche Informationsquelle zu den Problemen und Diskriminie-

rungen von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Flüchtlingen und
Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland und damit eine wert-
volle Hilfe für die Arbeit der Fraktionen und der Bundesregierung darstellt.

Drucksache 16/5788 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

schnellstmöglich gemäß § 94 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes einen Bericht dem
Deutschen Bundestag vorzulegen, der dem gesetzlichen Auftrag entsprechend
vor allem eine fachlich fundierte, kritische und problemorientierte und umfang-
reiche Beschreibung der Lage von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit,
Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland enthält.

Berlin, den 19. Juni 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Nach einem Vermerk aus dem Hause der Beauftragten der Bundesregierung für
Migration, Flüchtlinge und Integration vom 13. Oktober 2006 sollten „die zu-
ständigen Stellen“ bzw. die „Fraktionen des Deutschen Bundestages“ über die
beabsichtigte Verschiebung der Vorlage des Berichts über die Lage der Auslän-
derinnen und Ausländer in Deutschland erst zu einem Zeitpunkt – „ab April
2007“ – informiert werden, bei dem klar war, dass angesichts eines etwa halb-
jährigen Erstellungszeitraumes der gesetzlichen Verpflichtung zur Berichterstat-
tung mindestens alle zwei Jahre nicht mehr nachgekommen werden kann. Der
Präsident des Deutschen Bundestages wurde dann tatsächlich erst mit Schreiben
der Beauftragten der Bundesregierung vom 30. April 2007 über die bereits im
September bzw. Oktober 2006 beschlossene Verschiebung unterrichtet. Ein
Grund für diese verspätete Unterrichtung ist nicht ersichtlich, außer, dass das
Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollte. Das Vorgehen stellt
somit nicht nur einen bewussten Gesetzesbruch dar (Missachtung der Frist nach
§ 94 Abs. 2 AufenthG ohne nachvollziehbaren sachlichen Grund), sondern vor
allem eine Missachtung des Parlaments. Bei rechtzeitiger Information hätte der
Bundestag die Bundesregierung dazu auffordern können, den Lagebericht ent-
sprechend den Vorgaben des Gesetzes vorzulegen. Dies ist nun nicht mehr mög-
lich.

Auch inhaltlich ist eine Verschiebung des Lageberichts abzulehnen. Staats-
ministerin Dr. Maria Böhmer begründet gegenüber dem Bundestagspräsidenten
in ihrem Schreiben vom 30. April 2007 die Verschiebung damit, dass „den Frak-
tionen insbesondere auch die Ergebnisse dieses integrationspolitisch zentralen
Prozesses [Erstellung des Nationalen Integrationsplans] präsentiert und erläutert
werden können“. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb die Inhalte des
Nationalen Integrationsplans, die sich für die Fraktionen sicherlich direkt aus
dem Abschlussdokument des Integrationsgipfels ergeben werden, vermengt
werden sollen mit der gesetzlichen Aufgabe der Beauftragten der Bundesregie-
rung, einen Lagebericht vorzulegen, der vor allem eine detaillierte und wissen-
schaftlich fundierte Zustandsbeschreibung enthalten muss. Aus dem Vermerk
vom 13. Oktober 2006 geht hervor, dass der Lagebericht nach Vorstellungen der
Beauftragten der Bundesregierung entweder eine Art „Doppelung“ der Ergeb-
nisse des Integrationsgipfels sein soll („starke Bezugnahme des Lageberichts
auf das Gipfeldokument“) oder aber eine Art „Lückenfüller“ in Bezug auf das
sog. Gipfeldokument („Lagebericht, der insbesondere die Felder abdeckt, die im
Gipfelprozess nicht behandelt werden konnten“). Zu befürchten ist, dass die
Aufgabe einer möglichst fachkundigen Darstellung tatsächlicher Probleme von
Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Flüchtlingen und Menschen mit

Migrationshintergrund in Deutschland für die Präsentation von politischen Ziel-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5788

vorgaben und Maßnahmen der Bundesregierung in den Dienst genommen wer-
den soll. Dabei müsste der Erarbeitung lösungsorientierter Konzepte die präzise
Lageanalyse und -beschreibung eigentlich vorausgehen.

Änderungen in der inhaltlichen Konzeption sind angesichts der Qualität, der Ver-
ständlichkeit und des hohen Gebrauchswertes insbesondere des zuletzt
vorgelegten Lageberichts in keiner Weise zu begründen. Die Absicht, den „teil-
weise einer wissenschaftlichen Veröffentlichung ähnelnde[n] abwägende[n]
Stil“ des Sechsten Berichts „durch einen ergebnisorientierten Stil abzulösen“
(Vermerk der Beauftragten der Bundesregierung vom 13. Oktober 2006), ist
fachlich nicht nachvollziehbar. Offenbar wird eine weitgehend unkritische und
unreflektierte Darstellung nach Maßgabe der Ziele der Regierungspolitik ange-
strebt, worauf die Formulierung eines favorisierten „ergebnisorientierten Stil[s]“
zumindest hindeutet.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.