BT-Drucksache 16/5755

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/4556- Schutz von Mensch und Umwelt bei Freisetzungsexperimenten gewährleisten

Vom 20. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5755
16. Wahlperiode 20. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/4556 –

Schutz von Mensch und Umwelt bei Freisetzungsexperimenten gewährleisten

A. Problem

Der Schutz von Mensch und Umwelt ist – entsprechend dem Vorsorgeprinzip –
oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts.

Nach dem Gentechnikgesetz müsse bei Freisetzungsexperimenten mit gentech-
nisch veränderten Pflanzen der Zweck der geplanten Freisetzung in einem
vertretbaren Verhältnis zu dem Risiko einer möglichen schädlichen Wirkung
stehen. Freisetzungsexperimente dürften auch nicht Schutzgüter wie die Bio-
diversität gefährden.

Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die pharmazeutische
Wirkstoffe produzieren (Plant-Made Pharmaceuticals – PMPs), sowie von gen-
technisch veränderten Pflanzen, die Rohstoffe für die Industrie liefern sollen
(Plant-Made Industrials – PMIs), sei generell stark risikobehaftet. Ein Kontakt
von PMP- und PMI-Pflanzen mit der Umwelt und mit der Lebens- und Futter-
mittelkette müsse ausgeschlossen werden.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/5755 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/4556 abzulehnen.

Berlin, den 13. Juni 2007

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Ulrike Höfken
Vorsitzende und Berichterstatterin

Dr. Max Lehmer
Berichterstatter

Elvira Drobinski-Weiß
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

● sicherzustellen, dass Ressortforschungen zu gentech-
hin gentechnisch optimiert, dass sie einen besonders hohen
Gehalt an dem pharmazeutischen Inhaltsstoff produzieren.
nisch veränderten Pflanzen den Beratungsbedarf der
Bundesregierung decken und nicht der Produktentwick-
lung von gentechnisch veränderten Pflanzen dienen;

● sicherzustellen, dass für Schäden, die Dritten durch Frei-

Diese gesundheitlichen und ökologischen Risiken seien bis-
her nicht ausreichend erforscht. Darum sei die Erweiterung
des Risiko- und Zulassungskonzepts bei gentechnisch verän-
derten Pflanzen im Hinblick auf die Frage von Einschlie-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5755

Bericht der Abgeordneten Dr. Max Lehmer, Elvira Drobinski-Weiß,
Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Kirsten Tackmann und Ulrike Höfken

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
16/4556 in seiner 85. Sitzung am 8. März 2007 beraten und
an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz zur federführenden Beratung und an den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und den
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach dem Gentechnikgesetz müsse bei Freisetzungsexperi-
menten mit gentechnisch veränderten Pflanzen der Zweck
der geplanten Freisetzung in einem vertretbaren Verhältnis
zu dem Risiko einer möglichen schädlichen Wirkung stehen.
Freisetzungsexperimente dürfen auch nicht Schutzgüter wie
die Biodiversität gefährden.

Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die
pharmazeutische Wirkstoffe produzieren (Plant-Made Phar-
maceuticals – PMPs), und gentechnisch veränderten Pflan-
zen, die Rohstoffe für die Industrie liefern sollen (Plant-
Made Industrials – PMIs), sei generell stark risikobehaftet.
Dies habe zum einen der Bericht des Büros für Technikfol-
genabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) (Bundes-
tagsdrucksache 16/1211) ergeben. Zum anderen habe auch
der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) bereits im
Umweltgutachten 2004 (Bundestagsdrucksache 15/3600)
festgestellt, dass der Anbau von arzneimittelproduzierenden
Pflanzen grundsätzlich in Frage zu stellen sei. Daher sollten
laut Empfehlung des SRU solche transgenen Pflanzen nur in
geschlossenen Systemen und unter kontrollierten Bedingun-
gen eingesetzt werden.

Die Bundesregierung wird im Wesentlichen aufgefordert,

● sicherzustellen, dass bei Freisetzungsexperimenten mit
gentechnisch veränderten Pflanzen immer das „step-by-
step“-Prinzip des Gentechnikrechts eingehalten wird,
wonach Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen
zunächst im Labor, dann im Gewächshaus und erst dann
im Freiland durchgeführt werden dürfen;

● sicherzustellen, dass durch Freisetzungsexperimente kei-
ne gentechnisch veränderten Konstrukte oder Organis-
men in die Lebens- und Futtermittelkette und auch nicht
in die Natur gelangen;

● sicherzustellen, dass weder gentechnisch veränderte
Pflanzen auf dem Gelände der Genbank in Gatersleben
noch gentechnisch veränderter Raps freigesetzt werden;

● Datenbanken auf nationaler und internationaler Ebene
einzurichten, um Referenzmaterialien und Nachweisme-
thoden zu allen Freisetzungsexperimenten zu hinterlegen

sowie insbesondere hinsichtlich gentechnisch veränderter
PMP- und PMI-Pflanzen

● anzuordnen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen, die
pharmazeutische Wirkstoffe produzieren, in Deutschland
nicht in die Umwelt freigesetzt werden dürfen;

● sicherzustellen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen
oder Bestandteile von gentechnisch veränderten Pflan-
zen, die Rohstoffe für die Industrie liefern sollen, nicht in
die Nahrungs- und Futtermittelkette gelangen.

Der Antrag wird damit begründet, dass laut der Datenbank
der EU-Kommission rund 33 Freisetzungsexperimente an-
gemeldet seien, die in diesem Jahr und in den folgenden Jah-
ren in Deutschland durchgeführt werden sollen.

Geplante Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränder-
ten PMP-Erbsen bzw. bereits 2006 durchgeführte Freiset-
zungsversuche mit gentechnisch verändertem Weizen auf
dem Gelände der Genbank Gatersleben stünden in keinem
vertretbaren Verhältnis zu dem Risiko, das Schutzgut der
biologischen Vielfalt zu gefährden.

Am Beispiel des in den USA durch Freisetzungsexperimente
mit gentechnisch veränderten Pflanzen verunreinigten Rei-
ses, der auch in der EU und somit auch in Deutschland als
Lebensmittel verkauft worden sei, habe sich gezeigt, dass die
Rückverfolgung der Ursachen der gentechnischen Verunrei-
nigung schwierig sei. Darum sollten sowohl national als
auch auf EU- und auf internationaler Ebene von allen gen-
technisch veränderten Organismen, die freigesetzt werden,
Referenzmaterialien und Nachweismethoden in Datenban-
ken hinterlegt werden.

Weiterhin gebe es in zunehmendem Maße wissenschaftliche
Erkenntnisse darüber, dass gentechnisch veränderter Raps
nicht koexistenzfähig ist und sehr stark auskreuze. Darum
sollte gentechnisch veränderter Raps generell weder freige-
setzt noch zu kommerziellen Zwecken angebaut werden.

Im Zusammenhang mit Freisetzungsexperimenten mit trans-
genen PMP-Pflanzen und PMI-Pflanzen habe der Bericht
des Büros für Technikfolgensabschätzung beim Deutschen
Bundestag (TAB) (Bundestagsdrucksache 16/1211) gezeigt,
dass die bisherigen Vorschriften und Verfahren nicht passend
und/oder ausreichend seien. Anders als gentechnisch verän-
derte Pflanzen, die zu agronomischen Zwecken verändert
wurden, seien diese Pflanzen laut dem TAB-Bericht darauf-
setzungsexperimente von gentechnisch veränderten
Pflanzen entstehen, die Verursacher haften;

ßungs- und Separierungsmaßnahmen von PMP-/PMI-Pflan-
zen notwendig.

NIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat die Vorlage auf Drucksache 16/4556 in seiner
40. Sitzung am 13. Juni 2007 beraten und empfiehlt Ableh-
nung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat die Vorlage auf Drucksache 16/4556
in seiner 38. Sitzung am 13. Juni 2007 beraten und empfiehlt
Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

IV. Beratungsverlauf im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 16/4556 in seiner
48. Sitzung am 13. Juni 2007 beraten.

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD führten aus, die
neue Generation von gentechnisch veränderten Pflanzen für
den Arzneipflanzenanbau stelle eine neue Herausforderung
dar. Im Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung
beim Deutschen Bundestag (TAB) werde jedoch der Nutzen
dieser Pflanzen angezweifelt, da bei Arzneien höchst genaue
Dosierungen erforderlich seien. Die Bundesregierung wird
aufgefordert, darüber zu berichten, wie die Kosten-Nutzen-
Analyse beim Anbau solcher Pflanzen gesehen werde.

Das im Antrag postulierte Ziel, zum Schutz des Menschen
und der Umwelt werde von allen geteilt. Dies werde auch bei
der Zielsetzung von GVO-Pflanzen (GVO: gentechnisch
veränderte Organismen) für den Arzneipflanzenanbau gefor-
dert. Es gelte, die Risiken ernst zu nehmen und die Chancen
zu nutzen. Deshalb werde die Bundesregierung darüber hin-
aus gebeten, über die geplanten Untersuchungsmethoden zu
unterrichten. Man gehe jedoch davon aus, dass bei den Re-
geln für die Freisetzungsversuche die notwendigen Voraus-
setzungen geschaffen worden seien. Im Übrigen könne man
davon ausgehen, dass das Auskreuzungsverhalten von Arz-
neipflanzen nicht unbedingt anders geartet sei als das anderer
Pflanzen.

tung gegenüber transgenen Pflanzen, auch im Hinblick auf
die Lebenssituation in anderen Teilen der Welt, als proble-
matisch. Dem Antrag werde man von daher nicht zustim-
men.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, der Bericht des Büros
für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag
(TAB) zeige, dass GVO-Pflanzen der zweiten und dritten
Generation zum Teil nicht marktfähig seien. Es gelte, eine
genaue Risiko-Nutzen-Abwägung zu treffen. Dabei müsse
man die Risiken reduzieren und restriktiv mit Freisetzungs-
experimenten umgehen. Man wisse, dass z. B. Maispollen
über mehr als zwei Kilometer fliegen würden. Man wünsche
sich klare, einvernehmliche Regeln, die den gesellschaft-
lichen Konsens widerspiegeln sollten, wobei man hier den
Schutz der „Nichtanwender“ bzw. Verbraucher in den Vor-
dergrund stellen sollte.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verwies auf
die Kölner Erklärung vom 30. Mai 2007, nach der Bundes-
minister Horst Seehofer deutlich restriktivere Verfahren
befürwortete. Dem stünden jedoch die Auffassungen der
Bundesminister Dr. Annette Schavan und Michael Glos
gegenüber, die die Gentechnik bis 2030 zum Standard er-
heben wollten. Bei den gentechnisch veränderten Arznei-
mitteln sehe man die besondere Gefahr, dass nicht gewünsch-
te Stoffe vermehrt in die Umwelt gelangten. Dies sehe auch
der TAB-Bericht so, der die Produktion von Arzneimittel-
pflanzen, die gentechnisch verändert seien, in Frage stelle.
Man spreche sich dafür aus, dass solche Pflanzen nur unter
kontrollierten Bedingungen und in geschlossenen Systemen
gehalten werden. Weiter fordere man die Erstellung einer
Referenzdatenbank und den Verzicht darauf, öffentliche Gel-
der für die Produktentwicklung zu verwenden. Beim Stand-
ort Gatersleben spreche man sich dafür aus, keine GVO-
Pflanzen in der Nähe von Naturschutzgebieten freizusetzen.
Weiterhin solle auch auf die Freisetzung von gentechnisch
verändertem Raps verzichtet werden.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag auf Drucksache 16/4556 abzulehnen.

Berlin, den 13. Juni 2007

Dr. Max Lehmer
Berichterstatter

Elvira Drobinski-Weiß
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Dr. Kirsten Tackmann Ulrike Höfken
Drucksache 16/5755 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlage auf Drucksache16/4556 in seiner 39. Sitzung am
13. Juni 2007 beraten und empfiehlt Ablehnung mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜND-

Die Fraktion der FDP betonte, sie habe kein Vertrauen in
den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es
habe in Mexiko Versuche mit transgenem Mais gegeben. Im
Ergebnis ließen sich die transgenen Sorten nach einigen Jah-
ren nicht mehr nachweisen. Von daher würden die Risiko-
analysen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kri-
tisiert. Man müsse demgegenüber die Vorteile transgener
Pflanzen nutzen. So empfinde man z. B. die restriktive Hal-
Berichterstatterin Berichterstatterin

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