BT-Drucksache 16/5703

Schutz und Rechtsstellung von Primaten in Gefangenschaft

Vom 15. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5703
16. Wahlperiode 15. 06. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, Cornelia Behm,
Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Ulrike Höfken, Dr. Anton
Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Nicole Maisch und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Schutz und Rechtsstellung von Primaten in Gefangenschaft

Biologisch betrachtet ist der Mensch ein Primat. Nicht-menschliche Primaten
sind daher genetisch die nächsten Verwandten des Menschen. Mit den großen
Menschenaffen, wie Gorilla, Schimpanse und Orang Utan, hat der Mensch zwi-
schen 96 und 98 Prozent seiner Gene gemeinsam.

Tierversuche an nicht-menschlichen Primaten stellen daher ein schwerwiegen-
des ethisches Problem dar. Einige europäische Länder haben bereits Versuche an
Menschenaffen gesetzlich untersagt. 1999 hat Neuseeland, auf der Grundlage
des 1993 gegründeten „Great Ape Project“, Menschenaffen eine Art Grund-
rechte eingeräumt.

Wir fragen die Bundesregierung:

Primaten und Tierversuche

1. In welchen europäischen und außereuropäischen Ländern sind nach Kenntnis
der Bundesregierung Tierversuche an Primaten verboten?

2. Welche gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Verwendung von Primaten
in Tierversuchen haben das Vereinigte Königreich, Irland, Schweden, die
Niederlande, Österreich, die Schweiz, Spanien und Neuseeland getroffen,
und welche Erfahrungen mit diesen Regelungen wurden bislang gesammelt?

3. Gibt es auf Ebene der Europäischen Union Überlegungen für ein Verbot von
Tierversuchen an Primaten, und wenn ja, in welchem Stadium befinden sich
diese Überlegungen?

4. Unterstützt die Bundesregierung diese Überlegungen, und wenn nein, warum
nicht?

5. Wie viele Primaten welcher Arten werden derzeit in Deutschland zu Ver-
suchszwecken gehalten (Angabe bitte unterteilt nach Haltung für genehmi-
gungspflichtige und für anzeigepflichtige Versuche)?
6. Welche deutschen Hochschulen nutzen Primaten welcher Arten zu welchen
Versuchszwecken?

7. Welche anderen Einrichtungen (z. B. der Pharma-Industrie) nutzen derzeit
wie viele Primaten welcher Arten zu welchen Versuchszwecken?

Drucksache 16/5703 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. Welche Einrichtungen haben derzeit in Deutschland die Erlaubnis nach § 11
Abs. 1 Punkt 1 Tierschutzgesetz zur Züchtung welcher Primatenarten zu
Versuchszwecken?

9. Welches sind die Zwecke, zu denen die Genehmigung zur Durchführung
von Tierversuchen an Primaten in Deutschland erteilt wird?

10. Welche Ergebnisse der Forschung an Primaten mit einem relevanten Nutzen
für den Menschen sind der Bundesregierung bekannt?

11. Welche Hochschulen in Deutschland führen die Zucht von Primaten für
Tierversuche durch?

12. Welche anderen Einrichtungen in Deutschland (z. B. der Pharma-Industrie)
führen die Zucht von Primaten für Tierversuche durch?

13. Wie viele der in Deutschland für Tierversuche eingesetzten Primaten wel-
cher Arten wurden importiert?

14. Wer erteilt für den Import von Primaten für Tierversuche nach Deutschland
die Einfuhrgenehmigung und auf welcher rechtlichen Grundlage?

15. Wie viele Tiere und Tiere welcher Arten wurden seit 1990 jeweils aus wel-
chen Drittländern bzw. Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingeführt,
und aus welchen Herkunftsländern stammen diese ursprünglich?

16. Wie viele der seit 1990 nach Deutschland importierten Primaten stammen
aus Wildfängen?

17. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass aus der Republik Mauritius seit
dem Jahr 2000 ausschließlich direkte Nachkommen von Wildfängen und
sogar Wildfänge nach Deutschland importiert werden?

18. Ist es zutreffend, dass auf Mauritius diese Tiere als „Schädlinge“ eingestuft
sind und ihr Fang und Export damit begründet werden, dass dies dem Schutz
der Zuckerplantagen und anderer landwirtschaftlichen Anbauflächen diene?

19. Über welche Grenzkontrollstellen wurden die Tiere dieser Tierarten jeweils
in die Europäische Union resp. nach Deutschland eingeführt und/oder inner-
gemeinschaftlich verbracht?

20. Welche Besonderheiten wurden bei der Einfuhr dieser Tiere nach Deutsch-
land vom zuständigen Grenzamtsveterinär bei der nach Binnenmarkt-Tier-
seuchenschutzverordnung vorgeschriebenen Dokumentenprüfung, Näm-
lichkeitskontrolle und physischen Untersuchung festgestellt?

21. Wurden kranke, verletzte oder tote Tiere dokumentiert?

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Tierversuche an Primaten,
die der freien Wildbahn entnommen wurden, für die Tiere extrem belastend
sind und in der Frage der Abwägung (§ 7 Abs. 3 Tierschutzgesetz) ethisch
nicht vertretbar sind, und wenn nicht, warum nicht?

23. Schließt sich die Bundesregierung der Empfehlung der Eidgenössischen
Kommissionen für Tierversuche (EKTV) und der Eidgenössischen Ethik-
kommissionen für Biotechnologie im Außerhumanbereich (EKAG) an, die
eine größere Zurückhaltung bei Primatenversuchen fordern und vor allem
eine interdisziplinäre Prüfung der beantragten Forschungsziele?

24. Wie viele Primaten wurden seit 1990 aus Tierparks oder Zoologischen Gär-
ten in Deutschland zu Tierversuchszwecken abgegeben?

25. Welche Tierparks oder Zoologischen Gärten in Deutschland haben wie viele
Primaten seit 1990 zu Tierversuchszwecken abgegeben, und um welche
Arten handelte es sich? In welche Einrichtungen wurden die Tiere abgege-

ben?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5703

26. Welche Tierparks oder Zoologischen Gärten in Deutschland haben wie viele
Primaten welcher Art seit 1990 an welche Einrichtungen abgegeben, die
entsprechend § 11 Abs. 1 Punkt 1 Tierschutzgesetz Primaten für Versuchs-
zwecke züchten?

27. Welche Unternehmen – abgesehen von Tierparks, Zoologischen Gärten und
Forschungseinrichtungen – haben in Deutschland die Genehmigung zur
Einfuhr und zum Handel mit Primaten?

28. Wie viele der für Tierversuche seit 1990 eingesetzten Primaten starben an
den Folgen jeweils welcher Versuche?

29. Wo verbleiben Primaten nach Beendigung der Tierversuche, für die sie ein-
gesetzt wurden?

30. Wie viele der seit 1990 für Tierversuche eingesetzten Primaten sind nicht
mehr am Leben, und welches Lebensalter erreichten sie durchschnittlich?

31. Wie viele der seit 1990 für Tierversuche eingesetzten Primaten verstarben
natürlich, und wie viele wurden getötet?

32. Auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgt die Tötung von Primaten, und
welche Mittel werden hierzu eingesetzt?

33. Welche Gründe sind der Bundesregierung bekannt, die die Regierung von
Oberbayern im November 2006 dazu veranlassten, die Fortsetzung von
Tierversuchen an Affen im Bereich der Hirnforschung im Klinikum Groß-
hadern in München abzulehnen?

34. Sieht die Bundesregierung, diese Gründe bedenkend, die Notwendigkeit, zu
einer Verbesserung des rechtlichen Schutzes von Primaten zu gelangen?

Haltung von Primaten in Zirkussen und Zoologischen Einrichtungen

35. Wie viele Primaten welcher Arten werden derzeit in deutschen Zirkussen
gehalten, und wie hat sich diese Zahl seit 1990 entwickelt?

36. Wie viele dieser Primaten stammen aus Nachzuchten und wie viele aus
Wildfängen?

37. Woher stammen die Wildfänge?

38. Wie viele Primaten wurden aus jeweils welchen EU-Ländern eingeführt und
woher stammen sie ursprünglich?

39. Über welche Grenzkontrollstelle wurden die Tiere dieser Tierarten jeweils
in die Europäische Union und/oder nach Deutschland eingeführt und/oder
innergemeinschaftlich verbracht?

40. Welche Besonderheiten wurden bei der Einfuhr der Tiere dieser Tierarten
nach Deutschland vom zuständigen Grenzamtsveterinär bei der nach Bin-
nenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung vorgeschriebenen Dokumenten-
prüfung, Nämlichkeitsprüfung und physischen Untersuchung festgestellt?

41. Wurden kranke, verletzte oder tote Tiere dokumentiert?

42. Wie viele Primaten werden in deutschen Zirkussen zu Darbietungszwecken
eingesetzt?

43. Wo werden die Haltungsbedingungen von Primaten in Zirkussen und Zoo-
logischen Gärten geregelt, und wann wurden diese Regelungen letztmalig
aktualisiert?

44. Welche Erfahrungen liegen bei den Amtstierärzten hinsichtlich der Kon-
trolle der Haltungsbedingungen von Primaten in Zirkussen vor (Anzahl von

Beanstandungen, Beschlagnahmungen usw.)?

Drucksache 16/5703 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
45. Wie viele private Primatenhaltungen mit wie vielen Primaten welcher Arten
sind der Bundesregierung bekannt?

46. Haben mittlerweile alle Zoologischen Gärten, die Primaten halten, die im
Rahmen der Umsetzung der EU-Zoorichtlinie (Richtlinie 1999/22/EG)
nötig gewordene Betriebserlaubnis erhalten?

47. Wenn nicht, welche Zoologischen Gärten halten Primaten ohne eine gültige
Betriebsgenehmigung? Aus welchen Gründen wurde bislang keine Geneh-
migung erteilt?

48. Welches Lebensalter erreichen die in Zirkussen sowie die in Zoologischen
Gärten gehaltenen Primaten durchschnittlich, und welches sind die häufigs-
ten Todesursachen?

49. Welchen Erfolg haben Nachzüchtungen von Primaten in Zirkussen sowie in
Zoologischen Einrichtungen?

50. Beteiligen sich Zoologische Gärten aus Deutschland an Auswilderungspro-
jekten von gefährdeten Primatenarten? Wenn ja, wie viele in Deutschland
gezüchtete Primaten welcher Arten wurden in den letzten fünf Jahren wo
ausgewildert?

51. Wohin werden die in Zoologischen Gärten nachgezüchteten Primaten abge-
geben (Zoo, Zirkus, Versuchslabor, Privathaltung)?

52. Wie viele in Zoologischen Gärten gezüchtete Primaten jeweils welcher Art
wurden in den letzten zehn Jahren ins europäische Ausland abgegeben, wie
viele ins nicht europäische Ausland?

53. Wohin wurden die Tiere abgegeben?

Rechtlicher Schutz von Primaten

54. Sind der Bundesregierung – neben der spanischen – weitere europäische
oder internationale Initiativen zur rechtlichen Besserstellung von Men-
schenaffen im Sinne des „Great Ape Project“ bekannt?

55. Wie bewertet die Bundesregierung den spanischen Gesetzentwurf?

56. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zum Beratungsstand die-
ses Gesetzentwurfes vor?

57. Welche konkreten Regelungen zur rechtlichen Besserstellung von Men-
schenaffen enthält der spanische Gesetzentwurf?

58. Welche rechtliche Regelung zum Schutz von Primaten im Sinne des „Great
Ape Project“ wurde in Neuseeland getroffen?

59. Welche Erfahrungen hat Neuseeland bei der Umsetzung dieser Regelung
gesammelt?

60. Hat sich die Bundesregierung mit der Frage einer möglicherweise erforder-
lichen und durch das Staatsziel „Tierschutz“ legitimierten rechtlichen Bes-
serstellung von Primaten, insbesondere den Großen Menschenaffen befasst,
und wenn ja, zu welchen Ergebnissen ist sie gelangt?

Berlin, den 15. Juni 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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