BT-Drucksache 16/5686

zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Dr. Thea Dückert, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/5253- Teilhabechancen für Kinder und Jugendliche aus armen Haushalten fördern

Vom 14. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5686
16. Wahlperiode 14. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Dr. Thea Dückert,
Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/5253 –

Teilhabechancen für Kinder und Jugendliche aus armen Haushalten fördern

A. Problem

In der Bundesrepublik Deutschland bestimmt noch immer weitgehend der so-
ziale Status der Eltern den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen. An-
gesichts der Tatsache, dass jedes sechste Kind in einer Familie lebt, die Sozial-
leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II,
SGB XII) bezieht, müssen armutsbedingte Benachteiligungen beseitigt werden,
die einer gleichberechtigten Teilhabe dieser Kinder an Bildungsangeboten im
Wege stehen. Entscheidend für die Start- und Bildungschancen von Kindern aus
armen Familien ist die Bereitstellung eines umfassenden und hochwertigen
Förder- und Bildungsangebots. Eine früh einsetzende und individuell ausgerich-
tete Förderung von Kindern und Jugendlichen kann maßgeblich dazu beitragen,
sozialer und kultureller Exklusion entgegenzuwirken und Armutskarrieren zu
verhindern.

B. Lösung

Die Bundesregierung wird aufgefordert, es den Kostenträgern der SGB II,
SGB XII und des Asylbewerberleistungsgesetzes zu ermöglichen, Sachleistun-
gen zu gewähren, die der körperlichen, geistigen und sozialen Entwicklung von
Kindern und Jugendlichen dienen. Sachleistungen sind zum Beispiel Lernmittel
und Schulmaterial in begründeten Fällen, sofern keine Erstattung durch das
Bundesland vorgesehen ist; Mahlzeiten im Rahmen der Ganztagsbetreuung in
Kindertagesstätten und Schulen; die Inanspruchnahme von kommunalen

Sportangeboten, Musikschulen und Bibliotheken; Kosten für die Schülerbeför-
derung in begründeten Fällen, sofern keine Erstattung durch das Bundesland
vorgesehen ist.

Es wird an die Landesregierungen appelliert, sich nicht sukzessive von ihrer
Verantwortung für alle Schülerinnen und Schüler zu verabschieden, indem sie
finanzpolitisch motivierte Kürzungen im Bereich der Lernmittelfreiheit und der
Regelungen zur Schülerbeförderung vornehmen.

Drucksache 16/5686 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5686

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/5253 abzulehnen.

Berlin, den 13. Juni 2007

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Angelika Krüger-Leißner Max Straubinger
Stellvertretende Vorsitzende Berichterstatter

tigen Notfallcharakter habe, um das völlige Versagen einiger
III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung

Bundesländer zumindest teilweise auszugleichen. Die So-
zialhilfeträger und Jobcenter vor Ort sollten in Zukunft
wenigstens eine Rechtsgrundlage haben, um auf aktuelle
Drucksache 16/5686 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Max Straubinger

I. Überweisung und Votum der mitberatenden
Ausschüsse

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 16/5253 ist in der 97. Sitzung des Deutschen
Bundestages am 10. Mai 2007 an den Ausschuss für Arbeit
und Soziales zur federführenden Beratung und an den Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung zur Mitberatung überwiesen worden.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
und der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung haben die Vorlage in ihren Sitzungen am
13. Juni 2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
In ihrem Antrag fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Bundesregierung auf, es den Kostenträgern
der SGB II, SGB XII und des Asylbewerberleistungsgeset-
zes zu ermöglichen, Sachleistungen zu gewähren, die der
körperlichen, geistigen und sozialen Entwicklung von Kin-
dern und Jugendlichen dienten. Sachleistungen seien zum
Beispiel Lernmittel und Schulmaterial in begründeten Fäl-
len, sofern keine Erstattung durch das Bundesland vorgese-
hen sei; Mahlzeiten im Rahmen der Ganztagsbetreuung in
Kindertagesstätten und Schulen; die Inanspruchnahme von
kommunalen Sportangeboten, Musikschulen und Biblio-
theken; Kosten für die Schülerbeförderung in begründeten
Fällen, sofern keine Erstattung durch das Bundesland vorge-
sehen sei. Vor dem Hintergrund steigender Armutsgefähr-
dungen von Familien mit Kindern sei nicht nachvollziehbar,
dass einige Bundesländer sich sukzessive von der Verant-
wortung für alle Schülerinnen und Schüler verabschiedeten.
Kürzungen im Bereich der Lernmittel und der Schülerbeför-
derung seien nicht hinnehmbare besondere Härten für Kin-
der aus einkommensschwachen Familien beim Zugang zu
Bildungsangeboten. Dies gelte in gleicher Weise für eine
zeitliche Begrenzung der Schülerbeförderung bis zur zehn-
ten Schulklasse, die insbesondere armen Kindern im länd-
lichen Raum den Besuch der Oberstufe erschwere. Sofern
die Länder überhaupt noch Lernmittel zur Verfügung stell-
ten, sei dies auf Schulbücher begrenzt. Im Bildungsauftrag
der Länder solle über die Ausstattung mit Schulbüchern hin-
aus auch die Versorgung mit Schulmaterial wie Taschenrech-
ner oder Schreibmaterial in den Schulen enthalten sein, um
allen Kindern die gleichen Voraussetzungen für den Schul-
besuch zu gewährleisten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

Im Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. beschlossen,
dem Deutschen Bundestag die Ablehnung des Antrags auf
Drucksache 16/5253 zu empfehlen.

Die Vertreter der Fraktion der CDU/CSU vertraten die
Auffassung, dass es keinen Handlungsbedarf auf Bundes-
ebene gebe: Die Regelleistung bilde das soziokulturelle
Existenzminimum ab und umfasse auch Ausgaben für die
Nutzung von Verkehrsmitteln, Nahrung und Schulmaterial.
Das Bundessozialgericht habe noch im November 2006
Höhe und Art der Bedarfsermittlung als verfassungsgemäß
in § 23 Abs. 3 SGB II geregelt gesehen. Die Schulausbildung
und die Bereitstellung von Lern- und Hilfsmitteln seien
grundsätzlich bei den Ländern angesiedelt. Zum Beispiel sei
in Bayern für SGB-II-Bezieher die Lernmittelfreiheit sicher-
gestellt.

Die Fraktion der SPD betonte, die Intention des Antrags,
armutsbedingte Benachteiligungen beim Zugang zu Bildung
zu beseitigen, sei nicht falsch und stehe auch nicht im Wider-
spruch zu der von der Fraktion der SPD verfolgten Politik.
Aber die hier vorgeschlagenen Instrumente seien nicht ge-
eignet, das Problem zu lösen. Die Länder und Kommunen
dürften nicht aus ihrer Verpflichtung entlassen werden, die
Rahmenbedingungen der schulischen Ausbildung so zu
gestalten, dass hilfebedürftige Familien von den finanziellen
Belastungen, die durch Fahrtkosten, Lernmittel oder Mit-
tagsspeisung entstehen könnten, nicht in einem unangemes-
senen Umfang belastet würden.

Die Fraktion der FDP unterstrich, dass die Kultuszustän-
digkeit auf Länderebene angesiedelt sei und diese daher ge-
fordert sei. Wenn man die Möglichkeit eröffne, dass Hilfen
von Seiten des Bundes in Anspruch genommen werden
könnten, werde es sicherlich dazu kommen, dass die Betrof-
fenen hin- und hergeschickt würden. Dies sei im Interesse
von Menschen, die ohnehin der Gefahr der Stigmatisierung
ausgesetzt seien, nicht erstrebenswert.

Die Fraktion DIE LINKE. machte deutlich, dass die Teil-
habe an Bildung für alle garantiert werden müsse und nicht
vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein dürfe. Das öffent-
liche Bildungssystem sei zu stärken, denn Privatisierung von
Bildung bedeute gute Bildung für wenige und schlechte Bil-
dung für viele. Das bisherige Muster von Politik laufe so:
Denjenigen, die viel hätten, werde weiter viel gegeben. Die-
jenigen, die wenig hätten, müssten damit rechnen, aussortiert
zu werden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, ihr
Antrag wolle die Länder keinesfalls aus ihrer Leistungs-
pflicht befreien, sondern sei als eine Art Sofortmaßnahme
für bedürftige Kinder und Jugendliche zu sehen, die eindeu-
der Vorlage in seiner 52. Sitzung am 13. Juni 2007 aufge-
nommen und abgeschlossen.

Hilfebedarfe von Kindern und Jugendlichen durch die Ge-
währung von Sachleistungen schnell und unbürokratisch

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5686

reagieren zu können. Gegenwärtig könnten die örtlichen
SGB-II- und SGB-XII-Leistungsträger selbst im Einzelfall
keine Lernmittel auf dem Weg der Vorleistung zur Verfü-
gung stellen.

Berlin, den 13. Juni 2007

Max Straubinger
Berichterstatter

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