BT-Drucksache 16/5647

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/3402- Für eine demokratische, freiheitliche, soziale und Frieden sichernde Verfassung der Europäischen Union

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5647
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(21. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine,
Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/3402 –

Für eine demokratische, freiheitliche, soziale und Frieden sichernde Verfassung
der Europäischen Union

A. Problem

Am 29. Oktober 2004 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs sowie
die Außenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union den „Vertrag
über eine Verfassung für Europa“. Der Deutsche Bundestag hatte dem „Entwurf
eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für
Europa“ am 12. Mai 2005, der Bundesrat am 27. Mai 2005 zugestimmt. Nach-
dem die Bürgerinnen und Bürger in Frankreich und in den Niederlanden den
„Vertrag über eine Verfassung für Europa“ am 29. Mai 2005 beziehungsweise
am 1. Juni 2005 per Referendum abgelehnt hatten, gelangte der Europäische
Rat am 16./17. Juni 2005 zu der Einschätzung, dass „die ursprünglich für den
1. November 2006 geplante Bestandsaufnahme zur Ratifizierung nicht mehr
haltbar ist, da jene Länder, die den Text nicht ratifiziert haben, nicht vor Mitte
2007 eine gute Antwort geben könnten“. Aufgrund dessen sollte eine etwa ein-
jährige „Phase der Reflexion“ eingeleitet werden, in der den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union die Gelegenheit gegeben werden sollte, den Verfas-
sungsvertrag nach umfassendem öffentlichem Diskurs ohne Zeitdruck zu ratifi-
zieren oder dessen Ratifizierung aufzuschieben.

Anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge
wurde am 25. März 2007 die „Berliner Erklärung“ bei dem informellen Gipfel
der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
feierlich in Berlin proklamiert. In der Erklärung findet sich die Aussage: „Des-
halb sind wir … in dem Ziel geeint, die Europäische Union bis zu den Wahlen

zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage
zu stellen.“ Mit dieser Wendung baut die „Berliner Erklärung“ die Brücke zum
Europäischen Rat am 21./22. Juni 2007, auf dem die sogenannte road map für
das weitere Vorgehen im Prozess um den „Vertrag über eine Verfassung für
Europa“ von der deutschen Ratspräsidentschaft der Europäischen Union vor-
gestellt werden soll.

Drucksache 16/5647 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Deutschland steht vor der Aufgabe, als Ratspräsidentschaft der Europäischen
Union bis zum Europäischen Rat am 21./22. Juni 2007 Vorschläge für die
Lösung der Verfassungskrise zu unterbreiten und die Weichen für eine neue
Verfasstheit der Europäischen Union zu stellen.

Die Antragstellerinnen und Antragsteller der Fraktion DIE LINKE. fordern die
Bundesregierung dazu auf, die Ratifizierung des am 29. Oktober 2004 unter-
zeichneten „Vertrags über eine Verfassung für Europa“ durch sämtliche Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union nicht weiter zu betreiben, sondern wäh-
rend ihrer Ratspräsidentschaft die Initiative für einen alternativen Verfassungs-
vertrag zu ergreifen und die im Antrag enthaltenen Vorschläge zur Fortführung
des Verfassungsprozesses zu berücksichtigen. Zugleich beantragen sie, der
Deutsche Bundestag möge seinen Zustimmungsbeschluss zum „Entwurf eines
Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für
Europa“ vom 12. Mai 2005 aufheben.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5647

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/3402 abzulehnen.

Berlin, den 23. Mai 2007

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Kurt Bodewig
Stellvertretender Vorsitzender

Thomas Silberhorn
Berichterstatter

Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Diether Dehm
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

päischen Gemeinschaften und später der Europäischen 177, 178 und 185), begünstige Sozialabbau in der Euro-

Union habe den Völkern der daran beteiligten Staaten
nach dem Zweiten Weltkrieg stabile Friedensbeziehun-
gen gebracht. Zwischen jahrhundertelang verfeindeten
Staaten sei Frieden gestiftet worden. Kriege zwischen
Mitgliedern der Europäischen Union erscheinen ausge-

päischen Union und verweigere eine Sozialunion. Drit-
tens erhebe er Militarisierung und Rüstungspflicht in ei-
nen Verfassungsrang. Der Vertrag sei durch die ableh-
nenden Volksabstimmungen in Frankreich und den Nie-
derlanden zum Scheitern gebracht worden. In weiteren
Drucksache 16/5647 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Thomas Silberhorn, Michael Roth (Heringen), Markus
Löning, Dr. Diether Dehm, Rainder Steenblock

1. Beratungsverfahren
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache
16/3402 wurde in der 80. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 2. Februar 2007 zur federführenden Beratung an
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss,
den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie, den Verteidigungsaus-
schuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend sowie den Ausschuss für Menschenrechte und huma-
nitäre Hilfe überwiesen.
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 42. Sitzung am
23. Mai 2007 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.
Der Innenausschuss hat in seiner 41. Sitzung am 23. Mai
2007 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.
Der Rechtsausschuss hat in seiner 64. Sitzung am 23. Mai
2007 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in
seiner 38. Sitzung am 23. Mai 2007 den Antrag mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. abgelehnt.
Der Verteidigungsausschuss hat in seiner 48. Sitzung am
23. Mai 2007 den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 35. Sitzung am 23. Mai 2007 den Antrag mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. abgelehnt.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 36. Sitzung am 23. Mai 2007 den Antrag
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. abgelehnt.

2. Inhalt der Vorlage
Auf der Grundlage des Antrags der Fraktion DIE LINKE.
solle der Deutsche Bundestag zunächst Folgendes feststellen:
– Die europäische Integration im Rahmen der Euro-

Bürger gebracht. Von der Europäischen Union seien Im-
pulse zur Gleichstellung von Frauen und Männern, zum
Schutz vor Diskriminierung und allgemein zur Siche-
rung von Grundrechten ausgegangen. Zugleich sei ein
Europa der Konzerne, in denen der Profit oberstes Prin-
zip sei, entstanden. In diesem Europa hätten soziale und
ökologische Ziele von Anfang an eine untergeordnete
Rolle gespielt. Seit der „Einheitlichen Europäischen
Akte“ aus dem Jahr 1986 und verstärkt seit dem „Vertrag
von Maastricht“ aus dem Jahr 1992 verfolge die Euro-
päische Union den fatalen Kurs eines neoliberalen
Markt-Rigorismus, der zu Massenarbeitslosigkeit, zum
Schrumpfen der Wachstumsraten und zu sozialem Ab-
bau führe. Nach 1990 habe sich die Erweiterung der Eu-
ropäischen Union auf 25 und mehr Mitglieder vollzogen.
Dies werde zu einem zunehmenden Lohn- und Sozial-
dumping missbraucht. Dafür stehe die Dienstleistungs-
richtlinie. Seit dem „Vertrag von Maastricht“ beschreite
die Europäische Union einen gefährlichen Weg der Mili-
tarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik. Dafür
stünden der Aufbau der sogenannten battle groups, der
bewaffnete Einsatz in Bosnien-Herzegowina und die Er-
richtung einer Rüstungsagentur. In „Brüssel“ verselb-
ständige sich eine für die Bürgerinnen und Bürger un-
durchschaubare Bürokratie der Europäischen Union. Die
Abläufe im Europäischen Rat, im Rat der Europäischen
Union und in der Europäischen Kommission seien von
funktionierender Demokratie weit entfernt und entbehr-
ten jeglicher Nähe zu Bürgerinnen und Bürgern. Die
demokratischen Funktionen des Europäischen Parla-
ments und seine Rechte und Befugnisse seien unzurei-
chend. So seien viele Bürgerinnen und Bürger immer
mehr der Europäischen Union entfremdet worden und
bekämen Angst davor, was aus der Europäischen Union
auf sie zukomme. Es verstärkten sich Misstrauen und so-
gar Ablehnung gegenüber der Europäischen Union.

– Der von den Regierungen der Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union vorgelegte „Vertrag über eine Verfas-
sung für Europa“ vom 29. Oktober 2004 habe diese
Angst nicht zerstreut sondern verstärkt. Dieser Vertrag
stehe für Stillstand und verfestige Fehlentwicklungen. Er
werde dem Streben der Bürgerinnen und Bürger der
Europäischen Union nach einem friedlichen, demokrati-
schen und sozialen Europa nicht gerecht. Er leide an drei
Übeln. Erstens werde das Defizit der Europäischen
Union an Demokratie und Bürgerbeteiligung nicht besei-
tigt sondern fortgeschrieben. Zweitens verpflichte er die
Wirtschafts- und Währungspolitik der Europäischen
Union auf den neoliberalen „Grundsatz einer offenen
Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (Artikel III-
schlossen. Der freie Warenverkehr bei offenen Grenzen
habe spürbare Erleichterungen für die Bürgerinnen und

Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die den Ratifi-
kationsprozess abgebrochen hätten, sei eine Ablehnung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5647

zu erwarten. Damit werde das Erfordernis der Ratifika-
tion durch alle Mitgliedstaaten verfehlt. Versuche, den
abgelehnten Verfassungsvertrag wieder zu beleben,
seien juristisch zweifelhaft, moralisch unzulässig und
politisch verfehlt. Es sei ein Neuanfang auf einem kon-
sequent demokratischen Weg notwendig.

– Von der Bundesregierung werde während ihrer Ratsprä-
sidentschaft der Europäischen Union im ersten Halbjahr
2007 nach den Schlussfolgerungen des Europäischen
Rates vom 15./16. Juni 2006 erwartet, mögliche künftige
Entwicklungen aufzuzeigen. Der Europäische Rat wolle
dann den Bericht des deutschen Vorsitzes „prüfen“ und
im Ergebnis beschließen, „wie der Reformprozess fort-
gesetzt werden soll, wobei die diesbezüglich erforder-
lichen Schritte spätestens im zweiten Halbjahr 2008 un-
ternommen werden müssen“. Die Bundesregierung trage
damit eine hohe Verantwortung für den Verfassungspro-
zess. Sie müsse bei ihren diesbezüglichen Vorschlägen
die geänderten Umstände berücksichtigen und dürfe
nicht einfach an dem gescheiterten Verfassungsvertrag
festhalten. Sie müsse neue Ideen entwickeln, die auch
den Vorstellungen und Forderungen derjenigen entge-
genkommen, die den vorliegenden Verfassungsvertrag
ablehnten oder für nicht ausreichend hielten. Dem
könnte formal der Beschluss des Deutschen Bundestages
vom 12. Mai 2005 über den „Entwurf eines Gesetzes zu
dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung
für Europa“ entgegenstehen, weil er die Handlungsfrei-
heit der Bundesregierung bei der Suche nach alternati-
ven Vorschlägen beschränkte. Der Bundespräsident habe
aber das Gesetz mit Rücksicht auf ausstehende Entschei-
dungen des Bundesverfassungsgerichts nicht ausgefer-
tigt und damit das Ratifikationsverfahren unterbrochen.
Der Beschluss des Deutschen Bundestages sei auch we-
gen der ablehnenden Volksentscheide in den Niederlan-
den und in Frankreich als überholt zu betrachten.

Der Deutsche Bundestag möge für die Weiterführung der eu-
ropäischen Integration durch einen neuen Vertrag über eine
Verfassung der Europäischen Union eintreten und die Auf-
nahme folgender Grundsatzregelungen in einen alternativen
Verfassungsvertrag vorschlagen:

– Durch den Verfassungsvertrag werde die Europäische
Union als ein demokratischer, politischer, ökonomischer,
sozialer und ökologischer Verbund staatlich organisierter
Völker konstituiert. Zu seinen unabänderlichen Grund-
sätzen müsse neben Demokratie und Rechtstaatlichkeit
gleichrangig die Sozialstaatlichkeit gehören. Die Verfas-
sung schaffe keinen europäischen Superstaat. Die Mit-
gliedstaaten behielten einen Grundbestand souveräner
Rechte. Die Verfassung sei auf Frieden und Wohlerge-
hen der Völker, der europäischen wie aller anderen, ge-
richtet. Zu diesem Zweck seien Zuständigkeiten an die
Organe der Europäischen Union zu übertragen. Die Ver-
fassung lege ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ver-
antwortung der Europäischen Union einerseits und der
Mitgliedstaaten andererseits fest. Die Zuständigkeiten
der Europäischen Union seien durch deren Ziele und
durch die Grundsätze der Einzelermächtigung und der
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit bestimmt und be-
grenzt. Das Subsidiaritätsprinzip sei verfassungsrecht-

nen. Die Europäische Union habe diejenigen Kompeten-
zen, die zur Erreichung ihrer Ziele notwendig seien und
die ihr von den Mitgliedstaaten übertragen wurden.

– Die Verfassung verankere demokratische Grundsätze für
die Arbeit der Organe der Europäischen Union. Sie
stärke die Befugnisse des Europäischen Parlaments
durch das Recht auf Gesetzesinitiative und auf Mitent-
scheidung und Mitsprache in allen Bereichen der Tätig-
keit der Europäischen Union. Das Europäische Parla-
ment solle zukünftig nach einem einheitlichen Gesetz
der Europäischen Union entsprechend dem Verhältnis-
wahlrecht gewählt werden. Nichtunionsbürgerinnen und
-bürger mit ständigem Wohnsitz in der Europäischen
Union seien wahlberechtigt. Das Beschlussverfahren im
Europäischen Rat und im Rat der Europäischen Union
müsse die Integration auf gleichberechtigter, demokrati-
scher und solidarischer Grundlage befördern. Die quali-
fizierte Mehrheit, bestehend aus der Mehrheit der Bevöl-
kerung der Europäischen Union und der Mehrheit ihrer
Mitgliedstaaten, müsse neu definiert werden. Sie solle
den demografischen Faktor zwar beachten, aber nicht
überbetonen und ausgewogene Regelungen zum Schutz
von Minderheiten enthalten.

– Die Europäische Union sei den politischen und sozialen
Menschenrechten gleichermaßen verpflichtet. Die bis-
lang rechtlich nicht verbindliche Charta der Grundrechte
müsse präzisiert und ergänzt, vor allem durch Ausgestal-
tung der sozialen Rechte, durch Aufnahme in den Ver-
fassungsvertrag verbindlich und im Wege der Verfas-
sungsbeschwerde kostenfrei vor einem zu schaffenden
Europäischen Verfassungsgericht einklagbar gemacht
werden. Das Recht auf menschenwürdige und existenz-
sichernde Arbeit und das Recht auf soziale Sicherheit
einschließlich des Rechts auf Schutz vor Armut und so-
zialer Ausgrenzung, sei ohne einschränkende Kautelen
zu gewährleisten. Zu den Werten und Zielen der Euro-
päischen Union gehörten Diskriminierungsverbote und
die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Berei-
chen. In die Gewährleistung des Eigentumsrechts sei die
Klausel aufzunehmen: „Eigentum verpflichtet. Sein
Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit
dienen. Insbesondere müssen die Verfügung über das
Eigentum und seine Nutzung sozialen Belangen und
dem Umweltschutz entsprechen.“ Im Artikel über das
Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaß-
nahmen müsse klargestellt werden, dass auch das Recht
zum politischen Streik einschließlich des Generalstreiks,
erfasst sei.

– Die Verfassung verpflichte die Organe der Europäischen
Union und ihre Mitgliedstaaten zur Förderung von
Wohlfahrt und Wohlstand. Mit diesem Ziel seien Wirt-
schafts-, Finanz-, Budget-, Steuer-, Währungs- und
Außenwirtschaftspolitik so abzustimmen, dass sie bei
stetigem und angemessenem qualitativem Wirtschafts-
wachstum und bei Einhaltung strenger ökologischer Kri-
terien zugleich zu Vollbeschäftigung, Stabilität des
Preisniveaus und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht
der Europäischen Union beitragen. Einseitige interessen-
geleitete Paradigmen des Zeitgeistes, wie die offene
Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, hätten keinen
lich zwingender auszugestalten, damit die nationalen
Parlamente seine Einhaltung wirksam kontrollieren kön-

Verfassungsrang. Die Verfassung müsse wirtschaftsp-
olitisch neutral und gegenüber einer gemischtwirtschaft-

Drucksache 16/5647 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

lichen Ordnung mit privaten, gemeinwirtschaftlichen
und öffentlichen Unternehmen offen sein. Die Verfas-
sung müsse ein eigenes Kapitel über eine zu schaffende
Sozialunion enthalten, in der menschenwürdige und
existenzsichernde Arbeitsplätze, eine Angleichung aus-
kömmlicher sozialer Standards auf hohem Niveau ange-
strebt und ein Wettlauf mit Lohn- und Sozialdumping
verhindert werde. Öffentliche Daseinsvorsorge durch die
Mitgliedstaaten sei zu gewährleisten.

– Die Verfassung solle die Europäische Union als einen
Raum der Freiheit und des Rechts gestalten, in dem
Menschenrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit in
allen Mitgliedstaaten gewährleistet seien, und in dem
volle Bewegungsfreiheit ohne Grenzkontrollen und glei-
cher Rechtsschutz für alle Unionsbürgerinnen und Uni-
onsbürger gelte. Zugleich solle dieser Raum offen für
Asylsuchende, Menschen in Not und für Migrantinnen
und Migranten sein. Zur Stärkung der demokratischen
Kultur in der Europäischen Union werde ein dreistufiges
Verfahren der Volksgesetzgebung mit Bürgerinitiative,
Bürgerbegehren und Volksentscheid entwickelt, das
nicht durch schwer überwindbare Hürden ausgehebelt
werden könne.

– In der Verfassung werde der zivile und nichtmilitärische
Charakter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspo-
litik der Europäischen Union festgeschrieben. Die Euro-
päische Union trete für die Demokratisierung und Stär-
kung der Vereinten Nationen ein und achte deren Charta.
Sie verfolge ihre Ziele mit friedlichen zivilen Mitteln.
Dazu werde ein ziviler europäischer Friedensdienst auf-
gebaut. Der Aufbau eigener europäischer Streitkräfte
könne solange nicht einmal erwogen werden, wie natio-
nale Streitkräfte nicht zeitgleich abgeschafft würden und
die europäischen Streitkräfte nicht ausschließlich der
Selbstverteidigung dienten und einem strikten Aggres-
sionsverbot unterlägen. Die Europäische Union fördere
die Abrüstung auf allen Gebieten. Die Europäische Ver-
teidigungsagentur solle in eine Agentur für Abrüstung,
Rüstungskontrolle und Konversion umgewandelt wer-
den.

– Ein alternativer Verfassungsvertrag könne nur auf einem
konsequent demokratischen Weg und unter Beachtung
des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der souve-
ränen Gleichheit der Staaten zustande kommen. Ein sol-
cher Weg könne die Bildung einer verfassungsgebenden
Versammlung sein, die aus zwei Kammern bestehe. Die
erste Kammer sollte sich aus Abgeordneten zusammen-
setzen, die in den Mitgliedstaaten am selben Tag nach
dem Wahlrecht zum Europäischen Parlament direkt ge-
wählt würden. Es wäre auch möglich, dass sich das 2009
zu wählende Europäische Parlament zusätzlich als erste
Kammer konstituiere. Die zweite Kammer sollte aus
Vertreterinnen und Vertretern der Regierungen und der
Parlamente der Mitgliedstaaten nach dem Prinzip der
Gleichheit der Staaten bestehen. Der Text des Verfas-
sungsvertrages sollte unter breiter Teilnahme der Öffent-
lichkeit ausgearbeitet werden. Alle Bürgerinnen und
Bürger sollten den vollständigen Text erhalten. Es sollte
in allen Mitgliedstaaten am selben Tag nach denselben
Regeln eine Volksabstimmung über den Text stattfinden.

rend ihrer Ratspräsidentschaft der Europäischen Union die
Initiative für einen alternativen Verfassungsvertrag zu er-
greifen, und dabei diese Vorschläge in ihren eigenen Überle-
gungen zur Fortführung des Verfassungsprozesses und in ih-
ren Vorschlägen an die anderen Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union zu berücksichtigen.

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, seinen Be-
schluss vom 12. Mai 2005 über den „Entwurf eines Gesetzes
zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung
für Europa“ als erledigt aufzuheben und den Präsidenten des
Deutschen Bundestages zu bitten, diesen Beschluss unver-
züglich dem Bundesrat zuzuleiten, damit dieser die entspre-
chenden verfassungsrechtlich gebotenen Folgerungen zie-
hen könne.

3. Beratungsverfahren – federführender
Ausschuss

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat seit Beginn des Jahres 2006 in zahlreichen Sitzun-
gen den Fortgang des Prozesses um den „Vertrag über eine
Verfassung für Europa“ erörtert.

In der 3. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 18. Januar 2006, in der sich die
Ausschussmitglieder über die Schwerpunkte der österreichi-
schen Ratspräsidentschaft der Europäischen Union in der
ersten Jahreshälfte 2006 unterrichten ließen, führte der Bot-
schafter der Republik Österreich in Deutschland, S.E. Dr.
Christian Prosl, aus, dass einer der Schwerpunkte der öster-
reichischen Ratspräsidentschaft das weitere Verfahren im
Zusammenhang mit dem „Vertrag über eine Verfassung für
Europa“ sein werde.

In der 5. Ausschusssitzung am 8. Februar 2006 sagte der Bun-
desminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier,
entscheidend für die Zukunft der Europäischen Union sei,
wie künftig mit dem „Vertrag über die Verfassung für Eu-
ropa“ umgegangen werde.

Anlässlich der Beratungen zum Thema „Die Erweiterung
der Europäischen Union und die Identität Europas“ in der
8. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Eu-
ropäischen Union am 14./15. März 2006 – einer gemeinsa-
men Sitzung mit der „Délégation pour l’Union européenne“
der französischen Nationalversammlung – erklärte der Aus-
schussvorsitzende Matthias Wissmann, dass die den Verfas-
sungsvertrag ablehnenden Referenden in Frankreich und den
Niederlanden in Deutschland als Schock empfunden worden
seien. Er respektiere das Votum der französischen Bevölke-
rung, bedauere allerdings, dass die Besonderheit eines Refe-
rendums darin bestehe, dass auf alle Fragen geantwortet
werde bis auf die wirklich gestellte. Deutschland bleibe sei-
nerseits dem Text des Vertrages verbunden. Seine Einschät-
zung gehe dahin, dass bis zu den Präsidentschafts- und Par-
lamentswahlen in Frankreich im Frühjahr 2007 keine
deutsch-französische Initiative zum Verfassungsvertrag
möglich sein werde, was der deutschen Ratspräsidentschaft
nur wenige Wochen Zeit und somit sehr wenig Handlungs-
spielraum lasse. Diese Situation dürfe aber nicht dazu füh-
ren, dass die Vertiefung der erweiterten Europäischen Union
angehalten werde.

In der 9. Ausschusssitzung am 17. März 2006 unterrichtete

Die Antragstellerinnen und Antragsteller wünschen, dass der
Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert, wäh-

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Ausschussmitglie-
der über die europapolitischen Schwerpunkte der neuen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5647

Bundesregierung. Sie erklärte, die politischen Parteien und
Wahlkämpfer in Frankreich und den Niederlanden stünden
durch die 2007 bevorstehenden Wahlen unter Druck, ihre
Vorstellungen zur Zukunft des Verfassungsvertrages zu for-
mulieren. Bei keiner Partei sei die Absicht erkennbar, den
gesamten Verfassungsvertrag in unveränderter Form noch
einmal zur Abstimmung zu stellen. Bestrebungen, den Ver-
fassungsvertrag in mehrere Teile zu zerlegen und in getrenn-
ten Verfahren zu verabschieden, seien problematisch: Die in-
stitutionellen Teile des Verfassungsvertrages, die in Frank-
reich möglicherweise zustimmungsfähig seien, würden bei-
spielsweise in Polen besonders kritisch bewertet. Der
Gedanke einer Aufspaltung des Verfassungsvertrages werde
zwar von der britischen Regierung unterstützt; unklar sei
aber, ob dies aus den gleichen Motiven geschehe, die in
Frankreich vertreten würden. Es bestehe die Gefahr, dass die
aktuelle Verfassungsdebatte zu einer Verschlechterung ge-
genüber der gegenwärtigen Lage führe. Deutschland müsse
in dieser komplizierten Situation der ruhende Pol sein.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering,
erklärte in der 10. Sitzung des Ausschusses für die Angele-
genheiten der Europäischen Union am 5. April 2006, dass
Deutschland während der deutschen Ratspräsidentschaft der
Europäischen Union die Wiederbelebung des Verfassungs-
prozesses befördern wolle. Der Vertrag sei in Frankreich und
den Niederlanden gescheitert, weil die soziale Dimension in
Zweifel gezogen worden sei. Es seien die sozialpolitischen
Zusammenhänge, die dazu geführt hätten, dass Zweifel auf-
getreten seien.

In der 14. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 28. Juni 2006 stellte Staats-
sekretär Reinhard Silberberg (Auswärtiges Amt) fest, dass
mit Blick auf die deutsche Ratspräsidentschaft der Euro-
päischen Union aus den Schlussfolgerungen des Europäi-
schen Rates vom 15./16. Juni 2006 insbesondere Folgendes
hervorzuheben sei: Hinsichtlich der Frage der Zukunft des
„Vertrags über eine Verfassung für Europa“ habe der Euro-
päische Rat beschlossen, die „Reflexionsphase“ zu verlän-
gern; es werde Aufgabe der deutschen Präsidentschaft sein,
in der ersten Jahreshälfte 2007 einen Bericht zum weiteren
Fortgang des Verfassungsprozesses vorzulegen. Dem Euro-
päischen Rat am 21./22. Juni 2007 unter deutschem Vorsitz
solle ein informelles Treffen der Staats- und Regierungs-
chefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union am
25. März 2007 in Berlin – anlässlich des 50. Jahrestages der
Unterzeichnung der Römischen Verträge – vorausgehen. In
diesem Rahmen werde eine Erklärung zu den europäischen
Werten abgegeben. Diese Basisvorarbeit bilde die Grundlage
für eine Wiederbelebung des Verfassungsprozesses, mög-
lichst bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft im
Juni 2007.

Der rumänische Staatspräsident Traian Bãsescu betonte in
der 17. Ausschusssitzung am 21. September 2006, die Euro-
päische Union brauche den Verfassungsvertrag „wie die Luft
zum Leben“. Die Verfassung sei der einzige Anker, der eine
Entwicklung der Europäischen Union garantieren könne, die
über einen gemeinsamen Markt hinausgehe. In Bezug auf die
Zukunft des „Vertrags über eine Verfassung für Europa“
hoffe Rumänien auf die deutsche Ratspräsidentschaft im ers-

sungsvertrag und zur Wiederaufnahme des Ratifizierungs-
verfahrens vorlegen.

In der 18. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 27. September 2006 stand Bun-
deskanzlerin Dr. Angela Merkel den Ausschussmitgliedern
für eine Unterrichtung über die geplanten Kernpunkte der
deutschen Ratspräsidentschaft der Europäischen Union zur
Verfügung. Als Kernthema der deutschen Ratspräsident-
schaft der Europäischen Union wertete sie den „Vertrag über
eine Verfassung für Europa“ und lobte zugleich das Vorge-
hen des Europäischen Rates im Juni 2006, einen Zeitkorridor
von Juni 2007 bis Ende 2008 zu definieren, währenddessen
sich der Druck auf den Verfassungsprozess bis hin zu einer
Entscheidung aufbauen solle. Aus diesem Grund rate sie den
Befürwortern des Verfassungsvertrages, ihre Positionen
nicht zum Preis des kleinsten gemeinsamen Nenners frühzei-
tig aufzugeben, sondern vielmehr einen vorbereitenden
Schritt der deutschen Ratspräsidentschaft hin zu einer Ent-
scheidungsfindung zu akzeptieren, der den Prozess aber auf
einen guten Weg bringen werde.

In der 21. Ausschusssitzung am 8. November 2006 – wie-
derum einer gemeinsamen Sitzung mit der „Délégation pour
l’Union européenne“ der französischen Nationalversamm-
lung – erklärte der Ausschussvorsitzende Matthias Wissmann,
Deutschland sehe sich im ersten Halbjahr 2007 insbesondere
der Erwartung gegenüber, der Verfassungskrise den erlösen-
den und entscheidenden Impuls zu geben und die – nicht nur
institutionellen, sondern auch inhaltlichen – Grundlagen der
Europäischen Union neu zu definieren. Das Ziel sei, am
Ende der deutschen Ratspräsidentschaft einen möglichen
Weg aus der Krise gefunden zu haben, so dass während der
französischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008
das „Projekt Europa“ erfolgreich abgeschlossen werden
könne. Gerade von Seiten Deutschlands und Frankreichs
sollten alle Anstrengungen unternommen werden, den we-
sentlichen Teil des Verfassungsvertrages für die Zukunft zu
sichern. Eine erweiterte Europäische Union mit 27 Mitglied-
staaten könne ohne neue und bessere Grundlagen nicht be-
stehen und ohne eine institutionelle Neuordnung nicht wirk-
sam agieren.

In der 24. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 30. November 2006 betonte der
Präsident der Europäischen Kommission, Dr. José Manuel
Durão Barroso, die Europäische Kommission und er selbst
unterstützten voll und ganz die Prinzipien, die Werte und die
substantiellen Inhalte des „Vertrags über eine Verfassung für
Europa“. Er unterstrich, dass er die Regelungen des „Vertra-
ges von Nizza“ als nicht ausreichend erachte, um die neuen
Herausforderungen an die Europäische Union zu bewälti-
gen. Die Europäische Kommission stehe bereit, jede An-
strengung der Mitgliedstaaten zu unterstützen, einen Weg
zur Lösung dieser institutionellen Kernfrage zu finden und
sicherzustellen, dass die Europäische Union effizienter,
transparenter und demokratischer werde. Vertreter der Frak-
tion der SPD erklärten, dass angesichts des brüchiger gewor-
denen politischen Konsenses über Qualität und Ausrichtung
des europäischen Integrationsprozesses eine Einigung auf ei-
nen grundlegend neuen Text überaus schwierig und langwie-
rig sei. Die Bürgerinnen und Bürger wollten zu Recht ein Eu-
ropa, das Antworten geben könne auf ihre Sorgen angesichts
ten Halbjahr 2007. Deutschland möge einen Terminkalender
zur Wiederaufnahme der Diskussionen über den Verfas-

der Globalisierung. Sie wollten ein besseres, ein handlungs-
fähigeres, transparenteres und demokratischeres Europa.

komme es jetzt darauf an, dass die Europäische Union ent-
schlossen sei und sich schnell auf einen Vertrag einige. Da-
her fordere die Fraktion der FDP, bis Ende 2007 einen Text
zu verabschieden. Die Bundesregierung solle den Deutschen
Bundestag ständig über den Fortgang der Verhandlungen in-
formieren und ihre Verhandlungsposition mit ihm abstim-
men. Der Vertrag solle bei den Europawahlen 2009 in Kraft
sein.
Die Vertreter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be-
tonten, dass die Europäische Union eine Verfassung brauche,
die den Grundrechtsschutz stärke, für effiziente Institutionen
und transparente Verfahren sorge und die demokratische
Legitimation der Europäischen Union erhöhe. Sie kritisier-
ten die seit den gescheiterten Verfassungsreferenden in
Frankreich und den Niederlanden ergebnislose „Reflexions-
phase“ und das Fehlen einer öffentlichen Debatte darüber,
wie mit einem Vertrag umgegangen werden solle, den die
Mehrheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union rati-
fiziert habe, den aber mit Frankreich und den Niederlanden
zwei Gründerstaaten der Europäischen Union abgelehnt hät-
ten. Sie forderten von der deutschen Bundesregierung als
künftige Ratspräsidentin der Europäischen Union, Wege aus
der Verfassungsblockade aufzuzeigen.
Der Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Dr. Thomas
de Maizière, sagte in der 26. Ausschusssitzung am
17. Januar 2007, es könne nicht sein, dass Mitgliedstaaten,
die den Verfassungsvertrag bisher abgelehnt hätten, das Ver-
fahren nunmehr dominierten. Diese Länder müssten sich
vielmehr klar machen, dass zwei Drittel der Mitgliedstaaten,
die fast 60 Prozent der Bevölkerung der Europäischen Union
ausmachten, den Verfassungsvertrag bereits ratifiziert hät-
ten. Es sei daher mehr Bewegung von den Mitgliedstaaten zu
erwarten, die den Verfassungsvertrag noch nicht ratifiziert
hätten. Weiterhin müsse ein Weg gefunden werden, deutli-
che Signale zu geben, dass die Nichtunterzeichnung des Ver-
fassungsvertrages durch einige Mitgliedstaaten nicht gleich-
bedeutend mit einem gesamten Scheitern des Verfassungs-
vertrages sei. Vielmehr müsse deutlich gemacht werden,
dass ein Votum über den Verfassungsvertrag auch ein Votum

der Europäischen Union am 31. Januar 2007 unterrichtete
der Leiter der Europa-Abteilung im Auswärtigen Amt, Peter
Tempel, die Ausschussmitglieder über die Vorbereitungen
der Bundesregierung zur Abgabe der „Berliner Erklärung“.
Er sagte, die Erklärung solle den 50. Jahrestag der Unter-
zeichnung der Römischen Verträge würdigen und vor allem
die Werte und die Erwartungen für die Zukunft der Euro-
päischen Union festhalten.

Nachdem der Vorsitzende, sein Stellvertreter und die
Obleute des Ausschusses am 27. Februar 2007 durch die bei-
den Beauftragten der Bundesregierung zur Erarbeitung der
Erklärung, Staatssekretär Reinhard Silberberg (Auswärtiges
Amt) und Dr. Uwe Corsepius (Bundeskanzleramt), über den
Fortgang der Arbeiten an der „Berliner Erklärung“ unter-
richtet worden waren, berichtete Staatssekretär Reinhard
Silberberg (Auswärtiges Amt) in der 28. Ausschusssitzung
am 28. Februar 2007 über den Stand der Vorbereitungen zur
Abfassung der „Berliner Erklärung“. Er erklärte, dass in
einer ersten Konsultationsrunde zur Vorbereitung der „Berli-
ner Erklärung“, an der Vertreter des Europäischen Parla-
ments, der Europäischen Kommission sowie aller Mitglied-
staaten der Europäischen Union teilgenommen hätten, die
Grundstrukturen der Deklaration erörtert worden seien.

Über den Fortgang der Erstellung der „road map“ für das
weitere Vorgehen im Prozess um den „Vertrag über eine Ver-
fassung für Europa“, die beim Europäischen Rat am 21./
22. Juni 2007 von der deutschen Ratspräsidentschaft der Eu-
ropäischen Union vorgestellt werden soll, wurden der Aus-
schussvorsitzende, sein Stellvertreter sowie die Obleute des
Ausschusses durch Staatssekretär Reinhard Silberberg (Aus-
wärtiges Amt) und/oder Dr. Uwe Corsepius (Bundeskanzler-
amt) seit der parlamentarischen Osterpause 2007 fortlaufend
in vertraulichen Gesprächen informiert.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 34. Sitzung am 23. Mai 2007 den Antrag
auf Drucksache 16/3402 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
abgelehnt.

Berlin, den 23. Mai 2007

Thomas Silberhorn
Berichterstatter

Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Diether Dehm
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter
Drucksache 16/5647 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Genau dieses Europa sei im Verfassungsvertrag vorgesehen.
Insofern stehe die Fraktion der SPD nach wie vor zu den
Neuerungen des Verfassungsvertrages. Vertreter der Frak-
tion der FDP machten deutlich, dass die Fraktion der FDP
eine Europäische Union wolle, die nach innen und außen für
ihre Bürger handlungsfähig sei. Die Europäische Union solle
nach liberalen Grundsätzen weiter entwickelt werden und
müsse dringend ihre Grundlagen erneuern. Die Fraktion der
FDP habe den Verfassungsvertrag unterstützt. Nach den ge-
scheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden

über die Zugehörigkeit zur Europäischen Union bedeute.
Diejenigen Mitgliedstaaten, die die Ratifikation des Verfas-
sungsvertrages ablehnten, müssten sich ernsthaft die Frage
stellen, ob sie Mitglied der Europäischen Union sein wollten.
Sollten die Verhandlungen über den Verfassungsvertrag
nicht fruchtbar verlaufen, sei es am Ende der Verhandlungen
unter Umständen notwendig, sich auf ein solches Verfahren
zu verständigen.

In der 27. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten

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