BT-Drucksache 16/5585

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/4845- Deutschland braucht Mindestlöhne b) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/4864- Vorschläge des Sachverständigenrates aufgreifen - Tarifrecht flexibilisieren, auf Mindestlöhne verzichten, Bürgergeld einführen c) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/5102- Schnell handeln für eine umfassende Mindestlohnregelung

Vom 12. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5585
16. Wahlperiode 12. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Hüseyin-Kenan Aydin,
Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/4845 –

Deutschland braucht Mindestlöhne

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel,
Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/4864 –

Vorschläge des Sachverständigenrates aufgreifen – Tarifrecht flexibilisieren,
auf Mindestlöhne verzichten, Bürgergeld einführen

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Dr. Thea
Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/5102 –

Schnell handeln für eine umfassende Mindestlohnregelung

A. Problem

a) Zu Drucksache 16/4845

Nach Ansicht der Antragsteller ist Deutschland – gemessen an der gesamtwirt-
schaftlichen Leistung – so reich wie nie zuvor. Trotzdem arbeiteten viele Men-

schen den ganzen Tag, könnten aber sich und ihre Familien vom erarbeiteten
Lohn nicht ernähren. Armutslöhne seien ungerecht und unsozial. Sie missach-
teten die Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das sei ein Skan-
dal. Wer voll arbeite, müsse davon leben können. Großbritannien, die Niederlan-
de, Belgien – die meisten unserer europäischen Nachbarn – und selbst die USA
praktizierten Mindestlöhne mit Erfolg. Auch in Deutschland sei es höchste Zeit
für gerechte Löhne und gute Arbeit, für soziale Sicherheit und Mindestlöhne.

Drucksache 16/5585 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Menschen, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgingen, müssten von ihrer
Arbeit auch menschenwürdig leben können.

b) Zu Drucksache 16/4864

Als Reaktion auf die Herausforderungen einer europäischen Erweiterung wird
innerhalb der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, der Bundesregierung und der
Gewerkschaften die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne diskutiert. Mit der
Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf andere Branchen sollen
deutsche Arbeitnehmer vor einem zunehmenden Wettbewerbsdruck aufgrund
deutlich niedrigerer Löhne vor allem aus den EU-Beitrittsländern geschützt wer-
den.

Ein Mindestlohn verhindert jedoch nach Auffassung der Antragsteller die drin-
gend erforderliche weitere Lohnspreizung. Mindestlöhne zur Verhinderung der
Konkurrenz durch ausländische Arbeitnehmer und eine Ausweitung des Arbeit-
nehmer-Entsendegesetzes, darauf weist der Sachverständigenrat ausdrücklich
hin, stellten protektionistische Maßnahmen dar: „Im übertragenen Sinne hande-
le es sich dabei um Einfuhrzölle auf den ausländischen Faktor Arbeit.“ Konse-
quenz einer Eindämmung des Wettbewerbs durch Mindestlöhne sind nach Be-
urteilung des Sachverständigenrates erhebliche Wohlfahrtseinbußen, auch für
Arbeitnehmer als Konsumenten.

Allein eine Abschottung einzelner Branchen in Deutschland werde dauerhaft
das Problem des Abbaus von Arbeitsplätzen in lohnintensiven Sektoren sowie
vor allem im Niedriglohnbereich nicht lösen. Jeder Mindestlohn, ob kollektiv
oder staatlich vorgeschrieben, grenze einen unteren Produktivitätsbereich aus
dem Arbeitsmarkt aus.

c) Zu Drucksache 16/5102

Niedriglöhne und Lohndumping breiten sich nach Ansicht der Antragsteller in
Deutschland immer mehr aus. Trotzdem bleibe die Bundesregierung tatenlos.
Zwar habe der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering,
schon im März 2006 versprochen, die Frage existenzsichernder Löhne noch im
selben Jahr gesetzgeberisch klären zu wollen, doch darauf warteten die betroffe-
nen Menschen bis heute. Nur die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Aus-
weitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf das Gebäudereinigerhandwerk
sei beschlossen worden. Darüber hinausgehende konkrete Initiativen oder gar
Gesetzentwürfe für die weitere Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegeset-
zes oder für eine Lohnuntergrenze seien jedoch ausgeblieben. Die Uneinigkeit
der Bundesregierung beim Thema Mindestlohn und der daraus resultierende
Stillstand seien angesichts der Problemlage unakzeptabel. Die Bundesregierung
sei in der Verantwortung, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Armutslöh-
nen zu schützen und hierfür geeignete Regelungen und Rahmenbedingungen zu
schaffen.

B. Lösung

a) Zu Drucksache 16/4845

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, tarifvertragliche Lösungen für
Mindestlöhne zu fördern und dazu das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle
Wirtschaftsbereiche auszuweiten sowie für Branchen, in denen tarifliche Lösun-
gen nicht greifen oder Tariflöhne ein Mindestniveau unterschreiten, einen ge-
setzlichen Mindestlohn einzuführen, der sich in seiner Höhe am Niveau ver-
gleichbarer europäischer Länder orientiert.
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/4845 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5585

DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

b) Zu Drucksache 16/4864

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, einen grundlegenden System-
wechsel im Sozialsystem hin zu einem transparenten Steuer- und Transfer-
system aus einem Guss vorzunehmen (liberales Bürgergeld), das durch einen
gleitenden und lohnenden Übergang in die Erwerbstätigkeit aktivierend wirkt.
Ferner soll Forderungen nach gesetzlichen Mindestlöhnen oder nach Aus-
dehnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf andere Branchen eine klare
Absage erteilt werden. Schließlich soll das Tarifvertragsrecht geändert und ins-
besondere § 1 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes um die Zielvorgabe ergänzt
werden, dass der Tarifvertrag die Beschäftigungserhaltung und -förderung zu
beachten hat.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/4864 mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP

c) Zu Drucksache 16/5102

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, bis spätestens Ende 2007 eine
gesetzliche Regelung zu schaffen, die rechtlich verbindliche Mindestlöhne und
Mindestarbeitsbedingungen in jenen Branchen ermöglicht, in denen eigene
Tarifstrukturen nicht vorhanden oder nicht ausreichend sind. Außerdem soll die
Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen forciert
werden. Der Prozess solle so schnell wie möglich, jedoch spätestens bis zum
30. April 2009 abgeschlossen sein.

Die Bundesregierung wird außerdem aufgefordert, bis zum Juli 2007 einen
Entwurf zur Reform des Tarifvertragsgesetzes vorzulegen, der die Reduzierung
der Vetomöglichkeiten für die Spitzenverbände der Tarifparteien zum Inhalt hat.
Ziel soll sei, dadurch die zunehmend unüberwindbar gewordenen Hürden für die
tarifliche Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen wieder abzusenken.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/5102 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme der Anträge.

D. Kosten

Kosten wurden nicht ermittelt.

Drucksache 16/5585 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Antrag auf Drucksache 16/4845 abzulehnen,

2. den Antrag auf Drucksache 16/4864 abzulehnen und

3. den Antrag auf Drucksache 16/5102 abzulehnen.

Berlin, den 11. Juni 2007

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau) Dr. Ralf Brauksiepe
Vorsitzender Berichterstatter

ten von ihrer Arbeit auch menschenwürdig leben können. Löhne noch im selben Jahr gesetzgeberisch klären zu wollen,

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, tarifvertrag-
liche Lösungen für Mindestlöhne zu fördern und dazu das
Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle Wirtschaftsbereiche

doch darauf warteten die betroffenen Menschen bis heute.
Nur die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausweitung
des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf das Gebäudereini-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5585

Bericht des Abgeordneten Dr. Ralf Brauksiepe

I.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 16/
4845 ist in der 95. Sitzung des Deutschen Bundestages am
27. April 2007 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur
federführenden Beratung und an den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie zur Mitberatung überwiesen worden.
Der Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/4864
ist in der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages am
26. April 2007 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur
federführenden Beratung und an den Rechtsausschuss, den
Finanzausschuss sowie den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie zur Mitberatung überwiesen worden. Der
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 16/5102 ist ebenfalls in der 94. Sitzung des
Deutschen Bundestages am 26. April 2007 an den Ausschuss
für Arbeit und Soziales zur federführenden und an den Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie zur Mitberatung
überwiesen worden.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Drucksache 16/4845 in seiner Sitzung am 23. Mai 2007 be-
raten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrages emp-
fohlen. In derselben Sitzung hat er zudem mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. ge-
gen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
beschlossen, die Ablehnung des Antrages auf Drucksache
16/5102 zu empfehlen.

Die Drucksache 16/4864 wurde von den mitberatenden Aus-
schüssen in deren Sitzungen am 23. Mai 2005 beraten und
dabei von allen mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion der FDP die Ablehnung des Antra-
ges empfohlen.

II.

a) Zu Drucksache 16/4845

Nach Ansicht der Antragsteller ist Deutschland – gemessen
an der gesamtwirtschaftlichen Leistung – so reich wie nie
zuvor. Trotzdem arbeiteten viele Menschen den ganzen Tag,
könnten aber sich und ihre Familien vom erarbeiteten Lohn
nicht ernähren. Armutslöhne seien ungerecht und unsozial.
Sie missachteten die Leistung der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer. Das sei ein Skandal. Wer voll arbeite, müsse
davon leben können. Großbritannien, die Niederlande,
Belgien – die meisten unserer europäischen Nachbarn – und
selbst die USA praktizierten Mindestlöhne mit Erfolg. Auch
in Deutschland sei es höchste Zeit für gerechte Löhne und
gute Arbeit, für soziale Sicherheit und Mindestlöhne. Men-
schen, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgingen, müss-

schreiten, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, der
sich in seiner Höhe am Niveau vergleichbarer europäischer
Länder orientiert.

b) Zu Drucksache 16/4864

Als Reaktion auf die Herausforderungen einer europäischen
Erweiterung wird innerhalb der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD, der Bundesregierung und der Gewerkschaften die
Einführung gesetzlicher Mindestlöhne diskutiert. Mit der
Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf andere
Branchen sollen deutsche Arbeitnehmer vor einem zuneh-
menden Wettbewerbsdruck aufgrund deutlich niedrigerer
Löhne vor allem aus den EU-Beitrittsländern geschützt
werden.

Ein Mindestlohn verhindert jedoch nach Auffassung der An-
tragsteller die dringend erforderliche weitere Lohnsprei-
zung. Mindestlöhne zur Verhinderung der Konkurrenz durch
ausländische Arbeitnehmer und eine Ausweitung des Arbeit-
nehmer-Entsendegesetzes, darauf weist der Sachverstän-
digenrat ausdrücklich hin, stellten protektionistische Maß-
nahmen dar: „Im übertragenen Sinne handele es sich dabei
um Einfuhrzölle auf den ausländischen Faktor Arbeit.“ Kon-
sequenz einer Eindämmung des Wettbewerbs durch Min-
destlöhne sind nach Beurteilung des Sachverständigenrates
erhebliche Wohlfahrtseinbußen, auch für Arbeitnehmer als
Konsumenten.

Allein eine Abschottung einzelner Branchen in Deutschland
werde dauerhaft das Problem des Abbaus von Arbeitsplätzen
in lohnintensiven Sektoren sowie vor allem im Niedriglohn-
bereich nicht lösen. Jeder Mindestlohn, ob kollektiv oder
staatlich vorgeschrieben, grenze einen unteren Produktivi-
tätsbereich aus dem Arbeitsmarkt aus.

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, einen grund-
legenden Systemwechsel im Sozialsystem hin zu einem
transparenten Steuer- und Transfersystem aus einem Guss
vorzunehmen (liberales Bürgergeld), das durch einen glei-
tenden und lohnenden Übergang in die Erwerbstätigkeit
aktivierend wirkt. Ferner soll Forderungen nach gesetzlichen
Mindestlöhnen oder nach Ausdehnung des Arbeitnehmer-
Entsendegesetzes auf andere Branchen eine klare Absage
erteilt werden. Schließlich soll das Tarifvertragsrecht geän-
dert und insbesondere § 1 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes
um die Zielvorgabe ergänzt werden, dass der Tarifvertrag die
Beschäftigungserhaltung und -förderung zu beachten hat.

c) Zu Drucksache 16/5102

Niedriglöhne und Lohndumping breiten sich nach Ansicht
der Antragsteller in Deutschland immer mehr aus. Trotzdem
bleibe die Bundesregierung tatenlos. Zwar habe der Bundes-
minister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, schon
im März 2006 versprochen, die Frage existenzsichernder
auszuweiten sowie für Branchen, in denen tarifliche Lösun-
gen nicht greifen oder Tariflöhne ein Mindestniveau unter-

gerhandwerk sei beschlossen worden. Darüber hinausge-
hende konkrete Initiativen oder gar Gesetzentwürfe für die

Drucksache 16/5585 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

weitere Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
oder für eine Lohnuntergrenze seien jedoch ausgeblieben.
Die Uneinigkeit der Bundesregierung beim Thema Mindest-
lohn und der daraus resultierende Stillstand seien angesichts
der Problemlage unakzeptabel. Die Bundesregierung sei in
der Verantwortung, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
vor Armutslöhnen zu schützen und hierfür geeignete Rege-
lungen und Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, bis spätes-
tens Ende 2007 eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die
rechtlich verbindliche Mindestlöhne und Mindestarbeits-
bedingungen in jenen Branchen ermöglicht, in denen eigene
Tarifstrukturen nicht vorhanden oder nicht ausreichend sind.
Außerdem soll die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsende-
gesetzes auf alle Branchen forciert werden. Der Prozess solle
so schnell wie möglich, jedoch spätestens bis zum 30. April
2009 abgeschlossen sein.

Die Bundesregierung wird außerdem aufgefordert, bis zum
Juli 2007 einen Entwurf zur Reform des Tarifvertragsgeset-
zes vorzulegen, der die Reduzierung der Vetomöglichkeiten
für die Spitzenverbände der Tarifparteien zum Inhalt hat.
Ziel soll sein, dadurch die zunehmend unüberwindbar ge-
wordenen Hürden für die tarifliche Festsetzung von Min-
destarbeitsbedingungen wieder abzusenken.

III.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag der
Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 16/4845 in seiner
51. Sitzung am 23. Mai 2007 beraten und mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, dem
Deutschen Bundestag die Ablehnung zu empfehlen. In der-
selben Sitzung hat der Ausschuss mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/ CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP be-
schlossen, dem Deutschen Bundestag die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 16/4864 zu empfehlen. Der Aus-
schuss hat zudem mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. beschlossen, dem Deutschen Bundes-
tag die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/5102 zu
empfehlen.

Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU äußerten, dass
die Vorschläge des Antrages der Fraktion der FDP auf eine
Schwächung der Tarifvertragsparteien und die Wirksamkeit
ihrer Verabredungen hinausliefe. Man sei stattdessen für den
Vorrang tarifvertraglicher Lösungen und könne daher die
Vorschläge der FDP nicht mittragen. Die Tarifautonomie
habe sich bewährt und müsse daher vom Gesetzgeber ge-
schützt werden. Eine Kommission, wie sie der Antrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorsehe, könne nie
die Legitimation wie Tarifvertragsparteien besitzen. Zum
Thema Niedriglöhne strebe man eine sachgerechte Lösung
an, die keine einfache Schwarz-Weiß-Lösung in irgendeine
Richtung sei. Der Gesetzgeber habe hier seine Verant-

Die Mitglieder der Fraktion der SPD wiesen die Vorschläge
der Fraktion der FDP zurück. Sie bedeuteten einen Eingriff
in die Tarifautonomie, der ihre bisherige Schutz-, Ordnungs-
und Friedensfunktion aushebele. Der Verzicht auf Lohn oder
andere Leistungen führe, wie an vielen aktuellen Beispielen
zu sehen sei, eben nicht zu Arbeitsplatzgarantien. Ermuti-
gend sei dagegen, dass sich auch die katholische Kirche in-
zwischen für Mindestlöhne ausspreche. Die Koalition habe
noch nicht abschließend entschieden, wie es mit einer Aus-
weitung des Entsendegesetzes, der Allgemeinverbindlich-
keit und einem Auffangmindestlohn weitergehen solle. Man
sei zwar weiterhin für Mindestlöhne, lehne die vorliegenden
Anträge jedoch ab. Man arbeite unterdessen an einer Lösung
des Problems in der Koalition und sei zuversichtlich, im Juni
zu einem Ergebnis zu gelangen.

Die Mitglieder der Fraktion der FDP hoben hervor, dass ihr
Antrag einen umfassenden Vorschlag für eine Reform des
Arbeitsmarktes enthalte. Damit solle eine Aktivierung all
derjenigen erreicht werden, die heute noch nicht am ersten
Arbeitsmarkt beteiligt seien. Es werde dabei nicht auf
Mindestlöhne, sondern auf ein Mindesteinkommen gesetzt.
Es gehe um den Übergang hin zu einem Steuertransfer-
system aus einem Guss, nämlich zu einem Bürgergeld, das
eine negative Einkommensteuer darstelle. Demgegenüber
seien Mindestlöhne kontraproduktiv, da sie bestimmten Per-
sonengruppen jede Chance nähmen, irgendwann im ersten
Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Man unterscheide dabei auch
nicht zwischen Mindestlöhnen und einer Ausweitung des
Entsendegesetzes, da beide Instrumente darauf hinausliefen,
Arbeitsplätze zu vernichten. Stattdessen beinhalte der An-
trag der Fraktion der FDP einen Vorschlag für eine Reform
des Tarifvertragsgesetzes. Unter anderem solle das Günstig-
keitsprinzip so ausgelegt werden, dass auch niedrigere Löh-
ne und längere Arbeitszeiten als günstiger angesehen wür-
den, wenn im Gegenzug eine Arbeitsplatzgarantie oder das
Angebot zur Schaffung neuer Arbeitsplätze gegeben werde.
Auch im Bereich des Betriebsverfassungsrechts wolle man
durch eine Öffnung erreichen, dass mit einer qualifizierten
Mehrheit der Beschäftigten Vereinbarungen auf betrieb-
licher Ebene möglich werden. Schließlich solle auf das In-
strument der Allgemeinverbindlichkeitserklärung generell
verzichtet und die Möglichkeit von Warnstreiks dahinge-
hend eingeschränkt werden, dass sie nur nach einem obliga-
torischen Schlichtungsverfahren zulässig sein sollen.

Die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE. führten aus, dass
es in Deutschland Löhne gebe, von denen man nicht leben
könne. Dies stelle das Wertesystem in Frage, da Arbeit auf
diese Weise ihren Sinn verliere. Dass es auch von Gewerk-
schaften ausgehandelte Tarifverträge mit sehr niedrigen
Löhnen gebe, sei darauf zurückzuführen, dass die Gewerk-
schaften zunehmend geschwächt worden seien. Der Gesetz-
geber habe daher die Verantwortung dafür zu sorgen, dass
die Menschen in diesem Land einigermaßen leben könnten.
Da es in manchen Gebieten und Branchen gar keine Gewerk-
schaften mehr gebe, helfe auch der Weg über eine Auswei-
tung des Entsendegesetzes nicht weiter. Da man sich auch
um die dort beschäftigten Menschen kümmern müsse, seien
gesetzliche Mindestlöhne erforderlich. Das Argument, dass
gesetzliche Mindestlöhne zur Abwanderung von Arbeits-
plätzen ins Ausland führten, sei nicht stichhaltig, da es sich
wortung, der die vorliegenden Anträge aber nicht gerecht
würden.

vielfach um Dienstleistungsbereiche handele. Vielmehr
glaube man, dass die Einführung eines gesetzlichen Min-

Berlin, den 11. Juni 2007

Dr. Ralf Brauksiepe
Berichterstatter
derlanden sehen, in denen die Situation mit den deutschen
Verhältnissen durchaus vergleichbar sei. Wichtig sei, dass
der Prozess der Einführung von Mindestlöhnen klug und dif-
ferenziert gestaltet werde. Man habe einen Vorschlag vorge-
legt, der dies gewährleiste. Es solle eine Mindestlohn-Kom-
mission für die Branchen eingerichtet werden, in denen es
keine Tarifstrukturen mehr gebe. Sie solle sich aus Wissen-
schaftlern, Vertretern der Tarifparteien und aus der Politik
zusammensetzen und die branchen- und regionalspezifi-
schen Unterschiede berücksichtigen, damit eine Flucht in die
Schwarzarbeit verhindert werden könne. Die Branchen mit
Tarifstrukturen sollten bis April 2009 Regelungen schaffen,
die eine Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz er-
möglichten. Notwendig sei deshalb zudem eine Reform der
Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Sinne einer Redu-
zierung der Vetomöglichkeiten der Spitzenverbände. Mit
diesem Fahrplan für eine Einführung von Mindestlöhnen in
Deutschland schaffe man eine verbesserte Situation für viele
Branchen und Beschäftigte. Damit würden auch faire, ver-
gleichbare Wettbewerbsbedingungen geschaffen, wie es die
Fraktion der FDP und Teile der Fraktion der CDU/CSU for-
derten.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5585

destlohnes zu einer Stabilisierung der Nachfrage führe.
Während man in Deutschland noch über die Einführung von
Mindestlöhnen debattiere, werde in anderen Ländern über
deren Erhöhung diskutiert. Den Antrag der Fraktion der FDP
lehne man ab. Die Zulassung von betrieblichen Vereinbarun-
gen, die von Tarifverträgen abwichen, schaffe erhebliche
Möglichkeiten, die Arbeitnehmer zu erpressen. Man habe
den Eindruck, dass es bei den Vorschlägen der FDP darum
gehe, die Löhne weiter abzusenken und die Arbeitsbedin-
gungen zu verschlechtern. Durch eine Schwächung der Ge-
werkschaften und das Außerkraftsetzen von Tarifverträgen
solle den Menschen die Möglichkeit genommen werden,
sich kollektiv zur Wehr zu setzen.

Die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
argumentierten, dass mittlerweile vielfältig empirisch nach-
gewiesen sei, dass die Einführung von Mindestlöhnen nicht
zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen führe. Dies könne
man auch in Ländern wie England, Frankreich oder den Nie-

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