BT-Drucksache 16/5582

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/4853- Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien sicherstellen

Vom 12. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5582
16. Wahlperiode 12. 06. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth
Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/4853 –

Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien
sicherstellen

A. Problem

Die geplante Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arz-
neimittel für neuartige Therapien sieht auch für Gentherapeutika, somatische
Zelltherapeutika und Tissue-Engineering-Produkte (TEP) die zentrale Zulas-
sung durch die EU-Kommission vor. In Artikel 28 der Verordnung wird fest-
gelegt, dass die nationale Gesetzgebung der Einzelstaaten hinsichtlich der Ver-
wendung spezifischer Arten menschlicher oder tierischer Zellen unberührt
bleibt. Die Antragsteller halten die in Artikel 28 der Verordnung vorgesehene
Ausnahmeregelung für rechtlich zweifelhaft. Im Falle einer Nichtigerklärung
durch den Europäischen Gerichtshof bestehe die Gefahr, dass ethisch proble-
matische Therapien wie beispielsweise Produkte auf der Basis embryonaler
Stammzellen auch für Deutschland zugelassen seien, obwohl deren Herstellung
und Verwendung hier – wie auch in anderen EU-Mitgliedstaaten – ausdrücklich
verboten ist. Auch Produkte, die auf Zellen und Gewebe von Mensch-Tier-
Hybriden bzw. Chimären oder auf Eingriffen in die menschliche Keimbahn
beruhen, wären so für den deutschen Markt zugelassen.

B. Lösung

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, sich bei weiteren Verhandlungen
und Abstimmungen zur EU-Verordnung über Arzneimittel für neuartige Thera-
pien dafür einzusetzen, dass

– embryonale Stammzellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung aus-
geschlossen werden;
– Produkte, die auf Zellen und Gewebe von Mensch-Tier-Hybriden bzw.
Chimären oder auf Eingriffen in die menschliche Keimbahn beruhen, von der
Zulassung ausgeschlossen werden und

– die freiwillige und unbezahlte Spende von Humangeweben und -zellen ver-
bindlich festgeschrieben wird und die Beschaffung von Geweben und Zellen
nicht gewinnorientiert erfolgt.

Drucksache 16/5582 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten werden in dem Antrag nicht beziffert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5582

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/4853 abzulehnen.

Berlin, den 11. Juni 2007

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Martina Bunge
Vorsitzende

Dr. Marlies Volkmer
Berichterstatterin

pien zu schaffen. Im Interesse der Patienten müsse sicher-
III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

gestellt sein, dass die neuen Produktarten in den Ländern, in
denen sie legal verwendet werden könnten, höchst mögliche
Sicherheitsstandards erfüllten. Der Vorschlag der EU-Kom-
Drucksache 16/5582 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/4853 in seiner 91. Sitzung am 29. März 2007 in erster
Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den
Ausschuss für Gesundheit und zur Mitberatung an die
Ausschüsse für Bildung, Forschung und Technologiefolgen-
abschätzung sowie für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Verordnungsvorschlag des Europäischen Parlaments und
des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien sieht vor,
bisher nicht verwendete Therapie-Produktgruppen wie Gen-
therapeutika, somatische Zelltherapeutika und Tissue-Engi-
neering-Produkte (TEP) zentral durch die EU-Kommission
zuzulassen. Die Antragsteller begrüßen dies grundsätzlich.
Allerdings sei nach dem vorliegenden Verordnungsentwurf
nicht sichergestellt, dass die nationale Gesetzgebung insbe-
sondere in ethisch relevanten Fragen beibehalten werden kön-
ne. Nationale Gesetze, die strengere als die in der Verordnung
vorgegebenen Regelungen enthielten, dürften grundsätzlich
nur dann weiterhin angewandt werden, wenn sie den in Arti-
kel 30 EGV genannten Zwecken dienten und die EU-Kom-
Produkte nach Auffassung der Antragsteller zumindest vorü-
bergehend – bis zur Entscheidung der Kommission – auch in
Deutschland zugelassen, obwohl deren Herstellung hier – wie
auch in anderen Mitgliedstaaten – ausdrücklich verboten sei.
Dies sei besonders problematisch im Hinblick auf den fehlen-
den Konsens unter den EU-Mitgliedstaaten betreffend die
Verwendung embryonaler Stammzellen.

Die rechtliche Bestandskraft einer in den Verordnungsentwurf
eingefügten Ausnahmevorschrift, nach der die Gesetzgebung
der einzelnen Mitgliedstaaten nicht berührt wird, ist nach
Ansicht der Antragsteller zweifelhaft. Dem Antrag zufolge
sollte der Gemeinschaftsgesetzgeber deshalb anerkennen,
dass auch zukünftig über die Verwendung oder ein Verbot em-
bryonaler Stammzellen auf nationaler Ebene entschieden
werden müsse. Von der zentralen Zulassung sollten entspre-
chende Produkte auf der Basis embryonaler Stammzellen, de-
ren Herstellung oder Verwendung auf Verfahren basieren, die
nach der Rechtsordnung einzelner Mitgliedstaaten unter Stra-
fe stehen, ausgenommen werden. Die Bundesregierung solle
bei weiteren Verhandlungen zur EU-Verordnung über Arznei-
mittel für neuartige Therapien darüber hinaus daraufhin wir-
ken, dass Produkte, die auf Zellen und Geweben von Mensch-
Tier-Hybriden bzw. Chimären oder auf Eingriffen in die
menschliche Keimbahn beruhen, von der Zulassung ausge-
schlossen werden. Außerdem solle verbindlich festgelegt
werden, dass Spenden von Humangeweben und -zellen frei-
willig und unentgeltlich erfolgen müssen.

Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 16/4853 abzulehnen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 36. Sitzung am 23. Mai 2007
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 16/4853 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

A. Allgemeiner Teil

Der Ausschuss für Gesundheit hat seine Beratungen in der
52. Sitzung am 9. Mai 2007 aufgenommen. In der 54. Sit-
zung am 23. Mai 2007 hat der Ausschuss seine Beratungen
fortgesetzt und abgeschlossen. Als Ergebnis empfiehlt er mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU erklärten, dass
sie große Sympathien für das Anliegen hätten, das mit dem
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verfolgt
werde. In der Sache könne man den Antrag in vollem
Umfang unterstützen. Zwar werde ein europäischer Rechts-
rahmen für diesen wichtigen Zukunftsbereich gebraucht,
allerdings müsse es auch die Möglichkeit einer nationalen
Zulassung geben. Denn es widerspreche dem Subsidiar-
itätsprinzip, sie dennoch in den europaweiten Markt zu
zwingen. Embryonale Stammzellen seien aus dem Anwen-
dungsbereich der Verordnung auszunehmen, da es dazu in
Europa keinen Konsens gebe. Produkte, die auf Eingriffen
in die menschliche Keimbahn beruhen, seien von der Zulas-
sung auszuschließen. Prinzipien, über die man sich bisher in
Europa einig gewesen sei, seien auch in dieser Verordnung
abzusichern, so beispielsweise das Verbot von Eingriffen in
die menschliche Keimbahn oder das Verbot der Kommerzi-
alisierung des menschlichen Körpers. Da man sich aber
auch in dieser Frage an den Koalitionsvertrag gebunden
fühle, werde man gleichwohl gegen den Antrag stimmen.

Die Mitglieder der Fraktion der SPD hoben hervor, dass an
die neuen Therapieformen, die mit Produkten der Gewebe-
züchtung, der Gentherapie und der somatischen Zelltherapie
verbunden seien, große Erwartungen hinsichtlich der Züch-
tung von Organteilen sowie der Behandlung von Krebs und
anderen schweren Erkrankungen geknüpft würden. Das Ziel
der EU-Verordnung bestehe darin, einen stabilen Rechts-
rahmen für die Zulassung und Evaluierung der neuen Thera-
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 34. Sitzung am 9. Mai 2007 mit den

mission zu Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung sei aufgrund
rechtlicher Bedenken so verändert worden, dass nunmehr

vorgeschlagen – bestimmte Bereiche aus dem europäischen
Zulassungsverfahren herauslöse, bedeute dies, dass auch in
den Staaten, die sich für die Anwendung embryonaler
Stammzellen entschieden hätten, wieder ein nationales Zu-
lassungsverfahren gelten würde. Man halte eine solche Um-
kehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses, die auch zu
einer Behinderung des Binnenmarktes und der Forschung

halten, auch in den Verhandlungen auf europäischer Ebene
geltend gemacht werde. Deswegen erhebe man konkret die
Forderung, embryonale Stammzellen aus dem Geltungsbe-
reich der Verordnung auszuschließen und Produkte, die auf
Mensch-Tier-Hybriden bzw. Chimären oder auf Eingriffen
in die menschliche Keimbahn beruhten, von der Zulassung
auszuschließen.

Berlin, den 11. Juni 2007

Dr. Marlies Volkmer
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5582

das juristische Risiko weitgehend minimiert sei, dass natio-
nale Verbote bestimmter Produkte durch Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofes außer Kraft gesetzt werden
könnten. Die neue Formulierung stoße in der Europäischen
Union auf breite Unterstützung und werde wahrscheinlich
am 31. Mai 2007 auch die Zustimmung des Rates für Ge-
sundheit erhalten. Damit seien Befürchtungen, wie sie auch
in den Reihen des Gesundheitsausschusses geäußert worden
seien, dass nationale Verbote künftig keinen Bestand mehr
haben könnten, grundlos geworden. Da es in Deutschland
bereits einschlägige Regelungen gebe, da in nationales Recht
nicht eingegriffen werde und da es im Interesse der Patienten
liege, hohe Sicherheitsstandards in Europa zu haben, lehne
die Fraktion der SPD den Antrag der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN ab.

Die Fraktion der FDP verwies darauf, dass es in der Frage
der Stammzellen grundsätzliche Auffassungsunterschiede
zur Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebe. Es ge-
he hier aber weniger um ethische Fragen als vielmehr
darum, eine praktikable Regelung auf europäischer Ebene
zu erzielen. Die von der Europäischen Kommission vorge-
sehene Regelung, die eine europaweite Zulassung ermög-
liche, aber auf nationaler Ebene außer Kraft gesetzt werden
könne, beinhalte eine prinzipiell sinnvolle Lösung. Wenn
man – wie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

führen würde, für schädlich und europapolitisch nicht ver-
tretbar. Deshalb lehne die Fraktion der FDP den Antrag ab.

Die Fraktion DIE LINKE. teilt die Bedenken der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die europäische Verord-
nung und unterstützen daher deren Antrag. Es sei wichtig, die
von der EU-Verordnung berührten ethischen Fragen in den
Vordergrund zu rücken. Allerdings weise man darauf hin,
dass eine der den Antrag begründenden Annahmen nicht zu-
treffe. Die Behauptung, die Verordnung könne das Em-
bryonenschutzgesetz und damit das Verbot zur Keimbahn-
veränderung verdrängen und das Stammzellgesetz sei bis zur
Entscheidung der Kommission über die Verordnung außer
Kraft gesetzt, treffe nicht zu. Denn der Artikel 30 des EG-Ver-
trages lege eindeutig fest, dass die Mitgliedstaaten vertraglich
garantierte Freiheiten genössen. Der Bereich des Gesund-
heitsschutzes sei von den betreffenden Regelungen zur Frei-
heit des Handels und Warenverkehrs nicht betroffen. Daher
seien hier weitgehende nationale Regelungen möglich.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begründete
ihren Antrag damit, ihrer Position in Bezug auf Arzneimittel
für neuartige Therapien nach der Entscheidung des Europäi-
schen Parlaments im April 2007 noch einmal Nachdruck
verleihen zu wollen. Es gehe darum, dafür zu sorgen, dass
das auf deutscher Seite bestehende Interesse, die strengeren
nationalen gesetzlichen Regelungen auf diesem Gebiet zu er-

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