BT-Drucksache 16/5547

Verschärfung der Sicherheitsgesetze durch die Einführung der Paragraphen 129c und 129d des Strafgesetzbuches

Vom 1. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5547
16. Wahlperiode 01. 06. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Jan Korte, Heidrun Bluhm, Kersten
Naumann und der Fraktion DIE LINKE.

Verschärfung der Sicherheitsgesetze durch die Einführung der §§ 129c und 129d
des Strafgesetzbuches

Mit dem § 129a des Strafgesetzbuches (StGB) wurde 1976 auf der Basis des
§ 129 StGB ein Organisationsdelikt eingeführt. Danach muss in entsprechenden
Strafverfahren keine konkrete Tatbeteiligung mehr nachgewiesen werden, son-
dern die bloße Mitgliedschaft in, bestimmte Formen der Werbung für oder die
Unterstützung einer Organisation, die für bestimmte Straftaten verantwortlich
gemacht wurde, soll strafbar sein.

Der § 129a StGB erwies sich in erster Linie als ein Ermittlungsparagraph, in
bis zu 90 Prozent der Ermittlungsverfahren kommt es nicht zu einer Anklage-
erhebung bzw. Gerichtsverfahren werden eingestellt. (s. u. a. Bundestagsdruck-
sachen 14/7025, 16/49, 16/4007). Der Präsident der Liga für Menschenrechte,
Rolf Gössner, fasste die Erfahrungen mit dem §129a StGB in einer kritischen
Analyse zusammen: „Für die Ermittler ist es … weniger entscheidend, ob das
jeweilige Verfahren überhaupt gerichtlich eröffnet wird und dann auch mit
einer Verurteilung endet; von wesentlich größerer Bedeutung ist für sie das
Ermitteln selbst. Mit dem über §129a als Kristallisationskern aktivierten, kom-
plexen Sonderrechtssystem verfügen sie über ein praktikables Instrumentari-
um, um in die anvisierten, schwer erfassbaren Szenen einzubrechen, über den
Einzelfall hinaus Kommunikationsstrukturen zu knacken, Daten zu erheben
und Soziogramme des Widerstands erstellen zu können, die nicht nur repressiv,
sondern vor allem präventiv und operativ genutzt werden können. Verunsiche-
rung der Szene, Entsolidarisierung und Abschreckung sind zwangsläufige Fol-
geerscheinungen dieser Kriminalisierungsstrategie per 129a-Sonderrecht.“
(http://www.nadir.org/nadir/initiativ/kombo/k_48/k_48129b.htm)

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschloss der Bundestag die
Ausweitung der §§ 129 und 129a StGB auf Vereinigungen im Ausland durch die
Einführung des § 129b StGB. Kritiker befürchteten, dass der § 129b StGB zu
willkürlicher Verfolgung bestimmter politischer „Ausländervereinigungen“ und
ebenso willkürlichen ausländerrechtlichen Maßnahmen führen. Die Beweis-
erhebung, ob es sich bei einer Gruppierung im Ausland um Terroristen, eine
Bürgerkriegspartei oder bewaffneten, aber völkerrechtlich legitimen Widerstand
handelt, dürfte die Strafverfolger vor Probleme stellen. (Cilip 70 Nr. 3/2001:
§ 129b und Kronzeugenregelung).
Mittlerweile plant die Bundesregierung nach Informationen der Tageszeitung
„DIE WELT“ vom 9. Mai 2007 eine weitere Verschärfung der Sicherheits-
gesetze durch die Einführung der §§ 129c und 129d StGB in das Strafgesetz-
buch. So soll bereits die Planung möglicher terroristischer Taten unter Strafe
gestellt und Einzelpersonen wie terroristische Vereinigungen behandelt werden.
(http://www.welt.de/welt_print/article860476/
Bundesregierung_plant_neue_Anti-Terror-Paragrafen.html).

Drucksache 16/5547 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Schwächen und Lücken im Strafgesetzbuch sieht die Bundesregie-
rung bei der Bekämpfung des Terrorismus, die eine Ergänzung der §§129a
und 129b StGB notwendig machen?

2. Trifft die Meldung der Tageszeitung „DIE WELT“ vom 9. Mai 2007 zu,
wonach die Bundesregierung die Einführung der §§ 129c und 129d StGB ins
Strafgesetzbuch plant?

a) Wenn ja, für wann ist eine entsprechender Gesetzesantrag vorgesehen?

b) Wenn ja, welches Verhalten sollen diese neuen Paragraphen konkret unter
Strafe stellen?

c) Welche konkreten Fälle kann die Bundesregierung benennen, die einen
Ergänzungsbedarf des § 129 StGB deutlich machen und

d) wie viele solcher Fälle gab es in den vergangenen fünf Jahren insgesamt,
die einen entsprechenden Regelungsbedarf nahelegen?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Erfahrungen mit dem
§ 129b StGB, und wie schätzt sie seine Effektivität zur Unterbindung respek-
tive Strafverfolgung von Unterstützungsleistungen für im Ausland agierende
als terroristisch definierte Gruppierungen ein?

4. Gegen welche ausländischen Gruppierungen richteten sich die bisherigen
Ermittlungen, Anklagen und Verurteilungen nach § 129b StGB (bitte auf-
schlüsseln)?

5. Aufgrund welcher Kriterien wurde entschieden, dass es sich bei den verfolg-
ten Organisationen um Terroristen und nicht um völkerrechtlich legitimierte
Freiheitskämpfer handelt?

6. Wer trifft die Entscheidung, ob es sich bei einer ausländischen und im Aus-
land tätigen Organisation um eine terroristische Organisation nach § 129b
StGB handelt?

7. In wie vielen und welchen Fällen war die Einstufung einer ausländischen
bzw. im Ausland tätigen Organisation als terroristisch im Sinne des § 129b
StGB strittig?

Berlin, den 30. Mai 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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