BT-Drucksache 16/5495

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/2504- Für eine Ausweitung und eine neue Qualität öffentlich finanzierter Beschäftigung b) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/2652- Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren

Vom 24. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5495
16. Wahlperiode 24. 05. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Axel Troost,
Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/2504 –

Für eine Ausweitung und eine neue Qualität öffentlich finanzierter
Beschäftigung

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Dr. Thea
Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/2652 –

Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren

A. Problem

Zu Buchstabe a

Deutschland hat gegenüber vergleichbaren europäischen Ländern einen erheb-
lichen Rückstand in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, vor allem der Lang-
zeitarbeitslosigkeit. Ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen besitzt aufgrund
fehlender Arbeitsplätze sowie verschiedener Vermittlungshemmnisse unter den
gegenwärtigen Arbeitsmarktbedingungen kaum Chancen auf einen Arbeits-
platz. Bei jedem zweiten ALG-II-Empfangenden liegt die letzte versicherungs-
pflichtige Beschäftigung drei und mehr Jahre zurück; über 30 Prozent der ALG-
II-Empfangenen waren in den letzten sechs Jahren ohne sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigung.

Zu Buchstabe b

Laut Schätzungen sind etwa 400 000 Menschen in Deutschland dauerhaft vom
Arbeitsleben ausgeschlossen. Bei ihnen klaffen berufliches und persönliches
Profil einerseits und Arbeitsplatzanforderungen andererseits in eklatanter Weise
auseinander. Auch ein Konjunkturaufschwung kann diesen strukturellen Mangel
nur unzureichend korrigieren. Diesen Menschen muss zu einer neuen Perspek-
tive verholfen werden.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die gesetzlichen Grundlagen und die
haushaltsmäßigen und haushaltsrechtlichen Voraussetzungen dafür herzustellen,

Drucksache 16/5495 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

im Jahre 2007 mindestens 150 000 öffentlich geförderte sozialversicherungs-
pflichtige Arbeitsverhältnisse auf der Basis eines monatlichen Arbeitnehmer-
bruttolohns zu schaffen, der sich an tariflichen Stundenlöhnen orientiert und
1 400 Euro nicht unterschreitet.

Die Bundesregierung wird zudem aufgefordert, eine Analyse der eingeleiteten
Maßnahmen vornehmen zu lassen und auf dieser Grundlage dem Deutschen
Bundestag ein Stufenprogramm zur weiteren Ausdehnung öffentlich finanzier-
ter Beschäftigung in den Jahren 2008 und 2009 vorzulegen, damit mit den kom-
menden Haushalten sowie der langfristigen Finanzplanung die entsprechenden
finanziellen Voraussetzungen für weitere 350 000 öffentlich geförderte Arbeits-
plätze bis Ende 2009 geschaffen werden können.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/2504 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

Zu Buchstabe b

Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein verlässliches Segment öffentlich
geförderter Beschäftigung mit dauerhaften sozialversicherungspflichtigen Be-
schäftigungsverhältnissen zu schaffen. Im Einzelnen sollen zusätzliche, gemein-
wohlorientierte und nicht wettbwerbsverzerrende Beschäftigungsfelder im Drit-
ten Sektor auf lokaler Ebene und Integrationsfirmen im ersten Arbeitsmarkt und
im Dritten Sektor gefördert werden.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Zu Buchstabe a

Bündelung und Umwidmung von Finanzmitteln für das Arbeitslosengeld II, die
Kosten der Unterkunft, die entsprechenden Beiträge zu Renten-, Kranken- und
Arbeitslosenversicherung, die Ein-Euro-Jobs einschließlich der Mehraufwands-
sentschädigungen. Hinzu kommen die Mittel, die die Trägereinrichtungen von
Ein-Euro-Jobs pauschal für die Einrichtung dieser erhalten. Mit dieser Bünde-
lung von Geldern können Mittel der passiven Arbeitsmarktpolitik in Mittel für
aktive Arbeitsmarktmaßnahmen umgewandelt werden.

Damit im Rahmen öffentlich geförderter Beschäftigung Stundenlöhne nicht
unter 8 Euro brutto gezahlt, Arbeit auf tariflicher Basis und entsprechend der
Qualifikation entlohnt werden können, bedarf es zusätzlicher finanzieller Mittel.
Die Überschüsse der BA eröffnen die Möglichkeit für eine kräftige Startfinan-
zierung; weitere Finanzierungsmöglichkeiten resultieren aus Länderprogram-
men, ESF-Mitteln sowie aus finanziellen Mitteln von Unternehmen, die sich als
Träger an öffentlich geförderter Beschäftigung beteiligen.

Zu Buchstabe b

Die langfristige Subventionierung alternativer Beschäftigungsformen ist eine
ergänzende Arbeitsmarktstrategie, die für den Bund weitgehend kostenneutral
gestaltet sein muss.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5495

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 16/2504 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 16/2652 abzulehnen.

Berlin, den 23. Mai 2007

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

Drucksache 16/5495 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

1. Überweisung

a) Antrag auf Drucksache 16/2504

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache
16/2504 ist in der 54. Sitzung des Deutschen Bundestages
am 28. September 2006 an den Ausschuss für Arbeit und
Soziales zur federführenden Beratung und an den Haushalts-
ausschuss zur Mitberatung überwiesen worden.

b) Antrag auf Drucksache 16/2652

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 16/2652 ist ebenfalls in der 54. Sitzung des
Deutschen Bundestages am 28. September 2006 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Haushaltsausschuss und den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie zur Mitberatung überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

a) Antrag auf Drucksache 16/2504

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage in seiner Sitzung
am 18. Oktober 2006 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
empfohlen, den Antrag abzulehnen.

b) Antrag auf Drucksache 16/2652

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage in seiner Sitzung
am 18. Oktober 2006 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlage in seiner Sitzung am 18. Oktober 2006 beraten und
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
empfohlen, den Antrag abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

a) Antrag auf Drucksache 16/2504

Unabhängig von der Bewertung der Ursachen für die sich
ausdehnende und verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit
sähen immer mehr gesellschaftliche Kräfte die dringende
Notwendigkeit, Schritte zu einer neuen Qualität öffentlich
finanzierter Beschäftigung einzuleiten, um die bestehende
Lücke hinsichtlich der Förderung sozialversicherungspflich-
tiger Beschäftigung vor allem im gemeinnützigen Bereich
über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg zu schlie-
ßen, heißt es im Antragstext der Fraktion DIE LINKE. Daher
wird die Bundesregierung aufgefordert, die gesetzlichen
Grundlagen für die Schaffung dauerhaft öffentlich finanzier-

ter Beschäftigung in sozialversicherungspflichtiger Form
vorzubereiten. Sie solle die haushaltsmäßigen und haushalts-
rechtlichen Voraussetzungen für die Schaffung von mindes-
tens 150 000 solcher Stellen im Jahre 2007 in die Wege
leiten. Gearbeitet werden solle im Rahmen dieser Beschäfti-
gungsverhältnisse auf der Basis eines monatlichen Arbeit-
nehmerbruttolohns, der sich an tariflichen Stundenlöhnen
orientiere und 1 400 Euro nicht unterschreite. Die notwendi-
gen Beitrags- und Haushaltsmittel seien so zu verteilen, dass
der Aufbau öffentlich geförderter Beschäftigung in Abhän-
gigkeit von den Langzeitarbeitslosenquoten in den einzelnen
Bundesländern erfolgen könne und gleichzeitig ein Aufho-
len der Rückstände der am stärksten durch Langzeitarbeits-
losigkeit betroffenen Regionen, vor allem in Ostdeutschland,
möglich werde. Im Herbst 2007 solle die Bundesregierung
eine Analyse der eingeleiteten Maßnahmen vornehmen las-
sen und auf dieser Grundlage dem Deutschen Bundestag ein
Stufenprogramm zur weiteren Ausdehnung öffentlich finan-
zierter Beschäftigung in den Jahren 2008 und 2009 vorlegen,
damit mit den kommenden Haushalten sowie der langfristi-
gen Finanzplanung die entsprechenden finanziellen Voraus-
setzungen für weitere 350 000 öffentlich geförderte Arbeits-
plätze bis Ende 2009 geschaffen werden könnten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

b) Antrag auf Drucksache 16/2652

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert in ihrem
Antrag die Bundesregierung auf, für die etwa 400 000 Men-
schen in Deutschland, die dauerhaft vom Arbeitsleben aus-
geschlossen seien, eine Perspektive zu geben, indem sie
langfristige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungs-
verhältnisse als Förderleistung im Rahmen des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) schafft. Das bedeute
nicht, dass das Ziel aufgeben werde, auch diese Menschen in
den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Die langfristige
Subventionierung alternativer Beschäftigungsformen müsse
weitgehend kostenneutral gestaltet sein und dürfe nicht wett-
bewerbsverzerrend wirken. Diese ergänzende Arbeitsmarkt-
strategie müsse sich auf Tätigkeiten beziehen, deren Erledi-
gung zwar sinnvoll sei, die aber aus wirtschaftlichen,
finanziellen oder gesellschaftlichen Gründen zurzeit nicht
erfolge. Dabei könne das Kriterium der Zusätzlichkeit unter
anderem darüber sichergestellt werden, dass geförderte
Arbeitsplätze immer ergänzend, jedoch nie anstelle regulärer
Stellen eingesetzt werden dürften. Sie würden durch lokale
Akteure identifiziert. Außerdem müssten Integrationsfir-
men, die zurzeit für die Förderung von Menschen mit Behin-
derungen zuständig seien, in Zukunft auch für vom ersten
Arbeitsmarkt ausgeschlossene Langzeitarbeitslose geöffnet
werden. Über Integrationsfirmen würden Erwerbsarbeits-
plätze in wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen gefördert.
Dies könnten reguläre Betriebe, aber auch soziale Beschäf-
tigungsunternehmen im „Dritten Sektor“ sein.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5495

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung
der Anträge auf den Drucksachen 16/2504 und 16/2652 in
seiner 35. Sitzung am 29. November 2006 aufgenommen
und in seiner 38. Sitzung am 17. Januar 2007 beschlossen,
eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Sie erfolgte in der
49. Sitzung des Ausschusses am 7. Mai 2007.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige
waren zu der Anhörung eingeladen:

1. Verbände und Institutionen

– Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände (BDA)

– Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)

– Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrts-
pflege (BAGFW)

– Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen

– Bundesagentur für Arbeit (BA)

– Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbän-
de

– Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V.

2. Einzelsachverständiger

– Hansjörg Böhringer, Stuttgart

– Tim Kähler, Bielefeld

– Karl-Heinz Hagedorn, Rheine.

Die Anhörungsteilnehmer haben schriftliche Stellung-
nahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache
16(11)610 zusammengefasst wurden. Die darin nicht ent-
haltene Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deut-
schen Arbeitgeberverbände ist auf Ausschussdrucksache
16(11)642 zu finden, die Stellungnahme des Sachverständi-
gen Hagedorn auf Ausschussdrucksache 16(11)641.

Nachstehend werden die wesentlichen Aussagen der Verbän-
de, Institutionen und Einzelsachverständigen komprimiert
dargestellt:

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände (BDA) lehnt eine Ausweitung der öffentlichen Be-
schäftigung in Form sozialversicherungspflichtiger Beschäf-
tigungsverhältnisse entschieden ab. Vor dem Hintergrund
der erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung müssten viel-
mehr alle Möglichkeiten genutzt werden, jetzt gerade auch
Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrie-
ren. Die bisherige Aktivierung im Sinne des Grundsatzes
vom „Fördern und Fordern“ für „Arbeitslosengeld-II“-Be-
zieher sei bislang noch völlig unzureichend. Schuld daran
seien allerdings auch strukturelle Probleme und Fehlanreize
im SGB-II-Bereich, die umgehend beseitigt werden müssen.
Es wäre ein untauglicher und verhängnisvoller Schritt zu-
rück in vergangene und erfolglose Zeiten einer teuren Ar-
beitsmarktpolitik, wenn nun erneut in großem Stil Arbeits-
beschaffungsmaßnahmen (ABM) eingerichtet würden, so
die BDA. Die umfangreichen Erfahrungen mit ABM hätten
gezeigt, dass durch massive öffentliche Beschäftigungspro-
gramme Arbeitslosigkeit nicht nur nicht verringert, sondern
sogar weiter verfestigt und aufgrund der damit verbundenen
Kosten und Verdrängungsgefahren sogar Arbeitsplätze an

anderer Stelle vernichtet würden. Dass ABM selbst für die
vermeintlich Begünstigten ein Bärendienst seien, werde
auch wieder bestätigt durch den Bericht der Bundesregie-
rung zu den Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Ar-
beitsmarkt („Hartz-Evaluation“), in dem ausdrücklich fest-
gestellt werde: „ABM-Beschäftigte (beenden) aufgrund
dieser Tätigkeit jedoch später als vergleichbare andere Ar-
beitslose ihre Arbeitslosigkeit … ABM verschlechtern also
die Integrationschancen von Teilnehmern“. Die Schaffung
von einer halben Million zusätzlicher öffentlich geförderter
Beschäftigungen würde einen Flurschaden am Arbeitsmarkt
anrichten und vor allem auch dazu führen, dass gerade be-
schäftigungsfähige und motivierte Langzeitarbeitslose in
solche öffentliche Beschäftigungsverhältnisse statt in Be-
schäftigung am ersten Arbeitsmarkt einmündeten. Der von
der Fraktion DIE LINKE. eingebrachte Antrag würde para-
doxerweise sogar dazu führen, dass Arbeitnehmer mit Ein-
kommen, die niedriger seien als diejenigen in öffentlich ge-
förderter Beschäftigung, mit ihren Steuern zur Finanzierung
der öffentlichen Beschäftigung von angeblich am ersten Ar-
beitsmarkt derzeit nicht Beschäftigungsfähigen herangezo-
gen würden. Strikt lehnt die BDA die vorgesehene Verwi-
schung der Grenzen zwischen öffentlicher Beschäftigung
und Privatwirtschaft durch den Einsatz öffentlich Beschäf-
tigter in privaten Wirtschaftsunternehmen ab, weil dies
schon angesichts der vorgeschlagenen Größenordnung zu
unabsehbaren Verdrängungseffekten und Wettbewerbsbe-
einträchtigungen führen würde.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) teilt die in
beiden Anträgen erhobene Forderung nach langfristigen, öf-
fentlich geförderten sozialversicherungspflichtigen Arbeits-
plätzen insbesondere im gemeinwohlorientierten Bereich.
Der derzeitige Konjunkturaufschwung gehe an Langzeit-
arbeitslosen und speziell an leistungsgeminderten Langzeit-
arbeitslosen, insbesondere aus dem SGB-II-Rechtskreis,
weitgehend vorbei. Die Langzeitarbeitslosigkeit steige und
verfestige sich seit längerem gegen den allgemeinen Trend
einer sinkenden Arbeitslosigkeit. Auch bei einer Verfes-
tigung der Konjunktur könnten Menschen mit so genannten
„multiplen Vermittlungshemmnissen“ zumindest mittelfris-
tig realistisch nicht auf den ersten Arbeitsmarkt verwiesen
werden. Da der Bedarf an zusätzlichen Arbeitsplätzen für
diesen Personenkreis nicht durch private Arbeitgeber ge-
deckt werde und die öffentliche Hand hierzu nicht ausrei-
chend in der Lage sei, bleibe dauerhafte öffentlich finanzier-
te Beschäftigung die einzig realistische Alternative. Hieraus
ergebe sich die Notwendigkeit, aber auch die Nachrangigkeit
dauerhafter öffentlich geförderter Beschäftigung. Letztere
solle immer dann erfolgen, wenn ansonsten keine Erwerbs-
tätigkeit möglich sei. Die Notwendigkeit eines solchen
sozialen Arbeitsmarktes, der Tätigkeiten insbesondere im
Gemeinwohl orientierten Bereich anbietet, werde von einer
Vielzahl gesellschaftlicher Akteure konstatiert. Der DGB
erwartet, dass der auch in den beiden Anträgen der Fraktion
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erkennbare
breite Grundkonsens den Gesetzgeber jetzt zu den notwendi-
gen rechtlichen Anpassungen veranlasse. Die Anträge der
Fraktion DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(sowie die übrigen vorliegenden Konzepte) setzten einige
Änderungen im SGB II voraus. Hierbei spiele die Aktivie-
rung von passiven Leistungen (Regelsätze, Unterkunftskos-
ten, Sozialversicherungsbeiträge) eine zentrale Rolle. Nur

Drucksache 16/5495 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wenn eine Bündelung der Finanzmittel gesetzlich ermöglicht
werde, könne ein sozialer Arbeitsmarkt über Modellprojekte
hinauskommen. Ansonsten wäre die Belastung des Ein-
gliederungsbudgets von Argen bzw. Optionskommunen zu
hoch. Der DGB schlägt hier einen in der Höhe begrenzten
einseitigen Deckungsvermerk vor, der die Übertragung pas-
siver (ALG-II-)Mittel zugunsten der Förderung sozial-
versicherungspflichtiger Beschäftigung ermögliche. Die
Kommunen sollten parallel verpflichtet werden, ihren einge-
sparten Anteil an Unterkunftskosten mit in die Finanzierung
einzubringen. Auch müsse das Haushaltsrecht eine über
mehrere Jahre dauernde Bewilligung von Beschäftigungs-
angeboten erlauben.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrts-
pflege (BAGFW) begrüßt die Schaffung dauerhafter öffent-
lich geförderter Beschäftigung für diejenigen Arbeitslosen,
die trotz intensiver Integrationsbemühungen keine Chance
auf dem regulären Arbeitsmarkt hätten. Nach Auffassung
der BAGFW sollten Zielgruppen dauerhafter öffentlich ge-
förderter Beschäftigung vor allem arbeitsmarktferne Perso-
nengruppen sein, die trotz dokumentierter Versuche der
Arbeitsmarktintegration und aufgrund ihrer persönlichen Si-
tuation bzw. aufgrund persönlicher Problemlagen auf länge-
re Sicht nicht in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar
seien („Ultima Ratio“). Vorrangiges Ziel sei die soziale Inte-
gration dieses Personenkreises, die durch die Integration in
Arbeit bzw. Beschäftigung nachhaltig unterstützt und abge-
sichert werde. Den Beschäftigten sei zusätzlich zur Beschäf-
tigung eine psychosoziale Betreuung und Begleitung zuzusi-
chern. Beschäftigungsfelder könnten neben zusätzlichen,
gemeinwohlorientierten Tätigkeiten auch Beschäftigungen
auf dem ersten Arbeitsmarkt sein (z.B. Beschäftigungsunter-
nehmen). Der Ausgleich einer möglichen Minderleistung
müsse konkret und im Einzelfall erfolgen und dürfe nicht
von vornherein beschränkt sein. Die Tätigkeitsfelder sollten
in Abstimmung mit den beteiligten regionalen Arbeits-
marktakteuren festgelegt werden. Dazu seien obligatorisch
Beiräte bei den Trägern der Grundsicherung einzurichten.
Bei der individuellen Bestimmung der Tätigkeit für den Ar-
beitsuchenden seien diesem und dem künftigen Arbeitgeber
Wahlmöglichkeiten einzuräumen. Aus Sicht der BAGFW ist
eine Befristung der Maßnahmen der öffentlich geförderten
Beschäftigung nicht sinnvoll. Um den Menschen längerfris-
tig die Perspektive auf eine Integration in den ersten Arbeits-
markt zu erhalten, sei indes eine regelmäßige, mindestens
jährliche Überprüfung des Förderbedarfs durch das Fallma-
nagement notwendig. Ferner sei die Beschäftigung sowohl
durch Qualifizierungsmaßnahmen als auch durch sozialinte-
grative Hilfen insbesondere nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB II
und § 67 SGB XII zu ergänzen, um fachliche Fähigkeiten
weiterzuentwickeln und persönliche Schwierigkeiten zu
überwinden. Die BAGFW unterstützt das Ziel, im Rahmen
öffentlich geförderter Beschäftigung in erster Linie so-
zialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu
schaffen. Mögliche Drehtüreffekte zur Arbeitslosenver-
sicherung seien möglichst zu vermeiden. Die BAGFW un-
terstützt das Anliegen, dauerhafte öffentlich geförderte Be-
schäftigung durch eine Bündelung passiver und aktiver
Leistungen zu finanzieren. Darüber hinaus sei eine haus-
haltsrechtlich verlässliche Gestaltung des Eingliederungs-
titels unbedingt erforderlich. Überdies sei im Rahmen der
Finanzierung zu berücksichtigen, dass auf Seiten der Be-

schäftigungsträger zusätzliche Kosten insbesondere für die
Anleitung, Betreuung und eine sozialpädagogische Beglei-
tung der geförderten Personen sowie für Investitionen anfal-
len könnten. Aus dem ESF sollten zudem infrastrukturelle
Fördermaßnahmen finanziert werden. Das Angebot einer
dauerhaften öffentlich finanzierten Beschäftigung sollten
Arbeitssuchende freiwillig und ohne Sanktionsandrohungen
annehmen können. Die BAGFW befürwortet eine Evaluie-
rung der dauerhaften öffentlich geförderten Beschäftigung,
um die Effekte der Auswahl der Zielgruppen und Beschäf-
tigungsfelder zu kontrollieren und Verdrängungseffekte zu
vermeiden.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen
schlägt in ihrer Stellungnahme vor, den Zugang zu Förder-
möglichkeiten allen Arbeitgebern – privatwirtschaftlichen
und gemeinnützigen – zu ermöglichen. Nur so lasse sich das
notwendige Beschäftigungsvolumen erschließen und die
Problematik der Wettbewerbsverzerrung lösen. Grundlage
der Förderung müsse eine sozialversicherte tariflich oder
ortsüblich entlohnte Beschäftigung sein, die Existenz
sichernd sei und einen Abstand zu staatlichen Transferleis-
tungen beinhalte. Integrationsprojekte hätten in den letzten
Jahren eine eindrucksvolle und stetige Wachstumskurve in
der Beschäftigung besonders schwer vermittelbarer Men-
schen auszuweisen. Der Ansatz und die Potenziale dieser
Firmen ließen sich für weitere Zielgruppen nutzen. Als zwei-
tes Instrument eines Beschäftigungsprogramms sei die
Schaffung von gemeinwohlorientierten Arbeitsplätzen sinn-
voll. Um eine Abgrenzung zum ersten Förderinstrument her-
zustellen, sei zu überlegen, ob hier anstelle der sozialver-
sicherten Beschäftigung eine prämienorientierte Vergütung
oder der im psychiatrischen Hilfesystem entwickelte Ansatz
des „Zuverdienstprojektes“ realisiert werden solle. Im Falle
einer sozialversicherten Variante solle in der Höhe der Ver-
gütung ein Abstand zu der erstgenannten Programmvariante
bestehen, um Anreize für Übergänge zu schaffen. Die
Gestaltungshoheit in diesem Segment solle Beiräten oder
Steuerungsgruppen auf lokaler Ebene vorbehalten bleiben,
in denen die wichtigen Akteure vertreten seien (Kommune,
ARGE, Arbeitsagentur, Vertreter der Wirtschaft, der Arbeit-
geber und der Leistungserbringer). Die Kostenaufwendun-
gen für die gemeinwohlorientierte Variante sollten nicht
höher sein als die Summe der öffentlichen Unterhaltsleistun-
gen, fordert der Verband. Die Finanzierung des Beschäftig-
tenprogramms müsse kostenneutral durch den Transfer von
Passiv- in Aktiv-Leistungen erfolgen.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) weist in ihrer Stel-
lungnahme auf ihre eigenen Überlegungen unter dem
Arbeitstitel „Alternative Beschäftigungsformen“ hin, in dem
sie für erwerbsfähige, aber nicht marktfähige Hilfebedürf-
tige längerfristige bzw. nicht befristete öffentlich geförderte
Beschäftigungsmöglichkeiten vorschlage. Die Tätigkeiten
sollten individuell sinnstiftend sein und sich primär am
Gemeinwohl orientieren; eine Ausweitung auf marktnahe
Beschäftigungsfelder solle grundsätzlich möglich sein. Die
Tätigkeiten sollten die Leistungsressourcen der Arbeitslosen
ebenso berücksichtigen wie die lokalen Bedarfe (Sozial-
raumorientierung). Die Beschäftigungsverhältnisse sollten
längerfristig bzw. nicht befristet angelegt und möglichst so-
zialversicherungspflichtig sein, jedoch ohne Beitragspflicht
zur Arbeitslosenversicherung. Die Beschäftigungsmöglich-
keiten müssten so ausgestaltet sein, dass Integrationsfort-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5495

schritte erzielt werden könnten. Ein Durchstieg in den regu-
lären Arbeitsmarkt sei nicht nur erwünscht, sondern müsse
auch durch begleitendes Fallmanagement gezielt unterstützt
werden. „Alternative Beschäftigungsformen“ stellten kein
neues Instrument im Rahmen des SGB II dar, da sie mit den
bisherigen Instrumenten der öffentlich geförderten Beschäf-
tigung grundsätzlich realisierbar seien. Sie stellten eine er-
gänzende Arbeitsmarktstrategie dar und erweiterten damit
die Zielperspektiven öffentlich geförderter Beschäftigung.
Im Rahmen der individuellen Integrationsstrategie seien im-
mer die Instrumente vorrangig, die auf reguläre Erwerbstä-
tigkeit zielten bzw. Integrationsfortschritte auf diesem Weg
ermöglichten. Öffentlich geförderte Beschäftigung sei im
Vergleich dazu „Ultima Ratio“. Das gelte schon für die be-
fristete öffentlich geförderte Beschäftigung in Form von
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, zeitlich befristeten Zu-
satzjobs oder Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante.
Das gelte umso mehr für längerfristig angelegte oder nicht
befristete öffentlich geförderte Beschäftigung.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbän-
de führt in ihrer Stellungnahme u. a. aus, dass die Ausgestal-
tung eines sozialen Arbeitsmarktes aufgrund der beschäf-
tigungspolitisch nicht gewollten Wirkungen, wie z. B. des
Risikos einer Substitution regulärer Arbeit auf dem ersten
Arbeitsmarkt, besonderer Sorgfalt bedürfe. Deshalb erschei-
ne auch die Vorschaltung einer Pilotphase vor einer flächen-
deckenden Umsetzung, die Erprobung unterschiedlicher
Lösungsansätze und die Berücksichtigung örtlicher Gege-
benheiten als sinnvoll. Von erheblicher praktischer Bedeu-
tung sei die Begrenzung des Personenkreises, der für dauer-
haft öffentlich geförderte Beschäftigung in Frage komme
durch die Merkmale (kumulativ): a) mindestens ein Jahr
Arbeitslosigkeit, b) bisherige Versuche der Arbeitsmarkt-
integration nicht erfolgreich, c) Aufweisen von persönlichen
Merkmalen, die auch bei prosperierender Wirtschaft keine
realistischen Eingliederungschancen eröffneten. Das Ziel
der Förderung sei neben den sozialpolitisch positiven Aus-
wirkungen der geförderten Beschäftigung die Qualifizierung
dieses Personenkreises und – mittelfristig – auch die Integra-
tion in den ersten Arbeitsmarkt. Angesichts der besonderen
Vermittlungshemmnisse sei es realistisch, dass die kompara-
tiven Nachteile der Beschäftigung stark leistungsgeminder-
ter Langzeitarbeitloser mit hohen Lohnkostenzuschüssen in
der gewerblichen Wirtschaft ausgeglichen werden müssten.
Die Gewinnung einfacher Arbeitsplätze in der gewerblichen
Wirtschaft für diesen Personenkreis sei jedoch von erheb-
licher Bedeutung für die Integration von Menschen mit
geringen beruflichen Qualifikationen. Hier könne ein erheb-
liches Arbeitsplatzpotenzial für diese Personengruppe lie-
gen. Es sei daher zu prüfen, ob insbesondere mit Blick auf
EU-rechtliche Regelungen eine Beihilfe auch von mehr als
50 Prozent zulässig sei, da bei der hier zu betrachtenden
Klientel der Zuschuss ansonsten nicht den erforderlichen
Nachteilsausgleich gewährleisten würde. Öffentlich geför-
derte Beschäftigung solle nur „zusätzlich“ erfolgen, um
reguläre Beschäftigungsverhältnisse nicht zu gefährden. Die
im Antrag der Fraktion DIE LINKE. vorgesehene Zahl von
350 000 öffentlich geförderten Arbeitsplätzen bis Ende 2009
wird von den kommunalen Spitzenverbänden als nicht rea-
listisch angesehen. Dabei sei zu beachten, dass bereits mehr
als 300 000 öffentlich geförderte Zusatzjobs für Arbeits-
losengeld-II-Empfänger existierten, bei denen ebenfalls das

Merkmal der Zusätzlichkeit zu beachten sei. Grundsätzlich
begrüße der Bundesverband der kommunalen Spitzenver-
bände die Prüfung geeigneter Konzepte im Niedriglohn-
bereich, um die Produktivitätsnachteile von Personen mit
schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen auszugleichen.
Er fordere allerdings, dass alle arbeitsmarktpolitischen Vor-
schläge hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen für die
Kommunen überprüft würden. Eine weitere finanzielle Be-
lastung der Kommunen werde abgelehnt. Die Finanzierung
der Lohnkostenzuschüsse solle daher vorrangig aus den Ein-
gliederungsmitteln des Bundes erfolgen. Die Heranziehung
von Mitteln aus der Leistungsgewährung für Unterkunft und
Heizung zur Aktivierung Langzeitarbeitsloser könne nur in
einem eng gesteckten Rahmen mit Zustimmung der jewei-
ligen Kommune erfolgen, wenn sichergestellt sei, dass die
jeweilige Person unter den o. g. Kriterien keine realistische
Chance auf eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt in
den nächsten Jahren habe und keine reguläre Beschäftigung
durch diese Förderung verdrängt werde.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert, das Potenzial
der öffentlich geförderten Beschäftigung zu nutzen, um die
Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Auch schwer ver-
mittelbare Arbeitslose könnten an den ersten Arbeitsmarkt
herangeführt werden, wenn für sie längerfristige und indi-
viduell gestaltete Integrationswege beschritten würden.
Darüber hinaus fordert der Verband, längerfristige Beschäf-
tigungsverhältnisse für diejenigen Arbeitslosen bereitzustel-
len, die trotz verbesserter Integrationsbemühungen keine
Chance auf reguläre Arbeit hätten. Öffentlich geförderte Be-
schäftigung leiste für diese Personengruppen einen Beitrag
zur gesellschaftlichen Integration. Man solle angesichts die-
ser Zielsetzung nicht von einem „dritten Arbeitsmarkt“, son-
dern von einem „Integrationsarbeitsmarkt“ sprechen. Bei der
genaueren Festlegung der Zielgruppen sei ein weiter lokaler
Entscheidungsspielraum zu belassen. Es solle Aufgabe der
jeweiligen Träger der Grundsicherung sein, Zielgruppen für
ihre Region festzulegen. Die Lohnhöhe der sozialversiche-
rungspflichtigen Tätigkeit solle sich an die ortsüblichen Be-
dingungen ausrichten. Hinsichtlich des Vorschlags im An-
trag der Fraktion DIE LINKE., Stundenlöhne nicht unter
8 Euro zu zahlen, stelle sich die Frage nach der Realisier-
barkeit. Denn insbesondere in Ostdeutschland würden ver-
mutlich die in Frage kommenden öffentlichen Einrichtungen
und sozialen Dienste häufig keine entsprechende Vergü-
tungsstruktur für ihre regulär Beschäftigten aufweisen. Nach
den vorliegenden Anträgen sollten Einsatzfelder in gemein-
wohlorientierten bzw. zusätzlichen und im öffentlichen Inte-
resse liegenden Bereichen angesiedelt sein. Der Paritätische
Wohlfahrtsverband fordert demgegenüber, in einer Wei-
terentwicklung der öffentlich geförderten Beschäftigung
marktnahe Einsatzfelder deutlich auszuweiten. Dies ermög-
liche es, reelle Arbeitsbedingungen anstelle von Scheinbe-
schäftigungen zu schaffen. Die Vielfalt der Einsatzfelder
könne erhöht werden. Der Marktzugang ermögliche es, dass
Träger, die Erlöse erwirtschafteten, diese in die kosten-
deckende Gesamtfinanzierung einbringen könnten.

Der Sachverständige Tim Kähler präsentiert in seiner
Stellungnahme das Modellprojekt „Sozialer Arbeitsmarkt“
in Bielefeld. Am 21. März 2007 sei das Dezernat Jugend,
Soziales, Wohnen der Stadt Bielefeld durch Beschluss des
Sozial- und Gesundheitsausschusses beauftragt worden, in
Kooperation mit der Arbeitplus in Bielefeld GmbH und der

Drucksache 16/5495 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

REGE mbH ein auf einen Zeitraum von mindestens zwei
Jahren angelegtes Konzept für einen sozialen Arbeitsmarkt
in Bielefeld abzustimmen und schnellstmöglich umzusetzen.
Es sei angestrebt, mit einer Teilnehmerzahl von 50 Personen
zu beginnen, um darauf aufbauend weitere Personen zu be-
schäftigen. Perspektivisch werde durch bundesgesetzliche
Regelungen eine auf Dauer angelegte eigenständige För-
derung erwartet. Die ersten Arbeitsverträge könnten ab dem
1. August 2007 geschlossen werden. Grundsätzlich werde
ein genau definierter „unterstützter Arbeitsmarkt“ für 2 Pro-
zent aller Beschäftigten in Bielefeld gebraucht, die genau de-
finiert werden müssten. Die Erfahrungen mit einem großen
Anteil der Zielpersonen der „leistungsgeminderten Lang-
zeitarbeitslosen“ und die bereits entwickelten Rahmenbedin-
gungen für eine effektive Umsetzung des Instruments in der
Arbeitsförderung bildeten eine tragfähige Grundlage zur
Weiterentwicklung eines Konzepts der längerfristigen Inte-
gration. Die Umwandlung aller Mittel in aktive Mittel stünde
so im Zentrum eines output-orientierten Lösungsansatzes.
Dass dieser kostenneutral erfolgen könne, sollte den Gesetz-
geber ermutigen, hier zumindest Modellprojekte ins Leben
zu rufen und für diese Modelle die notwendigen Rahmenbe-
dingungen zu schaffen, meint der Sachverständige. Der Än-
derungsbedarf sei im Gesamtkontext des SGB II und SGB III
überschaubar und stelle eine Weiterentwicklung der Grund-
sicherung für Arbeitsuchende aufgrund der Erkenntnisse
durch die erfolgten Reformen als logische Konsequenz dar.

Hansjörg Böhringer begrüßt grundsätzlich die Intention
der Anträge, Angebote in Form sozialversicherter Beschäf-
tigungsverhältnisse zu machen. Dies erscheine ihm insbe-
sondere bei langfristigen Angeboten unabdingbar. Aus den
Erfahrungen der Vergangenheit zeige sich ganz eindeutig,
dass solche Plätze eine höhere Akzeptanz und auch bei
schwierigen Personenkreisen eine höhere Integrationschan-
ce beinhalteten. Die Ferne vom regulären Arbeitsmarkt min-
dere die Integrationschance und erhöhe den Finanzbedarf;
ferner sei eine sinnvolle integrationsorientierte Qualifizie-
rung marktnah Erfolg versprechender. Der Vorschlag der
Öffnung von Integrationsformen nutze ein bestehendes Kon-
strukt, um marktnah Integration für Langzeitarbeitslose um-
zusetzen. Die durch die Marktferne bedingten Probleme der
verminderten Integrationschancen und des erhöhten Finanz-
bedarfs in den Kosten des laufenden Betriebs seien durch
diesen Vorschlag gelöst. Problematisch sei unter Umständen
die Mischung sehr unterschiedlicher Ziel- und Personen-
gruppen und die Vorstellung eines ex ante Assessmentver-
fahrens im Arbeitsbereich. Erfahrungen auch aus dem Be-
reich Behinderter zeigten die Schwierigkeiten im Rahmen
der Bestimmung des Minderleistungsausgleichs. Sehr vor-
teilhaft sei aber die Orientierung an einem handelnden Un-
ternehmen und nicht an einer tagesstrukturierenden Einrich-
tung. Hier habe die Ausrichtung an dem bestehenden Vorbild
Integrationsfirma deutliche Vorteile. Ein Handeln am Markt
und die Entwicklung nachhaltiger unternehmensorientierter
Perspektiven seien möglich. Eine Kombination unterschied-
licher Finanzierungen sei möglich. Für den Personenkreis
längerfristig schwer integrierbarer Langzeitarbeitsloser müs-
se ein Angebot gemacht werden. Grundsätzlich erlaubten die
Möglichkeiten des SGB II dies auch schon heute. Um solche
Angebote jedoch auch in größerem Umfang konsensfähig
und finanziell tragbar umsetzbar zu machen, hält Sachver-
ständiger Böhringer die Schaffung zusätzlicher sozialver-

sicherter Beschäftigungsverhältnisse für einen richtigen
Weg, der selbstverständlich auch einer umfassenden Evalua-
tion unterzogen werden müsse.

Der Sachverständige Karl-Heinz Hagedorn vertritt die
Auffassung, dass das Angebot von öffentlich finanzierter Be-
schäftigung in Deutschland immer als ein nachrangiges Ziel
aktiver Arbeitsmarktpolitik eingesetzt werden müsse. Erst
nachdem alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien, die
eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt für den Einzelfall
nicht ermöglicht hätten, sollte unabhängig vom Alter für alle
Personengruppen ein Angebot einer sozialen Integration und
Stabilisierung im Rahmen eines Angebotes öffentlich finan-
zierter Beschäftigung möglich sein. Um die in den vorliegen-
den Anträgen geforderten Merkmale für die Einsatzfelder
der Beschäftigung (zusätzlich; dem öffentlichen Interesse
dienen; keine Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt) zu er-
füllen, sei es erforderlich, dass alle zur Besetzung geplanten
Beschäftigungsstellen im Bereich der öffentlich finanzierten
Beschäftigung einem in der Region institutionalisierten
arbeitsmarktpolitischem Beirat zugeführt würden. Durch
diesen Beirat, dem sowohl Vertreter der Kommune, Wirt-
schaft, Gewerkschaften und der relevanten Arbeitsmarkt-
akteuren angehörten, könne verhindert werden, dass die Be-
schäftigungsfelder negative Auswirkungen auf den ersten
Arbeitsmarkt hätten. In allen Regionen in Deutschland gebe
es ausreichend Beschäftigungsfelder, die sinnvolle Betäti-
gung auch über einen sehr langen Zeitraum ermöglichten
und zuließen. Die Art der Beschäftigung werde nur dann ge-
fördert, wenn sie für den Hilfebedürftigen eine persönliche
Stabilisierung und Qualifizierung gewährleiste. Mögliche
Integrationen in Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes
sollten durch Praktikumsphasen von einer Dauer bis zu sechs
Monaten ermöglicht werden. Voraussetzung dafür sei eine
anschließende Übernahme in das Unternehmen oder die
Möglichkeit einer betrieblichen Qualifizierung während der
Praktikumsphase in dem Unternehmen. Die Fördersumme
der öffentlich finanzierten Beschäftigung müsse in jedem
Fall die Produktivitätsnachteile der geförderten Arbeitneh-
mer vollständig ausgleichen. Alle Beschäftigungsverhältnis-
se müssten sozialversicherungspflichtig sein und dürften
eine Beschäftigungszeit von 50 Prozent einer regulären
Vollzeitbeschäftigung nicht unterschreiten. Die Annahme,
dass schon durch die Beschäftigung selbst eine ausreichende
Qualifikation für die Arbeitsnehmer erreicht werde, sei
falsch. Vielmehr sei es erforderlich, dem Beschäftigten Qua-
lifizierungsmodule anzubieten, die es ihm ermöglichten,
Teilqualifikationen zu erlangen. Die Dauer der Beschäf-
tigung werde von einer fachlich gesicherten Stelle – zum
Beispiel dem Fallmanagement – vorgeschlagen und festge-
legt. Aufgrund der Arbeitsmarktferne des Einzelfalles müsse
davon ausgegangen werden, dass eine Förderung über meh-
rere Jahre erfolgen müsse. Als maximale Förderhöchstgren-
ze schlägt der Sachverständige einen Zeitraum bis zu zwei
Jahren vor.

IV. Beratung und Abstimmungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung
der Vorlagen in seiner 35. Sitzung am 29. November 2006
aufgenommen, am 17. Januar 2007 (38. Sitzung) und 7. Mai

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/5495

2007 (49. Sitzung: öffentliche Anhörung) fortgesetzt und am
23. Mai 2007 in seiner 51. Sitzung abgeschlossen.

Im Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. beschlossen, dem Deutschen Bundestag die Ableh-
nung des Antrags auf Drucksache 16/2504 zu empfehlen.

Der Ausschuss hat zudem mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, dem Deutschen
Bundestag die Ablehnung des Antrags auf Drucksache
16/2652 zu empfehlen.

Die Vertreter der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und
SPD hoben hervor, dass arbeitsmarktpolitische Lösungen für
den Personenkreis von großer Bedeutung seien, der es
aufgrund multipler Vermittlungshemmnisse schwer habe, im
Arbeitsmarkt integriert zu werden. Der jetzt von der Koali-
tion erarbeitete Vorschlag für zunächst 100 000 Langzeit-
arbeitslose sei der richtige Ansatz. Während der Antrag der
Fraktion DIE LINKE. einseitig dem alten Modell von mehr
Staat verhaftet bleibe und insgesamt abzulehnen sei, zeige
der Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
durchaus eine differenzierte Herangehensweise. Allerdings
lasse auch der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zentrale Fragen unbeantwortet und lege ein zu
geringes Gewicht auf marktnahe Einsatzfelder.

Die Fraktion der FDP machte deutlich, dass sie die Aus-
weitung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors
nicht für ein geeignetes Instrument zur Bekämpfung der
Langzeitarbeitslosigkeit halte. Die Menschen bräuchten
Möglichkeiten, wieder in Beschäftigung zu kommen. Das
heiße, dass Rahmenbedingungen für mehr reguläre Beschäf-
tigung geschaffen werden müssten. Dazu bedürfe es der Sen-
kung der Arbeitskosten, der Senkung der Steuerlast sowie
eines flexiblen Arbeitsrechts, das Einstellungen erleichtere.

Die Fraktion DIE LINKE. warb in der abschließenden
Ausschussberatung noch einmal um Zustimmung für ihren
Antrag. Für einen großen Teil der Langzeitarbeitslosen be-
stünden unter den gegenwärtigen Arbeitsmarktbedingungen
auch längerfristig kaum Chancen auf einen Arbeitsplatz. Um
diesen Menschen eine Perspektive zu geben, sei es jetzt
dringend erforderlich, mit den vorgeschlagenen Maßnahmen
öffentlich finanzierte Beschäftigung auszuweiten und ihr
eine neue Qualität zu geben.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machte deutlich,
dass es in der Fachwelt, aber auch in Teilen der Koalition
breite Zustimmung zu dem von ihr vorgelegten Konzept
gebe. Es sei völlig unbestritten, dass weder der Konjunktur-
aufschwung, noch alle bisherigen arbeitsmarktpolitischen
Instrumente nicht die Menschen erreicht hätten, die von
Langzeitarbeitslosigkeit betroffen seien. Man habe daher
einen umsetzungstauglichen Vorschlag unterbreitet, der
zudem kostenneutral sei.

Berlin, den 23. Mai 2007

Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

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