BT-Drucksache 16/5391

Umgang mit gewalttätigen und rassistischen Ereignissen im Umfeld von Fußballveranstaltungen

Vom 21. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5391
16. Wahlperiode 21. 05. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Petra Pau, Hans-Kurt Hill, Ulla Jelpke, Kersten
Naumann und der Fraktion DIE LINKE.

Umgang mit gewalttätigen und rassistischen Ereignissen im Umfeld von
Fußballveranstaltungen

Nicht erst seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland findet eine
breite Debatte um das Thema Gewalt bei Fußballveranstaltungen statt. Durch
den tragischen Fall des französischen Polizisten Daniel Nivel erhielt das Thema
schon vorher breite Aufmerksamkeit und hatte nicht zuletzt zahlreiche Maßnah-
men des Gesetzgebers und der Sicherheitsbehörden zur Folge. Ende 2006
schließlich gerieten immer wieder Hooligans durch Gewaltexzesse und rassis-
tische oder antisemitische Äußerungen in die Medien. Bei Fachleuten, Politi-
kern, Verbänden und Fanorganisationen ist es umstritten, ob es in den letzten
Jahren eine Zunahme von Gewalt bei Fußballveranstaltungen gab oder nicht. In
diesem Zusammenhang sind auch die Akzeptanz und Wirksamkeit von Polizei-
und Sicherheitsmaßnahmen, sowie deren praktische Ausgestaltung in der Dis-
kussion.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat sich nach Einschätzung der Bundesregierung die Problematik gewaltbe-
reiter Fußballfans in den letzten Jahren ver- oder entschärft?

Auf welche Fakten und Erkenntnisse stützt die Bundesregierung ihre Ein-
schätzung?

2. a) Auf welcher Rechtsgrundlage ist die Gewalttäterdatei Sport eingerichtet
worden, und wer kann Daten in diese Datei eingeben bzw. Daten aus ihr
abrufen?

b) Wie viele Personen sind seit ihrer Einführung in der Gewalttäterdatei
Sport gespeichert worden (bitte nach Jahren, Altersgruppen und Ge-
schlecht aufschlüsseln)?

c) Erhalten die in der Gewalttäterdatei Sport gespeicherten Personen unauf-
gefordert Kenntnis von der Speicherung?

Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, in welcher Form hat eine in der Datei gespeicherte Person die
Möglichkeit, Stellung zu nehmen, die gespeicherten Daten zu korrigieren
oder löschen zu lassen?

Welche Rechtsmittel stehen den Betroffenen zur Verfügung, um sich ge-
gen eine Speicherung in die Datei und gegen die Weitergabe der Daten zur
Wehr zu setzen?

Drucksache 16/5391 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

d) An welche Stellen und Behörden sowie privatwirtschaftliche Organisatio-
nen werden Daten aus der Gewalttäterdatei Sport übermittelt?

Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt gegebenenfalls die Übermittlung,
und werden die Betroffenen in solchen Fällen über die Datenübermittlung
informiert?

e) In wie vielen Fällen wurden seit 1994 Personen in der Gewalttäterdatei
Sport gespeichert, ohne dass ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straf-
tat gegen diese Personen eingeleitet worden wäre (bitte aufschlüsseln nach
Jahren)?

f) Wie viele Minderjährige sind in der Gewalttäterdatei Sport gespeichert?

g) Findet die Löschung einer Speicherung in der Datei Gewalttäter Sport im-
mer dann automatisch statt, wenn gegebenenfalls anhängige Ermittlungs-
verfahren eingestellt oder gar nicht erst eingeleitet werden?

Wenn nein, wie beurteilt die Bundesregierung diese Praxis vor dem Hin-
tergrund der Verhältnismäßigkeit, der Notwendigkeit einer Maßnahme,
der Datensparsamkeit und der Unschuldsvermutung?

3. a) In wie vielen Fällen fanden Gefährderansprachen statt (bitte aufschlüsseln
nach Jahren)?

b) In wie vielen Fällen haben Betroffene seit 1994 gegen die Speicherung in
der Gewalttäterdatei oder gegen die Weitergabe von Daten aus der Datei
Rechtsmittel eingelegt und in wie vielen Fällen war dies erfolgreich (bitte
aufschlüsseln nach Jahren)?

4. a) In wie vielen Fällen wurden seit 1994 passbeschränkende Maßnahmen ge-
gen Fußballfans verhängt (bitte aufschlüsseln nach Jahren)?

b) Wie viele Minderjährige waren von diesen passbeschränkenden Maßnah-
men betroffen?

c) Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgten diese Maßnahmen, und welche
anderen Erkenntnisse als die Speicherung in der Gewalttäterdatei Sport
fließen in die Entscheidungsfindung über eine passbeschränkende Maß-
nahme ein?

5. a) In wie vielen Fällen kam es seit 1994 für die von einer Speicherung Be-
troffenen zu sonstigen Maßnahmen der Einschränkung der Freizügigkeit
und um welche Maßnahmen handelte es sich dabei (bitte aufschlüsseln
nach Jahren und Maßnahmen)?

b) Wie viele Minderjährige waren von diesen Maßnahmen betroffen?

c) Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgten diese Maßnahmen und welche an-
deren Erkenntnisse als die Speicherung in der Gewalttäterdatei Sport flie-
ßen in die Entscheidungsfindung über solche Maßnahmen ein?

6. Hat sich die Gewalttäterdatei Sport nach Einschätzung der Bundesregierung
bewährt?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung?

Wenn nein, beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung der bisherigen
Praxis, und wie soll dann künftig mit der Datei Gewalttäter Sport verfahren
werden?

7. a) Wie viele Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs und schweren
Landfriedensbruchs wurden seit 1994 im Umfeld von Fußballveranstal-
tungen gegen Fußballfans eingeleitet (bitte aufschlüsseln nach Jahren)?
b) Wie viele dieser Ermittlungsverfahren mündeten in einer Verurteilung des
Beschuldigten?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5391

8. a) Wie viele Ermittlungsverfahren wegen anderer typischer Delikte (wie
z. B. Körperverletzung, Sachbeschädigung) wurden seit dem Jahr 1994
gegen Fußballfans im Umfeld von Fußballveranstaltungen eingeleitet
(bitte aufschlüsseln nach Jahren)?

b) Wie viele dieser Ermittlungsverfahren mündeten in einer Verurteilung
des Beschuldigten?

9. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse darüber vor, in wie vielen Fällen
seit dem Jahr 1994 gegen Fußballfans bundesweite Stadionverbote auf-
grund eines Ermittlungsverfahrens und/oder einer Verurteilung wegen
Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Sachbeschädigung bzw. eines ähn-
lich typischen Delikts verhängt wurden?

Wenn ja, bitte aufschlüsseln nach Delikt und Jahren.

10. a) Treffen nach Auffassung der Bundesregierung die sich häufenden Be-
richte von Fanvereinigungen wie „BAFF“, „PROFANS“, „Netzwerk für
Fanrechte“ oder der „Aktion 3. Welt Saar“ zu, nach denen sich polizei-
liche Maßnahmen gegen friedliche Fußballfans in den letzten Jahren
gehäuft haben?

Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

Wenn nein, wie erklärt sich die Bundesregierung diese sich häufenden
Berichte?

b) Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass die
Mehrzahl der friedlichen Fußballfans nicht von polizeilichen Maßnah-
men wie Platzverweisen, Ingewahrsamnahme oder Personalienfeststel-
lung betroffen ist, die sich gegen die Minderheit der gewaltbereiten
Hooligans richten?

11. a) Welche Maßnahmen haben sich jenseits der Gewalttäterdatei Sport
gegen gewalttätige Ausschreitungen im Umfeld von Fußballveranstal-
tungen nach Auffassung der Bundesregierung in den letzten Jahren als
besonders wirkungsvoll erwiesen?

b) Welche weitergehenden Maßnahmen gegen gewalttätige Ausschreitun-
gen im Umfeld von Fußballveranstaltungen hält die Bundesregierung
künftig für erforderlich und Erfolg versprechend?

12. a) Für wie schwerwiegend hält die Bundesregierung die Gefahr durch ras-
sistische und/oder antisemitische Äußerungen von Fußballfans im Rah-
men von Fußballveranstaltungen und in Fanforen?

b) Welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Bundesregierung geeig-
net, um dieser Gefahr zu begegnen, und welche Maßnahmen werden
nach Kenntnis der Bundesregierung schon jetzt umgesetzt?

c) Teilt die Bundesregierung die Auffassung einiger Verbandsvertreter wie
zum Beispiel des Aufsichtsratsvorsitzenden des 1. FC Saarbrücken,
Reinhard Klimmt, dass „Uh Uh Uh-Rufe“ gegen farbige Spieler kein
Rassismus seien (Klimmt auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-
Stiftung am 18. Mai 2006 in der Saarbrücker Hermann-Neuberger-Sport-
schule) und wie begründet sie ihre Meinung?

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13. Sieht sich die Bundesregierung an die Zusage gebunden, die der ehemalige
Bundesminister des Innern, Otto Schily, am 23. Juni 2005 gegenüber Fan-
vertretern getroffen hat, wonach eine Ombudsstelle eingerichtet werden
soll, die zwischen Fans, Polizei, Fußballvereinen und Bundesregierung ver-
mitteln soll?

Wenn ja, wann und wie ist die Realisierung dieser Ombudsstelle beabsich-
tigt, und welche Schritte wurden dazu bereits eingeleitet?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 8. Mai 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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