BT-Drucksache 16/5185

Proteste gegen den G8-Gipfel

Vom 27. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5185
16. Wahlperiode 27. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen und der Fraktion DIE LINKE.

Proteste gegen den G8-Gipfel

Anlässlich des G8-Gipfels der sieben größten Industrienationen und Russlands
im Juni in Heiligendamm gibt es bereits jetzt zahlreiche Protest- und Informa-
tionsveranstaltungen globalisierungskritischer Gruppierungen und der Anti-
kriegsbewegung. Während des Gipfels sind Massenproteste einer Vielzahl glo-
balisierungskritischer Gruppierungen aus dem In- und Ausland mit bis zu
100 000 Teilnehmern geplant.

Die Hauptsorge der Bundesregierung gilt der angeblich durch die Proteste ge-
fährdeten Sicherheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gipfels. So wird
derzeit ein Millionen Euro teurer, massiver Zaun rund um das Tagungsgelände
errichtet und es werden Meldungen über zu erwartende Anschläge und Gewalt-
taten verbreitet. Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz, spricht von bislang 14 Brandanschlägen im Zusammenhang mit dem
G8-Gipfel. Weitere seien geplant, besonders gefährdet seien internationale
Konzerne und staatliche Institutionen (http://www.verfassungsschutz.de/de/
presseinfo/interview/, Interview vom 29. Januar 2007). Nicht nur in Heiligen-
damm selbst, sondern auch an anderen „repräsentativen“ Orten (Newsletter
Netzwerk Sicherheit Ausgabe 92) seien Anschläge zu erwarten. Dabei würde
„offensichtlich in Kauf“ genommen, dass dabei Menschen zu Schaden kämen.
Bereits im November letzten Jahres warnte auch BKA-Präsident Ziercke, solche
Ereignisse könnten auch für „islamistische Extremisten“ interessant sein (Focus
online, 22. November 2006).

Es ist zu befürchten, dass die Proteste gegen den G8-Gipfel durch solche Äuße-
rungen und Darstellungen pauschal in den Ruch gewalttätiger Aktionen gerückt
werden, um Fragen nach der inhaltlichen Legitimation derart hochgesicherter
Treffen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Zu befürchten ist auch, dass vor und während des G8-Gipfels in Heiligendamm
Grund- und Bürgerrechte wie Meinungs- und Demonstrationsfreiheit den über-
dimensionierten Sicherheitsinteressen des Staates untergeordnet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Anschläge im Zusammenhang mit dem G8-Treffen sind der Bundes-
regierung bekannt (bitte darstellen nach Art der Anschläge, Zielen und
Objekten und entstandenen Schäden)?

2. Wurden Menschen durch diese Anschläge gefährdet oder fahrlässig eine
Gefährdung von Personen in Kauf genommen (ggf. bitte erläutern)?

Drucksache 16/5185 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Welche Belege gibt es für den Zusammenhang dieser Anschläge mit dem
G8-Gipfel?

a) Gab es Bekenner-Erklärungen, und wenn ja, von welchen Gruppierun-
gen bzw. Personen?

b) In welchen Fällen wurden bisher mutmaßliche Täter ermittelt, und in wel-
chem Zusammenhang stehen sie zu den Aktionen gegen den G8-Gipfel?

c) Auf welche Quellen stützt die Bundesregierung diese Erkenntnisse?

d) Welche erklärten Motive für die Anschläge und welche Forderungen
oder Aufrufe waren Bekennerschreiben zu entnehmen?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche zukünftige
Anschläge im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel, und worauf beruhen
diese Erkenntnisse?

5. Welche Objekte oder Personen sieht die Bundesregierung als mögliche An-
schlagsziele im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel als besonders gefährdet
an, und worauf beruht diese Einschätzung?

6. Setzt die Bundesregierung oder setzen die Landesregierungen nachrichten-
dienstliche Methoden ein, um Erkenntnisse über geplante Proteste im Zu-
sammenhang mit dem G8-Gipfel zu gelangen, und welchen politischen
Spektren gehören die so beobachteten Personen und Gruppierungen an?

7. Welche Gruppierungen im In- und Ausland, die sich an den Protesten gegen
den G8-Gipfel beteiligen wollen, werden von der Bundesregierung als
potentiell gewalttätig angesehen, und worauf beruht diese Einschätzung?

8. Mit wie vielen Teilnehmern aus dem In- und Ausland an den Protesten
gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm rechnet die Bundesregierung?

9. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung Reisebeschränkungen, Gefährder-
ansprachen und ähnliche Maßnahmen für potentielle Teilnehmerinnen und
Teilnehmer der Proteste gegen den G8-Gipfel geplant, nach welchen Krite-
rien und auf welcher Rechtsgrundlage werden sie jeweils von wem vorge-
nommen?

Wenn ja, woher stammen die Erkenntnisse über die von Reisebeschränkun-
gen Betroffenen?

10. Werden analog zur Fußball WM auch Reisebeschränkungen für Personen
aus dem europäischen Ausland durch das BKA und die Bundespolizei ge-
plant, und wie viele Personen werden davon betroffen sein?

11. Wie viele Polizeikräfte des Bundes und der Länder werden voraussichtlich
anlässlich des Gipfels eingesetzt werden (bitte nach Bund, Land und Ein-
satztagen differenziert darstellen), und geschieht dies auf freiwilliger
Grundlage?

12. Welche Einrichtungen sind zur Koordination der Sicherheitsmaßnahmen
beim G8-Gipfel eingerichtet bzw. geplant, und welche in- und auslän-
dischen (Sicherheits-)Behörden sind daran beteiligt?

13. Aus welchen Herkunftsländern von Demonstrationsteilnehmern werden
Verbindungsbeamte vor und während des Gipfels in Deutschland eingesetzt
sein?

14. In welchem Rahmen werden die eingesetzten Polizeibeamtinnen und Poli-
zeibeamten über Motive und Forderungen der G8-Gipfel-Kritikerinnen und
-Kritiker informiert?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5185

15. Welche Deeskalationsstrategien zur Verhinderung gewaltsamer Auseinan-
dersetzungen zwischen Kritikerinnen und Kritikern des G8-Gipfels und der
Polizei enthalten die polizeilichen Einsatzkonzepte?

16. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung nach unabhängigen Be-
obachtergruppen von Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, und
wenn ja, wie wird sie diese unterstützen?

17. Wird die Bundesregierung bei den Ländern darauf drängen, den Einsatz von
polizeilichen „agents provocateurs“ innerhalb der Protestdemonstrationen
gegen den G8-Gipfel zu verzichten, um Eskalationen wie in Genua 2002 zu
vermeiden?

18. Auf welcher Rechtsgrundlage und zu welchem Zweck hat die Bundeswehr
die mecklenburgisch-vorpommersche Küste neu vermessen und die Daten
an Dienststellen des US-Verteidigungsministeriums weitergegeben (News-
letter Netzwerk Sicherheit Ausgabe 92)?

19. Welche Gefährdungsanalyse und welche Rechtsgrundlage wurden für den
Auftrag an die Bundesmarine herangezogen, an der Küste „vor und während
des G8-Gipfels deutlich vermehrt Präsenz“ (Newsletter Netzwerk Sicher-
heit Ausgabe 92) zu zeigen?

Berlin, den 26. April 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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