BT-Drucksache 16/5040

Rechtsextrem, fremdenfeindlich und antisemitisch motivierte Straf- und Gewalttaten in Fußballstadien in der zweiten Jahreshälfte 2006

Vom 19. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5040
16. Wahlperiode 19. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, Dr. Hakki Keskin, Jan Korte,
Katrin Kunert und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextrem, fremdenfeindlich und antisemitisch motivierte Straf- und
Gewalttaten in Fußballstadien in der zweiten Jahreshälfte 2006

Durch zahlreiche rassistische, antisemitische und rechtsextreme Vorfälle in
deutschen Fußballstadien ist das Thema Rechtsextremismus und Fußball ver-
stärkt in den Blick der Öffentlichkeit geraten.

Die „NETZEITUNG.DE“ veröffentlicht auf ihrer Website unter der Überschrift
„Chronologie der Gewalt in deutschen Stadien“ eine Auflistung von fremden-
feindlich, antisemitisch und rechtsextrem motivierten Ausschreitungen. In die-
ser Chronologie werden u. a. folgende Beispiele von Straf- und Gewalttaten von
rechtsextrem orientierten Hooligans aufgeführt:

„Januar 2007, Bremen:
Mitglieder eines Werder-Bremen-Fanklubs feiern im Ostkurvensaal des Weser-
stadions, als etwa 20 rechte Hooligans sich Zugang verschaffen. Sie prügeln auf
die Feiernden ein, ein Mann wird krankenhausreif geschlagen. Der Bremer
>Weser-Kurier< rechnet die Täter der rechtsextremen Hooligan-Truppe >Stan-
darte< zu. Die Ermittlungen der Polizei gestalten sich schwierig, weil die Opfer
aus Angst vor den brutalen Schlägern keine Anzeige erstatten. Zeugen schwei-
gen aus dem gleichen Grund. Um überhaupt etwas unternehmen zu können,
erstatten die Polizei-Beamten Anzeige. (…)

November 2006, Zwickau:
Das Oberliga-Spiel zwischen den FSV Zwickau und dem Chemnitzer FC steht
kurz vor dem Abbruch. Zweimal muss der Schiedsrichter die Begegnung unter-
brechen, da Anhänger aus beiden Lagern Feuerwerkskörper auf das Spielfeld
werfen. Zudem sind die dunkelhäutigen Gästespieler ständigen rassistischen
Anfeindungen einiger FSV-Anhänger ausgesetzt. Erst nach Rücksprache mit der
Polizei entscheidet der Schiedsrichter in der 70. Minute, das Spiel nicht abzubre-
chen. (…)

Oktober 2006, Leipzig:
Im Oberliga-Spiel zwischen dem Halleschen FC und Sachsen Leipzig II wird
Adebowale Ogungbure rassistisch beleidigt. Der Spieler war bereits zu Beginn
des Jahres Opfer von Fremdenfeindlichkeit geworden und hat einen wahren

Justiz-Spießrutenlauf hinter sich. Wiederholungstäter Halle muss ein Spiel unter
Ausschluss der Öffentlichkeit austragen. (…)

Oktober 2006, Berlin:
Polizei, Fans und Hooligans liefern sich nach der Regionalliga-Partie zwischen
Hertha BSC II und Dynamo Dresden Gefechte. Mehr als 20 Personen werden
zum Teil schwer verletzt.

Drucksache 16/5040 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

September 2006, Berlin:
Die Spieler des Kreisligisten TuS Makkabi II verlassen während des Spiels
gegen Altenglienicke nach antisemitischen Pöbeleien das Feld. Die Gastgeber
müssen zur Strafe zwei Spiele ohne Zuschauer austragen.“
(http://www.netzeitung.de/sport/527132.html)

In dem Artikel „Kehrseite des Sommermärchens“ – Fussballkrawalle – fasst der
Autor Ronny Blaschke eine Reportage über die Fans des BFC Dynamo Berlin
zusammen: „Es ist nicht so, dass alle Fanszenen im Osten von rechtsextremen
und gewaltbereiten Anhängern dominiert werden, doch in vielen Amateurver-
einen haben diese inzwischen erheblich an Einfluss gewonnen.“ (Das Parla-
ment, 26. März 2007).

Allerdings sind rechte Hooligans kein Problem der neuen Bundesländer. In vie-
len westdeutschen Vereinen hat das Treiben von rechten Hooligans eine lange
traurige Tradition (so vor allem Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt, Hertha
BSC Berlin etc.).

In dem Beitrag des NDR „Niedersächsischer Innenminister will stärker gegen
Hooligans vorgehen“ vom 6. November 2006 heißt es u. a.: „Nach Angaben
Schünemanns sind in einer Datei >Gewalttäter Sport< 370 Menschen mit
Wohnsitz in Niedersachsen registriert. 155 von ihnen hätten ein bundesweites
Stadionverbot, 53 müssten zur rechten Szene gezählt werden“.

Umstritten ist die Frage, inwieweit es sich bei diesen und anderen Vorfällen um
gezielte Provokationen der rechtsextremen Szene handelt und inwieweit Fan-
clubs, Ordnerdienste und Fußballklubs von Anhängern der rechtsextremen
Szene durchsetzt sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele rechtsextrem, fremdenfeindlich und antisemitisch motivierte Straf-
taten von Hooligans und so genannten Fußballfans vor und in Fußballstadien
haben sich in der zweiten Hälfte des Jahres 2006 ereignet (bitte auflisten nach
Ort und Straftaten wie Körperverletzung, Sachbeschädigung, Propaganda-
delikte etc. und unter Berücksichtigung von Fußballspielen in der 1. Bundes-
liga bis hinunter zu Spielen der Kreisklasse)?

2. Wie viele Personen werden insgesamt der rechten Hooliganszene zugerech-
net?

3. Wie viele Personen wurden in diesem Zeitraum dabei durch rechte Hooligans
und so genannte Fußballfans verletzt?

4. Wie viele Polizisten wurden in diesem Zeitraum bei Einsätzen durch rechte
Hooligans und so genannte Fußballfans verletzt?

5. Wie viele Sachschäden sind bei Straftaten von Hooligans und so genannten
Fußballfans entstanden?

6. In wie vielen Fällen haben Fußballvereine Hooligans und so genannte Fuß-
ballfans für von diesen verursachte Schäden in Regress genommen?

7. Wie viele Polizeibeamte mussten gegen Hooligans und so genannte Fußball-
fans in diesem Zeitraum bereitgestellt und eingesetzt werden, und wie viel
Kosten sind dadurch entstanden (bitte nach Monaten und Städten auflisten)?

8. Wie viele Hooligans und so genannte Fußballfans wurden in diesem Zeit-
raum festgenommen?

9. Wie viele Personen sind derzeit in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert,
und wie viele dieser Personen haben einen rechtsextremen, fremdenfeind-

lichen und antisemitischen Hintergrund?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5040

10. Wie viele Stadienverbote wurden gegen rechte Hooligans ausgesprochen?

11. Wie viele Strafverfahren wurden gegen rechte Hooligans eröffnet, und was
waren die Gründe für diese Strafverfahren?

12. Wie viele beschleunigte Verfahren nach § 417 ff. der Strafprozessordnung
wurden durchgeführt?

13. In welchen Ordnerdiensten von welchen Vereinen sind nach Kenntnis der
Bundesregierung rechte Hooligans und so genannte Fußballfans vertreten?

14. Gibt es nach Erkenntnissen der Bundesregierung gezielte Versuche der
rechtsextremen Szene (Kameradschaften, NPD oder andere rechtsextreme
Organisationen), in Vereine, Fanklubs oder Ordnerdienste aufgenommen zu
werden, und wo liegen regionale Schwerpunkte solcher Versuche?

15. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-
rung über Klubs vor, die eine besonders ausgeprägte rechtsextrem durch-
setzte Szene unter ihren Fans haben bzw. wo sich Teile von Fans in rechts-
extrem durchsetzen Gruppierungen sammeln?

16. Welche Maßnahmen von Vereinen und über die Task Force des Deutschen
Fußballbundes (DFB) gegen Aktivitäten rechtsextrem und fremdenfeind-
lich sowie antisemitisch orientierten Fans sind der Bundesregierung be-
kannt, und wie beurteilt sie die Wirksamkeit dieser Maßnahmen?

17. Wie wurden nach Kenntnis der Bundesregierung durch den DFB in diesem
Zeitraum bestehende demokratisch orientierte Fanprojekte unterstützt und
das Entstehen weiterer derartiger Fanprojekte gefördert?

18. Welche speziellen Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um den
Einfluss fremdenfeindlich und rechtsextrem motivierter Gruppierungen im
Umfeld von Fußballfans zurückzudrängen.

Berlin, den 16. April 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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