BT-Drucksache 16/4949

Förderung von Frieden und Stabilität im Südkaukasus

Vom 2. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4949
16. Wahlperiode 02. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Dr. Hakki Keskin, Monika Knoche,
Paul Schäfer (Köln), Bodo Ramelow, Alexander Ulrich, Wolfgang Gehrcke
und der Fraktion DIE LINKE.

Förderung von Frieden und Stabilität im Südkaukasus

Die Kaukasusregion hat die Folgen des gesellschaftlichen Wandels nach dem
Zerfall der UdSSR bis heute nicht verkraftet. Die Nachfolgestaaten der ehe-
maligen kaukasischen Sowjetrepubliken leiden unter innenpolitischer Instabili-
tät, wirtschaftlicher Not und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, tiefen
Nationalitätengegensätzen und zwischenstaatlichen Konflikten. Ein wesent-
liches Hindernis zur Stabilisierung der Kaukasusregion bildet der ungelöste
Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um das mehrheitlich von Ar-
meniern bewohnte, zu Aserbaidschan gehörende, autonome Gebiet Berg-Kara-
bach. Zwischen 1992 und 1994 führten beide Länder einen offenen Krieg, der
mehr als 20 000 Todesopfer forderte und über eine Million Menschen zu Flücht-
lingen machte. Obwohl der Krieg seit 1994 ruht, konnte trotz mehrfacher An-
läufe zu bilateralen Verhandlungen bislang keine Befriedung der Region erreicht
werden. Der endgültige Status von Berg-Karabach ist nach wie vor umstritten
und Armenien zeigt bislang keine Bereitschaft, sich aus den von ihm okkupier-
ten, Berg-Karabach umschließenden, aserbaidschanischen Gebieten zurückzu-
ziehen.

Aufgrund seiner geostrategischen Lage als angrenzender Nachbarschaftsraum
besitzt die Europäische Union, und für die Dauer der EU-Ratspräsidentschaft
nicht zuletzt auch die Bundesrepublik Deutschland die Aufgabe, zu einer fried-
lichen Konfliktbeilegung mit beizutragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die gegenwärtige politische Lage in der
südkaukasischen Region?

2. Welche strategische Bedeutung misst die Bundesregierung der Region Süd-
kaukasus zu, und welche Aufgaben ergeben sich daraus für das Handeln der
Bundesregierung?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung den gegenwärtigen Stand der bilateralen
Beziehungen Deutschlands zur Republik Armenien?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung den gegenwärtigen Stand der bilateralen
Beziehungen Deutschlands zur Republik Aserbaidschan?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die außenpolitischen Beziehungen der EU
zur Republik Armenien, und erkennt die Bundesregierung Handlungsbedarf
im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft?

Drucksache 16/4949 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die außenpolitischen Beziehungen der
EU zur Republik Aserbaidschan, und erkennt die Bundesregierung Hand-
lungsbedarf im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der außenpolitischen
Beziehungen der Republik Armenien zu folgenden Staaten:

a) Aserbaidschan,

b) Georgien,

c) Türkei,

d) Iran,

e) Russland,

f) USA?

8. Wie wirkt sich nach Einschätzung der Bundesregierung die Weigerung der
Republik Armenien, die bestehenden Grenzen zu seinen Nachbarn anzu-
erkennen, auf die außenpolitische Lage des Landes und die Stabilität der
Region aus?

9. Welchen Einfluss kann die EU-Nachbarschaftspolitik auf eine Veränderung
der Haltung der Republik Armenien im Hinblick auf die offenen Grenz-
fragen nehmen, und welche Handlungsmöglichkeiten sieht die Bundesre-
gierung, im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft zur Veränderung dieser
Situation beizutragen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der außenpolitischen
Beziehungen der Republik Aserbaidschan zu folgenden Staaten:

a) Armenien,

b) Georgien,

c) Türkei,

d) Iran,

e) Russland,

f) USA?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die innenpolitische Entwicklung der
Republik Armenien seit Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die innenpolitische Entwicklung der
Republik Aserbaidschan seit Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit?

13. Wie schätzt die Bundesregierung die gegenwärtige Situation im Konflikt
um Berg-Karabach ein?

14. Wie viele Vertriebene auf beiden Seiten müssen nach Kenntnis der Bundes-
regierung derzeit immer noch in Flüchtlingslagern leben, und wie sind ihre
Lebensbedingungen zu beurteilen?

15. Welche konkreten Initiativen gedenkt die Bundesregierung auch im Rah-
men der EU-Ratspräsidentschaft zu ergreifen, um den Resolutionen Nr. 822
und 853 (beide aus dem Jahr 1993) des UN-Sicherheitsrates Geltung zu
verschaffen, welche die Republik Armenien zum Rückzug aus den von ihr
besetzten Territorien Aserbaidschans auffordern, damit die Flüchtlinge
wieder in ihre Heimatorte zurückkehren können?

16. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die Kosten für die Einrichtung und
den Unterhalt von Flüchtlingslagern durch die Konfliktparteien?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4949

17. Wie hoch beziffert die Bundesregierung den materiellen Gesamtschaden an
der Infrastruktur, der durch den Krieg und seine Folgen beiden Konfliktpar-
teien bislang entstanden ist (bitte getrennt nach Konfliktparteien auflisten):

a) im Bereich der Verkehrswege, Flughäfen und anderer Logistikanlagen,

b) im Bereich der Energieversorgung (Strom, Öl, Gas),

c) im Bereich der Wasserversorgung und Entwässerung,

d) im Bereich öffentlicher Krankenhäuser und anderer medizinischer Be-
treuungseinrichtungen,

e) im Bereich öffentlicher Bildungseinrichtungen (Schulen, Universitäten),

f) im Bereich öffentlicher Institutionen und Verwaltungseinrichtungen,

g) im Bereich der Umwelt, insbesondere durch Kontaminierung von
Gewässern und durch Waldschäden, letztere beispielsweise durch
Brände, die durch Waffeneinwirkung ausgelöst wurden?

18. Welche Position bezieht die Bundesregierung zum künftigen Status von
Berg-Karabach (bitte mit Begründung):

a) Verbleib als autonomes Gebiet bei Aserbaidschan,

b) teilweise oder vollständige Unabhängigkeit von Berg-Karabach nach
dem Vorbild des Kosovo,

c) Abtretung von Berg-Karabach an Armenien, beispielsweise im Gegen-
zug für Gebietsaustausche, die zur Herstellung einer gemeinsamen Land-
verbindung zwischen Aserbaidschan und der Exklave Nachitschewan
führen könnten,

d) keine der genannten Möglichkeiten, sondern?

19. Wie beurteilt vor diesem Hintergrund die Bundesregierung das durch die
Karabacharmenier kürzlich durchgeführte und angenommene Verfassungs-
referendum für einen unabhängigen Staat Berg-Karabach?

20. Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung bislang auf den
bilateralen Ebenen der deutsch-armenischen und der deutsch-aserbaidscha-
nischen Beziehungen ergriffen und wird sie künftig ergreifen, um eine fried-
liche Konfliktbeilegung zu fördern?

21. Mit welchen konkreten Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung die EU-
Ratspräsidentschaft Deutschlands zu nutzen, um Frieden und Stabilität in
der Kaukasusregion zu fördern?

22. Welche konkreten Hilfestellungen werden in welchem Umfang von der EU
im Rahmen des bestehenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommens
gegenüber der Republik Armenien gewährt (bitte sämtliche Förderpro-
gramme einzeln und nach Verwendungszweck getrennt auflisten)?

23. Wie bilanziert die Bundesregierung die Ergebnisse des TACIS-Programms
der EU, das der Republik Armenien Hilfe bei der Entwicklung einer markt-
wirtschaftlichen Ordnung gewähren soll?

24. Welche konkreten entwicklungspolitischen Förderprogramme werden in
welchem Umfang von der EU gegenüber der Republik Aserbaidschan ge-
währt (bitte sämtliche Förderprogramme einzeln und nach Verwendungs-
zweck getrennt ausweisen)?

25. Wie beurteilt die Bundesregierung den Erfolg dieser EU-Förderprogramme
für Aserbaidschan?

Drucksache 16/4949 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
26. Mit welchen Maßnahmen stellt die EU sicher, dass eine Zweckentfremdung
ihrer zivilen Entwicklungsförderung durch die Konfliktparteien, beispiels-
weise zu militärischen Zwecken, ausgeschlossen ist?

27. Wie beurteilt die Bundesregierung den gegenwärtigen Stand der militä-
rischen Rüstung in

a) Armenien,

b) Aserbaidschan?

28. Auf welcher Grundlage erfolgt die militärische und wehrtechnische Zu-
sammenarbeit der Bundesregierung mit den Streitkräften Armeniens und
Aserbaidschans, und welche Maßnahmen und Projekte sind im Rahmen die-
ser Zusammenarbeit in den nächsten Jahren geplant?

29. Welchen Beitrag hat die Bundesregierung seit 1995 zur Ausstattung und
Ausbildung der Streitkräfte Armeniens und Aserbaidschans geleistet (bitte
aufgeschlüsselt nach Jahren und Maßnahmen)?

30. In welchem Umfang hat die Bundesregierung seit 1995 den Export von
Rüstungsgütern der Ausfuhrliste Teil 1 A an Armenien und Aserbaidschan
genehmigt, und welche Kriegswaffen der Kriegswaffenliste B wurden tat-
sächlich in diesem Zeitraum an diese Staaten geliefert (bitte aufgeschlüsselt
nach Jahren)?

Berlin, den 29. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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