BT-Drucksache 16/4931

Wirtschaftliche Notwendigkeit der geplanten Vertiefung von Unter- und Außenelbe

Vom 30. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4931
16. Wahlperiode 30. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Winfried Hermann, Peter Hettlich,
Dr. Anton Hofreiter, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Wirtschaftliche Notwendigkeit der geplanten Vertiefung von Unter- und Außenelbe

Die Forderung nach einer erneuten Vertiefung von Unter- und Außenelbe um bis
zu 1,5 Meter wird vom Hamburger Senat und von der Hafenwirtschaft mit dem
zunehmenden Konkurrenz- und Anpassungsdruck aufgrund der immer größeren
Containerschiffe begründet. Bereits heute wird der Hamburger Hafen jedoch
weitgehend tideunabhängig von den weltweit größten Containerschiffen ange-
laufen.

Die zur Begründung angeblich notwendiger Fahrwasservertiefungen angeführ-
ten maximalen Konstruktionstiefgänge bei Containerschiffen werden zudem
selten real erreicht, da der tatsächliche Tiefgang in der Regel unter dem nur hy-
pothetischen Konstruktionstiefgang liegt. Schiffsauslastungen von 100 Prozent
werden so gut wie nie erreicht, was zu geringeren Tiefgängen führt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Weise wurde sachgemäß und nachvollziehbar geklärt, worauf sich
der vom Hamburger Senat behauptete zwingende Bedarf für eine erneute
Elbvertiefung stützt, wenn über 96 Prozent der auf der Elbe verkehrenden
Containerschiffe tideunabhängig fahren können und selbst Schiffe mit Tief-
gängen bis zu 14,8 Metern den Hamburger Hafen bei den heute bereits vor-
handenen Tiefgangverhältnissen nachweislich erreichen können?

2. Sind der Bundesregierung die realen Schiffstiefgänge und die jeweiligen
Konstruktionstiefgänge für den Hamburger Hafen für den Zeitraum 2000 bis
2006 bekannt, und wenn ja, wie sehen diese aus?

3. Welcher Prozentsatz der nach/von Hamburg ein- und auslaufenden Schiffe
benötigt nach Erkenntnissen der Bundesregierung den mit der nächsten
Elbvertiefung angestrebten tideunabhängigen Tiefgangzuwachs von einem
Meter auf dann 14,50 Meter, und wie hoch ist die geschätzte Transportkapa-
zität im Verhältnis zum Gesamtumschlag im Hamburger Hafen?
4. Welcher Prozentsatz dieser tiefgehenden Schiffe könnte definitiv den Ham-
burger Hafen über das momentane Zeitfenster und die jetzige Fahrrinne nicht
erreichen?

5. Wie groß ist der Anteil der Frachter, die Hamburg voll beladen anlaufen?

6. Wie groß ist der Anteil der Frachter, die schon in anderen europäischen Häfen
entladen, bevor sie Kurs auf Hamburg nehmen?

Drucksache 16/4931 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Wie hoch sind die den Hamburger Hafen anlaufenden Frachter tatsächlich
ausgelastet?

8. Wie bewertet die Bundesregierung den Antrag der Vorhabensträger auf vor-
gezogene Teilbaumaßnahmen an die Wasser- und Schifffahrtsdirektion
(Cuxhavener Nachrichten vom 3. März 2007), ohne dass bisher ein rechts-
kräftiger Planfeststellungsbeschluss vorliegt?

9. In welcher Tiefe waren die verschiedenen Elbtunnelröhren (Autobahn 23)
ursprünglich geplant, und in welcher Tiefe befinden sie sich tatsachlich?

10. Welche Begrenzung für eine weitere Vertiefung der Elbe ergibt sich durch
die Elbtunnelröhren?

11. Welche Begrenzungen des Schiffsverkehrs gibt es bei der Unterquerung der
Köhlbrandbrücke?

12. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, dass eine tideunabhängi-
ge Erreichbarkeit des Hamburger Hafens für große Schiffe wegen der Lage
des Elbtunnels (in Verbindung mit dem sinkenden Niedrigwasser) und der
Höhenbegrenzung durch die Köhlbrandbrücke auch nach einer weiteren
Fahrrinnenanpassung nicht gegeben ist, und wenn nein, wie begründet sie
ihre abweichende Einschätzung?

13. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aufgrund der oben
genannten Begrenzungen (Elbtunnelröhren, sinkendes Niedrigwasser,
Köhlbrandbrücke) hinsichtlich des zwingenden Bedarfs für eine weitere
Elbvertiefung?

14. Mit welchen Auswirkungen ist zu rechnen, wenn ein großes Schiff nach
einer weiteren Fahrwasservertiefung den Notanker direkt über dem Auto-
bahntunnel abwerfen müsste, und welche weiteren Informationen liegen der
Bundesregierung über die Gefahren eines Ankernotwurfes (z. B. für Pipe-
lines, Gasleitungen und Stromkabel) in der Elbe vor?

15. Wie hat die PLANCO Consulting Gesellschaft mbH in ihrer Nutzen-Kos-
ten-Untersuchung zur Vertiefung von Unter- und Außenelbe die in Ham-
burg erreichten Wartezeiten, die selbst bei den größten Schiffsklassen sehr
niedrig sind, zweifelsfrei und eindeutig ermittelt?

16. Wie lässt sich bei den ermittelten Wartezeiten zweifelsfrei ein Bezug zu
angeblich mangelndem Tiefgang herstellen?

17. Wie lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung die Annahme der
PLANCO Consulting erklären, dass Fahrwasserrestriktionen ursächlich für
die in Hamburg ermittelten Wartezeiten im Containerverkehr verantwort-
lich sind?

18. Welche weiteren Gründe für Wartezeiten sind der Bundesregierung be-
kannt?

19. Welchen Anteil an den Wartezeiten haben insbesondere mangelnde Ab-
fertigungskapazitäten oder belegte Liegeplätze an den Kais?

20. Sind der Bundesregierung die Mindestwartezeiten und die maximalen
Wartezeiten für Containerschiffe in den Häfen Bremerhaven, Rotterdam,
Antwerpen und Amsterdam bekannt, und wenn ja, wie hoch sind diese?

21. Inwieweit ist nach Ansicht der Bundesregierung die im Rahmen der Bun-
desverkehrswegeplanung durchgeführte Nutzen-Kosten-Untersuchung für
die Vertiefungsmaßnahmen an Außen- und Unterelbe geeignet, den gesamt-
wirtschaftlichen Nutzen der geplanten Maßnahmen nachzuweisen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4931

22. Sind nach Ansicht der Bundesregierung Investitionen aus Steuermitteln von
ca. 330 Mio. Euro (davon 248,2 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt) allein
für die Vertiefung der Fahrinne gerechtfertigt, wenn es nur darum geht, das
Zeitfenster für ein- und auslaufende Schiffe zu vergrößern, obwohl der
Hamburger Hafen bereits jetzt für auch in Zukunft als realistisch geltende
Abladetiefen erreichbar ist, in Wilhelmshaven ein Tiefwasserhafen gebaut
wird und Cuxhaven mit Wassertiefen von über 15 Meter für Ableichterun-
gen kritischer Containerfrachten infrage kommt, und wenn ja, wie begrün-
det die Bundesregierung dies?

23. Wann könnte das geplante Schienenprojekt Y-Trasse frühestens in Betrieb
gehen?

24. Welche Entlastung für die Knoten Bremen und Hamburg, die den Engpass
für den Hafenhinterlandverkehr auf der Schiene bilden, würde durch die
Realisierung der Y-Trasse entstehen?

25. Wie bewertet die Bundesregierung das vom VCD Verkehrsclub Deutsch-
land Landesverband Niedersachsen vorgelegte Alternativkonzept einer
Güterbahn statt der Y-Trasse?

26. Mit welcher Begründung ist die öffentliche Finanzierung später privatwirt-
schaftlich betriebener Hafeninfrastruktur zu rechtfertigen?

27. Mit welchen jährlichen Unterhaltungskosten (Hafenzufahrt, Infrastruktur,
Hinterlandanbindung, Küstenschutz) ist für die Zeit nach der nächsten Elb-
vertiefung zu rechnen, und wer übernimmt diese Kosten?

28. Welche staatlichen Investitionen sind bis 2015 für alle hafenbedingten
Ausbaumaßnahmen (seewärtige Zufahrt, Infrastruktur, Hinterlandanbin-
dung) in Hamburg veranschlagt, getrennt nach Bundes- und Landeshaushalt
und in Prozent der Gesamtinvestitionen?

29. Prüft die Bundesregierung auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten für
Hafenausbau- und Anbindungsmaßnahmen, und wenn ja, welche?

30. Liegen der Bundesregierung Informationen über die Finanzierungspraxis in
Seehäfen der Europäischen Union und weltweit vor, und wenn ja, gibt es
Unterschiede hinsichtlich der Finanzierungsstruktur im Vergleich zu deut-
schen Seehäfen?

31. Wie erklärt die Bundesregierung die Diskrepanz zwischen dem regelmäßig
im Rahmen der projektbezogenen Nutzen-Kosten-Untersuchung für Hafen-
ausbauten und seewärtige Fahrwasservertiefungen von PLANCO Consul-
ting prognostizierten großen Nutzen und den von den Ländern Hamburg
und Bremen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs angegebenen Netto-
hafenlasten (Differenzen zwischen den hafenbezogenen Ausgaben und Ein-
nahmen) im jeweils dreistelligen Millionenbereich jährlich (FinanzBericht
Bremen 02/02)?

32. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung für und was gegen eine stärkere
Nutzerfinanzierung der Hafeninfrastruktur?

33. Wie hoch ist die (vor allem aus Hafengebühren und sonstigen Abgaben der
Nutzer erzielte) Refinanzierungsquote der Hafenausgaben in Hamburg?

34. Mit welchen Vorschlägen beteiligt sich die Bundesregierung an der Diskus-
sion im Rahmen der EU über transparente und faire Wettbewerbsbedin-
gungen zwischen den europäischen Seehäfen, welche Transparenz- und
Beihilferegelungen (insbesondere zur Finanzierung von Seehafeninfra-
strukturen) fordert sie konkret ein, welche Initiativen gehen von ihr aus?

Drucksache 16/4931 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
35. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Folgen der
öffentlichen Subventionierung der Containerschifffahrt für die Umwelt
(Containerboom durch künstlich verbilligte Verkehre) und für den hiesigen
Arbeitsmarkt (Verschärfung des Konkurrenzdrucks aus Fernost durch im
internationalen Vergleich extrem niedrige Umschlaggebühren) vor?

Berlin, den 30. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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