BT-Drucksache 16/4912

zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/4612- Individuell fördern und regional gestalten - Handlungsfreiheit der Arbeitsgemeinschaften stärken

Vom 29. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4912
16. Wahlperiode 29. 03. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Birgitt
Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/4612 –

Individuell fördern und regional gestalten – Handlungsfreiheit der
Arbeitsgemeinschaften stärken

A. Problem

Die fachlichen Zuständigkeiten sind im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)
zwischen Kommunen und Agenturen für Arbeit aufgeteilt und liegen nicht bei
den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn). Das hat häufig Kompetenzstreitigkeiten
und Unsicherheiten bei den ARGEn zur Folge. Die enge Auslegung des SGB II
durch den Bund und die Bundesagentur für Arbeit (BA) und teilweise unklare
Bestimmungen erschweren den ARGEn die Konzentration auf ihre Aufgaben
und mindern ihre Möglichkeiten, Arbeitsuchende effektiv zu unterstützen.

B. Lösung

Um zügig zu einer Verbesserung in der Betreuung der Leistungsempfängerinnen
und -empfänger zu kommen, müssen die Handlungsmöglichkeiten der ARGEn
vor Ort gestärkt und ihr örtlicher Bezug und ihre regionale Verantwortung ver-
bessert werden. Diese konsequente Dezentralisierung setzt eine Neuordnung der
Rahmenbedingungen für die ARGEn voraus, die sowohl die Interessen des
Bundes wahrt als auch die Autonomie und Effizienz vor Ort vergrößert.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/4912 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/4612 abzulehnen.

Berlin, den 28. März 2007

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Karl Schiewerling
Berichterstatter

Berichtswesen organisieren, das sich in Zukunft auf wesent- Arbeitgeber und Gewerkschaften eingebunden seien, son-

liche Kennziffern und Ziele beschränken solle. Umfassen-
des Controlling und steuernde Eingriffe der Regionaldirek-
tionen und des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit in

dern auch die Verantwortung des Parlaments. Die Fraktionen
der CDU/CSU und SPD wollten die Umsetzung des SGB II
weiter optimieren und hätten deshalb im Rahmen der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4912

Bericht des Abgeordneten Karl Schiewerling

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

1. Überweisung

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 16/4612 ist in der 88. Sitzung des Deutschen
Bundestages am 22. März 2007 an den Ausschuss für Arbeit
und Soziales zur federführenden Beratung und an den Haus-
haltsausschuss und den Ausschuss für Wirtschaft und Tech-
nologie zur Mitberatung überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss und der Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie haben die Vorlage in ihren Sitzun-
gen am 28. März 2007 beraten und jeweils mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den
Antrag auf Drucksache 16/4612 abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Die Vielfalt der Problemlagen, die für Langzeitarbeitslosig-
keit verantwortlich seien, könnten nicht durch einheitliche
und zentralistische Vorgaben gelöst werden, sondern erfor-
derten individuelle und regionale Antworten und pass-
genaue Lösungsansätze, heißt es in der Begründung des
Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GÜNEN. Sie for-
dert daher, die Handlungsmöglichkeiten der Arbeitsgemein-
schaften (ARGEn) vor Ort zu stärken und ihren örtlichen
Bezug und ihre regionale Verantwortung zu verbessern. Die-
se konsequente Dezentralisierung setze eine Neuordnung
der Rahmenbedingungen für die ARGEn voraus, die sowohl
die Interessen des Bundes wahre als auch die Autonomie
und Effizienz vor Ort vergrößere. Dazu müssten die ARGEn
in die Lage versetzt werden, die Verantwortung für die eige-
ne Arbeit umfassend wahrzunehmen. Sie müssten die Mög-
lichkeit bekommen, eine eigenständige – privatrechtliche
oder öffentlich-rechtliche – Organisationsform zu wählen,
die ihnen eine autonome und eigenverantwortliche Perso-
nalführung in den ARGEn ermögliche. Darüber hinaus müs-
se die gesetzliche Klarstellung der Trägerschaft im SGB II
erfolgen. In Zukunft müssten die ARGEn außerdem völlige
Freiheit im Einsatz der Instrumente des SGB II haben und
volle Verantwortung für die Verwendung des Integrations-
budgets übernehmen können. Der Bund solle seine Verant-
wortung für Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ausschließ-
lich im Rahmen des Abschlusses von Zielvereinbarungen
wahrnehmen. Die Rolle der Bundesagentur für Arbeit solle
sich zukünftig auf die örtliche und überregionale Ausbil-
dungs- und Arbeitsvermittlung, die berufliche Rehabilita-
tion und die Ausbildungsberatung beschränken. Darüber
hinaus solle die Bundesagentur für Arbeit das bundesweite

ARGEn im Rahmen ihrer Budgethoheit und der gesetzlichen
Möglichkeiten die Freiheit eingeräumt wird, das geeignete
Vergabeverfahren selbst zu wählen, um Leistungen an Dritte
unter qualitativen Gesichtspunkten zu vergeben und im Er-
gebnis nachhaltige, qualitativ hochwertige Integrationspro-
gramme anbieten zu können.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

III. Beratung im federführenden Ausschuss
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung
der Vorlage in seiner 45. Sitzung am 28. März 2007 aufge-
nommen und abgeschlossen.

Im Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. beschlossen,
dem Deutschen Bundestag die Ablehnung des Antrags auf
Drucksache 16/4612 zu empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU vertrat die Auffassung, dass es
nach einer Reihe von Anlaufschwierigkeiten in den ersten
beiden Jahren des SGB II mittlerweile Verbesserungen in der
Zusammenarbeit zwischen den Agenturen für Arbeit und
den Kommunen gebe. Abzulehnen sei eine Verrechtlichung
der ARGEn in Form einer Rechtsperson – ob als e. V.,
GmbH oder Anstalt des öffentlichen Rechts. Das führe nur
zu einer zusätzlichen Behörde, die dann die Neigung habe,
ein Eigenleben zu entwickeln ohne Rücksicht auf arbeits-
marktpolitische und kommunale Gegebenheiten. Die Ge-
fahr, dass Kommunen und Agenturen für Arbeit sich aus
einer verpflichtenden Mitverantwortung herauszögen, sei
nicht zu unterschätzen. Im Übrigen würde das SGB-II-Sys-
tem dann als weitere institutionalisierte Form der Sozial-
gesetzgebung aufgebaut. Allen sei klar, dass das SGB II
möglichst kundennah, dezentral und eigenverantwortlich
umgesetzt werden müsse. Dafür sei der Abschluss von kla-
ren Zielvereinbarungen ein geeignetes Instrument. Durch
Zielvereinbarungen zwischen den regionalen Trägern und
der Bundesagentur für Arbeit könne die Förderung in den
verschiedenen Regionen zielgerichteter umgesetzt werden.
Innerhalb der Zielvereinbarungen hätten die örtlichen Ebenen
freie Hand und wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten,
orientiert am echten Bedarf und den örtlichen Gegebenheiten.

Die Fraktion der SPD unterstützte die Zielsetzung des An-
trags, den örtlichen Akteuren in den ARGEn mehr Hand-
lungsspielräume zu schaffen und die individuelle Förderung
im Rahmen des Fallmanagements weiter zu verbessern.
Dennoch bleibe eine gesamtstaatliche Verantwortung für die
Umsetzung der Arbeitsmarktmaßnahmen notwendig; nicht
nur der Bundesregierung und der BA, über die auch die
die Aufgabenwahrnehmung der ARGEn müssten in Zukunft
unterbleiben. Wichtig ist den Antragstellern auch, dass den

Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt auch diesen Punkt zum Thema
gemacht. Aus dem gesetzlichen Evaluierungsauftrag und aus

Drucksache 16/4912 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
arbeitslose sollten daher auf einen Träger konzentriert
werden. Dies könnten aufgrund ihrer Erfahrungen aus der
Sozialhilfe und ihrer Nähe zum Bürger nur die Kommunen
sein. Die Probleme der ARGEn seien nur durch deren Ab-
schaffung zu beheben.

Die Fraktion DIE LINKE. bezeichnete den vorgelegten
Antrag als einen verspäteten Versuch der Wiedergutma-
chung, denn schließlich hätte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die schädlichen Folgen der sog. Hartz-Gesetze mitzuverant-

Ort entschieden werden können. Derzeit interpretierten
Bund und BA ihre Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit so eng, dass die ARGEn die Instrumente
und Verfahren des SGB II nur in standardisierter und vorge-
schriebener Form einsetzen könnten. Es sei ein Irrtum zu
glauben, dass durch detaillierte Vorgaben Kosten gespart
werden könnten. Diese würden sinken, wenn die ARGEn
Gestaltungsspielraum bei der Wahl ihrer Mittel hätten und
durch erfolgreiche Integrationsarbeit vor Ort die Langzeit-
arbeitslosigkeit bekämpfen könnten.

Berlin, den 28. März 2007

Karl Schiewerling
Berichterstatter
dem ausstehenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts
über die Organisationsform der ARGEn würden sich weitere
Hinweise ergeben. Der Antrag spiegele offensichtlich Einzel-
erfahrungen wider, die sich nicht mit anderen, positiven
Entwicklungen in vielen Regionen deckten. Der Prozess
des Miteinanderarbeitens, der Akzeptanz unterschiedlicher
„Kulturen“ in den ARGEn befinde sich vielmehr auf einem
guten Weg. Es sei wichtig, dass sich alle Betroffenen auf die
Förderung der Arbeitsuchenden konzentrierten und ihren
gesetzlichen Auftrag ernst nähmen.

Die Fraktion der FDP erinnerte daran, dass sie als einzige
Fraktion 2004 gegen das Optionsgesetz gestimmt habe, denn
schon damals sei sie der Überzeugung gewesen, dass nur
selbstbestimmte Kommunen erfolgreich Arbeitsuchende in
Arbeit vermitteln könnten. Die geteilte Trägerschaft zwi-
schen BA, den Arbeitsgemeinschaften und Optionskom-
munen sei der zentrale Systemfehler von Hartz IV. Mit den
ARGEn sei eine zusätzliche Verwaltungsebene eingeführt
worden, in der die Verantwortlichkeiten nicht geklärt seien.
Konsequenz seien die von der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN jetzt angeprangerten Doppelzuständigkeiten,
Kompetenzgerangel, Verwischung finanzieller Verantwort-
lichkeiten und hohe Verwaltungskosten. Die Verantwortlich-
keiten für die Grundsicherung für erwerbsfähige Langzeit-

worten. Dass die Arbeitsfähigkeit vieler ARGEn nach wie
vor nicht den Erwartungen und Erfordernissen entspreche,
liege vor allem an der generellen Fehlkonstruktion der
gesamten Hartz-Gesetze, am Nicht-zu-Ende-Denken der
Folge dieser Reformen und am viel zu hohen Tempo, mit
dem sie in Angriff genommen und umgesetzt worden seien.
DIE LINKE. setze sich für ein optimales Verhältnis von
grundsätzlichen gesellschaftlichen Entscheidungen und
einem möglichst großen Spielraum der regionalen Arbeits-
marktakteure ein. Insofern unterstütze sie die eindeutigen
Aufgabenzuordnungen für die ARGEn. Allerdings fehle in
dem Antrag komplett die Forderung nach einer angemesse-
nen Personalausstattung in den ARGEn: Zu viele Beschäf-
tigte hätten nur befristete Arbeitsverträge; zudem bedürfe es
eines nachholenden Qualifizierungsprogramms insbesonde-
re für die Fallmanagerinnen und -manager.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, eine
regional ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik und ein indivi-
duell zugeschnittenes Fallmanagement vertrügen sich nicht
mit zentralistischen Vorgaben. Die ARGEn bräuchten eine
eigene Identität und mehr Autonomie. In Zukunft müssten
sie eigenverantwortlich über ihr Personal bestimmen kön-
nen, Gleiches gelte für die Verwendung ihres Budgets. Auch
über die Verwendung des Eingliederungsbudgets müsse vor

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.