BT-Drucksache 16/485

Gesprächsleitfaden für Einbürgerung von Muslimen

Vom 27. Januar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/485
16. Wahlperiode 27. 01. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen und der Fraktion DIE LINKE.

Gesprächsleitfaden für Einbürgerung von Muslimen

In den vergangenen Wochen hat ein vom Landesinnenministerium Baden-
Württemberg veröffentlichter Erlass für Aufregung gesorgt, der den Ausländer-
behörden einen „Gesprächsleitfaden“ für Gespräche mit einbürgerungswilligen
Muslimen an die Hand gibt. Mit diesen Gesprächen soll das Bekenntnis zur frei-
heitlich-demokratischen Grundordnung der Muslime entsprechend dem Staats-
angehörigkeitsgesetz überprüft werden. Von verschiedener Seite gab es an die-
sem Vorgehen scharfe Kritik.

Nach ausgiebiger Erörterung im Bundestag blieb die Debatte durch ein weiteres
Gutachten des Hannoveraner Rechtsanwalts Rolf Gössner und die Ankündigung
mehrerer Bundesländer, ebenfalls einen solchen Leitfaden erlassen zu wollen,
aktuell. Zuletzt wurde der Test von der Integrationsbeauftragten der Bundesre-
gierung, Maria Böhmer, im Grundsatz verteidigt, allerdings in Frage gestellt, ob
hierüber die angestrebte Wertevermittlung gelingen könne (epd vom 23. Januar
2006).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen der laut Koalitionsvertrag
geplanten Präzisierung der Vorschriften im Staatsangehörigkeitsrecht eine
bundeseinheitliche Regelung für die Führung von Einbürgerungsgesprächen
zu schaffen, und wenn ja, wer ist mit diesen Planungen betraut worden?

2. Wurde bereits im Rahmen der Ständigen Konferenz der Innenminister und
- senatoren des Bundes und der Länder (IMK) über die Möglichkeiten disku-
tiert, wie der § 10 Abs. 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsrechts (Bekenntnis
zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung) in der Verwaltungspraxis
umgesetzt werden soll, und welche Position hat die Bundesregierung hierzu
vertreten, und hat die Bundesregierung in diesem Rahmen von den seit April
2005 laufenden Planungen des Landes Baden-Württemberg erfahren?

3. Weiß die Bundesregierung von Planungen, dieses Thema auf der nächsten
Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren zu disku-
tieren, oder plant sie selbst, dort eine Debatte dazu anzustoßen?

4. Werden die in den Befragungen erhobenen Antworten außer bei der zustän-

digen Ausländerbehörde in Baden-Württemberg bei Bundesbehörden und/
oder dem Ausländerzentralregister gespeichert, und wenn ja, auf welcher
Rechtsgrundlage findet diese Speicherung statt?

5. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Rechtsanwalts Rolf Gössner, dass
der Leitfaden wegen Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ver-
fassungswidrig sei, und wenn nicht, wie begründet sie ihre Ansicht?

Drucksache 16/485 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
6. Ist der Bundesregierung bekannt, auf welcher Basis die Fragen erstellt wor-
den sind, also ob sie sich allein aus Verfassungsgrundsätzen herleiten oder ob,
was dem Gedanken der Integration näher wäre, sie sich aus in der Bevölke-
rung verbreiteten Ansichten herleiten, und welches Herangehen findet die
Bundesregierung in diesem Zusammenhang zielführend?

7. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um sicherzustellen,
dass Einbürgerungswillige in den verpflichtenden Integrationskursen ver-
ständlich und nachvollziehbar die geltende Werteordnung vermittelt wird,
und wie sind die ersten Erfahrungen mit dieser Vermittlungstätigkeit zu be-
werten?

8. Ist der Bundesregierung bekannt, ob auch in anderen Staaten, die Mitglied
der Europäischen Union sind, bei der Einbürgerung solche Befragungen nach
persönlichen Einstellungen von Einbürgerungswilligen durchgeführt wer-
den, an welchen inhaltlichen Vorgaben sich die dort verwendeten Fragebögen
oder Gesprächsleitfäden orientieren und nach welchen Kriterien Teilnehme-
rinnen und Teilnehmer an diesen Gesprächen ausgewählt werden?

9. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung, welche rechtlichen Konse-
quenzen ein Verstoß einzelner Bundesländer gegen die EU-Antidiskriminie-
rungsrichtlinie bei der Aufstellung solcher Fragebögen und den sonstigen
Vorgaben zur Einbürgerung hätte, wenn durch die Richtlinie Länderkompe-
tenzen berührt werden?

Berlin, den 25. Januar 2006

Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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