BT-Drucksache 16/4687

Das Collegium Humanum - Ein Zentrum der Holocaustleugner

Vom 13. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4687
16. Wahlperiode 13. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Kersten Naumann und der Fraktion
DIE LINKE.

Das Collegium Humanum – Ein Zentrum der Holocaustleugner

Das Collegium Humanum – Akademie für Umwelt und Lebensschutz e. V. in
der ostwestfälischen Kleinstadt Vlotho – ist eines der ältesten Tagungshäuser der
extremen Rechten in Deutschland. In den letzten Jahren entwickelte es sich zum
Zentrum der Holocaustleugner. Gegründet wurde die „Heimvolkshochschule“
1963 vom mittlerweile verstorbenen NS-Funktionär Werner Georg Haverbeck.
Richtete sich das Collegium Anfangs vor allem an Ökologen, Esoteriker und
Anthroposophen, so wurde die Orientierung seit Anfang der 1980er Jahre offen
rechtsextrem. 1984 traf sich im Collegium das „Komitee zur Vorbereitung der
Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“. Das mittlerweile von
Haverbecks Frau Usula Haverbeck-Wetzel geleitete Haus fasst bis zu 150 Per-
sonen und bietet rund 50 Schlafplätze. Für die regionale wie auch bundesweite
rechtsextreme Szene spielt das Haus eine wichtige Rolle als Veranstaltungsort
für Vorträge, Seminare, Tagungen, Konzerte und Schulungen. Dabei führt das
Collegium Humanum die alte und neue Generation von Rechtsextremen, Nazi-
Skinheads und bürgerlich erscheinende Rechte zusammen. Zu den Nutzern ge-
hören unter anderem die NPD-nahe Deutsche Akademie, die Deutschlandbewe-
gung, die neu rechts ausgerichtete Synergies Europeennes, die rechtsextreme
Gesellschaft für freie Publizistik, die nationalrevolutionäre Zeitschrift „wir
selbst“ und so genannte freie Kameradschaften aus der offenen Neonazi-Szene.
Das Collegium Humanum organisiert auch eigene Seminare, die sich vornehm-
lich an Akademiker richten. Seit 2003 gehört der Holocaustleugner und Anti-
semit Hort Mahler zu den ständigen Referenten. Im Collegium sind zudem
mehrere rechtsextreme Vereine angesiedelt, insbesondere der „Verein zur Reha-
bilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“. Kalkül dieser Ver-
einigung ist es, durch die massenhafte und provokative Verbreitung von Holo-
caustleugnungen eine Normalisierung und Straffreiheit für derartige Aussagen
zu erreichen. Zu den Gründungsmitgliedern am Jahrestag der Reichspogrom-
nacht am 9. November 2003 gehörten der kanadische Holocaustleugner Ernst
Zündel und andere bekannte internationale Rechtsextremisten wie Robert
Faurisson (Frankreich), Germar Rudolf, Gerd Honsik, Manfred Röder und
Frank Rennicke (Das Collegium Humanum – Zentrum der Holocaustleugner,
Antifaschistisches Informationsblatt Nr. 70, 1.2006, 30–33, http://www.nadir.org/

nadir/periodika/aib/archiv/70/30.php).

Obwohl das Collegium Humanum ein Zentrum für offen neonazistische und
antisemitische Aktivitäten bildet, sieht der Verfassungsschutz des Landes
Nordrhein-Westfalen lediglich „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht
rechtsextremistischer Bestrebungen“ des Collegium Humanum (Verfassungs-
schutzbericht für das Land Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2005, S. 60). Im
Bundesverfassungsschutzbericht für das Jahr 2005 wird das Collegium Huma-

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num dagegen als „rechtsextremistisch“ klassifiziert (Bundesministerium des
Innern: Verfassungsschutzbericht 2005, S. 110).

Die Tätigkeit des Collegium Humanum und des „Vereins zur Rehabilitierung
der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ sei nicht auf das Land Nord-
rhein-Westfalen beschränkt. Daher sei für ein Verbot ausschließlich der Bundes-
minister des Innern zuständig, erklärte der nordrhein-westfälische Innenminister
Ingo Wolf auf eine Anfrage des Vlothoer CDU-Politikers Wolfgang Aßbrock.
Unabhängig davon, ob es in anderen Ländern Organisationsstrukturen des Ver-
eins gebe, werde die Zeitschrift „Lebensschutz Informationen – Stimme des
Gewissens“ als für den Zusammenhalt des Collegium Humanum wichtigste
Publikation bundesweit verteilt. „Die Zeitschrift wird vom Verein herausgege-
ben und ist ein Tätigkeitsfeld von nicht untergeordneter Bedeutung“, so Ingo
Wolf (Vlothoer Anzeiger, 11. Januar 2007, Land kann Collegium Humanum
nicht stoppen).

Das Collegium Humanum wird laut einem Bericht des Vlothoer Anzeigers im-
mer noch als gemeinnützig eingestuft und ist dadurch steuerlich begünstigt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Erscheint die Zeitschrift „Lebensschutzinformationen – Stimme des Gewis-
sens“ noch?

a) Wenn ja, wer ist der Herausgeber?

b) Wenn ja, in welcher Auflage, in welchem Erscheinungsrhythmus und in
welcher regionalen Verbreitung?

c) Welche Ermittlungsverfahren oder Verurteilungen gab es innerhalb der
letzten fünf Jahre aufgrund von Artikeln in der Zeitschrift „Lebensschutz-
informationen – Stimme des Gewissens“?

2. a) Sieht die Bundesregierung eine Beschränkung der Tätigkeit der Vereine
Collegium Humanum und des „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Be-
streitens des Holocaust Verfolgten“ auf das Land Nordrhein-Westfalen?

b) Wenn nein, auf welche Bundesländer oder das Ausland erstrecken sich die
Tätigkeiten des Collegium Humanum?

3. Welche Veranstaltungen im Collegium Humanum während der letzten fünf
Jahre sind der Bundesregierung bekannt?

a) Um welche Veranstaltungen handelte es sich (Seminare, Konzerte etc.)?

b) Wie viele Teilnehmer kamen zu diesen Veranstaltungen?

c) Wer waren die Organisatoren dieser Veranstaltungen?

d) Wer waren die Referenten bzw. Künstler auf diesen Veranstaltungen?

4. Wurden aufgrund von Äußerungen auf Veranstaltungen des Collegium Hu-
manum oder innerhalb der Räume des Collegium während der letzten fünf
Jahre Ermittlungsverfahren gegen Referenten oder Teilnehmer eingeleitet?

a) Wenn ja, um welche Straftaten ging es?

b) Wenn ja, zu welchen Verurteilungen kam es?

c) Wenn ja, gegen welche Personen wurden diese Verfahren eingeleitet, und
wer wurde verurteilt?

5. a) Welche Nutzergruppen des Zentrums des Collegium Humanum sind der
Bundesregierung bekannt?

b) Bei welchen dieser Nutzer gibt es Erkenntnisse über verfassungsfeind-

liche oder verfassungswidrige Betätigung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4687

6. a) Welche Referenten in Veranstaltungen und Seminaren des Collegium Hu-
manum sind der Bundesregierung bekannt?

b) Welche dieser Referenten sind bereits wegen rechtsextrem motivierter
Straftaten vorbestraft, und gegen welche dieser Referenten laufen wegen
derartiger Delikte Strafverfahren?

7. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Innenministers von Nordrhein-
Westfalen, dass ein mögliches Verbot der Vereine Collegium Humanum e. V.
und des „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust
Verfolgten“ im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern
liegt?

a) Wenn ja, welche Möglichkeiten eines Verbotes der Vereine Collegium Hu-
manum e. V. und des „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens
des Holocaust Verfolgten“ sieht die Bundesregierung?

b) Wenn nein, welche Behörde ist dann für ein Verbot der genannten Vereine
zuständig?

8. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, auf das Land Nordrhein-
Westfalen einzuwirken, um dem Verein Collegium Humanum die Gemein-
nützigkeit zu entziehen?

9. a) Welche Formen der Finanzierung des Collegium Humanum sind der Bun-
desregierung bekannt?

b) Wie hoch sind die Jahreseinnahmen des Collegium Humanum?

Gab oder gibt es öffentliche Fördermittel für Veranstaltungen des Colle-
gium Humanum oder für Veranstaltungen in den Räumlichkeiten des
Collegium Humanum?

Berlin, den 7. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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