BT-Drucksache 16/4535

Status der Fläche der ehemaligen Standortschießanlage Hakedahl

Vom 2. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4535
16. Wahlperiode 02. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen und der Fraktion DIE LINKE.

Status der Fläche der ehemaligen Standortschießanlage Hakedahl

Das Bundesvermögensamt Bielefeld hat im Jahr 1974 der Familie W. ein Ge-
bäude mit angrenzendem Gartengründstück auf dem Gelände der ehemaligen
Standortschießanlage Hakedahl bei Detmold vermietet. Ende 1995 wurde es von
der Oberfinanzdirektion (OFD) Münster der Familie W. zum Kauf angeboten.
Der angekündigte Kaufvertrag kam zwar nie zustande, die OFD stimmte aber der
Nutzung des Areals durch die Familie W. in Form eines Pachtvertrags zu. Den-
noch gibt es bis heute Unklarheiten über den rechtlichen Status des Areals.

Vor der Nutzungsüberlassung an die Familie W. ist offenbar keine ordentliche
Sanierung des Geländes erfolgt. 1998 wurden noch mehrere Panzerfaustköpfe
und andere Waffenteile auf dem Gelände gefunden. Ein Gutachten, das von
einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im Auftrag des
Naturschutzbundes NABU im Jahr 1999 vorgenommen wurde, ergab, dass das
Gelände hochgradig mit Blei und Antimon verseucht ist. Frau und Herr W. sind
selbst mit Schwermetallen vergiftet.

Im August 2001 erhielt die Familie W. zwar vom Bundesvermögensamt ein
Schreiben des Kreises Lippe zur Kenntnis, demzufolge die Sanierung abge-
schlossen sei, unmittelbar danach hat die Familie W. jedoch nach eigener Dar-
stellung noch „haufenweise“ Munition gefunden. Ein weiteres Gutachten, das
in Abstimmung mit dem Landeskriminalamt im November 2004 erstellt wurde,
ergab, dass die Vorgaben des Sanierungsplanes nicht erfüllt sind.

Wiederholten Bemühungen der Familie W., die rechtlichen Eigentums- und Be-
sitzverhältnisse des von ihnen genutzten Areals (von dem sie mittlerweile ver-
trieben wurden) festzustellen, war bislang kein Erfolg beschieden. Zwischen
Landes-, kommunalen und Bundesbehörden gibt es Widersprüche hinsichtlich
der Frage, ob das Gelände jemals aus der militärischen Nutzung entlassen
wurde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie gestaltet sich die Umwidmung einer militärisch genutzten in eine zivile
Fläche, die der kommunalen Planungshoheit unterliegt (bitte die einzelnen
Verwaltungsschritte darstellen)?
a) Trifft es zu, dass für die Umwidmung zunächst eine Aufgabeerklärung
des Bundesministeriums der Verteidigung notwendig ist und diese
schriftlich dokumentiert wird?

d) Trifft es zu, dass nach erfolgter Aufgabeerklärung das Gelände zunächst
in das Zwischenvermögen des Bundes übergeht?

Drucksache 16/4535 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

c) Trifft es zu, dass es einen Verwaltungsakt gibt, der die Übertragung der
Fläche vom Verwaltungsvermögen hin zum Allgemeinen Grundvermö-
gen des Bundesministeriums der Finanzen regelt?

d) Welche Rolle spielen das Bundesvermögensamt, das Umweltbundesamt
und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben im Umwidmungsver-
fahren?

e) Welche amtlichen Bescheide werden im Rahmen dieses Verfahrens er-
stellt?

f) Ist es denkbar, dass ein Umwidmungsverfahren ganz oder teilweise in
Form mündlicher Bekanntgaben und Absprachen vor sich geht (ggf. dar-
stellen, inwieweit dies möglich ist)?

2. Wer trägt die Verantwortung für eine Sanierung/Dekontaminierung der Flä-
chen?

a) In welchen Stadien des Umwidmungsprozesses wird die Sanierung/
Dekontaminierung durchgeführt?

b) Welche Ministerien sind mit welchen Verantwortlichkeiten am Sanie-
rungsprozess beteiligt?

c) Welche Erlasse regeln die Sanierung, und was sind die wesentlichen
Inhalte dieser Erlasse?

d) Ist eine Nachbeobachtungszeit vorgesehen, um festzustellen, ob die
Sanierung erfolgreich war, und wenn ja, wie lange ist diese Zeit, und wer
ist für die Feststellung des Sanierungserfolgs zuständig?

e) Welche Regelungen gibt es für den Fall, dass zu einem späteren Zeit-
punkt festgestellt wird, dass die Sanierung/Dekontaminierung nicht er-
folgreich abgeschlossen wurde?

f) Welche Regelungen gibt es hinsichtlich etwaiger Ansprüche auf Entschä-
digung bzw. Schadenersatz, wenn die Nutzung einer nicht erfolgreich
sanierten/dekontaminierten Fläche dazu führt, dass die weitere Nutzung
der Fläche z. B. als Reitfläche oder die Nutzung des Wohnhauses nicht
möglich ist?

g) Welche Regelungen gibt es hinsichtlich Schadenersatzansprüchen für den
Fall, dass die Nutzer einer nicht erfolgreich sanierten/dekontaminierten
Fläche eine Schwermetallvergiftung mit bleibenden körperlichen Schä-
den erleiden?

3. Ist die Standortschießanlage Hakedahl, Barntruper Straße 58 in 32758 Det-
mold, jemals aus der militärischen Nutzung entlassen worden, und wenn ja,

a) wurden dabei die in Frage 1 erwähnten Verwaltungsschritte eingehalten,

b) zu welchem Zeitpunkt (bitte genaue Datumsangaben) erfolgten die ein-
zelnen Verwaltungsschritte,

c) mit welchen Dokumenten kann die Bundesregierung den entsprechenden
Nachweis führen, und unter welchen Umständen können Bürgerinnen
und Bürger hierin Einsicht nehmen,

d) hat die Bundesregierung jemals die Landes- und kommunalen Behörden
über die Aufgabe der militärischen Nutzung unterrichtet, und wenn ja,
wann, und in welcher Form,

e) wie erklärt die Bundesregierung, dass mittlerweile in der Wohngegend
ein britisches Militärkrankenhaus eingerichtet wird, und sich eine aus-
drücklich als Militärgelände gekennzeichnete britische Schule dort be-

findet?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4535

4. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus,

a) dass trotz der Belastungen von Standortschießanlagen mit Schwermetal-
len der Familie W. 1974 das Gebäude und Teile des Geländes zu Wohn-
zwecken vermietet worden ist,

b) dass die Familie W. heute an einer Schwermetallvergiftung leidet,

d) dass die Familie W. durch die Verseuchung der Fläche ihre wirtschaft-
liche Existenz in Form eines Reithofes verloren hat?

5. Achtet der Bund bei der Vermietung von Wohngebäuden auf das Vorliegen
der hierfür notwendigen baurechtlichen Wohnungsnutzungsgenehmigung?

Welche rechtliche Grundlage gab es für die Vermietung der verseuchten
Fläche an die Familie W.?

6. Wie stellt sich die Auseinandersetzung der Familie W. mit den Behörden im
Zusammenhang mit dem von ihr genutzten Gelände der Standortschieß-
anlage aus Sicht der Bundesregierung dar?

Berlin, den 1. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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