BT-Drucksache 16/4510

Kommerzielle Walfangaktivitäten in europäischen Gewässern

Vom 2. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4510
16. Wahlperiode 02. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm,
Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kommerzielle Walfangaktivitäten in europäischen Gewässern

Deutschland hat im ersten Halbjahr 2007 den Vorsitz im Rat der Europäischen
Union inne. In diesem Zeitraum finden zwei für die Entwicklung des Walschut-
zes entscheidende Konferenzen statt.

Von 28. bis 31. Mai 2007 tagt die Internationale Walfangkommission (IWC)
in Anchorage (USA), und im Anschluss daran, vom 3. bis 15. Juni 2007, findet
die 14. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzabkommens
(CITES) in Den Haag statt. Auf die Bundesregierung kommt damit eine beson-
dere Verantwortung bei der Abstimmung einer gemeinsamen europäischen
Position zu.

Im Oktober 2006 gab die isländische Regierung bekannt, dass sie den kommer-
ziellen Walfang wieder aufnehmen wird. In den folgenden Monaten sollten ins-
gesamt 30 Nördliche Zwergwale und neun Finnwale, die von der IUCN als
„stark gefährdet“ eingestuft werden, zu kommerziellen Zwecken getötet wer-
den. Sieben Finnwale wurden bis zum 25. Januar 2007 bereits erlegt. Diese
Fangquote wurde zusätzlich zu der Quote für „wissenschaftliche Zwecke“ (für
2007 sind dies laut isländischer Regierung 39 Zwergwale) vergeben.

Bereits im Juli 2006 beantragte Island auf einer Sitzung des Tierausschusses des
Washingtoner Artenschutzabkommens, die derzeitige Listung des Nordatlan-
tischen Finnwales in Anhang I des CITES einer Überprüfung („Periodic
review“) zu unterziehen, um somit eventuell eine Empfehlung für die Herab-
listung dieses Walbestandes bei einer der nächsten CITES-Vertragsstaaten-
konferenzen (COP 14) zu erreichen. Mit Veröffentlichung der Listungs- und
Resolutionsanträge für die 14. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner
Artenschutzabkommens liegt nun auch der Resolutionsantrag Japans vor, alle im
CITES-Anhang I gelisteten Cetacea-Arten dem „periodic review“ zu unter-
ziehen. Zudem hatte Japan in Vorbereitung auf die IWC zwischen dem 13.
und 15. Februar 2007 zu einer Konferenz geladen mit dem Ziel, dass die IWC
den Walfang ermöglichen und regeln – nicht ihn verhindern – sollte. An der
Konferenz haben Vertreterinnen und Vertreter von 34 der 72 IWC-Mitglieds-
länder teilgenommen.
Der kommerzielle Walfang hat gravierende negative Auswirkungen auf alle
bejagten Walarten. Aber auch die Meeresverschmutzung, der Klimawandel,
Schiffskollisionen und der Beifang in Fischereinetzen gefährden die globalen
Walbestände. Der Einfluss der weltweiten Überfischung auf das Nahrungsange-
bot vieler Wal- und Delfinarten ist noch nicht ausreichend geklärt. Umso wich-
tiger ist es deshalb, die globalen Walbestände nicht zusätzlich durch den kom-
merziellen Walfang zu bedrohen.

Drucksache 16/4510 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Dezember 2006 hat die norwegische Regierung eine Fangquote von 1 052
Zwergwalen für die Walfangsaison 2007 festgelegt. Dabei handelt es sich um
einen Anstieg des Küstenwalfangs um ungefähr 30 Prozent gegenüber der Fang-
quote aus dem Vorjahr. Norwegen beruft sich bei seiner Quotensetzung auf ein
eigenmächtiges Berechnungssystem, das von dem in der IWC diskutierten
Modell für ein Walfangmanagementsystem (RMS) erheblich abweicht.

Zudem wurde die Fangquote von Narwalen in Grönland für 2006/2007 mit 285
Tieren erneut weit über der Fangquote von 135 Tieren festgelegt, die von der
North Atlantic Marine Mammal Commission (NAMMCO) und der kanadisch-
grönländischen Joint Commission on the Conservation and Management of
Narwhal and Beluga (JCNB) empfohlen wurde.

Die Beschlüsse der beiden internationalen Konferenzen IWC und CITES sind
daher Richtung weisend für den nationalen, europäischen und internationalen
Artenschutz. Eine Herablistung des Walbestandes vom Anhang I des Washing-
toner Artenschutzabkommens würde die vom Aussterben bedrohten Walbestän-
de akut gefährden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung vom kommerziellen
Walfang auf die globalen Walbestände?

b) Auf welche Untersuchungen stützt sich diese Ansicht, und welche Ent-
wicklung erwartet die Bundesregierung hier in den nächsten Jahren?

c) Unterläuft auch nach Ansicht der Bundesregierung der kommerzielle Wal-
fang die internationalen Schutzbemühungen, und welchen Handlungs-
bedarf sieht die Bundesregierung?

2. a) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Einfluss der
Meeresverschmutzung, des Klimawandels, des Verlustes von Lebens-
räumen, von Schiffskollisionen und des Beifangs in Fischereinetzen auf
die Wal- und Delfinpopulationen vor, und welchen Handlungsbedarf sieht
die Bundesregierung hier?

b) Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über den Einfluss der
weltweiten Überfischung auf das Nahrungsangebot vieler Wal- und Del-
finarten vor, und welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung
hier?

3. a) Wie beurteilt die Bundesregierung den Walfang für wissenschaftliche
Zwecke, und in welchem Maße sind die Ergebnisse der Untersuchungen
im Rahmen des Walfangs für wissenschaftliche Zwecke für den Walschutz
von Nutzen?

b) Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Walfang für wissen-
schaftliche Zwecke sind der Bundesregierung bekannt?

c) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Walfang für wissen-
schaftliche Zwecke zu den wesentlichen Bedrohungsfaktoren der bedroh-
ten Walarten zählt, und wenn nein, warum nicht?

4. a) Mit welchen Zielen führt die Bundesregierung im Rahmen ihrer EU-Rats-
präsidentschaft Verhandlungen mit den europäischen Mitgliedstaaten
zur Vorbereitung auf die beiden internationalen Konferenzen (IWC und
14. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzabkommens)?

b) Was sind die bisherigen Ergebnisse dieser Gespräche?

c) Wie werden die Tagesordnungen der beiden internationalen Konferenzen

erarbeitet, und welche Schwerpunkte sollten nach Auffassung der Bun-
desregierung hier gesetzt werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4510

5. a) War die Bundesregierung als Mitgliedstaat der IWC zu der von Japan
organisierten Walfangkonferenz zwischen dem 13. und 15. Februar 2007
eingeladen?

b) Hat die Bundesregierung an der Walfangkonferenz in Tokio teilgenom-
men, und wenn nein, warum nicht?

c) Welches waren die Ziele dieser Walfangkonferenz, und welches sind
nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergebnisse dieser Walfangkon-
ferenz?

d) In welchem Maße fließen nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergeb-
nisse der Walfangkonferenz in die internationale Konferenz der IWC im
Mai 2007 ein?

e) Welches waren nach Auffassung der Bundesregierung die konkreten
Gründe, warum nur 34 der 72 IWC-Mitgliedsländer an der Walfangkon-
ferenz teilgenommen haben?

6. a) Welche Position nimmt die Bundesregierung zu Islands Vorschlag im
Vorfeld der 14. CITES-Vertragsstaatenkonferenz ein, den derzeitigen
strengen Schutz des Nordatlantischen Finnwals innerhalb des Washing-
toner Artenschutzabkommens einer Prüfung zu unterziehen („periodic
review“)?

b) Wird sich die Bundesregierung im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsi-
dentschaft dafür einsetzen, dass der Nordatlantische Finnwal von dieser
Prüfung ausgenommen wird?

7. a) Welche Position nimmt die Bundesregierung zu der von Japan vorge-
schlagenen Resolution ein, alle in CITES-Anhang I gelisteten Cetacea-
Arten dem „periodic review“ zu unterziehen?

b) Wird die Bundesregierung im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsident-
schaft der Resolution Japans zustimmen, und wenn ja, aus welchen
Gründen?

8. a) Wie bewertet die Bundesregierung die Position Dänemarks, das sich für
eine Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs (dänische Unterstüt-
zung der sogenannten St. Kitts & Nevis Deklaration bei der letzten
Tagung der IWC im Juni 2006) einsetzt, im Lichte des geltenden EU-
Rechts?

b) Bemüht sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer EU-Ratspräsident-
schaft, Dänemark in dieser Frage zu einem Einlenken zu bewegen?

9. Wie bewertet die Bundesregierung das von Norwegen eingeführte Be-
rechnungssystem, das von dem in der IWC diskutierten Modell für ein
Walfangmanagementsystem (RMS) erheblich abweicht?

10. a) In welcher Menge (aufgelistet nach Art und Umfang) wird Fisch aus
isländischen, norwegischen und japanischen Gewässern in die Bundes-
republik Deutschland eingeführt?

b) Welche isländischen, norwegischen und japanischen Fischereifirmen
importieren nach Kenntnis der Bundesregierung Fisch nach Deutschland
(Auflistung nach Firma, Art und Umfang)?

c) Ist der Bundesregierung bekannt, welche dieser Firmen sich auch am
kommerziellen Walfang beziehungsweise am Verkauf von Walfleisch
beteiligen?

d) Ist der Bundesregierung bekannt, welche dieser Firmen sich gegebenen-

falls auch am Walfang für wissenschaftliche Zwecke beteiligen?

Drucksache 16/4510 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
11. Wie bewertet die Bundesregierung die Festlegung von Fangquoten von Nar-
walen in Grönland, die weit über den empfohlenen Fangquoten durch die
North Atlantic Marine Mammal Commission (NAMMCO) und der Joint
Commission on the Conservation and Management of Narwhal and Beluga
(JCNB) liegen, und sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

Berlin, den 2. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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