BT-Drucksache 16/4262

Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) im Verkehrs- und Bauwesen

Vom 2. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4262
16. Wahlperiode 02. 02. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Peter Hettlich, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter,
Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) im Verkehrs- und Bauwesen

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde vereinbart, dass das
erst 2005 verabschiedete ÖPP-Beschleunigungsgesetz bereits Anfang 2007 no-
velliert werden soll. Die Bundesregierung hat aus diesem Grund eine PPP-Task
Force eingerichtet. die Pilotprojekte beratend begleiten, Grundsatz- und Koordi-
nierungsaufgaben leiten und Öffentlichkeitsarbeit und Wissenstransfer gewähr-
leisten soll. Am 22. April 2007 ist von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
eine abschließende Klausurtagung geplant.

Als wichtiges Anwendungsgebiet von ÖPP gelten neben dem Verkehrswegebau
die Errichtung, Modernisierung, Sanierung oder Betrieb von Gebäuden durch
private Partner für öffentliche Auftraggeber. Erste Erfahrungen und Bewertun-
gen mit ÖPP in Deutschland liegen vor. Schwerwiegende Bedenken zum aktu-
ellen ÖPP-Verfahren äußerten unter anderem die Präsidentinnen und Präsiden-
ten der deutschen Rechnungshöfe. Sie warnten im vergangenen Jahr vor den
langfristigen finanziellen Risiken von ÖPP-Projekten für die öffentlichen Haus-
halte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Haben Evaluierungen der Beschleunigungswirkungen des ersten ÖPP-
Beschleunigungsgesetzes seit seiner Inkrafttretung am 1. September 2005
stattgefunden, und wenn ja, wann werden deren Ergebnisse dem Deutschen
Bundestag zur Verfügung gestellt?

2. Welche Beschleunigungen von ÖPP-Projekten konnten durch das erste ÖPP-
Beschleunigungsgesetz erzielt werden?

3. Wie weit sind die Vorbereitungen zur Novellierung des ÖPP-Beschleuni-
gungsgesetzes fortgeschritten?

Wann ist mit der parlamentarischen Behandlung und mit Inkrafttreten des
Gesetzes zu rechnen?

4. Welcher Nachbesserungsbedarf wird nach den Erfahrungen mit dem ersten
ÖPP-Beschleunigungsgesetz gesehen?
5. Welche inhaltlichen Schwerpunkte soll das novellierte ÖPP-Beschleuni-
gungsgesetz enthalten?

6. Beraten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Banken, Bauunternehmen,
Anwaltskanzleien, Unternehmensberatern und anderen direkt von ÖPP-Pro-
jekten Begünstigten die Arbeitsgruppen der großen Koalition im Deutschen
Bundestag und in den Bundesministerien sowie der Task Force?

Drucksache 16/4262 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Privatwirtschaft für die Erarbei-
tung des neuen ÖPP-Beschleunigungsgesetzes an die zuständigen Bundes-
ministerien versetzt bzw. ausgeliehen worden?

Wenn ja, um welche und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wel-
cher Unternehmen in welchen Ministerien handelt es sich?

Wer trägt die Kosten für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzungen der Risiken von
ÖPP-Projekten durch die deutschen Rechnungshöfe (z. B. Konferenz der
Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe am 3. und 4. Mai 2006
oder Jahresbericht 2006 des Bayrischen Landesrechnungshofs) und wie
gedenkt sie, darauf zu reagieren?

9. Wie ist der aktuelle Stand der A- und F-Modelle im Fernstraßenbau nach
den einzelnen Projekten aufgeschlüsselt?

10. Sind über die aktuell in der Diskussion befindlichen A- und F-Modelle wei-
tere Modelle geplant?

11. Welche Auswirkungen haben die nicht eingetretenen Prognosen für die
bisher realisierten F-Modellprojekte mit der Warnowquerung in Rostock
und dem Herrentunnel in Lübeck für die öffentlichen und privaten Auftrag-
geber?

12. Inwieweit sind die Nachfrageprognosen für die anderen F-Modellprojekte
nach den negativen Erfahrungen mit den vorgenannten Modellprojekten
angepasst worden?

13. Sollen im Rahmen der Novellierung des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes
auch größere (längere) Verkehrsprojekte als F-Modell geplant, gebaut und
betrieben werden dürfen, als es heute der Fall ist?

Wenn ja, welche Straßenkategorien sollen zusätzlich als F-Modell betrieben
werden dürfen, und wie lang sollen Streckenabschnitte derartiger Verkehrs-
projekte zukünftig sein dürfen?

14. Inwieweit wären bestehende F- und A-Modelle mit der Einführung einer
Pkw-Vignette oder einer entfernungsabhängigen Pkw-Maut zu einem späte-
ren Zeitpunkt vereinbar?

15. In welchen Branchen und in welchen Bundesländern gibt es derzeit wie
viele ÖPP-Projekte in der Planung bzw. in der Umsetzung?

16. Wie hoch ist das Gesamtvolumen dieser Investitionen, aufgeschlüsselt nach
Projekten?

17. In welcher Weise wird der Verlauf von ÖPP-Projekten untersucht?

Gibt es ein Monitoring-Programm oder ist ein solches beabsichtigt?

18. In welcher Weise wurden und werden langfristige finanzielle Belastungen
der öffentlichen Hand ermittelt?

19. In welchen Kommunen mussten für welche Projekte Kredite in welcher Hö-
he aufgenommen werden?

In welcher Weise wurden die Zinsen für diese Kredite in die jeweiligen
Machbarkeitsstudien einbezogen?

20. In welcher Weise werden Effizienzgewinne gegenüber der konventionellen
Finanzierung kalkuliert?

21. Sind für die Projekte, in denen ÖPP zur Anwendung kommen soll, so ge-
nannte Public Sector Comparators (PSC) errechnet worden, die einen seriö-

sen Vergleich der Kosten ermöglichen sollen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4262

22. Welche PSC sind der Bundesregierung bekannt?

23. Werden auch die langfristigen Risiken von ÖPP-Projekten erfasst?

Wenn ja, auf welche Weise?

24. Gibt es gescheiterte ÖPP-Projekte?

Wenn ja, wie werden diese untersucht und ausgewertet?

25. Wird die Einrichtung von Kompetenzzentren in den Ländern weiter ver-
folgt?

Wenn ja, wie ist der Stand der Vorbereitungen?

Wenn nein, aus welchem Grund nicht?

26. Wie bewertet die Bundesregierung die Erforderlichkeit, bundesweit einheit-
liche Standards zur Überprüfung durch die kommunalen Aufsichtsbehörden
einzuführen?

27. Auf welche Weise nimmt die Bundesregierung Einfluss auf die Bundes-
länder, einheitliche Rahmen für ÖPP-Projekte in den Kommunen zu setzen?

28. Wie bewertet die Bundesregierung die kommunale Aufsicht für ÖPP-
Projekte in Nordrhein-Westfalen?

29. Inwieweit hat sich die letzte Föderalismusreform auf die bundesgesetzliche
Kompetenz im Hinblick auf Vorgaben für kommunale ÖPP-Projekte ausge-
wirkt?

30. In welcher Weise wird bei der Bedarfsanalyse für ein ÖPP-Projekt die de-
mografische Entwicklung mit einbezogen?

31. Wie bewertet die Bundesregierung die realen Mitwirkungs- und Über-
prüfungsmöglichkeiten insbesondere der kommunalen Träger bei ÖPP-Pro-
jekten?

32. Inwieweit sind die kommunalen Aufsichtsbehörden und Gremien aufgrund
ihrer angespannten Personalsituation in der Lage, ÖPP-Projekte in ihrer
Komplexität und langfristigen Konsequenz zu überprüfen?

33. Wie bewertet die Bundesregierung die interkommunale Konkurrenz-
situation vor dem Hindergrund unterschiedlicher landesrechtlicher Rege-
lungen für ÖPP?

Sieht die Bundesregierung in diesem Bereich einen Handlungsbedarf, um
die Chancengleichheit der Kommunen zu gewährleisten?

34. Wo sieht die Bundesregierung verfassungsrechtliche Grenzen für die An-
wendung von ÖPP?

35. Wie bewertet die Bundesregierung die langfristigen Belastungen durch
ÖPP-Projekte vor dem Hintergrund der anspannten finanziellen Situation
der Kommunen?

36. Wie bewertet die Bundesregierung den Sachverhalt, dass langfristige finan-
zielle Bindung staatlicher Organe im Rahmen von ÖPP-Projekten die Hand-
lungsspielräume der öffentlichen Seite über lange Zeit einschränken?

Welche verfassungsrechtlichen Probleme können entstehen?

37. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Beteiligung des Mittelstandes an
ÖPP-Projekten zu verbessern?

38. Wie bewertet die Bundesregierung den Sachverhalt, dass ÖPP-Projekte für
Kommunen zwar erst ab einem Investitionsvolumen von 20 Mio. Euro wirt-

schaftlich sein sollen (difu Bericht 1 und 2/2005), das durchschnittliche
Investitionsvolumen jedoch nur bei 13 bis 16 Millionen liegt („Public

Drucksache 16/4262 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Private Partnership Projekte“ Studie des difu im Auftrag der PPP-Task
Force im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Sep-
tember 2005)?

Wie erklärt sich die Bundesregierung diesen Widerspruch?

39. Wie bewertet die Bundesregierung die Belastung der öffentlichen Träger
dadurch, dass deren Personal langfristig zur Kontrolle und Begleitung von
ÖPP-Verträgen gebunden ist?

Welche Erfahrungen gibt es hierzu?

40. Inwieweit sind die öffentlichen Auftraggeber gegen die Insolvenz von ÖPP-
Vertragspartnern abgesichert?

41. Wie bewertet die Bundesregierung die Ausstiegsmöglichkeiten aus ÖPP-
Verträgen für die öffentlichen Auftraggeber angesichts der Tatsache, dass
deren Haushalte sehr langfristig durch ÖPP-Verträge gebunden werden?

Sind die Ausstiegsmöglichkeiten für die öffentliche Seite ausreichend ab-
gesichert?

42. Wie schätzt die Bundesregierung das Konfliktpotenzial für juristische Aus-
einandersetzungen aufgrund von ÖPP-Verträgen ein?

43. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr, dass ÖPP-Projekte über-
dimensioniert sind?

Wie kann dieser Gefahr vorgebeugt werden?

44. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr, dass Sozialstandards durch
ÖPP-Projekte unterlaufen werden?

Welche Festsetzungen sind vorgesehen, um Sozialdumping zu vermeiden?

45. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr, dass Planungsstandards
sowie die Vorgaben der HOAI durch die privaten Partner unterlaufen wer-
den. Sind der Bundesregierung diesbzügliche Klagen der Architekten- und
Ingenieurverbände bekannt?

Wenn ja, wie bewertet sie diese Beschwerden?

46. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko, dass in ÖPP-Projekten Ver-
fassungsvorgaben wie die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht
ausreichend berücksichtigt werden?

47. Plant die Bundesregierung eine Informationsplattform für kommunale Ent-
scheidungsträger, in denen z. B. Musterverträge für bestimmte ÖPP-For-
men eingestellt werden?

48. Wo liegen die ökonomischen und haushalterischen Grenzen für ÖPP?

Welche Bereiche öffentlicher Daseinsvorsorge eignen sich aus Sicht der
Bundesregierung ausdrücklich nicht für ÖPP?

49. Welche Anreize für Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien
können in der Novellierung des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes festgesetzt
werden, und welche beabsichtigt die Bundesregierung zu verankern?

Berlin, den 2. Februar 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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