BT-Drucksache 16/4111

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Jens Spahn, Annette Widmann-Mauz, Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Peter Friedrich, Elke Ferner, Dr. Carola Reimann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -16/3615- Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS in Deutschland 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/3616- Gemeinsam gegen AIDS - Verantwortung und Solidarität stärken

Vom 19. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4111
16. Wahlperiode 19. 01. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Jens Spahn, Annette Widmann-Mauz,
Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Peter Friedrich, Elke Ferner, Dr. Carola Reimann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 16/3615 –

Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS in Deutschland

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Birgitt Bender,
Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/3616 –

Gemeinsam gegen AIDS – Verantwortung und Solidarität stärken

A. Problem

AIDS ist trotz neuer medizinischer Behandlungsmöglichkeiten eine lebensbe-
drohliche Erkrankung geblieben. Eine Heilung ist bislang nicht möglich, die le-
benslang notwendige Therapie ist mit hohen Kosten und einem erheblichen me-
dizinischen Betreuungsaufwand verbunden. Die Zahl der HIV-Infizierten nimmt
auch 25 Jahre nach der Entdeckung von AIDS in allen Teilen der Welt weiter zu.
Leichtsinn und die Verdrängung der Folgen einer Infektion führen auch in
Deutschland zu einem Anstieg der Neuinfektionen. Die gleichzeitig steigenden
Neuinfektionsraten bei weiteren sexuell übertragbaren Krankheiten sind eben-
falls ein Zeichen für sinkendes Risikobewusstsein beim Geschlechtsverkehr.
Die nach Deutschland zugewanderten Menschen aus Hochrisikogebieten sind in
besonderem Maße betroffen und erfahren meist erst hier von ihrer Infektion. Vor
dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist die Aufklärungs- und Präventionsar-

beit ständig den Veränderungen anzupassen und fortzuentwickeln. Außerdem
ergeben sich daraus Herausforderungen für die Stärkung institutioneller Kompe-
tenz und Vernetzung bei der Entwicklung von Therapien sowie bei der For-
schung nach Impfstoffen und der Schaffung von Präventionsmöglichkeiten, mit
denen sich Frauen selbst schützen können.

Drucksache 16/4111 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B. Lösung

In beiden Anträgen wird die auch zukünftig besondere Bedeutung von Präven-
tionsanstrengungen hervorgehoben.

Zu Nummer 1

Darüber hinaus fordern die Fraktionen der CDU/CSU und SPD die Bundesre-
gierung auf, die einschlägigen Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag nun
umzusetzen, die Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten weiter zu
bündeln, Private-Public-Partnerships zur HIV-Prävention zu würdigen und nach
Wegen zur dauerhaften Sicherung von Forschung und Netzwerken auf diesem
Gebiet zu suchen. Gemeinsam mit den Ländern und Verbänden soll bundesweit
im Rahmen einer Selbstverpflichtung der Anbieter von Orten sexueller Begeg-
nung auf Präventionsmaßnahmen hingewirkt werden, wobei nach zwei Jahren
zur Umsetzung berichtet werden soll und ggf. Vorschläge für eine gesetzliche
Regelung unterbreitet werden sollen. Ferner sollen die Erfahrungen Österreichs
und der Schweiz mit der Verschärfung des Strafrechts geprüft und die Bedeu-
tung von HIV/AIDS auch in der Ausbildung von Diplomaten berücksichtigt
werden.

Annahme des Antrags auf Drucksache 16/3615 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE
LINKE.

Zu Nummer 2

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert dagegen u. a. den Aufbau
und die Erweiterung von Kontaktportalen im Internet. Die AIDS-Hilfen dürften
von der Politik bei der Verbreitung ihrer zielgruppenadäquaten Präventionsbot-
schaften nicht zensiert werden. Im Rahmen der sozialen Sicherungssysteme sol-
len die besonderen Lebensumstände der Menschen mit HIV und AIDS berück-
sichtigt werden. Ferner sollen die rechtlichen Voraussetzungen für die
kontrollierte Heroinvergabe an Schwerstabhängige in die Regelversorgung ge-
schaffen und die Situation infizierter Frauen bei der Forschung und der Unter-
stützung durch Netzwerke berücksichtigt werden sowie Flüchtlinge mit HIV/
AIDS aus Ländern ohne Behandlungsmöglichkeiten einen rechtmäßigen Auf-
enthaltstitel erhalten.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/3616 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Ablehnung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD und Annahme
des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder Ausarbeitung eines
alternativen Antrags.

D. Kosten

Zu Nummer 1

Die Koalition der CDU/CSU und SPD hat für das Jahr 2007 eine Aufstockung
der Mittel für Aufklärungsmaßnahmen auf insgesamt 12,2 Mio. Euro beschlos-
sen. Die finanzielle Kooperation der Bundeszentrale für gesundheitliche Auf-

klärung mit dem Verband der privaten Krankenversicherung, der die Arbeit der
Bundeszentrale mit jährlich 3,4 Mio. Euro unterstützt, wird begrüßt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4111

Zu Nummer 2

Kürzungen bei den Präventionsmaßnahmen in Ländern und Kommunen sollen
vermieden bzw. zurückgenommen werden. Außerdem sollen Mehrbedarfe im
Rahmen des SGB II und des SGB XII anerkannt werden.

Drucksache 16/4111 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Antrag auf Drucksache 16/3615 unverändert anzunehmen,

2. den Antrag auf Drucksache 16/3616 abzulehnen.

Berlin, den 19. Januar 2007

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Martina Bunge Peter Friedrich
Vorsitzende Berichterstatter

Voraussetzungen für die kontrollierte Vergabe von Diamor- Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-

phin an Schwerstabhängige in der Regelversorgung geschaf-
fen werden. Weiter heißt es in dem Antrag u. a, es sei dafür
Sorge zu tragen, dass Flüchtlinge mit HIV-Infektion oder

folgenabschätzung hat in seiner 25. Sitzung am 17. Januar
2007 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4111

Bericht des Abgeordneten Peter Friedrich

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Anträge auf Drucksachen
16/3615 und 116/3616 in seiner 71. Sitzung am 1. Dezember
2006 in erster Lesung beraten und zur federführenden Bera-
tung an den Ausschuss für Gesundheit überwiesen. Außer-
dem hat er sie zur Mitberatung an den Auswärtigen Aus-
schuss, den Innenausschuss, den Ausschuss für Arbeit und
Soziales, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe, den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung, den Ausschuss für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung sowie den Haushaltsaus-
schuss überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD und die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Bekämp-
fung der Immunschwächekrankheit Aids in Deutschland
wirksamer bekämpfen. Sie haben dazu jeweils einen Antrag
vorgelegt. Der Deutsche Bundestag sollte sich damit anläss-
lich des Weltaidstages am 1. Dezember 2006 beschäftigen.

Zu Nummer 1

Die Koalitionsfraktionen fordern in ihrem Antrag auf Druck-
sache 16/3615 die Bundesregierung auf, den im Koalitions-
vertrag angekündigten Aktionsplan zur Bekämpfung von
HIV-Infektionen und Aids-Erkrankungen gemeinsam mit
Ländern, Kommunen und Verbänden in der ersten Hälfte des
kommenden Jahres vorzulegen und umzusetzen. Zudem soll
im Bereich HIV/Aids die Zusammenarbeit mit osteuropäi-
schen Staaten unter der Federführung des Bundesministeri-
ums für Gesundheit weiter gebündelt werden. Unter die Lu-
pe genommen werden sollen laut Koalitionsfraktionen auch
die bisherigen Präventionsansätze. An Orten sexueller Be-
gegnung müssten zudem kostenlos Kondome und Gleitmit-
tel sowie Informationen über sichere Sexualpraktiken bereit-
gestellt werden.

Zu Nummer 2

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich in ih-
rem Antrag auf Drucksache 16/3616 dafür ein, die Präven-
tionsanstrengungen angesichts gestiegener Neuinfektionsra-
ten zu intensivieren. Insbesondere müssten die Kürzungen
auf der Ebene der Länder und Kommunen zurückgenommen
werden. Die Fraktion wendet sich ausdrücklich gegen eine
Zensur der Internetinformationsangebote der Aids-Hilfen.
Auch über Risikovermeidung bei nicht allgemein üblichen
Sexualpraktiken müsse leicht verständlich und anschaulich
aufgeklärt werden. Im Rahmen der sozialen Sicherungssys-
teme sollen die besonderen Lebensumstände der Menschen
mit HIV und Aids berücksichtigt werden sowie rechtliche

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 33. Sitzung
am 17. Januar 2007 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen FDP und DIE LINKE. empfohlen, den Antrag
auf Drucksache 16/3615 anzunehmen. Ferner hat er mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 16/3616 abzulehnen.

Der Innenausschuss hat in seiner 28. Sitzung am 17. Januar
2007 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag auf Drucksache
16/3615 anzunehmen. Ferner hat er mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 16/3616
abzulehnen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 38. Sit-
zung am 17. Januar 2007 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen FDP und DIE LINKE. empfohlen, den Antrag
auf Drucksache 16/3615 anzunehmen. Ferner hat er mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 16/3616 abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 26. Sitzung am 17. Januar 2007 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP emp-
fohlen, den Antrag auf Drucksache 16/3615 anzunehmen.
Ferner hat er mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den
Antrag auf Drucksache 16/3616 abzulehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 25. Sitzung am 17. Januar 2007 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE.
empfohlen, den Antrag auf Drucksache 16/3615 anzuneh-
men. Ferner hat er mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN emp-
fohlen, den Antrag auf Drucksache 16/3616 abzulehnen.
Aids-Erkrankung aus Ländern ohne Behandlungsmöglich-
keiten nicht dorthin abgeschoben würden.

GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und
DIE LINKE. empfohlen, den Antrag auf Drucksache 16/

Drucksache 16/4111 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3615 anzunehmen. Ferner hat er mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Antrag auf Drucksache 16/3616 abzulehnen.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat in seiner 29. Sitzung am 17. Januar 2007
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 16/3615 anzunehmen. Ferner hat er mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 16/3616 abzulehnen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 35. Sitzung am 17. Ja-
nuar 2007 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen,
den Antrag auf Drucksache 16/3615 anzunehmen. Ferner hat
er mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 16/3616 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Beratung beider
Anträge in seiner 39. Sitzung am 17. Januar 2007 aufgenom-
men und abgeschlossen. Als Ergebnis empfiehlt er mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE., den
Antrag auf Drucksache 16/3615 anzunehmen. Ferner emp-
fiehlt er mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag auf
Drucksache 16/3616 abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU verwies auf die seit einigen
Jahren – auf vergleichsweise niedrigem Niveau – dramatisch
steigenden Neuinfektionsraten. Vor diesem Hintergrund be-
grüßten sie, dass es bereits am 1. Dezember 2006 zum Welt-
aidstag eine Debatte im Deutschen Bundestag gegeben habe,
in der nicht nur die Situation in Afrika und den Entwick-
lungsländern Thema gewesen sei, sondern zum ersten Mal
seit vielen Jahren auch die Entwicklung in Deutschland. In
ihrem Antrag hätten die Koalitionsfraktionen deshalb Forde-
rungen an die Bundesregierung aufgenommen. Diese beträ-
fen u. a. den Aktionsplan, der nun bald vorgestellt werden
solle und mit dem gemeinsam mit Ländern, Kommunen und
Verbänden geeignete Maßnahmen umgesetzt werden sollten.
Glücklicherweise scheine es gelungen zu sein, die Arbeit mit
den osteuropäischen Partnerländern über das Bundesminis-
terium für Gesundheit zu koordinieren und die erfolgreiche
Präventionsarbeit in Deutschland nach Osteuropa weiterzu-
geben. Gefordert werde aber – vor allem mit Blick auf die
jüngere Generation, Migranten und bestimmte Szenen –
auch ein konstruktiv kritischer Dialog über Präventionsar-
beit in Deutschland. Eine weitere Forderung betreffe die Ver-

zwischen den beiden Anträgen bestehe in der notwendigen
Aufforderung an die Bundesregierung, in zwei Jahren einen
Bericht vorzulegen, der sich mit der freiwilligen Präventi-
onsverpflichtung von Anbietern von Orten sexueller Begeg-
nung beschäftige. Wenn die freiwillige Verpflichtung nicht
genüge, müssten rechtliche Regelungen geprüft werden. Da-
bei sollten auch die Erfahrungen der Schweiz und Österreich
mit der Verschärfung des Strafrechts einbezogen werden. Es
gehe nicht um eine Kriminalisierung des Einzelnen, sondern
handhabbare Regelungen zur Eindämmung der kommerziel-
len Angebote von ungeschütztem Sex, die eine fahrlässige
Gefährdung der Verbreitung sexuell übertragbarer Krankhei-
ten darstellten. Da sich Vertreter der Bundesregierung wie-
derholt mit der HIV-/Aids-Problematik beschäftigt hätten
und das Thema hochrangig wahrgenommen werde, sei die
Bestellung eines Aids-Beauftragten nicht notwendig.

In der Beratung stellte die Fraktion der SPD fest, dass
die Intention des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zu begrüßen sei. In der Ausführung gebe es jedoch
Mängel: So laufe der Antrag auf eine positive Diskriminie-
rung HIV-/Aids-Infizierter hinaus. Es könne nicht sein, dass
im Bereich der sozialen Sicherung eine Sonderbehandlung
für diese Gruppe gegenüber z. B. Hepatitis-C-Infizierten
oder anderen Personen mit chronischen Infektionen erfolge,
die lange keine Krankheitszeichen zeigten, aber eine lang-
fristig schlechte Prognose hätten. Dies gelte auch für die For-
derung betreffend Flüchtlinge mit HIV-/Aids-Infektionen.
Auch dort gebe es andere Erkrankungen, bei denen man ähn-
lich argumentieren müsste. Die kontrollierte Heroinvergabe
werde zwar von der Fraktion der SPD ebenfalls angestrebt,
aber es sei kein Geheimnis, dass es in dieser Frage noch ko-
alitionsinternen Abstimmungsbedarf gebe. Die vorgetragene
Kritik an den Formulierungen betreffend eine Verschärfung
des Strafrechts sei hingegen nicht nachvollziehbar, da der
Bundesregierung zunächst lediglich ein Prüfauftrag erteilt
werde. Zudem unterstützten z. B. in Österreich auch die
Selbsthilfe und die Aids-Hilfe die fraglichen strafrechtlichen
Änderungen. Der Hinweis auf eine stärkere Berücksich-
tigung der HIV-/Aids-Problematik in der Ausbildung der
Diplomaten sei vor dem Hintergrund der internationalen
Dimension angebracht. Einige Länder hätten sogar Sonder-
botschafter mit ausschließlicher Zuständigkeit für dieses
Thema ernannt, aber so weit habe man hier nicht gehen wol-
len. Für die Kohortenforschung, bei der Deutschland füh-
rend sei, wünsche man sich fraktionsübergreifend Unterstüt-
zung, wenn es um die Verstetigung gehe. Man müsse über
den jetzigen Projektförderstatus und die Förderzyklen hin-
wegkommen, um Datensätze und Beobachtungen über lange
Zeiten hinweg machen zu können.

Die Fraktion der FDP erläuterte, bei der Abstimmung über
den Antrag der Koalitionsfraktionen enthalte man sich zwar
der Stimme, aber die Ablehnungsgefühle seien stark, vor
allem mit Blick auf die Überlegungen zur Verschärfung des
Strafrechts. Der Weg der Information und der Eigenverant-
wortung müsse stärker herausgestellt werden. Ferner sei der
Antrag vornehmlich auf Wirtschaft und Forschung bezogen
und deswegen zu eng gefasst. Die Drogensuchtproblematik
und das Thema Prostitution fänden nicht die nötige Auf-
merksamkeit. Zudem werde zwar in der Begründung auf
Osteuropa verwiesen, aber grenzüberschreitende konkrete
stetigung und Unterstützung der im weltweiten Vergleich
hervorragenden Kohortenforschung. Der Hauptunterschied

Ansätze fänden sich im Antrag kaum. Die Herausstellung
der Ausbildung von Diplomaten schließlich sei erklärungs-

Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/4111

bedürftig. Die Forderungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN nach Sonderregelungen für Aids-Kranke in den
sozialen Sicherungssystemen seien aus den von der Fraktion
der SPD bereits genannten Gründen problematisch, so dass
dieser Antrag abgelehnt werde.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, sie unterstützten den
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN inhaltlich
voll. Das in Deutschland geschaffene kulturelle Klima, in
dem ein diskriminierungsfreier Umgang mit HIV/Aids All-
tag und Realität sei, müsse weitergeführt werden. Die Ent-
wicklung in Deutschland werde jedoch manchmal zu opti-
mistisch gesehen, und es gebe eine gewisse Verdrängung.
Dies betreffe z. B. den Sextourismus im Baltikum. Ausge-
blendet werde die Verantwortung der Männer, die mit von
Spritzdrogen abhängigen Prostituierten verkehrten. Vor die-
sem Hintergrund müsse das Spektrum der HIV-Prophylaxe
erweitert und der promiskuitive heterosexuelle Sexualbe-
reich einbezogen werden. Ferner fehle in der Bundesregie-
rung ein Aids-Beauftragter als zentrale Ansprechstelle. Die
von der Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNEN hervorgehobenen
Perspektiven würden ausdrücklich unterstützt: HIV-Infizier-
te erreichten zunehmend ein Lebensalter, das berufliche und
medizinische Rehabilitation zu einem wichtigen Auftrag
machten, der zudem eine sozialpolitische und rentenrechtli-
che Dimension habe.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, neben
den im Antrag genannten Forderungen müsse sich die Politik
mit dem Problem beschäftigen, dass kranke Menschen von
den privaten Versicherungen nicht aufgenommen würden
und ihnen z. B. eine zusätzliche private Altersvorsorge nicht
offen stehe. Zudem müsse im Bereich von SGB II und SGB
XII dafür gesorgt werden, dass bei den Betroffenen flexibel
Mehrbedarf anerkannt werde. Auch die Gewährung von
Rehabilitationsmaßnahmen müsse thematisiert werden.
Während die freiwilligen Absprachen mit den Betreibern von
Orten sexueller Begegnung zu begrüßen seien, sei eine Ver-
schärfung des Strafrechts höchst problematisch: Die bisheri-
gen Regelungen reichten aus, und ein Paradigmenwechsel
von der Aufklärung und dem offenen Zugehen auf betroffene
Gruppen hin zu einem Repressionsansatz sei kontraproduk-
tiv. Deshalb müsse der Antrag der Koalitionsfraktionen trotz
der bestehenden Übereinstimmungen abgelehnt werden.
Ihnen sei bewusst, dass die Forderung, rechtliche Vorausset-
zungen für die kontrollierte Vergabe von Diamorphin an
Schwerstabhängige in der Regelversorgung zu schaffen, in
der Koalition kontrovers gesehen werde. Wichtig sei im
Zusammenhang mit HIV/Aids, den Sekundärpräventions-
charakter dieser Form der Versorgung Schwerstabhängiger
mit zu berücksichtigen.

Berlin, den 19. Januar 2007

Peter Friedrich

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