BT-Drucksache 16/4030

Rechtsextreme Verbindungen der Deutschen Burschenschaft

Vom 9. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4030
16. Wahlperiode 09. 01. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Ulla Jelpke, Jan Korte, Dr. Petra Sitte,
Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine
und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Verbindungen der Deutschen Burschenschaft

Fast alle der rund eintausend Verbindungen in der Bundesrepublik Deutschland
gliedern sich in Dachverbände. Zu ihnen gehört auch der Dachverband Deutsche
Burschenschaft (DB), der rund 120 Mitglieder aus Deutschland, Österreich und
der Schweiz umfasst und deren Mitglieder häufig durch intensive Kontakte ins
rechtsextreme Lager auffallen. So wurde jüngst bekannt, dass ein Mitglied der
Gießener Burschenschaft Dresdensia-Rugia und Vizevorsitzender des Ring
Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) als Autor der Zeitung „Junge
Freiheit“ und Vorsitzender der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ in
Erscheinung trat sowie bei Veranstaltungen der sächsischen NPD (vgl. Spiegel
Online vom 22. November 2006). Die Burschenschaft Arminia-Zürich zu
Heidelberg dokumentiert ihre Nähe zur extremen Rechten u. a. durch Vorträge
einschlägiger Kader der rechten Szene: So finden sich in ihrem Semesterpro-
gramm Vorträge von Wolfram Nahrath, heute NPD früher Wiking-Jugend, von
Jürgen Schwab, früher NPD, heute ein Vordenker der Szene und regelmäßiger
Autor im Störtebeker-Netz und schließlich von Andreas Molau, Mitarbeiter der
NPD-Landtagsfraktion in Sachsen und stellvertretender Chefredakteur der
NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“.

Vor einigen Jahren machte die Münchner Burschenschaft Danubia Schlagzeilen
indem sie einem rechtsextremen Straftäter in ihrem Haus Unterschlupf gewähr-
te. Immer wieder laden Mitgliedsverbindungen der Deutschen Burschenschaft
bekannte Rechtsextremisten, wie etwa den Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, in
ihre Häuser als Gastredner ein. Mit Jürgen Gansel ist ein weiterer Burschen-
schafter an prominenter Stelle (MdL in Sachsen) für die NPD tätig.

Diese personellen und inhaltlichen Überschneidungen begründen sich in der
ideologischen Nähe. So vertritt die Deutsche Burschenschaft völkisches Denken
und ein völkisches Verständnis der Nation. Dazu gehören beispielsweise territo-
riale Ansprüche auf die ehemaligen „deutschen Ostgebiete“ sowie die Verharm-
losung der deutschen Kriegsverbrechen. Auch einer fundierten Auseinanderset-
zung mit ihrer Rolle während der nationalsozialistischen Vergangenheit
verweigert sie sich bis heute und betreibt eine verharmlosende Darstellung der

NS-Vergangenheit.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung in den häufigen Auftritten von Vertretern der
extremen Rechten in Häusern von Mitgliedsbünden der DB Anzeichen für
eine inhaltliche Nähe der DB zur extremen Rechten, und wie begründet sie
ihre Auffassung?

Drucksache 16/4030 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. a) Weshalb findet im Verfassungsschutzbericht 1995 „der Vollständigkeit
halber“ (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 9. August 1996 auf die
Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS
auf Bundestagsdrucksache 13/5404) eine Erwähnung der Deutschen Bur-
schenschaft statt und in darauf folgenden Berichten nicht mehr (bitte mit
Begründung)?

b) In welchen Berichten der Ämter für Verfassungsschutz (Bund und Länder)
wurde die DB seit 1995 erwähnt, und was waren bzw. sind die Gründe für
die Beobachtung?

c) Falls die DB unter verfassungsschutzrechtlicher Beobachtung steht oder
stand, warum findet sie keine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht?

d) Wie viele Mitglieder der DB werden derzeit durch den Verfassungsschutz
beobachtet?

e) Welche einzelnen Bünde der DB stehen derzeit unter Beobachtung des
Verfassungsschutzes?

f) Stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz oder einzelne Landesverfas-
sungsschutzämter die Deutsche Burschenschaft oder einzelne Mitglieder
der Deutschen Burschenschaft als rechtsextremistisch und/oder gewalt-
bereit ein?

Falls ja, inwiefern?

Falls nein, warum nicht?

g) Welche Rolle spielt die „Burschenschaftliche Gemeinschaft“ innerhalb der
DB?

3. Hat die Bundesregierung Informationen über Verbindungen bzw. Kontakte
zwischen Teilen der DB und als rechtsextremistisch eingestuften Personen
bzw. Organisationen oder Parteien wie beispielsweise die NPD?

Wenn ja, welche sind dies (bitte nach Möglichkeit konkret aufschlüsseln)?

Wie viele DB-Angehörige sind auch Mitglieder in rechtsextremen Vereini-
gungen?

Wie viele Führungspersonen und Mitglieder der rechtsextremen Parteien sind
Mitglieder in der DB?

Wie viele Mitglieder der rechtsextremen Parteien und Vereinigungen sind
Alte Herren?

4. a) Wird die Bundesregierung auch weiterhin offizielle Regierungsvertreter
zum alljährlich in Eisenach stattfindenden so genannten Burschen- und
Altherrentag schicken?

Falls ja, wie vereinbart die Bundesregierung dies mit den jüngsten Vor-
würfen gegenüber einzelnen Mitgliedsverbindungen?

b) Erwartet die Bundesregierung eine eindeutige Abgrenzung der DB von
rechtsextremen Tendenzen einzelner Bünde bevor sie wieder Vertreter zu
offiziellen Veranstaltungen der DB schickt, und hat sie dies der DB mitge-
teilt oder bewertet die Bundesregierung die rechtsextremen Überschnei-
dungen einzelner Bünde der DB als unproblematisch?

5. Steht nach Auffassung der Bundesregierung das Antidiskriminierungsgesetz
mit der Tatsache in Konflikt, dass die DB Frauen, jungen Menschen mit
Migrationshintergrund oder ohne deutschen Pass und Zivildienstleistenden
die Aufnahme verweigert, und wie begründet sie ihre Auffassung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4030

6. a) Welche Aktivitäten gibt es von Seiten der Bundeszentrale für Politische
Bildung, um über die Nähe von Burschenschaften zu rechtsextremis-
tischen Strukturen aufzuklären bzw. welche sind geplant?

b) Plant die Bundesregierung eigene Aufklärungsprogramme bzw. -kampa-
gnen in dieser Hinsicht?

Falls ja, in welcher Form und wann ist mit diesen zu rechnen?

Falls nein, warum nicht?

c) Plant die Bundesregierung in diesem Sinne eine Zusammenarbeit mit
dem studentischen Dachverband „freier zusammenschluss von student-
Innenschaften“ (fzs)?

Falls ja, inwiefern?

Falls nein, warum nicht?

d) Sind der Bundesregierung Programme von Landesregierungen bekannt,
die an den Hochschulen über das Verbindungswesen aufklären?

Falls ja, welche Programme sind das, und in welchen Ländern werden sie
durchgeführt?

7. a) Wie hat sich die Zahl der Mitglieder in der DB in den letzten Jahren ent-
wickelt?

b) Gibt es in der Mitgliederentwicklung der DB Unterschiede zwischen Ost
und West?

Falls ja, welche sind dies?

c) Wie bewertet die Bundesregierung die Mitgliederentwicklung der DB?

8. a) Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Anteil der so genannten Alten
Herren der DB unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den
Ministerien ein?

b) Gibt es hierbei in der Höhe signifikante Unterschiede zwischen einzel-
nen Ministerien?

9. a) Wie bewertet die Bundesregierung die in diesem Jahr beim „Burschen-
und Altherrentag“ der DB in Eisenach gehaltenen Redebeiträge und
Beschlüsse?

b) Gab es im Verlauf der letzten Jahre aus Sicht der Bundesregierung
wesentliche Änderungen bei der inhaltlichen Ausrichtung des „Bur-
schen- und Altherrentages“ der DB?

10. a) Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer verzeichnete der auch in die-
sem Jahr in Eisenach stattgefundene „Burschen- und Altherrentag“ der
Deutschen Burschenschaft?

b) Wie hat sich die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am „Bur-
schen- und Altherrentages“ in Eisenach in den letzten 10 Jahren entwi-
ckelt?

c) Wie viele dieser Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren nach Kenntnis
der Bundesregierung in diesem und in den letzten Jahren Abgeordnete
oder Mitglieder des Deutschen Bundestages bzw. Vertreterinnen oder
Vertreter der Bundesregierung?

11. Steht der „Burschen- und Altherrentag“ der DB unter verfassungsschutz-
rechtlicher Beobachtung?

Falls ja, welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dadurch gewonnen?
Falls nein, warum nicht?

Drucksache 16/4030 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
12. a) Ist der Einfluss von Verbindungen an den Hochschulen aus Sicht der
Bundesregierung auch auf fehlende bzw. zu geringe öffentliche Angebo-
te im sozialen und kulturellen Bereich für Studierende (z. B. günstiger
Wohnraum, kulturelle Angebote, Beratungsdienstleistungen etc.) zu-
rückzuführen (bitte mit Begründung)?

b) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus – auch in Hin-
blick auf die Zusammenarbeit mit den Ländern?

13. Inwiefern waren die Bemühungen des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend erfolgreich, eine Richtigstellung der Behaup-
tung der Deutschen Burschenschaft (DB) zu erreichen, wonach diese För-
dergelder des betreffenden Ministeriums erhalte (vgl. Antwort der Bundes-
regierung auf die schriftliche Einzelfrage der Abgeordneten Cornelia Hirsch
auf Bundestagsdrucksache 16/1386 zu Frage 16, Seite 13)?

Berlin, den 15. Januar 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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