BT-Drucksache 16/3947

Straf- und Ermittlungsverfahren nach § 129, § 129a und § 129b StGB im Jahr 2005

Vom 20. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3947
16. Wahlperiode 20. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Kersten Naumann und der Fraktion
DIE LINKE.

Straf- und Ermittlungsverfahren nach § 129, § 129a und § 129b StGB im Jahr 2005

Der seit August 1976 bestehende § 129a Strafgesetzbuch (StGB) (Mitglied-
schaft, Werbung und Unterstützung einer „terroristischen Vereinigung“) ist
ebenso wie der § 129 StGB („kriminelle Vereinigung“) schon lange umstritten.
Strafverteidiger-Vereinigungen, Menschen- und Bürgerrechtsgruppen fordern
seit Jahren die ersatzlose Abschaffung dieses Strafparagrafen.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Zum Komplex Strafverfahren wegen „linksterroristischer“ und hiermit in
unmittelbaren Zusammenhang stehender Straftaten (inkl. Unterstützung und
Werbung) im Jahr 2005

1. a) Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Beschuldigte wurden
wegen derartiger Taten entweder vom Generalbundesanwalt eingeleitet
oder von den einleitenden Länder-Staatsanwalten an diesen abgegeben?

b) In wie vielen Fällen wurde gegen wie viele Beschuldigte (nur/auch) nach
§ 129a StGB ermittelt?

c) In wie vielen Verfahren wurde gegen wie viele Beschuldigte (nur/auch)
nach § 129a StGB ermittelt?

d) In wie vielen Fällen hiervon lautete der Vorwurf jeweils „Unterstützung“
einer terroristischen Vereinigung bzw. „Werbung“ für eine terroristische
Vereinigung?

e) Wie viele der von der Bundesanwaltschaft eingeleiteten Verfahren wur-
den später wieder an die Länder-Staatsanwaltschaften abgegeben?

f) Wie viele der in a) bis d) Beschuldigten waren

aa) jünger als 20 Jahre?

bb) zwischen 20 und 30 Jahre alt?

cc) zwischen 30 und 40 Jahre alt?

dd) älter als 40 Jahre?

g) In wie vielen dieser Fälle erfolgte

aa) Ein Versuch der Anwerbung bzw. des Einsatzes von V-Leuten?

bb) Ein Versuch zur Gewinnung von Kronzeugen gegen die Beschuldig-
ten?

Drucksache 16/3947 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

cc) Die Überwachung der Telekommunikation oder Post der Beschul-
digten und ihr Umfeld?

h) Wie viele Personen, Telekommunikationsanschlüsse bzw. (elektronische)
Postadressen waren von den unter cc) genannten Maßnahmen betroffen
(bitte aufschlüsseln)?

i) Wie viele Hausdurchsuchungen fanden im Rahmen dieser Ermittlungs-
verfahren statt, wie viele Haushalte/Personen waren davon betroffen, und
was wurde beschlagnahmt?

2. In wie vielen Fällen wurde gegen wie viele Personen insgesamt Untersu-
chungshaft verhängt,

a) davon mit Haftgrund (§ 112 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)?

b) mit Haftgrund nach § 112 Abs. 3 StPO?

c) Wie lange dauerte jeweils die Untersuchungshaft (Monate/über ein Jahr)?

d) Wie viele der Betroffenen wurden später freigesprochen, zu Geldstrafe,
zu Freiheitsstrafe auf Bewährung und zu Freiheitsstrafe ohne Bewährung
(Jahre/Monate) verurteilt?

e) Wie viele der Betroffenen in a) bis d) waren

aa) jünger als 20 Jahre alt?

bb) 20 bis 30 Jahre alt?

cc) 30 bis 40 Jahre alt?

dd) über 40 Jahre alt?

3. a) In wie vielen Fällen kam es zur Einstellung der Ermittlungsverfahren
durch die Staatsanwaltschaft insgesamt?

b) In wie vielen Fällen davon waren jeweils ausschließlich bzw. auch nach
§ 129a StGB geführte Verfahren betroffen?

c) Wie viele dieser Verfahren fußten jeweils auf dem Vorwurf der Mitglied-
schaft, Unterstützung oder Werbung (bitte aufschlüsseln nach den bei
1. und 2. genannten Arbeitsgruppen)?

4. a) In wie vielen Fällen erfolgte insgesamt Anklage?

b) Gegen wie viele Angeklagte wurde Anklage erhoben?

c) In wie vielen Fällen gegen wie viele Angeklagte wurde jeweils

aa) nur nach § 129a StGB angeklagt,

bb) auch nach § 129a StGB angeklagt?

d) Wie viele Verfahren gegen wie viele Angeklagte jeweils betrafen in den
beiden letztgenannten Kategorien jeweils die Kategorie Mitgliedschaft,
Unterstützung, Werbung?

5. a) In wie vielen Fällen wurden die Anklagen zugelassen und das Hauptver-
fahren eröffnet?

b) Mit welchen Abweichungen, insbesondere bezüglich des Vorwurfs nach
§ 129a StGB?

c) In wie vielen Fällen kam es aus welchen Gründen zu gerichtlichen Ein-
stellungen?

6. a) Wie viele Urteile gegen wie viele Personen sind ergangen (unterschieden
nach rechtskräftig/nicht rechtskräftig)?

b) Wie viele Freisprüche gab es?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3947

c) Wie viele Verurteilungen erfolgten insgesamt?

aa) Wie viele Verurteilungen erfolgten jeweils nur oder auch nach
§ 129a StGB?

bb) Wie viele der unter aa) genannten Verurteilungen erfolgten jeweils
wegen Mitgliedschaft, Unterstützung, Werbung?

d) Bei wie vielen dieser Verurteilungen wurde Geldstrafe verhängt?

e) Wie häufig wurde Jugendstrafe wegen welcher Strafnormen verhängt?

f) Wie viele Freiheitsstrafen wurden wegen welcher Strafnormen ver-
hängt?

aa) Wie hoch war die Strafdauer?

bb) In wie vielen Fällen davon mit Bewährung?

g) In wie vielen Fällen führte verminderte Schuldfähigkeit zu einer Straf-
milderung?

h) Wie verteilten sich die in den Urteilen festgestellten Deliktgruppen pro-
zentual entsprechend der Unterscheidung in Blath/Hobe: „Strafverfah-
ren gegen linksterroristische Straftäter und ihre Unterstützer (1971 bis
1979/80)“, Bonn 1984, S. 8 ff. (Anschläge, gruppenbezogene Handlun-
gen, Unterstützungshandlungen)?

7. a) In wie vielen Fällen wurden insgesamt Rechtsmittel eingelegt?

b) Welche?

c) Von wem (Staatsanwalt/Verteidigung)?

d) Jeweils mit welchem Erfolg?

8. In wie vielen Fällen wurden Verteidiger von der Wahrnehmung der Vertei-
digung vom Gericht ausgeschlossen, und mit welcher Begründung?

9. a) In wie vielen Fällen wurden gemäß Frage 6 verurteilte Strafgefangene
mit welchem Strafmaß insgesamt vorzeitig aus der Haft entlassen?

b) Nach welchen Vorschriften bzw. aufgrund welchen Akts?

c) Nach Verbüßung welcher Strafzeit?

10. Welche materiellen Sachschäden, berufliche Schäden sind Betroffenen die-
ser Ermittlungsverfahren, gegen die im späteren Gang der Ermittlungen das
Verfahren entweder eingestellt wurde oder die freigesprochen wurden, bei
diesen Razzien, Observationen, Hausdurchsuchungen etc. entstanden?

11. Wie lange werden die Daten der in diesen Ermittlungsverfahren erfassten
Beschuldigten wo aufbewahrt?

12. Wie ist der Umgang mit personenbezogenen Daten aus Dateien und Datei-
verbünden, die der Verdachtsgewinnung (im Rahmen der Gefahrenabwehr)
dienen, insbesondere freigesprochene Beschuldigte betreffend?

II. Wie lauten die entsprechenden Antworten zu den Fragen I. 1. bis 10., bezo-
gen auf den Komplex Strafverfahren wegen „rechtsterroristischer“ und hiermit
in unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten im Jahr 2005?

III. Wie lauten die entsprechenden Antworten zu den Fragen I und II, bezogen
auf die an die Länder abgegebenen und dort fortgeführten Strafverfahren (aus-
drücklich in Kenntnis und unter Berücksichtigung der nur teilweisen Rückmel-
dungen aus den Ländern)?

Drucksache 16/3947 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
IV. Wie lauten die Antworten zu den Fragen des Komplexes I, bezogen auf
Verfahren gemäß § 129 StGB (kriminelle Vereinigung)

1. insgesamt,

2. politischen Inhalts, insoweit als in diesen durch die politischen Abteilungen
der Staatsanwaltschaften bzw. durch den Generalbundesanwalt ermittelt
und/oder vor einer Staatsschutzkammer verhandelt wurde?

V. Wie lauten die Antworten zu den Fragen des Komplexes I, bezogen auf die
Verfahren gemäß § 129b (kriminelle und terroristische Vereinigung im Aus-
land) jeweils?

VI. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der zum Teil er-
heblichen materiellen und immateriellen beruflichen und öffentlichen Schäden
bei den Betroffenen solcher Ermittlungsverfahren und dem hohen Anteil der
mit Freispruch oder Einstellung beendeten Ermittlungen die Folgen dieser
Strafparagrafen?

Hält die Bundesregierung bei den Ermittlungen nach § 129 und § 129a StGB
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für gewahrt?

Berlin, den 19. Dezember 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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