BT-Drucksache 16/3920

Ausgleichsleistungen im Bereich der Schülerbeförderung

Vom 15. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3920
16. Wahlperiode 15. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Peter Hettlich
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausgleichsleistungen im Bereich der Schülerbeförderung

Ausgleichsleistungen für die Beförderung von Schülern im öffentlichen Perso-
nennahverkehr nach § 45a des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) sind
insbesondere im ländlichen Raum, wo der Schülerverkehr den Hauptteil der
Fahrgäste ausmacht, wichtige Einnahmequellen für die Anbieter öffentlicher
Verkehrsleistungen, die daher erheblichen Einfluss auf Fahrplan- und Preisge-
staltung der Anbieter haben. Bei der Preisgestaltung soll ein Spannungsverhält-
nis eingehalten werden. Schülerzeitkarten sollen etwa drei Viertel einer Er-
wachsenenzeitkarte kosten. Der Ausgleich für den Unternehmer errechnet sich
aus der Hälfte des Unterschiedes zwischen Sollkosten und Fahrkartenerlös. Die
Sollkosten werden nach einem festgelegten Verfahren errechnet und liegen in
der Regel über den tatsächlichen Kosten. Da die Sollkosten auch höher liegen
als die Einnahmen einer Erwachsenenzeitkarte, erhalten Unternehmer pro
Schüler mehr Einnahmen als pro Erwachsenem. Das führt dazu, dass dort, wo
Schüler in der Überzahl bei den Fahrgästen sind, das Fahrtenangebot auf sie op-
timiert wird. Andere Fahrgastgruppen und Fahrgastzwecke werden weiter zu-
rückgedrängt. Die Ausgleichsleistungen für die Beförderung von Schülern sind
einer von vielen Finanzierungspfaden des öffentlichen Personennahverkehrs.
Seit Einführung des Ausgleichs hat sich die Praxis der Ausgleichsgewährung
vom ursprünglich mit der Gewährung verbundenen Zweck zumindest teilweise
entfernt. Ziel von Ausgleichsleistungen soll sein, mehr Fahrgäste zu gewinnen.
In der Realität hat die Art der Ausgleichsgewährung aber dazu geführt, dass
nicht immer die Fahrgastzahl optimiert wurde, sondern der Zugriff auf Aus-
gleichsleistungen. Dies kann man unter anderem an der laufwegverlängernden
Liniengestaltung feststellen. Dass die Ausgleichsgewährung überarbeitungsbe-
dürftig ist, zeigt die teilweise Neuordnung der Finanzierungswege im ÖPNV-
Gesetz Brandenburgs. Der Freistaat Bayern plant für das Jahr 2008 eine Re-
form mit der Zielsetzung, das Abrechnungssystem einfacher und transparenter
zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung das Ergebnis der Untersuchung „Finanz-

hilfen für den öffentlichen Straßenpersonenverkehr: Eine Erfolgskontrolle
für die Bundesrepublik Deutschland“, die nachgewiesen hat, dass die Erhö-
hung der Ausgleichsleistungen gemäß § 45a PBefG einen preissenkenden
Effekt hat, da die Ausgleichsleistung wegen des Spannungsverhältnisses
zwischen Schüler- und Vollzahlerzeitfahrausweisen Auswirkungen auf das
gesamte Preisniveau hat?

Drucksache 16/3920 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Wie beurteilt die Bundesregierung das Ergebnis der gleichen Untersu-
chung, die nachgewiesen hat, dass die Senkung der Ausgleichsleistungen
gemäß § 45a PBefG einen preissteigernden Effekt hat, da die Ausgleichs-
leistung wegen des Spannungsverhältnisses zwischen Schüler- und Voll-
zahlerzeitfahrausweisen Auswirkungen auf das gesamte Preisniveau hat?

3. Wie hat sich der Anteil der Ausgleichsleistungen gemäß § 45a PBefG an
den realen Gesamteinnahmen des Linienverkehrs bundesweit und in den
einzelnen Bundesländern prozentual und absolut seit Einführung des Aus-
gleichstatbestandes entwickelt?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung, dass von Ausgleichs-
leistungen gemäß § 45a PBefG falsche Anreize ausgehen, weil der Aus-
gleichsbetrag gemäß § 45a PBefG die durch eine Preiserhöhung erwirt-
schafteten Mehreinnahmen um die Hälfte senkt?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Verkehrsunterneh-
men eher geneigt sein könnten, ihren Umsatz durch das Ausschöpfen von
Ausgleichsleistungen bzw. mit dem Drehen an den Stellschrauben des
Schülerbeförderungsausgleichs zu erwirtschaften, als kostendeckendere
Preise zu verlangen oder andere kostendeckungsgradsteigernde Maßnah-
men zu ergreifen?

6. Welche Sollkostensätze wenden die einzelnen Bundesländer beim Aus-
gleich gemäß § 45a PBefG an?

7. Wie erklärt sich die Bundesregierung die unterschiedliche Höhe der Soll-
kostensätze in den einzelnen Bundesländern?

8. Sind der Bundesregierung neben dem Bericht des Bayerischen Obersten
Rechnungshofes aus dem Jahr 1999, in dem Überförderungen im Bereich
des § 45a PBefG um das bis zu Dreizehnfache ermittelt wurden, weitere
Berichte von Landesrechnungshöfen zur Ausgleichspraxis der Länder im
Bereich des § 45a PBefG mit welchen Ergebnissen bekannt?

9. Wie steht die Bundesregierung zur Einführung einer Rückholklausel für
den im SGB IX geregelten Ausgleich für die Beförderung von Schwer-
behinderten analog zu der im Gesetzentwurf zur Änderung des Personenbe-
förderungsgesetzes und des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) (Bun-
destagsdrucksache 16/1039) vorgesehenen Rückholklausel im PBefG und
AEG?

10. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, auf die gesonderte Aus-
gleichszahlung gemäß § 45a PBefG zugunsten einer Abgeltung über Ver-
kehrsverträge zwischen Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen zu
verzichten, die dadurch entstehenden Einsparungen der Länder durch Ver-
schiebung des Umsatzsteueranteils zwischen Ländern und dem Bund zu
kompensieren und die erhöhten Ausgaben der Aufgabenträger über eine
Erhöhung der an die Aufgabenträger weiterzureichenden Regionalisie-
rungsmittel auszugleichen?

11. Welche Bundesländer haben nach Kenntnis der Bundesregierung von der
Möglichkeit, die Zahl der schulnotwendigen Tage zu senken, in welchem
Umfang Gebrauch gemacht?

12. In welchem Umfang fand eine Evaluation der Ausgleichsgewährung im
Bereich der Schülerbeförderung seitens des Bundes statt?

13. Welche Ergebnisse hatte diese Evaluation?

Berlin, den 15. Dezember 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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