BT-Drucksache 16/3849

1. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -15/6014- Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland - Zwölfter Kinder- und Jugendbericht - und Stellungnahme der Bundesregierung 2. zu dem Entschließungsantrag Fraktion DIE LINKE. 16/827- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -15/6014- Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland - Zwölfter Kinder- und Jugendbericht - und Stellungnahme der Bundesregierung 3. zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD -16/2754- Öffentliche Verantwortung wahrnehmen - mit fairen Chancen Kinder stark machen 4. zu dem Antrag der der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/817- Neue Chancen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche in Deutschland 5. zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. -16/2077- Kinderzuschlag sozial gerecht gestalten - Kinderarmut wirksam bekämpfen

Vom 14. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3849
16. Wahlperiode 14. 12. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

1. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 15/6014 –

Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die
Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland
– Zwölfter Kinder- und Jugendbericht –
und
Stellungnahme der Bundesregierung

2. zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Diana Golze, Jörn
Wunderlich, Elke Reinke, Klaus Ernst und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/827 –

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 15/6014 –

Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die
Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland
– Zwölfter Kinder- und Jugendbericht –
und
Stellungnahme der Bundesregierung

3. zu dem Antrag der Abgeordneten Thomas Dörflinger, Thomas Bareiß,
Antje Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Clemens Bollen,
Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 16/2754 –

Öffentliche Verantwortung wahrnehmen – mit fairen Chancen Kinder stark machen

Drucksache 16/3849 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Kai Gehring, Grietje Bettin,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/817 –

Neue Chancen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche in Deutschland

5. zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Dr. Barbara Höll, Karin Binder,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/2077 –

Kinderzuschlag sozial gerecht gestalten – Kinderarmut wirksam bekämpfen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3849

A. Problem

Gemäß § 84 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (Achtes Buch Sozialgesetz-
buch – SGB VIII) ist die Bundesregierung verpflichtet, dem Deutschen Bundes-
tag und dem Bundesrat in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die Lage
junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Ju-
gendhilfe vorzulegen. Neben der Bestandsaufnahme und Analyse soll der Be-
richt Vorschläge zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe enthalten. Jeder dritte
Bericht soll einen Überblick über die Gesamtsituation der Kinder- und Jugend-
hilfe enthalten.

Ein solcher Überblick wurde zuletzt mit dem Elften Kinder- und Jugendbericht
gegeben. Der nunmehr vorgelegte Zwölfte Kinder- und Jugendbericht beschäf-
tigt sich dementsprechend mit einem Teilgebiet der Kinder- und Jugendhilfe,
nämlich mit dem Thema Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der
Schule.

Zur Erarbeitung des Berichts hatte die Bundesregierung im Juni 2003 eine Sach-
verständigenkommission unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Thomas Rauschen-
bach eingesetzt. Die Kommission überreichte ihren Bericht im April 2005 der
damaligen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Renate
Schmidt. Diese leitete ihn zusammen mit der Stellungnahme der Bundesregie-
rung im Oktober 2005 dem Deutschen Bundestag zu. In ihren Anträgen auf den
Drucksachen 16/827, 16/817, 16/2077 und 16/2754 setzen sich die Fraktionen
mit diesem wichtigen Grundlagendokument auseinander und stellen ihre jewei-
ligen Schwerpunkte zu den im Bericht erörterten Problemkreisen sowie zu wei-
teren Themen der Kinder- und Jugendpolitik dar.

B. Lösung

In Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 15/6014

1. Ablehnung des Entschließungsantrags auf Drucksache 16/827 mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

2. Annahme des Antrags auf Drucksache 16/2754 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

3. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/817 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

4. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/2077 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
gen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Zu Nummer 1, 3 und 4:

Annahme der genannten Anträge.

Zu Nummer 2:

Ablehnung des Antrags.

D. Kosten

Keine

Drucksache 16/3849 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen, in Kenntnis der Unterrichtung auf Druck-
sache 15/6014

1. den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/827 abzulehnen,

2. den Antrag auf Drucksache 16/2754 anzunehmen,

3. den Antrag auf Drucksache 16/817 abzulehnen,

4. den Antrag auf Drucksache 16/2077 abzulehnen.

Berlin, den 18. Oktober 2006

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Kerstin Griese
Vorsitzende

Thomas Dörflinger
Berichterstatter

Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Berichterstatterin

Jürgen Kucharczyk
Berichterstatter

Wolfgang Spanier
Berichterstatter

Miriam Gruß
Berichterstatterin

Diana Golze
Berichterstatterin

Ekin Deligöz
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3849

Bericht der Abgeordneten Thomas Dörflinger, Marlene Rupprecht (Tuchenbach),
Jürgen Kucharczyk, Wolfgang Spanier, Miriam Gruß, Diana Golze und Ekin Deligöz

I. Überweisung

1. Unterrichtung auf Drucksache 15/6014

Die Unterrichtung wurde in der 22. Sitzung des Deutschen
Bundestages am 9. März 2006 dem Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung
und dem Rechtsausschuss sowie dem Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mit-
beratung überwiesen.

2. Entschließungsantrag auf Drucksache 16/827

Der Entschließungsantrag wurde in der 22. Sitzung des
Deutschen Bundestages am 9. März 2006 dem Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden
Beratung und dem Rechtsausschuss sowie dem Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur
Mitberatung überwiesen.

3. Antrag auf Drucksache 16/2754

Der Antrag wurde in der 54. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 28. September 2006 dem Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung
und dem Rechtsausschuss, dem Ausschuss für Arbeit und
Soziales, dem Ausschuss für Gesundheit, dem Ausschuss für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie dem Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur
Mitberatung überwiesen.

4. Antrag auf Drucksache 16/817

Der Antrag wurde in der 22. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 9. März 2006 dem Ausschuss für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung und
dem Finanzausschuss, dem Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung sowie dem Haus-
haltsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

5. Antrag auf Drucksache 16/2077

Der Antrag wurde in der 54. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 28. September 2006 dem Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung
und dem Finanzausschuss sowie dem Ausschuss für Arbeit
und Soziales zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

1. Unterrichtung auf Drucksache 15/6014

Der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht befasst sich mit dem
Thema Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben
der Schule. Zwei Leitgedanken ziehen sich durch den ge-
samten Bericht: „Bildung von Anfang an“, wobei die Be-
deutung der Bildungsfrage in den ersten Lebensjahren in den
Mittelpunkt gerückt wird, sowie „Bildung ist mehr als
Schule“, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass
Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen weitaus
weniger ortsgebunden sind, als oft unterstellt wird. Das

macht deutlich, dass Lernen diesseits und jenseits der Schule
und des Unterrichts stattfindet.

Der Bericht lässt sich von der Idee leiten, dass künftig öffent-
liche Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote so
organisiert werden müssen, dass dadurch nicht nur ein Auf-
wachsen in einem neuen Zusammenspiel von privater und
öffentlicher Erziehung, von Familie und Kindertagesbetreu-
ung, von Schule und außerschulischen, auch gewerblichen
Angeboten ebenso verlässlich wie qualifiziert möglich wird,
sondern dass dadurch auch nachhaltige familien- und kind-
heitspolitische Effekte zu erwarten sind. Plädiert wird für ein
integriertes Konzept von Bildung, Betreuung und Erziehung
für das gesamte Kinder- und Jugendalter. Bisher habe es den
Anschein, so der Bericht, als seien in Deutschland Betreu-
ung, Erziehung und Bildung doch eher im Nacheinander als
eine aufsteigende Abfolge im kindlichen Lebenslauf konzi-
piert und organisiert. Demgegenüber müsse jedoch „Bildung
von Anfang an“ ebenso zu einem konzeptionellen Anspruch
werden wie „Betreuung und Erziehung“ zu einem integralen
Bestandteil einer auf ganztägige Angebote ausgerichteten
Schule, so dass am Ende beides stimme: „Bildung ist mehr
als Schule“ und „Schule ist mehr als Bildung“.

Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, werden die
drei Begriffe „Bildung“, „Betreuung“ und „Erziehung“ in
dem Bericht deutlicher als bisher in ihren Gemeinsamkeiten,
ihren Besonderheiten und ihren jeweiligen unterschiedlichen
Ausformungen ausformuliert. Wichtig ist dabei insbesonde-
re ein erweitertes Verständnis des Bildungsbegriffs. Er wird
in diesem Bericht als sozialwissenschaftlich fundierter Be-
griff definiert. Unter Bildung ist danach mehr zu verstehen,
als das Wissen, das in der Schule vermittelt wird, sondern der
Bildungsbegriff ermöglicht empirische, nichtnormative Aus-
sagen in Bezug auf konkrete Lebensbereiche, Entwicklungs-
anforderungen, Bewältigungsaufgaben, Gesellungsformen
und Handlungsoptionen. Generell wird herausgehoben, dass
Quantität, aber auch eine gute Qualität im Hinblick auf Bil-
dungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote wichtig sind.

Der Bericht gliedert sich grob zusammengefasst in eine
Einleitung, der sich vier Teile, A bis D, anschließen. Zu
Beginn werden gesellschaftliche Rahmenbedingungen des
Aufwachsens von Kindern und konzeptionelle Grundlagen
bezüglich des Begriffs Bildung dargestellt und daran an-
schließend die Bildungsprozesse im Kindes- und Jugend-
alter beschrieben. Der Bericht setzt sich sodann mit den Bil-
dungsangeboten und Bildungsleistungen im Kindes- und
Jugendalter auseinander. Im Anschluss werden Zukunfts-
perspektiven für ein öffentlich verantwortetes System von
Bildung, Betreuung und Erziehung erläutert.

Abschließend werden die folgenden Empfehlungen zur
Bildung, Betreuung und Erziehung, die sich auf das frühe
Kindesalter und das Schulalter beziehen, sowie Empfeh-
lungen, die im Lichte der Herausforderungen für ein neues
System von Bildung, Betreuung und Erziehung stehen, ab-
gegeben:

Drucksache 16/3849 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Empfehlungen zur Bildung, Betreuung und Erziehung in
der frühen Kindheit

1. Die Möglichkeiten zu Bildung, Betreuung und Erziehung
der Kinder im ersten Lebensjahr innerhalb der Familie
müssen öffentlich unterstützt werden.

2. Der Rechtsanspruch auf eine öffentlich geförderte Kin-
dertagesbetreuung sollte auf Kinder unter drei Jahren
erweitert werden. Dies gilt sowohl für die Kindertages-
betreuung als auch die Tagespflege.

3. Der Rechtsanspruch auf ein Platzangebot in der Kinder-
tagesbetreuung ist auf Ganztagsplätze auszuweiten.

4. Der Bildungsanspruch muss in allen öffentlich verant-
worteten Formen der Kindertagesbetreuung für Kinder
aller Altersgruppen beachtet werden.

5. Frühe Bildungsförderung muss für Kinder unabhängig
von ihrer sozialen Herkunft und ihrer Lebenslage reali-
siert werden.

6. Qualitätssicherung ist eine zentrale Aufgabe in allen For-
men öffentlich verantworteter Kindertagesbetreuung.

7. Es ist ein öffentlich verantwortetes Bildungs- und Quali-
tätsmonitoring im Vorschulalter einzuführen.

8. Das durchschnittliche Schuleintrittsalter von gegenwär-
tig über 6,5 Jahren ist auf 6 Jahre abzusenken.

9. Öffentlich verantwortete Kindertagesbetreuung muss
kostenfrei werden.

Empfehlungen zur Bildung, Betreuung und Erziehung
im Schulalter

1. Die Realisierung eines umfassenden Bildungskonzepts
setzt eine grundlegende Veränderung der Schule sowie
ein Zusammenspiel von Schule und anderen Bildungs-
orten und Lernwelten voraus.

2. Der umfassende gesellschaftliche Anspruch auf Bildung
erfordert ganztägige Angebote für Kinder und Jugend-
liche im Schulalter.

3. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsorte und
Lernwelten muss zu einer erweiterten Kompetenzent-
wicklung beitragen. Schwerpunkt muss die Verknüpfung
unterschiedlicher Bildungsorte und Lernwelten sein.

4. Maßstab des Aus- und Umbaus ganztägiger Angebote
muss die individuelle Förderung von Kindern und
Jugendlichen sein.

5. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsorte und
Lernwelten muss strukturell und personell gesichert wer-
den.

6. Ganztagsschulen und ganztägige Angebote sollten von
multiprofessionellen Teams mit einem aufgabenange-
messenen Qualifikationsprofil aufgebaut und verant-
wortet werden.

7. Die Entwicklung von Ganztagsschulen erfordert eine
größere Selbstständigkeit der Einzelschule und eine stär-
kere Vernetzung im Sozialraum.

Empfehlungen im Lichte der Herausforderungen für ein
neues System von Bildung, Betreuung und Erziehung

Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf das Kindes-
und Jugendalter insgesamt.

1. Das Zusammenspiel und die Abstimmung der Bildungs-,
Betreuungs- und Erziehungsangebote für Kinder und Ju-
gendliche sind zu verbessern.

2. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsakteure
und -gelegenheiten ist sozialräumlich auszugestalten und
in kommunaler Verantwortung zu organisieren.

3. Kommunale Bildungsplanung ist als integrierte Fach-
planung aufzubauen. Verengungen und Begrenzungen
der Teilsysteme Kinder- und Jugendhilfe sowie Schule
sind zugunsten eines konsistenten kommunalen Gesamt-
systems für Bildung, Betreuung und Erziehung zu über-
winden.

4. Kommunale Bildungslandschaften erfordern eine neue
Abstimmung und eine neue Justierung der rechtlichen
Regelungen.

5. Der Ausbau ganztägiger Angebote erfordert zusätzliche
finanzielle Anstrengungen und eine Anpassung der Fi-
nanzierungsstrukturen.

6. Die Aus- und Weiterbildung der pädagogischen Fach-
kräfte muss reformiert werden.

7. Planung und Steuerung muss auf der Basis gesicherten
Wissens erfolgen. Angestrebt werden muss ein systema-
tischer Auf- und Ausbau eines Systems zur Qualitäts-
entwicklung und -steuerung aller Angebote unter Beach-
tung der im vorliegenden Bericht entwickelten Kriterien.

8. Die empirische Bildungsforschung ist auf vor- und außer-
schulische Bereiche auszuweiten. Die Kinder und Ju-
gendhilfestatistik ist über Einrichtungen hinausgehend
auf Personen auszuweiten.

2. Entschließungsantrag auf Drucksache 16/827

Der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. sieht
Bildung, Betreuung und Erziehung in öffentlicher Verant-
wortung, wobei auch die Bedeutung der Jugendarbeit und
Jugendsozialarbeit betont wird. Die Bundesregierung solle
zukünftig ihr politisches Handeln umfassend an den Interes-
sen von Kindern und Jugendlichen ausrichten. So soll sie
nach diesem Antrag ein Konzept gegen Kinderarmut vor-
legen, das für jedes Kind einen individualisierten Anspruch
auf eine existenz- und teilhabesichernde Grundsicherung un-
abhängig vom sozialen Status der Eltern realisiert. Weiterhin
fordert der Antrag ein bedarfsgerechtes Angebot an eltern-
beitragsfreien Kindertagesbetreuungsplätzen und die Steue-
rung des Ausbaus der Ganztagsschulen. Es sollen rechtliche
Grundlagen für ein flächen- und bedarfsgerechtes ganztägi-
ges Schulangebot sowie bundesweite Standards für Bildung
geschaffen werden. Der Antrag betont außerdem, das Kin-
der- und Jugendhilferecht müsse Bundesangelegenheit blei-
ben. Dauerhaft gesichert werden müsse außerschulische
Jugendarbeit genauso wie Jugendarbeit für Toleranz und
Demokratie. Außerdem wendet sich der Antrag gegen ge-
plante Kürzungen im Bereich Bildung, Jugend und Kultur
auf der Ebene der Europäischen Union und fordert die voll-
ständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, ins-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3849

besondere die Rücknahme der bei Ratifizierung der Kon-
vention abgegebenen Vorbehaltserklärung. Schlussendlich
wird die Bundesregierung aufgefordert, ein bedarfsorien-
tiertes Angebot an beruflichen Erstausbildungsplätzen zu
schaffen.

3. Antrag auf Drucksache 16/2754

Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD verfolgt
das Ziel, eine gute Qualität von Bildung, Erziehung und Be-
treuung für Kinder und Jugendliche von Anfang an zu ge-
währleisten. Die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung
und die individuelle Förderung stünden im Mittelpunkt aller
kinder- und jugendpolitischen Maßnahmen der Bundes-
regierung. Der Antrag begrüßt, dass die Bundesregierung
den Zwölften Kinder- und Jugendbericht unter das Motto
„Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der
Schule“ gestellt habe und dass dieser Bericht von einem er-
weiterten, ganzheitlichen Bildungsbegriff ausgehe. Um Kin-
dern und Jugendlichen in einer komplexer werdenden Welt
optimale Bildungsprozesse zu ermöglichen, sei neben der
Erziehung in der Familie immer mehr auch die öffentliche
Erziehung gefragt. Die Trias von Erziehung, Bildung und
Betreuung an allen Lern- und Lebensorten von Kindern und
Jugendlichen müsse verwirklicht und gefördert werden.

Dabei komme der Verbesserung der Situation von benachtei-
ligten jungen Menschen besondere Bedeutung zu. So früh
wie möglich müssten in der kindlichen Entwicklung Risiken
und Gefährdungen erkannt und Fehlentwicklungen durch
wirksame Programme und unterstützende Hilfen vorgebeugt
werden. Der Ausbau der Kinderbetreuung sei von elementa-
rer Bedeutung. Eine qualifizierte frühe Förderung, die die
Erziehung der Eltern ergänze und Bildungsangebote über
das Elternhaus hinaus eröffne, ermögliche Kindern echte
Chancengleichheit in Bildung und Erziehung. Unabdingbar
seien dabei auch der qualitative Ausbau der Tagespflege und
die Weiterentwicklung der Kinderbetreuung. Bei der not-
wendigen Modernisierung des schulischen Lernens komme
der Einrichtung von Ganztagsschulen entscheidende Bedeu-
tung zu. Nicht alle Kinder hätten die gleichen Zugänge zu
Bildung. Dies gelte vor allem für Kinder und Jugendliche
aus sozialen Brennpunkten und mit Migrationshintergrund.
Maßnahmen und Programme müssten gerade auch benach-
teiligte Jugendliche in den Blick nehmen. Eine konsequente
Kooperation zwischen Schulen, Berufsbildungszentren,
Kammern und deren Unternehmen sei die frühestmögliche
und förderliche Chance der Schule, berufliche Perspektiven
kennen zu lernen.

Zukunftweisende Politik für Kinder und Jugendliche werde
ergänzt durch eine ganzheitliche Familienpolitik, die den
Zusammenhalt der Generationen fördere und stärke und da-
mit den Zusammenhalt der gesamten Gesellschaft sichere.
Dafür müsse ein Bündel an Maßnahmen ergriffen werden,
angefangen beim Ausbau der Kindertagesbetreuung, der
Förderung der Erziehungskompetenz, gezielter finanzieller
Unterstützung bis zu einer verbesserten Vereinbarkeit von
Familie und Erwerbstätigkeit in den Unternehmen, um Fa-
milien mehr Zeit zu verschaffen. Es wird weiterhin gefor-
dert, dass dort, wo Eltern nicht mehr in der Lage seien, ihre
Kinder gut zu versorgen, sondern überfordert in eine Spirale
von Isolation, Gewalt, Vernachlässigung und Verwahrlosung
gerieten, Staat und Gesellschaft früher hinschauen und recht-

zeitig dafür sorgen müssten, dass Hilfe zu diesen Kindern
und ihren Eltern komme.

Allgemein wird die Position vertreten, dass alle politischen
Entwicklungen sich daran messen lassen müssen, ob sie den
Interessen und der Entwicklung der nachfolgenden Genera-
tionen gerecht würden, damit dem Wohle von Kindern und
Jugendlichen dienten und den Zusammenhalt der Generatio-
nen und damit der gesamten Gesellschaft förderten und
stärkten. Hierzu habe die Bundesregierung den Nationalen
Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005–
2010“ vorgelegt, der ein themen- und ressortübergreifendes
Programm für eine zukunftsweisende Kinderpolitik dar-
stelle. Er werde einen wesentlichen Beitrag dazu leisten,
Deutschland in den kommenden Jahren an die Spitzengrup-
pe der kinderfreundlichen Länder in Europa heranzuführen.

Der Antrag begrüßt sodann eine Reihe von Maßnahmen, die
in der Kinder- und Jugendpolitik bereits ergriffen wurden
und enthält schließlich einen Katalog von 19 weitergehenden
Forderungen.

4. Antrag auf Drucksache 16/817

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat
zum Ziel, Kindern und Jugendlichen in Deutschland neue
Chancen und Perspektiven zu eröffnen. Es wird hervorgeho-
ben, dass Kinder und Jugendliche die Zukunft der Gesell-
schaft sind. Sie sollten daher in den Mittelpunkt gestellt wer-
den. Ihre Bedürfnisse und Belange sowie die ihrer Eltern
müssten in allen Politikfeldern stärker in den Vordergrund
gerückt werden.

Im Einzelnen wird ausgeführt, die Rahmenbedingungen für
Kinder und Jugendliche sollten verbessert werden, um allen
die Chance auf ein eigenverantwortliches Leben als selbst-
ständiges und geschätztes Mitglied der Gesellschaft zu eröff-
nen. In kaum einem anderen vergleichbaren Land entscheide
die soziale Herkunft so stark über die Bildungs- und
Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen wie in
Deutschland. Es sei vorrangige Aufgabe, Armutsrisiken zu
verringern, die insbesondere für Kinder von Alleinerziehen-
den, Kinder aus Mehr-Kinder-Familien und mit Migrations-
hintergrund bestünden. Kinder und Jugendliche seien Träger
eigener Rechte und nicht das Objekt des Handelns Erwach-
sener. Dieser Ansatz müsse einer modernen, ganzheitlichen
Politik für Kinder und Jugendliche zugrunde gelegt werden.
Er entspreche der UN-Konvention über die Rechte des Kin-
des sowie den Forderungen im nationalen Aktionsplan für
Kinder. Eine verlässliche und hochwertige Infrastruktur zur
Erziehung, Bildung und Betreuung für Kinder sowie eine
entsprechende Unterstützungsstruktur für ihre Eltern seien
unabdingbar. Durch qualifizierte Formen der Kindertages-
betreuung solle elterliche Erziehungsverantwortung nicht
ersetzt, sondern unterstützt und ergänzt werden. Beratungs-
und Unterstützungsangebote für Eltern müssten deshalb
integraler Bestandteil der Ganztagsangebote für Kinder vor
der Schule und im Schulalter werden. Insbesondere der För-
derung in den ersten Lebensjahren komme ein besonderes
Gewicht zu und es bedürfe weiterer Anstrengungen, um zeit-
nah und verbindlich ein bedarfsgerechtes, hochwertiges För-
derangebot für unter Dreijährige zu etablieren, wie es in
zahlreichen vergleichbaren Staaten schon lange selbstver-
ständlich sei. Kinderbetreuungsangebote müssten als Bil-
dungsorte verstanden werden und es müsse gelingen, die

Drucksache 16/3849 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

verschiedenen Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsange-
bote im vorschulischen, schulischen und außerschulischen
Bereich zu einem aufeinander abgestimmten Angebot auszu-
bauen. Mit dem quantitativen Ausbau von Angeboten für
Familien müssten qualitative Verbesserungen einhergehen,
insbesondere die Anhebung der Ausbildung der pädagogi-
schen Fachkräfte auf Hochschulniveau.

Der Antrag enthält schließlich einen Katalog von 26 Forde-
rungen zu diesen Zielen, u. a. nach einem Rechtsanspruch
auf einen qualifizierten Ganztagsbetreuungsplatz ab dem
vollendeten ersten Lebensjahr und nach Umwandlung des
Ehegattensplittings in eine Individualbesteuerung mit über-
tragbarem Höchstbetrag, um die Förderstruktur für Kinder
zu finanzieren.

5. Antrag auf Drucksache 16/2077

In dem weiteren Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf
Drucksache 16/2077 steht das Problem der Kinderarmut im
Vordergrund. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
UNICEF habe ermittelt, dass die Kinderarmut in Deutsch-
land seit 1990 stärker angestiegen sei als in den meisten
anderen Industrienationen. Dieser dramatische Anstieg ver-
lange nach schneller Abhilfe. Politisches Ziel müsse es dabei
sein, die Existenzsicherung von Kindern unabhängig vom
Status der Eltern als Recht des Kindes zu gewährleisten.

Der Antrag fordert daher, Kinder und Jugendliche zukünftig
nicht mehr als Teil der für den Bezug von Regelleistungen
nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch Sozialgesetz-
buch (SGB II und SGB XII) maßgeblichen Bedarfsgemein-
schaften zu werten. Vielmehr solle die Gewährung des
Kinderzuschlags nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes
(BKGG) mit sofortiger Wirkung novelliert werden. Es solle
eine eigenständige soziale Sicherung für Kinder von Eltern
mit geringem Einkommen geschaffen werden. Als erster
Schritt dahin solle für Kinder von Eltern mit geringem bzw.
keinem Einkommen der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG zu
einer ergänzenden Leistung für Kinder ausgebaut werden, da
das Kindergeld nicht ausreiche, um das sozio-kulturelle
Existenzminimum von Kindern abzudecken. Die bisher in
§ 6a BKGG enthaltene Mindesteinkommensgrenze, die die
Abgrenzung zum Leistungsbezug nach SGB II ermöglichen
sollte, solle entfallen. Gefordert wird weiterhin, dass bei der
Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag und der Ermitt-
lung seiner individuellen Höhe ausschließlich eine Ober-
grenze in Form eines pauschalierten Höchsteinkommens der
Eltern berücksichtigt wird. Die Befristung der möglichen
Bezugsdauer des Kinderzuschlags auf 36 Monate solle auf-
gehoben werden.

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse

1. Unterrichtung auf Drucksache 15/6014

Der Rechtsausschuss hat in seiner 29. Sitzung am 18. Ok-
tober 2006 die Kenntnisnahme der Unterrichtung empfoh-
len.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 8. Sitzung am 15. März 2006
die Kenntnisnahme der Unterrichtung empfohlen.

2. Entschließungsantrag auf Drucksache 16/827

Der Rechtsausschuss hat in seiner 29. Sitzung am 18. Ok-
tober 2006 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Entschließungsantrags empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 8. Sitzung am 15. März 2006
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. die Ablehnung des Entschließungsantrags
empfohlen.

3. Antrag auf Drucksache 16/2754

Der Rechtsausschuss, der Ausschuss für Arbeit und Sozia-
les, der Ausschuss für Gesundheit und der Ausschuss für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung haben in ihren Sitzun-
gen am 18. Oktober 2006 jeweils mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Annahme des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 18. Sitzung am 25. Oktober
2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags
empfohlen.

4. Antrag auf Drucksache 16/817

Der Finanzausschuss hat in seiner 32. Sitzung am 18. Ok-
tober 2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 8. Sitzung am 15. März 2006
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 13. Sitzung am 6. April
2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung des Antrags empfohlen.

5. Antrag auf Drucksache 16/2077

Der Finanzausschuss hat in seiner 28. Sitzung am 18. Ok-
tober 2006 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 32. Sit-
zung am 18. Oktober 2006 mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung
des Antrags empfohlen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/3849

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis
IV. im federführenden Ausschuss für Familie,
IV. Senioren, Frauen und Jugend

1. Abstimmungsergebnis

a) Unterrichtung auf Drucksache 15/6014

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 20. Sitzung am 18. Oktober 2006 bera-
ten und empfiehlt einvernehmlich die Kenntnisnahme der
Unterrichtung.

b) Entschließungsantrag auf Drucksache 16/827

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 20. Sitzung am 18. Oktober 2006 bera-
ten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, die Ablehnung des
Entschließungsantrags zu empfehlen.

c) Antrag auf Drucksache 16/2754

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 20. Sitzung am 18. Oktober 2006 bera-
ten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, die Annah-
me des Antrags zu empfehlen.

d) Antrag auf Drucksache 16/817

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 20. Sitzung am 18. Oktober 2006 bera-
ten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, die Ablehnung
des Antrags zu empfehlen.

e) Antrag auf Drucksache 16/2077

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 20. Sitzung am 18. Oktober 2006 bera-
ten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, die Ablehnung des
Antrags zu empfehlen.

2. Inhalt der Ausschussberatung

Der Ausschuss hat in seiner 20. Sitzung am 18. Oktober
2006 ein öffentliches Expertengespräch mit dem Vorsitzen-
den der Sachverständigenkommission für den Zwölften Kin-
der- und Jugendbericht, Prof. Dr. Thomas Rauschenbach,
durchgeführt. Prof. Dr. Thomas Rauschenbach stellte dem
Ausschuss den Bericht vor und gab einen Überblick über die
wichtigsten Punkte.

Er erläuterte, dass der Begriff „Bildung“ die kulturelle, sozi-
ale, personelle und instrumentelle Bildung umfasse. Bildung
werde in dem Bericht weit definiert. Gemeint sei Bildung im
Sinne einer umfassenden Entwicklung, einer persönlichen
Handlungskompetenz von Menschen, die sie befähige, in der
Zukunft von morgen zu leben und zu überleben. Auch der
Begriff „Betreuung“ müsse sich nach Aussage Prof. Thomas
Rauschenbachs gehaltvoll weiterentwickeln und mehr um-

fassen als die bloße Beaufsichtigung. Es gehe vielmehr um
den Beziehungsaufbau zu anderen Menschen. Das Thema
Bildung müsse konsequent als Ausgangspunkt genommen
werden und dürfe nicht erst in der Schule beginnen. Bildung
sei die entscheidende Voraussetzung, dass ökonomische Ar-
mut nicht auch zu sozialer Armut und Beteiligungsarmut
führe.

Prof. Dr. Thomas Rauschenbach verlangte, dass es eine ei-
gene Kinder- und Jugendpolitik geben müsse, die nicht nur
als Anhängsel der Familienpolitik begriffen werden dürfe. In
der aktuellen Debatte um Kinderrechte gehe es um das Drei-
ecksverhältnis „Staat, Kinder, Eltern“. Das Aufwachsen von
Kindern sei ein Gemeinschaftsprojekt, für das eine große
öffentliche Verantwortung bestehe. Er betonte aber auch die
besondere Bedeutung der Familie, die nicht nur als Erzie-
hungs-, sondern auch als Bildungsinstanz gesehen werden
müsse und den Ausgangspunkt der Bildungsbiografie dar-
stelle. Dabei dürfe sie aber mit Anforderungen nicht über-
frachtet werden.

Prof. Dr. Thomas Rauschenbach betonte deshalb die Not-
wendigkeit einer Stärkung der elterlichen Erziehungskom-
petenz, und zwar nicht erst wenn das Kind bereits geboren
sei. Auch zukünftige Eltern müssten besser auf ihre wich-
tigen Aufgaben vorbereitet werden. Weiterhin sei der Aus-
bau der Kinderbetreuungsinfrastruktur notwendig. Dies habe
Vorrang vor weiteren Geldleistungen. Insbesondere plädiere
der Kinder- und Jugendbericht konsequent für einen Ausbau
der Betreuung der unter Dreijährigen, und zwar in der Weise,
dass bis 2010 in Deutschland ein uneingeschränkter Rechts-
anspruch eingeführt werden könnte. Ebenso müsse die Kin-
dertagespflege aus der Grauzone herausgeholt werden. Für
alle drei Bereiche müsse auch eine Verbesserung der Qualität
in den Blick genommen werden, z. B. durch einen „TÜV“
für Institutionen. Erforderlich sei auch, die Ausbildung der
Erzieherinnen und Erzieher zu akademisieren.

Insgesamt müsse das Leitbild einer integrativen Bildungs-,
Betreuungs- und Erziehungskultur ins Auge gefasst werden,
das die bisherige Abschottung zwischen einzelnen Sys-
temen, Altersphasen und Instanzen überwinde. So plädierte
Prof. Dr. Thomas Rauschenbach für eine bessere Verzah-
nung der unterschiedlichen Akteure wie Schulen, Kinder-
gärten, Jugendarbeit und Jugendhilfe, um vor Ort kommu-
nale Bildungslandschaften entstehen zu lassen. Aber auch
über die föderalen Ebenen hinweg müssten die politisch Ver-
antwortlichen an einen Tisch gebracht werden.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte im Hinblick auf den
Begriff „Bildung“, man müsse einen breiten gesellschaft-
lichen Diskurs unter Einbezug möglichst aller gesellschaft-
lichen Akteure darüber führen, wie man Bildung zukünftig
zu verstehen habe. Dabei finde es selbstverständlich die Un-
terstützung der Fraktion der CDU/CSU, Gesundheitssystem,
Kinder- und Jugendhilfe und Schule näher zueinander zu
bringen. Zur Überwindung föderaler Grenzen sei es jedoch
wichtig, diese Diskussion nicht nur im Deutschen Bundes-
tag, den Länder- und den Kommunalparlamenten zu führen,
sondern auch in den Parteien. Zu berücksichtigen sei auch
das Spannungsverhältnis zwischen fachlich begründeten
Anforderungen und Rücksichtnahme auf bestehende Struk-
turen, insbesondere im ehrenamtlichen Bereich.

Das positive Familienbild in der Fraktion der CDU/CSU
stehe im Übrigen nicht der Notwendigkeit entgegen, Eltern

Drucksache 16/3849 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

in der massiv abgefallenen Erziehungskompetenz zu unter-
stützen. Im Hinblick auf die Diskussion um staatliche Hand-
lungsmöglichkeiten im Falle von Kindesvernachlässigung
sei es auch wichtig, einen Mittelweg zwischen Anreizen und
Sanktionen zu finden. Mit der Diskussion um die Beitrags-
freiheit in Kindertageseinrichtungen müsse schließlich auch
die Frage einer Pflicht zum Besuch solcher Einrichtungen im
letzten Jahr verknüpft werden.

Die Fraktion der SPD erachtete den von Prof. Dr. Thomas
Rauschenbach vertretenen ganzheitlichen, sozialraum- und
lebensweltorientierten Ansatz als zentral. Kinder müssten als
Rechtssubjekte betrachtet werden und nicht nur als Objekte
von Erziehung. Wichtig sei auch, Strukturen aufzubauen, um
Chancengerechtigkeit für alle Kinder zu ermöglichen. Au-
ßerdem müsse der nationale Aktionsplan umgesetzt werden,
und zwar nicht nur auf Bundesebene. Zentral sei hier eine
altersangemessene Beteiligung von Kindern und Jugend-
lichen in Angelegenheiten, die sie beträfen. Insgesamt müsse
Kinder- und Jugendpolitik als gesamtgesellschaftliches
Thema betrachtet werden. Es komme auf die Strukturen für
Kinder und Jugendliche an, in denen sie den Rahmen zum
Aufwachsen fänden. Deshalb müsse Kinder- und Jugend-
politik nicht nur auf bundespolitischer Ebene Strukturpolitik
sein, sondern auch auf der Ebene der Länder und Kommunen
unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte. Das Ziel
der Kinder- und Jugendpolitik müsse es sein, demokratische
Menschen zu erziehen, die Verantwortung für sich, aber auch
für die Gesellschaft übernähmen. In diesem Zusammenhang
wurde allerdings auch auf die eingeschränkten Handlungs-
möglichkeiten des Bundes in Anbetracht föderaler Kompe-
tenzverteilungen hingewiesen.

Ganzheitliche Bildung und Verlässlichkeit seien wesentliche
Punkte. Diese könne man den Kindern nur ganztags in insti-
tutionellen Bildungsstätten bieten, angefangen von einer
Ganztagsbetreuung für Kinder unter drei Jahren bis hin zu
Ganztagsschulen. Da die Bildung im Vordergrund stehe,
sollte ebenso wie die Schule der Besuch von Kinderbetreu-
ungseinrichtungen kostenfrei sein. Im Übrigen äußerte sich
eine Vertreterin der Fraktion der SDP kritisch gegenüber
Sanktionen als Mittel der Kinder- und Jugendpolitik und plä-
dierte dafür, den Förderungscharakter in den Vordergrund zu
stellen.

Die Fraktion der FDP unterstützte die Forderung nach ei-
ner eigenen Kinder- und Jugendpolitik. Im Hinblick auf die
Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen sei ein ver-
gleichbares System in Deutschland wichtig, in dem für Kin-
der überall Standards gesetzt werden. Befürwortet wurde
seitens der Fraktion der FDP weiterhin eine Anhebung des
Niveaus der Erzieherinnen und Erzieher, wobei auf entspre-
chende Anträge der Fraktion hingewiesen wurde. Wichtig
sei auch, mehr männliche Erzieher zu bekommen. Deswegen
wäre es wichtig, verstärkt für Männer in erziehenden Beru-
fen zu werben.

Ebenso müssten die Eltern und auch andere Erziehungsper-
sonen wie zum Beispiel Großeltern gestärkt werden. Auch
Eltern, die jetzt schon Bildung für ihre Kinder ernst nähmen,
brauchten Unterstützung. Es müsse dabei aber zwischen sol-
chen Familien und sehr bildungsfernen Familien unterschie-
den werden, da die Notwendigkeit der Unterstützung sich
jeweils unterschiedlich gestalte.

Ebenso befürworteten Vertreterinnen der Fraktion der FDP
eine bessere Vernetzung von Schule, Jugendzentrum, Jugend-
amt, Krippe, Kindergarten und Tagesmüttern. Es sei wichtig,
die Erkenntnisse aus dem vorliegenden Bericht an die verant-
wortlichen Träger in den Kommunen weiterzugeben.

Die Fraktion DIE LINKE. wies auf die steigende Kinder-
armut und ihre Folgen für unsere Gesellschaft hin. Darüber
hinaus stünden viele Jugendliche vor der Situation, keinen
Ausbildungsplatz zu bekommen und die Strukturen der Ju-
gendarbeit stünden infolge der von den Kommunen auf-
grund ihrer Haushaltslage vorgenommenen Kürzungen unter
großem Druck. Hierzu müsse eine Diskussion geführt wer-
den.

Weiterhin befürwortete die Fraktion einen Rechtsanspruch
auf einen elternbeitragsfreien Ganztagsbetreuungsplatz ab
Geburt des Kindes. Ebenso wurde die Forderung nach einer
Anhebung des Niveaus der Ausbildung von Erzieherinnen
und Erziehern unterstützt. Dies sei notwendig, um eine qua-
lifizierte Betreuung und den Bildungsanspruch sicherzu-
stellen. Schließlich wurden im Hinblick auf die schwieriger
werdende Situation der Kinder- und Jugendhilfe auch die
diesbezüglichen Änderungen im Rahmen der Föderalismus-
reform kritisiert und deren Rücknahme angeregt.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte es
ebenfalls, dass der Schwerpunkt des Zwölften Kinder- und
Jugendberichts auf dem Thema Bildung liege. Nach wie vor
seien die Bildungschancen der Kinder wesentlich von den
finanziellen Möglichkeiten der Eltern bestimmt, so dass
dem Ausbau der Infrastruktur zentrale Bedeutung beikom-
me. Wichtig seien auch die von Prof. Dr. Thomas Rauschen-
bach befürworteten festen Standards für Bildungseinrichtun-
gen; dennoch müsse eine pädagogische Vielfalt erhalten
bleiben, in der auch experimentiert und ausprobiert werden
dürfe. Wesentlich sei schließlich die Anhebung der
Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf Hoch-
bzw. Fachhochschulniveau.

Vertreterinnen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wiesen weiterhin auf die vorgelegten Anträge ihrer Fraktion
zu den hier diskutierten Themenkreisen hin und insbesonde-
re auf die dort enthaltenen Forderungen zum Ausbau der
Kindertagesbetreuung und zur Einführung eines Rechtsan-
spruchs auch für die unter Dreijährigen. Ebenso sprachen sie
sich dafür aus, Kinderrechte in der Verfassung festzuschrei-
ben, und forderten eine konsequente Umsetzung der UN-
Kinderrechtskonvention. Kritisiert wurden auch die durch
die Föderalismusreform vorgenommenen Änderungen im
Bereich der Bildungspolitik.

Berlin, den 29. November 2006

Thomas Dörflinger
Berichterstatter

Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Berichterstatterin

Jürgen Kucharczyk
Berichterstatter

Wolfgang Spanier
Berichterstatter

Miriam Gruß
Berichterstatterin

Diana Golze
Berichterstatterin

Ekin Deligöz
Berichterstatterin

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