BT-Drucksache 16/3826

Einführung eines Erneuerbare Energien Wärmegesetzes - EEW

Vom 13. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3826
16. Wahlperiode 13. 12. 2006

Antrag
der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Cornelia Behm, Winfried Hermann, Peter
Hettlich, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Einführung eines Erneuerbare Energien Wärmegesetzes – EEW

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Wärme- und Kühlungssektor ist einer der Hauptemittenten von Klimagasen
und nimmt einen großen Anteil des Energieverbrauchs ein. Darüber hinaus ist
der Wärmesektor in großem Maße abhängig von sich zunehmend verteuernden
Energieimporten. Die große Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas stellt in immer
größerem Maße ein Problem der Versorgungssicherheit dar. Steigende Preise be-
lasten zunehmend die privaten Haushalte.

Sowohl die Abhängigkeit von endlichen Ressourcen als auch der Ausstoß von
Klimagasen können zunehmend im Wärme- und Kühlungssektor vermieden
werden. Die Nutzung heimischer, erneuerbarer Energien ermöglicht eine emis-
sionsfreie, bzw. emissionsneutrale Wärme- und Kühlungsbereitstellung. Hinzu
kommen die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung und die sehr großen Ein-
sparpotenziale.

In Neubauten kann heute schon aufgrund moderner Techniken und den ein-
hergehenden Einsparungen der Wärmebedarf problemlos vollständig durch er-
neuerbare Energien gedeckt werden. Auch im Altbausektor kann in Verbindung
mit ökologischen Altbausanierungen der Anteil erneuerbarer Energien konti-
nuierlich gesteigert und Importe von Erdöl und Erdgas reduziert werden. Er-
neuerbare Energien können die Energiepreise stabilisieren und zur Planungs-
sicherheit staatlicher und privater Akteure beitragen.

1. Die Tatsache, dass heute nur jede zehnte neue Heizung mit erneuerbaren
Energien betrieben wird, lässt darauf schließen, dass die Vorteile der er-
neuerbaren Energien für den Kunden zu intransparent sind oder die Investo-
ren vor zu hohen Investitionskosten zurückschrecken. Hinzu kommt häufig
das Investor-Nutzer-Dilemma, bei dem mitunter die spezifischen Interessen
von Käufern von Heizungsanlagen (z. B. Vermieter) und den Wärmever-

brauchern (Mieter) auseinander liegen, so dass erneuerbare Energien auch
dann nicht eingesetzt werden, wenn sie günstiger als fossile Energieträger
sind. Dabei ist laut einer aktuellen FORSA-Studie bei 68 Prozent der Befrag-
ten Wärmeerzeugung durch erneuerbare Energien die erste Wahl.

Die Solarthermie und Teile der Bioenergietechnologien im Wärmebereich
werden bereits in kleinerem Umfang über das Marktanreizprogramm (MAP)
des Bundes gefördert. Die durch das MAP zu erwartende Steigerung des An-

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teils erneuerbarer Energien im Wärmebereich von heute 5 Prozent auf 7 Pro-
zent im Jahre 2020 steht jedoch in keinen Verhältnis zum vorhandenen Poten-
zial und dem Handlungsbedarf beim Klimaschutz und der Energieversor-
gungssicherheit. Dabei gilt zu konstatieren, dass in Deutschland derzeit auf
den Wärmesektor etwa 60 Prozent der Endenergie fallen. Die finanzielle
Ausstattung des Marktanreizprogrammes ist angesichts der Problemstellung
und der enormen Potenziale Erneuerbarer Energien nur ein Tropfen auf dem
heißen Stein. Zudem sind die Ausgaben des MAP aufgrund der alljährlichen
Haushaltsdefizite alles andere als gesichert. Die stark mittelständig geprägte
Branche ist ständig einer Stop-and-go-Politik ausgesetzt, die in der Vergan-
genheit schon zu heftigen Umsatzeinbrüchen und Konkursen geführt hat.
Technologieentwicklung ist bei solchen Rahmenbedingungen kaum möglich.
Das wird beispielsweise bei der Speichertechnologieentwicklung deutlich.
Hier gibt es keinen Anreiz, das hohe Potenzial der saisonalen Speicherungen
von sommerlichen Wärmeüberschüssen auszunutzen.

Vor dem Hintergrund, dass ein starker Kostenanstieg bei Erdöl und Erdgas zu
erwarten ist, gilt es, private und volkswirtschaftliche Fehlinvestitionen zu
vermeiden. So liegt der Preis für Heizöl 2006 fast doppelt so hoch wie noch
2003 und es spricht vieles dafür, dass die Heizölpreise in Zukunft deutlich
weitersteigen werden. Die Gaspreise sind in den letzten Jahren ebenfalls
deutlich gestiegen. Wer jetzt noch eine erdölbefeuerte Heizung kauft, die er-
wartungsgemäß bis 2030 betrieben wird, tätigt eine Fehlinvestition und treibt
das Land weiter in die bevorstehende Energiekrise und sich selbst in immer
höhere Wärmekosten.

Dagegen können Preise für erneuerbare Energien mit Ausnahme der Bio-
energien nicht steigen, da Sonne, Wind, Erdwärme und Wasser keine Brenn-
stoffkosten haben.

Aufgrund der Preisentwicklung beim Erdöl und Erdgas auf der einen Seite
und der technologischen Entwicklung der erneuerbaren Energien auf der an-
deren Seite, sind einige erneuerbare Energien schon heute sehr nahe an der
Wirtschaftlichkeit. Halten diese Entwicklungen weiter an, wird deren Wirt-
schaftlichkeit schon bald erreicht sein. Hierzu zählen vor allem Teile der Bio-
energien, z. T. aber auch die Nutzung der Erdwärme und häufig die Solar-
thermie für Warmwasserbereitung. Als Folge hat die Nachfrage bereits jetzt
deutlich zugenommen. Dennoch wird erst ein kleiner Teil der Potenziale
erschlossen. Dies liegt häufig daran, dass falsche Wirtschaftlichkeitsüber-
legungen der Hauptfaktor der Kaufentscheidungen eines Investors ist. Das
bedeutet, dass die Investitionskosten nicht über den gesamten „Lebens-
zyklus“ gerechnet werden, sondern in erster Linie die Anschaffungskosten
berücksichtigt werden.

Des Weiteren gibt es Informationsdefizite sowohl bei Handwerkern, Schorn-
steinfegern und bei Kunden, die dazu führen, dass Kaufentscheidungen ge-
gen die ökologische und ökonomische Vernunft getroffen werden.

Ein Wärmegesetz muss daher dazu führen, dass diese vorhandenen Hinder-
nisse überwunden werden.

2. Die schwarz-rote Bundesregierung hat es offenbar mit der Umsetzung des im
Koalitionsvertrages geforderten Wärmegesetzes nicht eilig. So wird nach
jüngsten Aussagen des Bundesumweltministers ein geplantes Wärmegesetz
auf unbestimmte Zeit verschoben. Allenfalls wird an eine gesonderte Rege-
lung für öffentliche Gebäude gedacht. So wichtig die Vorreiterrolle der
öffentlichen Hand auch ist, so kann sie dennoch nicht die notwendige Dyna-
mik zur wirtschaftlichen Entwicklung der Wärmetechniken entfachen. Dies
ist aus Sicht des Bundestages nicht hinnehmbar.

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Ein „Erneuerbare Energien Wärmegesetz“ (EEW) muss möglichst schnell
kommen und möglichst umfassend wirken. Ziel muss es sein, den Anteil
regenerativer Wärme und Kühlung von heute 5 Prozent bis 2020 auf min-
destens 25 Prozent und bis 2030 auf mindestens 50 Prozent zu steigern.
Diese Maßnahme ist eine wichtige Säule, damit die Klimaschutzziele von
Minus 40 Prozent CO2-Emission gegenüber 1990, bis 2020 und 80 Prozent
bis 2050 erreicht werden können.

Grundsätze für ein EEW

Folgende erneuerbare Energien werden im EEW berücksichtigt:

● Solarthermie (Wärmeerzeugung mittels Sonnenkollektoren, auch in Kombi-
nation mit der Solarstromerzeugung).

● Bioenergien (Wärmeerzeugung mittels Umwandlung von Biomasse; bevor-
zugt durch Kraftwärmekopplung (KWK).

● Tiefen-Erdwärme (direkte Nutzung der Erdwärme so wie Abwärme aus der
Stromerzeugung).

● Windenergie, Wasserkraft in Form von kleinen gebäudenahen oder gebunde-
nen Windrädern und Wasserrädern, die den Wind- und Wasserstrom ungere-
gelt und daher günstig mit effizienter Technik in Wärme umwandeln.

● Umgebungswärme und Oberflächenerdwärme, die aber nur als regenerativ
anzusehen ist, wenn auch die Antriebsenergie für die notwendigen Wärme-
pumpen aus Ökostrom oder Biogas hergestellt werden.

● Im Kühlungssektor bieten sich vor allem an: solarthermische Kühlung, mit
Ökostrom, Biogas oder Erdwärme effizient betriebene Kühlungsaggregate.

Im Zusammenspiel dieser aufgeführten Techniken bietet die saisonale Wärme-
speicherung aus sommerlichen Überschüssen der KWK oder solarer Über-
schusswärme, bspw. in Wohnbausiedlungen, zusätzliche Möglichkeiten. So soll
die Grundlast des Warmwasserbedarfs gedeckt werden. Mit ausgereiften Spei-
chertechniken soll angestrebt werden, Wohnhäuser auch im Winter solar zu be-
heizen.

Das EEW soll unabhängig von knappen Staatsfinanzen sehr große Anreize set-
zen und zugleich den Unternehmen ermöglichen, in die Technologie- und
Marktentwicklung zu investieren. Damit können über die dann angestoßene
Technikentwicklung und Massenfertigung schnelle Kostenreduktionen erreicht
werden.

Da die einzelnen erneuerbaren Energien und die zur Verfügung stehenden Tech-
nologien in ihrer Entwicklungsreife sowie ihrer Wirtschaftlichkeit sich deutlich
unterscheiden, sollte das EEW flexibel sein, um auf die unterschiedlichen Be-
dürfnisse und Anwendungsmöglichkeiten eingehen zu können. Außerdem ist
darauf zu achten, dass die Bürger und der Markt und nicht die Bürokratie über
die Technologieauswahl entscheiden. Vielmehr müssen allen Technologien die
Entwicklungschancen eröffnet werden.

Das EEW soll folglich mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand und ge-
ringen Transaktionskosten behaftet sein.

Eine wichtige Rolle sollte die Kraft-Wärme-Kopplung spielen, die durch die
gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme besonders hohe energetische
Wirkungsgrade ermöglicht. Zudem löst sich hier auch das Problem einer häufig
postulierten Flächennutzungskonkurrenz der Biomasse zwischen Wärme- und
Stromsektor. Dabei gilt es, auf eine gute Kompatibilität mit dem EEG zu achten.
Das Wärmegesetz muss so ausgestaltet werden, dass alle erneuerbaren Energien
unterstützt werden. Dabei müssen auch Innovationsanreize gesetzt werden, vor

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allem für Technologien, die noch marktfern sind, aber große Einsatz- und Kos-
tensenkungspotenziale haben. Ebenso ist darauf zu achten, dass Qualitätsmaß-
stäbe gesetzt werden und dabei Umweltbelastungen die durch neue Technolo-
gien entstehen könnten zum Beispiel durch Verbrennung von Biomasse durch
Qualitätsstandards vermieden werden.

Bei der Bioenergie müssen ambitionierte Emissionsstandards eingehalten wer-
den. So werden zum Beispiel noch immer ältere Modelle von Holzpelletanlagen
vertrieben, die einen hohen Ausstoß an Schadstoffen und Rußpartikeln haben,
obwohl weitaus bessere Modelle im Markt sind.

Ausgestaltung des EEWs

In der Diskussion stehen vor allem ein monetäres sowie ein ordnungsrechtliches
Förderinstrument.

Ein monetäres Förderinstrument würde nach dem Vorbild des Erneuerbare
Energien Gesetzes (EEG) einen minimalen Kostenaufschlag auf alle fossilen
und atomaren Wärmeenergien (Stromheizungen) benötigen. Diese Einnahmen
können dann für direkte Unterstützungen der regenerativen Wärmenutzung
genutzt werden. Uns erscheint dieser Weg sehr komplex und bürokratisch und
daher schwer durchsetzbar, vor allem, da es, anders als im Stromsektor, keine
einheitlichen, an ein Leitungssystem gebundenen, fossilen und atomaren
Wärmeenergieträger gibt. Daher wäre eine verursachergerechte Umverteilung
der Vergütungen bzw. Boni kompliziert und vor allem für Kleinanlagen sehr auf-
wendig. Pauschalisierte Lösungen wiederum würden dem Grundgedanken
widersprechen, dass die Förderung Technologie unabhängig sein sollte. Darüber
hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass ein solches Modell Fehlanreize bietet,
indem vor Ort mehr Energie gewonnen wird, als sinnvoll genutzt werden kann.

Aus diesen genannten Gründen sehen wir im ordnungsrechtlichen Ansatz die
bessere Möglichkeit den Anteil erneuerbarer Energien am Wärmesektor bis zum
Jahr 2020 auf 25 Prozent zu erhöhen. Dabei sind die Vorteile eines ordnungs-
rechtlichen Ansatzes offensichtlich. Geldtransaktionen im Steuerhaushalt oder
verwaltete Fördertöpfe durch die öffentliche Hand wären nicht mehr nötig. Das
hat zur Folge, dass so Bürokratie deutlich vermindert werden kann.

Da Teile der erneuerbaren Energien heute, kurz oder mittelfristig wirtschaftlich
konkurrenzfähig sind, könnte ein monetäres Instrument leicht zur Überförde-
rung führen was im Ordnungsrecht nicht möglich wäre. Ein Ordnungsrecht
braucht keinen Messaufwand.

Fernziel eines Wärmegesetzes muss den Weg öffnen zur vollständigen Abkehr
fossil-betriebener Heizungen und Kühlung und stattdessen gezielt auf erneuer-
bare Energietechniken setzen.

Ein zielführender ordnungsrechtlicher Ansatz

Um einen Anreiz zum Bau von Erneuerbare-Energien-Wärmeanlagen zu schaf-
fen, kann eine mögliche Ausgestaltung folgende Strukturen haben: Betreiber
neu errichteter Wärmeerzeugungsanlagen und für Anlagenbetreiber, die beste-
hende Anlagen austauschen oder modernisieren, wird eine Verpflichtung zum
anteiligen Mindesteinsatz von Wärme aus regenerativen Energiequellen einge-
führt. Die Pflicht gilt auch für die Betreiber von Wärmenetzen.

Wer dieser Verpflichtung nicht folgen will oder kann, zahlt eine Ersatzabgabe in
Relation zur installierten Leistung der fossilen Wärmeerzeugungsanlage. Das
Aufkommen aus dieser Abgabe wird zur Förderung von regenerativen Wärme-
erzeugungsanlagen, Wärmespeicheranlagen, Energieeinsparprogrammen und

Wärmenetzen verwendet.

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Für Neubauten und Altbauten sollte die Verpflichtung abgestuft gelten. Auf-
grund des sehr niedrigen Energiebedarfs von Neubauten kann der Anteil der
erneuerbaren Energien hier sogar hundert Prozent betragen.

Das Wärmegesetz sollte eigenständig neben der Energieeinsparverordnung
(EnEV) stehen. Dennoch gibt es Schnittstellen die es erlauben, ein zukünftiges
Wärmegesetz und die EnEV miteinander abzustimmen. Und zwar genau dann,
wenn Gebäude Standards erreichen, die über die Anforderungen der EnEV
hinausgehen. An dieser Stelle könnte auf eine Anteilspflicht gemäß Wärme-
gesetz verzichtet werden, wenn durch die EnEV vorgeschriebene Energieein-
sparung oder die passiven solaren Energiegewinne höher sind als der vorge-
schrieben Anteil erneuerbarer Energien.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● bis März 2007 einen konkreten Gesetzesentwurf für ein EEW vorzulegen.

● einen ordnungsrechtlichen Ansatz zu wählen, in welchem die diesem Antrag
zu Grunde liegenden Grundsätze verwirklicht sind.

● ein Investitionsförderprogramm aufzulegen, das insbesondere für Erneuer-
bare-Nahwärmesysteme Anreize setzt und damit Innovationen voranbringt;
u. a. für saisonale Speicher.

Berlin, den 13. Dezember 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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