BT-Drucksache 16/3765

V-Leute in der NPD

Vom 6. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3765
16. Wahlperiode 06. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

V-Leute in der NPD

Angesichts der anhaltenden Erfolge der extremen Rechten und der NPD wird
seit mehreren Wochen von zahlreichen Politikern die Frage eines neuen Anlaufs
für ein NPD-Verbotsverfahren diskutiert. Unabhängig von der Frage, ob mit
einem NPD-Verbot der breiten Basis des Rechtsextremismus wirksam der
Boden entzogen werden kann, wird in der gegenwärtigen Debatte viel zu wenig
reflektiert, worin das Bundesverfassungsgericht 2003 bei seiner Entscheidung
zur Einstellung des Verbotsverfahrens die Haupthindernisse für eine Fortfüh-
rung sah: nämlich in der Durchsetzung der Führungsspitze der Partei mit V-Leu-
ten des Verfassungsschutzes (VS). So wurde es dem Gericht unmöglich
gemacht, die angeführten Beweise für die Verfassungswidrigkeit der Partei ein-
deutig dieser zuzurechnen, hätten sie doch auch von den eingeschleusten V-Leu-
ten produziert sein können. Der Präsident der Internationalen Liga für
Menschenrechte, Rolf Gössner, wies auf den erheblichen Einfluss von bezahlten
V-Leuten bei der NPD hin: „Sie haben das Feld, dass sie für die Verfassungs-
schutzbehörden von innen beobachten sollen, selbst rassistisch mitgestaltet. Sie
haben die NPD gestärkt, anstatt sie zu schwächen“ (dpa 15. November 2006).

Während in der aktuellen Debatte verschiedene Möglichkeiten erwogen werden,
doch noch ein neues Verbotsverfahren einleiten zu können und dabei etwa die
gesetzlichen Anforderungen für ein Parteiverbot zu senken, wird die nahe
liegende Möglichkeit des Rückzugs der V-Leute aus der Führungsebene der
NPD kaum in Erwägung gezogen. Lediglich der Berliner Innensenator,
Dr. Ehrhart Körting, ließ sich mit der Äußerung vernehmen, er sei bereit, die
V-Leute aus der NPD abzuziehen.

Durch die Arbeit von V-Leuten in den Reihen der NPD konnten bis heute keine
relevanten Erkenntnisse über diese Partei präsentiert werden, die nicht auch an-
ders erlangt werden könnten. In vielen Fällen sind es nicht die Verfassungs-
schutzbehörden, die frühzeitige und intime Kenntnis der NPD-Aktivitäten haben
und bekannt machen, sondern engagierte Gruppen und Initiativen in den Regio-
nen, die die regionale Szene der extremen Rechten sehr genau im Blick haben.
Bis heute finden zahlreiche Konzerte der Szene statt, ohne dass die örtlichen
Behörden von den Verfassungsschutzämtern rechtzeitig gewarnt würden. Ver-
suchte Immobilienkäufe der rechtsextremen Szene sorgen immer wieder für

Schlagzeilen und Überraschungen bei Kommunen, auch hier gibt es offensicht-
lich wenig warnende Hinweise durch die VS-Behörden.

Auf der letzten Innenministerkonferenz wurde eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel
gegründet, Erkenntnisse über die NPD zusammenzutragen. Der Schleswig-
Holsteinische Innenminister, Dr. Ralf Stegner, nannte als besondere Punkte des
Erkenntnisinteresses die Finanzen der NPD, ihre Geldgeber und die Frage der
Grundstückskäufe. Es drängt sich die Vermutung auf, dass über die vorhandenen

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V-Leute solche Erkenntnisse nicht vorhanden sind, womit noch einmal ihr Nut-
zen in Frage gestellt ist.

Aus diesem Grund fragen wird die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung des früheren Bundesver-
fassungsrichters Hans-Joachim Jentsch, nicht der Abzug sämtlicher V-Leute
aus der NPD, sondern nur aus der Führungsebene sei für ein neues Verbots-
verfahren notwendig (SZ 14. November 2006), und welche Schlussfolgerun-
gen zieht die Bundesregierung aus dieser Einschätzung?

2. Sieht die Bundesregierung den Einsatz von V-Leuten in der NPD als Teil der
„Gefahrenabwehr“, wie vom Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang
Schäuble, geäußert (AP 13. November 2006), und welche konkreten Gefah-
ren konnten in den letzten Jahren mit diesem Mittel abgewehrt werden?

Wie viele Straftaten konnten etwa durch den Einsatz von V-Leuten in der
rechtsextremen Szene verhindert werden?

3. Womit begründet die Bundesregierung den Einsatz dieses Mittels der Gefah-
renabwehr vor dem Hintergrund des gescheiterten Verbotsverfahrens, der
wahlpolitischen Erfolge der NPD und der steigenden Straftaten der extremen
Rechten?

4. Welche Handlungsoptionen sieht die Bundesregierung auf ihrer Seite, um ein
erfolgreiches Verbotsverfahren gegen die NPD möglich zu machen, wie es
auch von Regierungsvertretern (z. B. Vizekanzler Franz Müntefering) gefor-
dert wird?

5. Ist die Bundesregierung bereit, die V-Leute ihres Verantwortungsbereichs aus
der Führungsstruktur der NPD abzuziehen und damit überhaupt erst die Vor-
aussetzung für sinnvolle Verbotsdiskussionen zu schaffen.

6. Sind nach Ansicht der Bundesregierung die vom Bundesverfassungsgericht
für ein Parteiverbot aufgestellten Kriterien (Verfassungsfeindlichkeit und ag-
gressiv-kämpferische Haltung) bezüglich der NPD nur über den Einsatz ver-
deckter Ermittler nachzuweisen, und wie begründet sie ihre Auffassung?

Berlin, den 5. Dezember 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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