BT-Drucksache 16/3742

Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr und sein Verhältnis zu rechtsextremistischen Organisationen

Vom 1. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3742
16. Wahlperiode 01. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Monika Knoche, Inge Höger-Neuling, Heike Hänsel,
Wolfgang Gehrcke, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr und sein Verhältnis zu
rechtsextremistischen Organisationen

Am 19. November 2006 fanden bundesweit Gedenkveranstaltungen anlässlich
des Volkstrauertages statt. An zahlreichen Orten waren dabei auch Vertreter der
Bundeswehr sowie des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr
(VdRDBw) beteiligt. Die Veranstaltung auf dem Berliner Garnisonsfriedhof am
Columbiadamm wurde von der Sektion Berlin des VdRDBw organisiert. Zu den
knapp 200 Besuchern der Veranstaltung gehörten neben uniformierten Reservis-
ten und Soldaten auch zahlreiche Vertreter der neofaschistischen Parteien DVU
und NPD sowie Angehörige der Kameradschaftsszene. Unter anderem waren
der Berliner DVU-Funktionär S. K., der NPD-Aktivist J. H. sowie der parlamen-
tarische Geschäftsführer der DVU-Landtagsfraktion Brandenburg, S.-P. Sch.,
anwesend. Der Letztgenannte trug sich mit vollem Namen und Funktionsan-
gaben in die Anwesenheitsliste ein, so dass die Veranstalter von seiner Anwe-
senheit gewusst haben müssen.

Die neofaschistischen Parteien DVU und NPD legten mehrere Kränze direkt
neben Kränzen des VdRDBw ab. Hinzu kam ein Kranz des „Stahlhelms“, einer
weiteren rechtsextremistischer Organisation, die nach Angaben der Bundes-
regierung „insbesondere von nationalistisch-völkischem, antisemitischem und
revisionistischem Gedankengut geprägt ist“ (Bundestagsdrucksache 14/1480).
Außerdem legten auch mehrere Gliederungen des Bundes der Vertriebenen
Kränze nieder.

Trotz dieser unübersehbaren rechtsextremistischen Präsenz hat der VdRDBw
keine Maßnahmen getroffen, um sich von den Rechtsextremisten zu distanzie-
ren. In Gesprächen mit Pressevertretern betonte der zuständige Oberstleutnant
a. D. A. B. zwar, er habe die Rechtsextremisten nicht eingeladen, in seiner An-
sprache erklärte er aber: „Jeder darf hier Kränze oder Blumen ablegen.“ (junge
Welt, 20. November 2006, taz Berlin, 20. November 2006).

In seinen weiteren Ausführungen bezeichnete der Oberstleutnant a. D. A. B.
den Tod von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz als „Heldentod“; auch
diesen gelte es am Volkstrauertag zu feiern. Die Vokabel des „Heldentodes“

kehrte regelmäßig in den Berichten des Oberkommandos der Wehrmacht
wieder und gehörte zum Standardrepertoire nationalsozialistischer Kriegsver-
herrlichung und Durchhaltepropaganda.

Im Anschluss an diese Ansprache rief ein weiterer Vertreter des Reservisten-
verbandes (Herr B.) die militärischen Traditionsgemeinschaften und weitere
Organisationen auf, die sich am Gedenken beteiligten. Dabei nannte er unter
anderem die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger und die Hilfsgemein-

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schaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS (HIAG).
Gegenüber den Fragestellern rechtfertigte Oberstleutnant a. D. A. B. die Würdi-
gung der SS-Veteranen mit den Worten, die Bundeswehr sei schließlich auch von
mehreren hundert Waffen-SS-Mitgliedern aufgebaut worden.

Eine derartige Einbindung rechtsextremistischer Vereinigungen, zu denen die
Bundeswehr ein Kontaktverbot erklärt hat, steht nach Meinung der Fragesteller
im Gegensatz zu den Erfordernissen einer glaubwürdigen Abgrenzung von Fa-
schismus und Neofaschismus. Da auch uniformierte Soldaten anwesend waren
und nach den Ausführungen des Herrn B. auch das Standortkommando Berlin
der Bundeswehr in die Durchführung der Veranstaltung eingebunden war, ist
hier eine politische Klarstellung unbedingt geboten. Veranstaltungen wie diese
sind symptomatisch für die wachsende Akzeptanz rechtsextremistischer Positi-
onen in der so genannten Mitte der Gesellschaft. Es ist nicht zu erkennen, in-
wiefern die Duldung und Begrüßung von Rechtsextremisten im Rahmen des
Volkstrauertages für die Aufgaben des VdRDBw erforderlich sein sollten. Zu
diesen Aufgaben gehört es, Reservisten „zu betreuen, sie als Mittler zwischen
Bundeswehr und zivilem Umfeld zu gewinnen und sie für die Wahrnhemung
ihrer Mittlertätigkeit weiterzubilden“. Zu diesem Zweck erhält der VdRDBw
finanzielle Zuwendungen durch die Bundesregierung, im Jahr 2005 beispiels-
weise 13,8 Mio. Euro.

Wenn der VdRDBw sich nicht eindeutig von Rechtsextremisten distanziert,
stellt sich die Frage, ob seine Förderung aus Bundesmitteln weiterhin gerecht-
fertigt ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Begrüßung von Organisationen wie
der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger und der HIAG durch den Ver-
band der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRDBw), insbesondere
vor dem Hintergrund der rechtsextremistischen Vorfälle in der Bundeswehr
und der notwendigen historischen Sensibilisierung von Soldaten?

2. Ist es für die Zwecke, Reservisten zu betreuen, sie als Mittler zwischen Bun-
deswehr und zivilem Umfeld zu gewinnen und sie für die Wahrnehmung
ihrer Mittlertätigkeit weiterzubilden, erforderlich, die Ordensgemeinschaft
der Ritterkreuzträger und die HIAG an der Durchführung einer Veranstal-
tung zum Volkstrauertag zu beteiligen, und wenn ja, warum?

3. Ist es für die Reservistenarbeit der BW erforderlich, auch NPD- und DVU-
Vertretern den Zutritt zu den Volkstrauertagsfeierlichkeiten zu gewähren und
sie dort Kränze ablegen zu lassen, und wenn ja, warum?

4. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass Kränze rechtsextre-
mistischer Vereinigungen wie der NPD, der DVU und des „Stahlhelms“ so-
wie einiger Gliederungen des Bundes der Vertriebenen, des Bundes Deut-
scher Fallschirmjäger sowie des Deutschen Marinebundes unmittelbar
neben Kränzen des VdRDBw platziert wurden, insbesondere vor dem Hin-
tergrund, dass die letztgenannten Organisationen allesamt staatliche Zuwen-
dungen erhalten?

5. Wie bewertet die Bundesregierung, dass Oberstleutnant a. D. A. B. vom Re-
servistenverband Berlin sich nur in Pressegesprächen, aber nicht in seiner
Ansprache von den Rechtsextremisten distanziert hat, sondern in der An-
sprache ausführte, jeder dürfe Blumen oder Kränze ablegen?

6. Gab es über die Bereitstellung eines Trompeters durch das Standortkom-
mando Berlin (Angaben des VdRDBw gegenüber den Fragestellern) weitere

Formen, in denen die Bundeswehr an Planung und Durchführung der Veran-
staltung auf dem Garnisonsfriedhof beteiligt war, und wenn ja, welche?

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7. Hält die Bundesregierung die Beteiligung der Bundeswehr an Veranstaltun-
gen, an denen Vertreter rechtsextremistischer Organisationen teilnehmen
und die rechtsextremistische HIAG sowie die Ordensgemeinschaft der
Ritterkreuzträger begrüßt werden, für angemessen, und wenn ja, warum?

8. Hält die Bundesregierung die Teilnahme von Soldaten in Uniform an Ver-
anstaltungen, an denen auch Rechtsextremisten teilnehmen und Organisa-
tionen wie die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger und die HIAG be-
grüßt werden, für angebracht?

9. Falls Frage 8 mit Nein beantwortet wird: Welche Maßnahmen wird die Bun-
desregierung ergreifen, um auf Soldaten dahingehend einzuwirken, dass sie
künftig nicht mehr oder zumindest nicht in Uniform an einer solchen Veran-
staltung, wie sie am 19. November 2006 in Berlin stattfand, teilnehmen?

10. Wird die Bundesregierung auf den VdRDBw dahingehend einwirken, dass
dieser künftig eine klare Distanzierung von NPD, DVU, Kameradschaften,
Ordensgemeinschaft und HIAG vornimmt, und wenn ja, welche Maßnah-
men sind beabsichtigt, und gehören dazu auch die Kürzung oder Streichung
finanzieller Zuwendungen?

11. Welchen Betrag hat der VdRDBw für die Veranstaltung auf dem Garni-
sonsfriedhof ausgegeben, und wie hoch war dabei der vom Bund geförderte
Anteil?

12. Hat und nutzt die Bundesregierung Möglichkeiten, die Verwendung der
Fördermittel durch den VdRDBw zu kontrollieren, und wenn nicht, wird
sie die Förderung einstellen, um zu verhindern, dass mit staatlicher Förde-
rung das Kontaktverbot zu Organisationen wie Ordensgemeinschaft und
HIAG umgangen sowie diesen Organisationen zu einer nicht verdienten
Würdigung verholfen wird?

13. Wird die Bundesregierung auf den Bund Deutscher Fallschirmjäger und
den Deutschen Marinebund einwirken, sich künftig nicht an Veranstaltun-
gen zu beteiligen, an denen Vertreter rechtsextremistischer Organisationen
willkommen sind?

14. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, die Rede vom „Hel-
dentod“ sei unangebracht und könne geeignet sein, den Auffassungen der
Rechtsextremisten zuzuarbeiten, und wenn nein, warum nicht?

15. Welche Auswirkungen auf Traditionsbewusstsein und Geschichtsbild von
Reservisten und Soldaten erwartet die Bundesregierung, wenn der
VdRDBw im Rahmen seiner Reservistenarbeit den Tod von Bundeswehr-
soldaten als „Heldentod“ bezeichnet, und welche Konsequenzen zieht sie
daraus hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem VdRDBw?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirkung, die der Ablauf des Volks-
trauertages in Berlin im Ausland hat?

17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, die beschrie-
bene Haltung des VdRDBw gegenüber rechtsextremistischen Organisatio-
nen sei geeignet, die anwesenden Vertreter alliierter Delegationen abzusto-
ßen und deren Trauer zu stören?

18. An welchen anderen Orten haben im Zusammenhang mit dem Volkstrauer-
tag 2006 Veranstaltungen stattgefunden, an denen Vertreter der Bundes-
wehr bzw. des VdRDBw teilgenommen und rechtsextremistische Organi-
sationen wie insbesondere die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger
sowie die HIAG begrüßt haben?

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19. An welchen anderen Orten waren bei Veranstaltungen zum Volkstrauertag
2006 neben Vertretern rechtsextremistischer Organisationen auch Vertreter
der Bundeswehr bzw. des VdRDBw anwesend?

Berlin, den 30. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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