BT-Drucksache 16/368

Berichte über das so genannte transatlantische Anti-Terror-Zentrum in Paris und die Beteiligung bundesdeutscher Stellen an dieser Einrichtung

Vom 17. Januar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/368
16. Wahlperiode 17. 01. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln)
und der Fraktion DIE LINKE.

Berichte über das so genannte transatlantische Anti-Terror-Zentrum in Paris und
die Beteiligung bundesdeutscher Stellen an dieser Einrichtung

Im Sommer 2005 berichteten die „Washington Post“ und eine ganze Reihe wei-
terer internationaler und bundesdeutscher Zeitungen über die Einrichtung eines
internationalen Anti-Terror-Zentrums in Paris.

In seiner Ausgabe 46/2005 berichtet auch „DER SPIEGEL“ detailliert über ein
so genanntes Anti-Terror-Zentrum in Paris, das offenbar unter dem Decknamen
„Camolin“ firmiert und an dem sich mehrere Staaten beteiligen sollen. Laut
„DER SPIEGEL“ sind an dieser Einrichtung Deutschland, Amerika, Groß-
britannien, Frankreich, Kanada und Australien beteiligt. Diese Einrichtung soll
seit Februar 2003 bestehen. Die Bundesregierung entsendet einen Beamten des
Bundesnachrichtendienstes sowie einen Vertreter des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz zu den regelmäßigen Treffen in einer französischen Militärkaserne
an den Stadtrand von Paris.

„DER SPIEGEL“ schreibt über die Arbeit der Einrichtung: „Die Pariser Agen-
ten-Runde versteht sich als eine Art eigenständiger Geheimdienst. Nur das
Ergebnis zählt, alle relevanten Informationen, so sieht die streng geheime
Gründungsvereinbarung vor, kommen hier auf den Tisch. (…) Die Terroristen-
jagd á la Camolin beginnt in der Regel mit einer Art Brainstorming in kleiner
Runde. Vertreter der Mitgliedsländer präsentieren die Biografie eines gesuchten
Terroristen. Gilt der als bedeutend, sind alle Staaten verpflichtet, alle Informa-
tionen nach Paris zu übermitteln. In der Kaserne stehen Computerterminals der
einzelnen Geheimdienste, die über sichere Leitungen direkt in den Hauptquar-
tieren etwa in London oder Pullach verbunden sind. Die Kosten für das mit
modernster Technik ausgestattete Zentrum von Paris werden brüderlich geteilt.
Besonders begehrt sind die sonst von jedem Land eifersüchtig gehüteten Er-
kenntnisse aus Telefonüberwachungen oder Berichte von Agenten und V-Män-
nern. Wie Zielfahnder durchstöbern die Camolin-Agenten das Material und
suchen nach Anhaltspunkten für die Festnahme eines Verdächtigen. (…) So ent-
steht ein detailliertes Dossier, ein Masterplan für die eigentlichen Jäger. Denn
Camolins Arbeit endet mit der Ablieferung des Berichts und der Entscheidung,
welcher Geheimdienst mit dem Aufspüren betraut werden soll. Meist so sagen
Insider, fällt diese Arbeit aufgrund ihrer weitreichenden Ressourcen an die
CIA.“ (DER SPIEGEL 46/2005)

„DER SPIEGEL“ schreibt weiter: „Die politischen Schwierigkeiten mit Camo-
lin beginnen erst nach einem Erfolg: Garantien, was mit den dank transatlanti-
scher Kooperation geschnappten Dschihad-Größen geschieht, gibt es nicht.

Drucksache 16/368 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Camolin soll nur den Zugriff ermöglichen, was danach mit den Aufgespürten
geschieht, bleibt im Dunkeln.“ (DER SPIEGEL 46/2005)

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Treffen die Meldungen in internationalen Medien und dem „DER SPIEGEL“
(46/2005) zu, dass eine internationale Anti-Terror-Einrichtung mit Sitz in
Frankreich geschaffen worden ist, an der sich auch bundesdeutsche Sicher-
heitsbehörden beteiligen?

2. Wenn ja,

a) auf welcher Gründungsvereinbarung oder Einrichtungsanordnung basiert
diese transatlantische Anti-Terroreinheit?

b) welches sind die wesentlichen vereinbarten Aufgaben und Ziele dieser
Einheit?

c) welche Bundesministerien waren an der Planung und Errichtung dieser
internationalen Anti-Terror-Einheit beteiligt?

d) in welchen Sitzungen der Nachrichtenlage wurde im Bundeskanzleramt
darüber beraten?

e) welche rechtlichen Differenzen gab es gegebenenfalls zwischen den ein-
zelnen Bundesministerien?

f) wie ist die Trennung zwischen nachrichtendienstlicher und polizeilicher
Befugnis in dieser internationalen Anti-Terror-Einheit geregelt oder gibt
es eine derartige Trennung nicht?

g) welche richterlichen und datenschutzrechtlichen Kontrollmechanismen
gibt es?

h) welche parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten gibt es für diese interna-
tionale und international operierende Anti-Terror-Einheit und wann wurde
die PKG über die Einrichtung dieser Einheit unterrichtet?

i) seit wann besteht diese internationale Anti-Terror-Einheit?

j) wie hoch sind die bisher entstandenen Kosten und aus welchem Einzel-
plan des Bundeshaushalts werden die Kosten abgedeckt?

Berlin, den 17. Januar 2006

Petra Pau
Wolfgang Gehrcke
Paul Schäfer (Köln)
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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