BT-Drucksache 16/3677

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD -16/3269- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzausgleichsgesetzes b) zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/3302- Bundesweite Mindeststandards für angemessenen Wohnraum und Wohnkosten für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II

Vom 30. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3677
16. Wahlperiode 30. 11. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 16/3269 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
und des Finanzausgleichsgesetzes

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert,
Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/3302 –

Bundesweite Mindeststandards für angemessenen Wohnraum und Wohnkosten
für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II

A. Problem

Zu Buchstabe a

Bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozial-
gesetzbuch (SGB II) beteiligt sich der Bund zweckgebunden an den Leistungen
der kommunalen Träger für Unterkunft und Heizung. Dadurch soll sicher-
gestellt werden, dass die Kommunen durch das Vierte Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – unter Berücksichtigung der sich aus die-
sem Gesetz ergebenden Einsparungen der Länder – um jährlich 2,5 Mrd. Euro
entlastet werden.

Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
vom 22. Dezember 2005 wurde die Höhe der Bundesbeteiligung für die Jahre
2005 und 2006 auf jeweils 29,1 Prozent festgelegt. Gemäß § 46 Abs. 7 SGB II
muss die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und
Heizung für die Jahre ab 2007 durch Bundesgesetz geregelt werden.
Zu Buchstabe b

Für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II sollen erzwungene
Umzüge als Folge der Aufforderung zur Senkung der Wohnkosten vermieden
werden. Ihnen soll ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben ermöglicht wer-
den. Zudem soll die soziale Entmischung in ihren Wohngebieten verhindert
werden.

Drucksache 16/3677 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Festlegung der Beteiligung des Bundes an den Leistungen der kommunalen
Träger für Unterkunft und Heizung für das Jahr 2007. Anpassung der Beteili-
gung des Bundes für die Jahre ab 2008 auf Basis einer gesetzlich verankerten
Anpassungsformel.

Im Zuge der Ausschussberatungen wurden unter anderem folgende wesentliche
ergänzende Regelungen beschlossen:

● Das einstimmige Votum des Bundesrates (Bundesratsdrucksache 815/2/06)
aufgreifend wird der ursprünglich einheitliche Beteiligungssatz für das Jahr
2007 für 14 Länder von 31,8 Prozent auf 31,2 Prozent reduziert.

● Für das Land Baden-Württemberg wird die Höhe der Bundesbeteiligung auf
insgesamt 35,2 Prozent und für das Land Rheinland-Pfalz auf insgesamt
41,2 Prozent erhöht.

● Die Angemessenheit der Beteiligung des Bundes an den in § 46 Abs. 5
genannten Leistungen wird im Jahr 2010 überprüft. Eine Neuregelung für
die Jahre ab 2011 erfolgt durch Bundesgesetz.

Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/3269 in geänderter Fas-
sung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktionen
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu Buchstabe b

Die Bundesregierung wird aufgefordert, bundesweit einheitliche Mindest-
standards für angemessenen Wohnraum und für die angemessene Erstattung
von Aufwendungen für Wohnkosten für Bezieherinnen und Bezieher von
Arbeitslosengeld II zu formulieren. Das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der
Finanzen und dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung
die im Antrag genannten Kriterien zu bestimmen.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/3302 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Zu Buchstabe a

Die Festsetzung der Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft
und Heizung auf 31,8 Prozent für das Jahr 2007 gewährleistet, dass die Kom-
munen entsprechend § 46 Abs. 5 SGB II um jährlich 2,5 Mrd. Euro entlastet
werden. Für den Bund führt diese Beteiligung für das Jahr 2007 zu einer finan-
ziellen Belastung in Höhe von 4,3 Mrd. Euro, d. h. einer finanziellen Mehrbe-
lastung gegenüber dem Ansatz im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt
2007 in Höhe von 2,3 Mrd. Euro. Die beschlossene Reduzierung des für das
Jahr 2007 vorgesehenen Beteiligungssatzes für 14 Länder auf 31,2 Prozent und

die parallele Erhöhung der Bundesbeteiligung für das Jahr 2007 für Baden-
Württemberg auf 35,2 Prozent sowie für Rheinland-Pfalz auf 41,2 Prozent lässt

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3677

den Gesamtbetrag der Belastung des Bundes für 2007 in Höhe von 4,3 Mrd.
Euro unverändert. Die finanziellen Auswirkungen der Folgejahre sind abhängig
von der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften in der Grundsiche-
rung für Arbeitsuchende auf Bundesebene.

Zu Buchstabe b

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/3677 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3269 mit folgenden Maßgaben, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

Artikel 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

,2. In § 46 werden die Absätze 6 bis 8 durch folgende Absätze 6 bis 10
ersetzt:

„(6) Der Bund trägt in den Jahren 2005 und 2006 jeweils 29,1 vom
Hundert. Im Jahr 2007 trägt der Bund von den in Absatz 5 genannten
Leistungen im Land Baden-Württemberg 35,2 vom Hundert, im Land
Rheinland-Pfalz 41,2 vom Hundert und in den übrigen Ländern 31,2
vom Hundert.

(7) Ab 2008 ergibt sich die in den Ländern jeweils geltende Höhe der
Beteiligung des Bundes an den in Absatz 5 genannten Leistungen nach
Maßgabe der Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften. Sie bestimmt
sich nach der Formel

BBt+1 = ∆ BGt, t–1 * 0,7 + BBt

Dabei sind:

∆ BGt,t–1 = (JD BGt/JD BGt–1 – 1) * 100

BBt+1 = Beteiligung des Bundes an den in Absatz 5 genannten
Leistungen im Folgejahr in Prozent

BBt = Beteiligung des Bundes an den in Absatz 5 genannten
Leistungen im Jahr der Feststellung in Prozent

JD BGt = jahresdurchschnittliche Anzahl der Bedarfsgemein-
schaften von der Jahresmitte des Vorjahres bis zur Jah-
resmitte des Jahres der Feststellung

JD BGt–1 = jahresdurchschnittliche Anzahl der Bedarfsgemein-
schaften der Jahresmitte des Vorvorjahres bis zur Jahres-
mitte des Vorjahres

Die jahresdurchschnittliche Anzahl der Bedarfsgemeinschaften wird auf
Grundlage der nach § 53 SGB II erstellten Statistik ermittelt.

(8) Die sich jeweils nach Absatz 7 ergebende Höhe der Beteiligung
des Bundes wird jährlich, letztmalig für das Jahr 2010, durch Bundes-
gesetz festgelegt. Einer Neufestlegung der Beteiligung des Bundes be-
darf es nicht, wenn die maßgebliche Veränderung der Zahl der Bedarfs-
gemeinschaften nicht mehr als 0,5 vom Hundert beträgt; in diesem Fall
gilt die zuletzt festgelegte Höhe der Beteiligung des Bundes weiter fort.
Sofern nach Maßgabe der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemein-
schaften ein negativer Beteiligungssatz festgelegt werden müsste, ist die
Beteiligung auf 0 vom Hundert festzulegen. Die Höhe der Beteiligung
des Bundes an den in Absatz 5 genannten Leistungen beträgt höchstens
49 vom Hundert.

(9) Die Angemessenheit der Beteiligung des Bundes an den in Ab-

satz 5 genannten Leistungen wird im Jahr 2010 überprüft. Eine Neu-
regelung für die Jahre ab 2011 erfolgt durch Bundesgesetz.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3677

(10) Der Anteil des Bundes an den in Absatz 5 genannten Leistungen
wird den Ländern erstattet. Der Abruf der Erstattungen ist zur Monats-
mitte und zum Monatsende zulässig. Bei der Erstattung der Bundes-
beteiligung ist der Zeitraum maßgeblich, für den die in Absatz 5 ge-
nannten Leistungen erbracht wurden.“‘;

b) den Antrag auf Drucksache 16/3302 abzulehnen.

Berlin, den 30. November 2006

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Karl Schiewerling
Berichterstatter

ausschuss, der Haushaltsausschuss und der Ausschuss für messenheit nach dem Bezugspunkt Warmmiete einschließ-

Verkehr, Bau und Stadtentwicklung haben die Vorlage in
ihren Sitzungen am 29. November 2006 beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen

lich aller Betriebskosten; die Bestimmung der angemessenen
Grundfläche einer Wohnung mindestens nach den Maß-
gaben der Förderwürdigkeit im sozialen Wohnungsbau ent-
Drucksache 16/3677 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Karl Schiewerling

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

1. Überweisung

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3269

Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und
des Finanzausgleichsgesetzes auf Drucksache 16/3269 ist in
der 64. Sitzung des Deutschen Bundestages am 10. Novem-
ber 2006 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur
federführenden Beratung und an den Innenausschuss, den
Rechtsausschuss, den Finanzausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie und den Ausschuss für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung zur Mitberatung sowie an den
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO überwiesen worden.

b) Antrag auf Drucksache 16/3302

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache
16/3302 ist ebenfalls in der 64. Sitzung des Deutschen Bun-
destages am 10. November 2006 an den Ausschuss für
Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung und an
den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Finanzaus-
schuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie und den Ausschuss für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung zur Mitberatung überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3269

Der Innenausschuss und der Ausschuss für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung haben den Gesetzentwurf in ihren
Sitzungen am 29. November 2006 beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
empfohlen, den Gesetzentwurf anzunehmen. Der Finanz-
ausschuss hat die Vorlage in seiner Sitzung am 29. Novem-
ber 2006 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen
FDP, Die LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN emp-
fohlen, den Gesetzentwurf anzunehmen. Der Rechtsaus-
schuss hat in seiner Sitzung am 29. November 2006 den
Gesetzentwurf für erledigt erklärt. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie und der Haushaltsausschuss
haben in ihren Sitzungen am 29. November 2006 auf die
Abgabe eines Votums verzichtet.

b) Antrag auf Drucksache 16/3302

Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss, der Finanz-

Antrag abzulehnen. Der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie hat die Vorlage in seiner Sitzung am 29. No-
vember 2006 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion Die LINKE. bei Abwesenheit der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3269

Bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beteiligt sich der
Bund zweckgebunden an den Leistungen der kommunalen
Träger für Unterkunft und Heizung. Dadurch soll sicher-
gestellt werden, dass die Kommunen durch das Vierte Ge-
setz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – unter
Berücksichtigung der sich aus diesem Gesetz ergebenden
Einsparungen – um jährlich 2,5 Mrd. Euro entlastet werden.
Der Anteil des Bundes wurde im Rahmen des Ersten Ge-
setzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
für die Jahre 2005 und 2006 auf eine Höhe von jeweils 29,1
Prozent festgelegt. Der Anteil des Bundes für die Zeit ab
dem Jahr 2007 muss gemäß den Vorschriften des § 46
Abs. 7 SGB II durch Bundesgesetz festgelegt werden. Mit
dem vorgelegten Gesetzentwurf wird die Beteiligung des
Bundes auf 31,8 Prozent der Leistungen der kommunalen
Träger für Unterkunft und Heizung für das Jahr 2007 fest-
gesetzt; dies sind 4,3 Mrd. Euro. Für die Jahre ab 2008 wird
die Anpassung der Beteiligung des Bundes auf Basis einer
gesetzlich verankerten Anpassungsformel vorgenommen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

b) Antrag auf Drucksache 16/3302

Die Fraktion DIE LINKE. fordert in ihrem Antrag die Bun-
desregierung auf, bundesweit einheitliche Mindeststandards
für angemessenen Wohnraum und für die angemessene Er-
stattung von Aufwendungen für Wohnkosten für Bezieherin-
nen und Bezieher zu formulieren, um erzwungene Umzüge
als Folge der Aufforderung zur Senkung der Wohnkosten zu
vermeiden, die soziale Entmischung in den Wohngebieten zu
verhindern und den Arbeitslosengeld-II-Empfängern ein
weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ge-
mäß Zweitem Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für
Arbeitsuchende – § 27 (Verordnungsermächtigung) werde
das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt,
im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen
und dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechts-
verordnung Kriterien zu bestimmen wie zum Beispiel die
Übernahme der bisherigen Wohnkosten in voller Höhe im
ersten Jahr des Leistungsbezugs; die Festlegung der Ange-
die Stimmen der Fraktion Die LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den

sprechend den Verwaltungsvorschriften der Länder zum
Wohnungsbindungsgesetz oder die Bezugnahme auf den ört-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3677

lichen Mietspiegel bzw. die örtliche Vergleichsmiete bei der
Festsetzung der angemessenen Wohnkosten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des
Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/3269 im Rahmen einer
Behandlung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 GO in seiner 31. Sit-
zung am 8. November 2006 aufgenommen und in seiner
32. Sitzung am 10. November 2006 beschlossen, eine öffent-
liche Anhörung durchzuführen. Sie erfolgte in der 33. Sit-
zung des Ausschusses am 20. November 2006 unter Ein-
schluss des Antrags der Fraktion DIE LINKE. auf Druck-
sache 16/3302.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige
waren zu der Anhörung eingeladen:

1. Verbände und Institutionen

– Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)

– Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
(BDA)

– Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)

– Bundesagentur für Arbeit (BA)

– Deutscher Städtetag

– Deutscher Städte- und Gemeindebund

– Deutscher Landkreistag

– Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
e. V.

2. Einzelsachverständige

– Dr. Elisabeth Preuß, Oberbürgermeisterin Erlangen

– Marlies Bredehorst, Beigeordnete der Stadt Köln

– Dr. Franz-Georg Rips, Deutscher Mieterbund e. V., Ber-
lin.

Die Anhörungsteilnehmer haben schriftliche Stellungnahmen
abgegeben, die in der Ausschussdrucksache 16(11)455 zu-
sammengefasst wurden. Das IAB verzichtete auf eine Teil-
nahme.

Nachstehend werden die wesentlichen Aussagen der Ver-
bände, Institutionen und Einzelsachverständigen kompri-
miert dargestellt:

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt, dass
die Bundesregierung bestrebt sei, den Kommunen mög-
lichst Planungssicherheit zu geben und die Bundesbeteili-
gung auf einen Anteil von 31,8 Prozent zu erhöhen. Eine
einvernehmliche Lösung zwischen Bund und Ländern
werde erschwert, weil beide unterschiedliche Be- und Ent-
lastungspositionen ins Feld führten und keine Verständi-
gung über die Ausgangsbasis bestehe. Einmal mehr zeige
sich, dass mit Hartz IV die Verteilungskonflikte zwischen
den öffentlichen Haushalten keinesfalls reduziert worden
seien, sondern sich verschärft hätten. Die finanzielle Mehr-
belastung des Bundes im Jahr 2007 von 2,3 Mrd. Euro im

Fraktion DIE LINKE. unterstützt der DGB mit dem Hin-
weis, er habe bereits vor Einführung des SGB II darauf hin-
gewiesen, dass bei einer Grundsicherungsleistung des Bun-
des einheitliche Mindeststandards zur Wahrung der Rechts-
einheitlichkeit unverzichtbar seien. Die Rahmensetzung
durch eine Rechtsverordnung oder eine mit den kommuna-
len Spitzenverbänden abgestimmte Durchführungsanwei-
sung solle keine bundesweiten absoluten Mietobergrenzen
vorgeben, sondern das Verfahren zur Bestimmung der ört-
lich angemessenen Miete sowie Sonderregelungen (z. B.
Bagatellgrenze bei Überschreitung angemessener Kosten)
regeln. Die Ermächtigung zu einer Rechtsverordnung des
Bundes sei ausdrücklich in § 27 SGB II vorgesehen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände (BDA) schlägt vor, die mit dem Gesetzentwurf an-
stehende Änderung der Finanzierungsvorschrift der Grund-
sicherung für Arbeitsuchende zum Anlass zu nehmen, um
die system- und verfassungswidrige Belastung der Beitrags-
zahler zur Arbeitslosenversicherung mit dem so genannten
Aussteuerungsbetrag zu beenden. Im Jahr 2005 habe die
Belastung der Beitragszahler durch den Aussteuerungsbe-
trag rund 4,55 Mrd. Euro und somit fast 10 Prozent der Bei-
tragseinnahmen von 46,99 Mrd. Euro betragen. Mit dem
Aussteuerungsbetrag würden erstmals in der Geschichte der
Sozialversicherung die Beitragszahler eines Versicherungs-
zweiges zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts
herangezogen. Dies widerspreche elementaren Grundsät-
zen der Finanzverfassung des Grundgesetzes, wonach die
von den Beitragszahlern aufgebrachten Mittel auch nur für
die Zwecke der jeweiligen Sozialversicherung verwandt
werden dürften. Der Gesetzgeber verstoße mit dem Aus-
steuerungsbetrag gegen den von ihm in der Überschrift des
§ 46 SGB II selbst genannten Finanzierungsgrundsatz der
Grundsicherung für Arbeitsuchende („Finanzierung aus
Bundesmitteln“). Der Bund habe sich eine Möglichkeit ge-
schaffen, nach eigenem Belieben und nach jeweiliger Haus-
haltslage die Beitragszahler zur Finanzierung des Bundes-
haushalts heranzuziehen. Diese gefährliche Vermischung
richtigerweise getrennter Finanzierungskreise müsse so
schnell wie möglich beendet werden.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) weist in ihrer Stellung-
nahme darauf hin, dass der Berechnung des Bundeszuschus-
ses in dem Gesetzentwurf die Rechtsauffassung zugrunde ge-
legt werde, dass entsprechend § 9 SGB II eine horizontale
Einkommensanrechnung nach der Bedarfsanteilsmethode
erfolge. Diese in der Bearbeitungssoftware A2LL implemen-
tierte Berechnungsmethode werde von zahlreichen Kommu-
nen trotz einer eindeutigen Positionierung der Bundesregie-
rung nicht geteilt. Entsprechende Klageverfahren seien be-
reits vor den Sozialgerichten anhängig. Die Aufnahme der
Rechtsposition der Bundesregierung in die Gesetzesbegrün-
dung werde voraussichtlich nicht die notwendige Klarstel-
lung bringen. Es bestehe die Gefahr weiterer Rechtsunsicher-
heit, der damit verbundenen Diskussion und entsprechenden
Unruhe vor Ort, langwieriger Prozesse sowie das Risiko er-
heblicher Ersatzforderungen gegenüber dem Bund, je nach
Ausgang der anhängigen Rechtsstreite. Nach Auffassung der
BA wäre eine eindeutige gesetzliche Klarstellung notwendig,
um eventuell anders lautende Sozialgerichtsentscheidungen
Vergleich zum Haushaltsentwurf dürfe nicht zu einer Kür-
zung des Eingliederungsbudgets führen. Den Antrag der

die Grundlage zu entziehen und kommunale Träger von der
Einleitung von Klageverfahren abzuhalten.

Drucksache 16/3677 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Deutsche Städtetag führt in seiner Stellungnahme aus,
dass die vorgesehene Beteiligung des Bundes an den KdU
(Kosten der Unterkunft) zwar eine deutliche Verbesserung
im Vergleich zum früheren Angebot der Bundesregierung
darstelle, allerdings auch so die gesetzlich zugesicherte fi-
nanzielle Entlastung der Kommunen durch die Zusammen-
legung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe um 2,5 Mrd. Euro
nicht erreicht werde. Das vielmehr erforderliche Finanzvo-
lumen von 5,8 Mrd. Euro sei durch eine umfangreiche Da-
tenerhebung der kommunalen Spitzenverbände gemeinsam
mit den Ländern aus dem Verwaltungsvollzug ermittelt wor-
den. Der Deutsche Städtetag hält im Übrigen eine unmittel-
bare belastungsadäquate Beteiligung des Bundes an den
Ausgaben der kommunalen Träger für unbedingt erforder-
lich. Eine Verteilungsregelung, die darauf abstelle, vorwie-
gend die durch das SGB II entstehenden Mehrbelastungen
auszugleichen, stellte die vor der Reform bestehende Belas-
tungssituation in den Kommunen wieder her. Daher werde
die Absicht der Bundesregierung begrüßt, die Finanzie-
rungsmittel des Bundes grundsätzlich auch zukünftig in
Form einer quotalen Beteiligung an den Leistungen für KdU
an die Kommunen weiterzugeben. Allerdings sei die An-
knüpfung an die Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemein-
schaften nicht geeignet, die tatsächliche Entwicklung der
Ausgaben widerzuspiegeln. Die Leistungen für Unterkunft
und Heizung könnten sowohl durch eine ungünstige Ent-
wicklung der Energiekosten, lang andauernde Heizungspe-
rioden als auch Änderungen bei der durchschnittlichen Grö-
ße der Bedarfsgemeinschaften beeinflusst werden. Daher
werde eine Anknüpfung der Fortschreibungsklausel an die
tatsächlichen Ausgaben für Unterkunft und Heizung im
SGB II gefordert. Da die Kommunen den weitaus größeren
Teil dieser Leistungen finanzierten, sei das wirtschaftliche
Eigeninteresse an einer kostenbewussten Verwaltungspraxis
selbstverständlich gegeben. Schließlich macht der Deutsche
Städtetag in seiner Stellungnahme deutlich, dass der Antrag
der Fraktion DIE LINKE. in der Praxis zu einer erheblichen
Ausweitung der Leistungen für Unterkunft und Heizung
führte. Die derzeitige Praxis der meisten Städte, sich bei der
Frage der Angemessenheit des Wohnraumes an den landes-
rechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung
des sozialen Wohnungsbaus zu orientieren, sei kürzlich vom
Bundessozialgericht bestätigt worden. Auch die Zugrunde-
legung eines einfachen und im unteren Segment liegenden
Ausstattungsstandards und der Orientierung am örtlichen
Mietspiegel im unteren Preissegment entspreche damit den
geltenden Maßstäben der Angemessenheitsprüfung.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund e. V.
(DStGB) macht deutlich, dass zwar die nach oben korri-
gierte Bundesbeteiligung auf 4,3 Mrd. Euro anerkennens-
wert sei, jedoch auch diese Summe nicht ausreichend sei,
um die zugesicherte und gesetzlich normierte Entlastung der
Kommunen in Höhe von 2,5 Mrd. Euro zu erreichen. Hier-
für wären 5,8 Mrd. Euro als Bundesbeteiligung notwendig
gewesen. Die Erwartung des Bundes, aus der Entlastung
könnten die Kommunen 1,5 Mrd. Euro jährlich zusätzlich in
die Kinderbetreuung investieren, werde demnach so nicht in
Erfüllung gehen können, da im Gesetzentwurf die Mittel ge-
rade um diesen Betrag gekürzt würden. Darüber hinaus
stimmt der DStGB dem Gesetzentwurf dahingehend zu,
dass das Verfahren regelmäßiger Anpassungen der Höhe der

zweckmäßig erwiesen habe. Allerdings stelle die nun vor-
geschlagene Berechnungsformel keine geeignete Grundlage
dar, da die Anknüpfung der Bemessung an die Zahl der
Bedarfsgemeinschaften nicht sachgerecht sei. Vielmehr sei
eine Orientierung an den tatsächlichen Ausgaben erforder-
lich. Vermisst werde zudem ein Verfahren, das die derzeiti-
gen Verwerfungen zwischen und in den Bundesländern aus-
gleiche. Dies sei im Vermittlungsverfahren im Juli 2004 zu-
gesagt worden. Die Mittelverteilung zwischen den Bundes-
ländern müsse gewährleisten, dass die Gesamtheit der
Kommunen in jedem Land soviele Bundesmittel erhalte, dass
eine Mehrbelastung gegenüber der Nettosozialhilfebelas-
tung 2004 vermieden werde. Die jetzt vorgesehene einheit-
liche Quote von 31,8 Prozent Bundesbeteiligung führe ins-
besondere für die Stadtstaaten zu Vorteilen und benach-
teilige die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in den
Flächenländern massiv. Aus Sicht des DStGB solle die bis-
herige Quotenregelung durch ein Verfahren ersetzt werden,
das die folgenden drei Eckpunkte umfasse: 1. Übergang von
der Quote zu einem Festbetrag des Bundes für jedes Land.
2. Der Festbetrag solle einen Mehrbelastungsausgleich
(erste Stufe) und den Anteil des jeweiligen Landes am Ent-
lastungsbetrag (zweite Stufe) für die Kommunen beinhalten.
3. Die Ermittlung der Festbeträge erfolge in der ersten Stufe
zunächst durch einen Mehrbelastungsausgleich, der die
finanziellen Auswirkungen des Systemwechsels ausgleiche.
Alle Länder erhielten einen vollständigen Ausgleich der
Mehrbelastungen durch Hartz IV und jedes Land werde
„auf Null“ gestellt. Grundlagen seien die Kommunaldaten-
erhebung und hierauf gestützte Revisionsrechnungen der
Länder. In der zweiten Stufe solle eine Verteilung des Ent-
lastungsbetrages erfolgen, der sich an den Anteilen der KdU
orientieren könne.

Der Deutsche Landkreistag stellt fest, mit der im Gesetz-
entwurf vorgesehenen Quote von 31,8 Prozent für die Betei-
ligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft für das
Jahr 2007 könne die zugesicherte Entlastung der Kommu-
nen von 2,5 Mrd. Euro nicht realisiert werden. Vielmehr
müsse der Anteil des Bundes laut Berechnung auf Grund-
lage der Kommunaldatenerhebung 5,7 Mrd. Euro betragen,
was die Bundesregierung aber sachwidrig durch eigene Be-
rechnung bestreite, indem sie von fiktiven Entlastungen der
Kommunen ausgehe. Der Deutsche Landkreistag als die
Vertretung von 323 der 439 kommunalen Träger weist zu-
dem darauf hin, dass Kommunen in Baden-Württemberg,
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz durch die neuen
SGB-II-Aufgaben höher belastet würden als durch die frü-
here Sozialhilfe. Pro Einwohner gerechnet streue die Ge-
genüberstellung der Be- und Entlastungen zwischen den
Ländern mehr als 9 Euro Belastung in Rheinland-Pfalz und
über 90 Euro Entlastung in Bremen. Bereits die 2005/2006
zeitlich befristete quotale Beteiligung des Bundes habe dazu
geführt, dass es zahlreiche Kreise, aber auch kreisfreie
Städte gebe, die zu Nettoverlierern durch Hartz IV gewor-
den seien. Dies sei unstrittig und von der Bundesregierung
eingeräumt worden. Die gemeinsame Kommunaldatenerhe-
bung der Länder und der kommunalen Spitzenverbände
zeige unzweifelhaft, dass eine nur an die kommunalen Aus-
gabenlasten anknüpfende quotale Beteiligung des Bundes
für die Jahre ab 2007 nicht zu dem gewünschten Effekt
führe, die Kommunen gleichmäßig und belastungsgerecht
Bundesbeteiligung auf der Grundlage einer jährlichen Be-
und Entlastungsrechnung für die Kommunen sich als nicht

zu entlasten. Schließlich sei es nicht sachgerecht, die Ver-
änderungsformel für den Bundesanteil an den KdU an der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/3677

prozentualen Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften aus-
zurichten. Die Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften ent-
spreche nicht der Entwicklung der tatsächlichen Ausgaben-
belastung der Kommunen aus dem SGB II, da durch den
Gesetzgeber die Gründung von Bedarfsgemeinschaften ge-
ändert worden sei. Infolge der Rechtsänderungen betreffend
die unter 25-Jährigen sinke bei gleich bleibender Zahl der
Leistungsempfänger die Zahl der Bedarfsgemeinschaften.
Das habe zur Folge, dass trotz steigender Ausgabenlasten
der Kommunen die Bundesbeteiligung aufgrund der Formel
sänke. Schon seit Juli 2006 zeichne sich hier eine Verände-
rung zum Nachteil der Kommunen um etwa 5 Prozent ab.
Die Veränderungsformel müsse daher an die kommunalen
Gesamtausgaben geknüpft werden.

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Für-
sorge e. V. schließt sich der Position der kommunalen Spit-
zenverbände hinsichtlich des Gesetzentwurfs an. Er hält es
nach wie vor für dringend erforderlich, dass die im Gesetz-
gebungsverfahren zum „Vierten Gesetz für moderne Dienst-
leistungen am Arbeitsmarkt“ zugesagte Entlastung der kom-
munalen Haushalte um 2,5 Mrd. Euro tatsächlich erreicht
werde. Zum Antrag auf Drucksache 16/3302 führt der Deut-
sche Verein aus, er halte den Erlass einer Rechtsverordnung
auf Grundlage der Ermächtigung in § 27 SGB II nicht für
geboten. Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeit-
suchende seien nach § 22 Abs. 1 SGB II Leistungen für
Unterkunft und Heizung zu erbringen, soweit diese ange-
messen sind. Der Begriff der Angemessenheit werde im Ge-
setz nicht näher definiert. Zur Beurteilung der Angemessen-
heit orientierten sich die zuständigen kommunalen Träger an
der bisherigen kommunalen Praxis bei der Bestimmung der
angemessenen Unterkunftskosten für Sozialhilfeempfänger.
Hierbei seien die Besonderheiten des Einzelfalls (z. B. Er-
krankung oder Behinderung) ebenso zu berücksichtigen wie
die reale Lage auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt und
die Größe und Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft.
Dem Deutschen Verein seien entgegen der häufig missver-
ständlichen öffentlichen Berichterstattung keine durchgrei-
fenden Anhaltspunkte dafür bekannt, dass die Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter der kommunalen Träger nicht mit ge-
nügend Augenmaß und Verständnis an die Ermessensprü-
fung herangingen. Es sei sachgerecht und auch im Interesse
der Leistungsempfänger ausreichend, dass bei der Beurtei-
lung, ob die KdU als unangemessen im Sinne des § 22
Abs. 1 SGB II angesehen werden könnten – verbunden mit
einem größtmöglichen Ermessensspielraum – ein regionaler
Ansatz zugrunde gelegt werde. Wegen der erforderlichen
Kooperationsbereitschaft der Leistungsempfänger könnten
Meinungsverschiedenheiten nicht ausbleiben. Die Ange-
messenheit sei ein unbestimmter Rechtsbegriff und der sich
daraus ergebende Beurteilungsspielraum unterliege in vol-
lem Umfang der gerichtlichen Kontrolle durch die zuständi-
gen Sozialgerichte.

Die Sachverständige Dr. Elisabeth Preuß hält grundsätz-
lich das Anliegen des Gesetzentwurfs für richtig, den jährli-
chen Verhandlungsmarathon um die KdU-Beteiligung des
Bundes zukünftig zu vermeiden. Allerdings müsse zum
einen in die Rechenformel die tatsächliche finanzielle Be-
lastung der Kommunen einfließen: Denn die Kommunen
teilten sich in „Hartz-IV-Gewinner und -Verlierer“ auf. Ins-
besondere solche Kommunen, die unter dem Strich durch

ihre Haushalte einstellen. Daher sei es nicht nur wichtig,
dass die Kommunen finanzielle Planungssicherheit bekä-
men, sondern dass in die Berechnungen der Bundes-
zuschüsse die realen Verhältnisse vor Ort einflössen, so dass
auch die so genannten Hartz-IV-Verlierer finanziell nicht
weiterhin das Nachsehen hätten. Insofern sei das Kriterium
„Anzahl der Bedarfsgemeinschaften“ nicht geeignet, um
den Automatismus der Bundesbeteiligung zu errechnen.
Zum anderen müsse die Mitsprachemöglichkeit der kommu-
nalen Spitzenverbände verbessert werden: Schließlich sei
der vorliegende Kompromissvorschlag von den Ländern in
die Verhandlungen eingebracht worden, während die zusätz-
lichen Haushaltsbelastungen voll in den kommunalen Haus-
halten aufschlagen würden. Die Taktik der Bundesregie-
rung, zunächst nur 2 Mrd. Euro KdU-Beteiligung in den
Bundeshaushalt 2007 einzusetzen, so dass die Kommunen
über die jetzt geplante Beteiligung von 4,3 Mrd. Euro zufrie-
den seien, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass tatsäch-
lich 5,8 Mrd. Euro notwendig gewesen wären, um die kom-
munale Belastung zumindest auf dem Status quo zu halten.

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen 31,8 Prozent für die
Bundesbeteiligung an den KdU hält Marlis Bredehorst als
eine ernsthafte Entlastung der Kommunen bei weitem nicht
für ausreichend. Angemessen sei eine Bundesbeteiligung
von 5,8 Mrd. Euro im Jahr 2007, was einem Anteil von ca.
43 Prozent entspräche. Aufgrund der seit Inkrafttreten des
SGB II stark gestiegenen Anzahl der Leistungsempfänger
falle die Belastung der städtischen Haushalte deutlich höher
aus als kalkuliert. Insoweit werde das gesetzgeberische Ziel
einer effektiven Entlastung der Kommunen verfehlt. Die zu-
künftige Berechnungsmethode der Höhe des Bundesanteils
mittels der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaf-
ten sei nicht geeignet, die Entwicklung der Ausgaben der
kommunalen Träger abzubilden. Im Sinne der Verteilungs-
gerechtigkeit müsse sich der Bundesanteil vielmehr an den
tatsächlich von den Kommunen zu zahlenden Kosten orien-
tieren. Insbesondere sei zu kritisieren, dass durch die einge-
führte Berechnungsformel bei Senkung der Anzahl der Be-
darfsgemeinschaften sich nicht nur der absolute, sondern
auch der prozentuale Bundesanteil verringere. Im Ergebnis
könne erfolgreiche Integrationsarbeit zu einer Absenkung
des Bundesanteils unter das heutige Niveau führen. Dies
stelle eine nicht gerechtfertigte Mehrbelastung der Kommu-
nen im Verhältnis zum Bund dar. Darüber hinaus sei zu beo-
bachten, dass sich die Zahl der Hilfeempfänger nicht im
gleichen Maße verändere wie die Zahl der Bedarfsgemein-
schaften. Insofern sei die Entwicklung der Zahl der Bedarfs-
gemeinschaften nicht unbedingt ein Indiz für die Kosten-
belastung. Hinzu komme, dass die KdU auch bei ansonsten
unveränderten Rahmenbedingungen stetig anstiegen, da sie
sich nicht nach festen Regelsätzen, sondern nach Markt-
gegebenheiten bemäßen. Dies treffe in besonderem Maße
auf Großstädte zu, die über ein nicht mit kommunalen Mit-
teln beeinflussbares und allgemein hochpreisiges Miet-
niveau verfügten. Der Antrag auf Drucksache 16/3302
werde allein schon deshalb abgelehnt, weil die dort vorgese-
hene bundesweite Regelung die unterschiedlichen örtlichen
Gegebenheiten und lokal differenzierte Verfahrensvorga-
ben zur Angemessenheit von Wohnraum nicht berücksichti-
gen könne.
das SGB II be- und nicht entlastet worden seien, müssten
aus kommunalen Mitteln zusätzliche Millionenbeträge in

Dr. Franz-Georg Rips begrüßt grundsätzlich die Beteili-
gung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und

Drucksache 16/3677 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Heizung. Er will sich ausdrücklich nicht zur Angemessen-
heit der Kosten des Bundes äußern, unterstützt aber eine dy-
namische Regelung für die Zukunft, so dass die Bundes-
beteiligung an den Wohnkosten für die Kommunen planbar
sei. Der Sachverständige weist darauf hin, dass nach den
Berechnungen des Deutschen Mieterbundes im Jahr 2006
die Heizkosten, die gemäß § 22 Abs. 1 SGB II von den Kos-
tenträgern zu übernehmen seien, um etwa 20 Prozent durch-
schnittlich gestiegen seien. Auch die anderen Nebenkosten
des Wohnens hätten einen leichten Zuwachs erfahren; für
die Folgezeit sei eine weitere Kostensteigerung zu erwarten.
Daher erscheine es zweifelhaft, ob mit den rechnerischen
Grundlagen der Wohnkostenaufteilung die gewünschte Ent-
lastung der Kommunen von 2,5 Mrd. Euro erreicht werde.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. findet generell die
Unterstützung des Sachverständigen. Allerdings solle der
genaue Inhalt einer Verordnung auch abhängig gemacht
werden von dem Ergebnis eines Abstimmungsverfahrens
zwischen Bund, Ländern und Akteuren auf dem Wohnungs-
markt. Im Einzelnen vertritt Dr. Rips die Auffassung, dass
die Übernahme der bisherigen Wohnkosten in voller Höhe
für ein Jahr gerechtfertigt scheine. Ausdrücklich wird von
ihm auch die Forderung unterstützt, auch das Warmwasser
in die Unterkunftskosten einzubeziehen. Die angemessenen
Wohnkosten hätten sich grundsätzlich an den Mittelwerten
des Mietspiegels zu orientieren. Der Anspruch auf eine
Mietrechtsberatung sei nicht nur aus rechtsstaatlichen Grün-
den zu befürworten, sondern könne in der Praxis auch zu
einer erheblichen Entlastung der Kostenträger führen. Ein
Umzug sei in der Tat nur dann sinnvoll, wenn bei einer
Saldierungsberechnung hierdurch wirtschaftliche Vorteile
für den Kostenträger entstünden. Dies sei aber bereits gel-
tendes Recht, so dass es hierzu nicht unbedingt einer beson-
deren Darlegung bedürfe.

IV. Beratung und Abstimmungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung
der Vorlagen in seiner 31. Sitzung am 8. November 2006 im
Rahmen einer Behandlung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 GO
aufgenommen und nach der öffentlichen Anhörung am
20. November 2006 in seiner 36. Sitzung am 30. November
2006 fortgesetzt und abgeschlossen.

Der von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur
Abschlussberatung eingebrachte Änderungsantrag auf Aus-
schussdrucksache 16(11)488 wurde mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP angenommen.

Im Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be-
schlossen, dem Deutschen Bundestag die Annahme des
Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/3269 in der Fassung der
angenommenen Änderungsanträge zu empfehlen.

Der Ausschuss hat zudem mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen

Bundestag die Ablehnung des Antrags auf Drucksache
16/3302 zu empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU hob hervor, dass Verlässlich-
keit einer der Grundpfeiler von politischem Handeln sei.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beweise der Bund,
dass er verlässlich sei und den Kommunen die zugesagte
Entlastung für die Kosten von Unterkunft und Heizung für
die Bedarfsgemeinschaften zukommen lasse. Der Bund er-
höhe seinen Anteil an den in den Kommunen anfallenden
KdU von ursprünglich 2 Mrd. auf 4,3, Mrd. Euro. Mit der
vereinbarten Gleitklausel werde der Bundesanteil künftig
der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angepasst. Dies sei
fair und beweise, dass Bund, Länder und Kommunen die
Probleme, die sich aus Langzeitarbeitslosigkeit ergäben, nur
gemeinsam lösen könnten.

Die Fraktion der SPD betonte, dass die jährliche Ausein-
andersetzung mit den kommunalen Verbänden nun der Ver-
gangenheit angehöre. Der Bund löse sein Versprechen ein,
die Kommunen um 2,5 Mrd. Euro zu entlasten, und habe
gleichzeitig ein Verfahren bis 2010 gefunden, das eine
kalkulierbare und verlässliche Grundlage bilde. Die Belas-
tung des Bundes in Höhe von 4,3 Mrd. Euro könne bewerk-
stelligt werden, da sich die Steuereinnahmen sehr positiv
entwickelt hätten und die Arbeitslosigkeit sinke. Die an den
Bedarfsgemeinschaften orientierte Berechnungsformel stelle
sicher, dass die Bemühungen zur Minimierung der Kosten
durch die Reduzierung der Bedarfsgemeinschaften unter-
stützt würden.

Die Fraktion der FDP machte deutlich, dass über mehrere
Jahre zwischen Bund, Ländern und Kommunen ein Streit
über die Kosten für Unterkunft und Heizung geführt werde.
Sie kritisierte, dass es durch die Kürze der Beratungszeit des
Änderungsantrages kaum möglich sei, die Folgen der „Lex
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz“ zu überprüfen.
Es sei unverständlich, warum die Koalition nicht auch den
Vorschlag des Bundesrates aufgenommen habe, sich statt an
der Zahl der Bedarfsgemeinschaften an den tatsächlichen
Kosten zu orientieren.

Die Fraktion DIE LINKE. vertrat die Auffassung, dass der
Bundesanteil in Höhe von 4,3 Mrd. Euro nicht zur Ent-
lastung der Kommunen beitragen werde. Vielmehr sei ein
Betrag von 5,8 Mrd. Euro angemessen. Im Hinblick auf den
eigenen Antrag sei es an der Zeit, bundesweite Standards
für angemessenes Wohnen von ALG-II-Beziehenden einzu-
führen. Denn die Bandbreite der bisherigen Praxis in den
Kommunen bei der Festlegung von angemessenem Wohn-
raum lasse auch willkürliche Entscheidungen der Verwal-
tung erkennen. Stattdessen müssten mehr Einheitlichkeit,
Objektivität und Gerechtigkeit geschaffen werden. Die Ber-
liner Richtlinie des rot-roten Senats zu den Kosten der
Unterkunft, auf die sich der vorgelegte Antrag stütze, zeige
erfolgreich, wie dies ermöglicht werde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN argumen-
tierte, durch die Bundesbeteiligung an den Kosten der Un-
terkunft müsse die Entlastung der Kommunen um 2,5 Mrd.
Euro sichergestellt sein. Darauf habe man sich zur Zeit der
rot-grünen Regierung und im Bundesrat geeinigt. Es müsse
auch der alte Begründungszusammenhang aufrechterhalten
werden: Die Kommunen müssten mehr Kinderbetreuungs-
der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, dem Deutschen

plätze schaffen. Der Gesetzentwurf sei allerdings keine
Dauerlösung. Spätestens ab 2010 bedürfe es einer klügeren

Zur Begründung der einzelnen Vorschriften wird – soweit sie
im Verlauf der Ausschussberatungen nicht geändert oder
ergänzt wurden – auf den Gesetzentwurf auf Drucksache
16/3269 verwiesen. Hinsichtlich der vom Ausschuss für
Arbeit und Soziales geänderten oder neu eingefügten Vor-
schriften ist Folgendes zu bemerken:

Zu Artikel 1

Zu Nummer 2

Inhaltlich neu gegenüber dem Gesetzentwurf sind die Ab-
sätze 6, 9 sowie 10 des § 46 SGB II.

Zu Absatz 6 Satz 2

Das einstimmige Votum des Bundesrates (Bundesratsdruck-
sache 815/2/06) aufgreifend wird der Beteiligungssatz für
das Jahr 2007 für 14 Länder von 31,8 Prozent auf 31,2 Pro-
zent reduziert. Für das Land Baden-Württemberg wird die
Höhe der Bundesbeteiligung auf insgesamt 35,2 Prozent,
und für das Land Rheinland-Pfalz auf insgesamt 41,2 Pro-
zent erhöht.

gleich Ost über das Instrument der Sonderbedarfs- Bundes-
ergänzungszuweisungen überprüft werden muss.

Eine Befristung der Bundesbeteiligung bis zunächst 2010
bedeutet nicht, dass sich der Bund in den Jahren danach aus
seiner Verantwortung zurückzieht. Vielmehr sollten recht-
zeitig vor 2011 die erforderlichen Entscheidungen vor dem
Hintergrund der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse getrof-
fen werden.

Zu Absatz 10 Satz 3 – neu –

Die Regelung im neuen Satz 3 stellt klar, dass sich bei der
Erstattung der Bundesbeteiligung der Vomhundertsatz da-
nach richten soll, für welchen Zeitraum die Leistungen für
Unterkunft und Verpflegung erbracht wurden, d. h. nicht
nach dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wurden oder in
dem die Länder die Mittel für die teilweise Tragung vom
Bund abfordern. Die Regelung ist erforderlich, um Un-
sicherheiten bei der Festsetzung der zu erstattenden Beträge
zu vermeiden.

Berlin, den 30. November 2006

Karl Schiewerling
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/3677

Lösung des Finanzierungsmechanismus. Zudem müsse sich
das Fortschreibungsverfahren an den tatsächlichen Kosten
der Unterkunft orientieren, dies führe zu einer zielgenaue-
ren Entlastung.

Die Bundesregierung betonte, dass hier ein guter Kompro-
miss für die Kommunen gefunden worden sei. Sie erhielten
Planungssicherheit bis 2010, was die Beteiligung des Bun-
des an den Leistungen der Unterkunft angehe, und sie wür-
den in den nächsten Jahren um deutlich mehr als die zu-
gesagten 2,5 Mrd. Euro entlastet werden. Die Bundesregie-
rung verbinde mit ihrer Zusage an die Kommunen die klare
Erwartung, dass die Entlastung für den Ausbau der Kinder-
betreuung eingesetzt werde. Es bestünden eindeutige politi-
sche Absprachen, die von allen Seiten eingehalten werden
müssten.

B. Besonderer Teil

Zu den Absätzen 7 und 8

Redaktionelle Folgeänderungen aufgrund der Änderungen
in Absatz 6.

Zu Absatz 9

Es handelt sich um eine Klarstellung.

Eine Festlegung der Bundesbeteiligung bzw. einer formel-
gestützten Anpassungsregel über eine mittlere Frist hinaus
ist nicht sinnvoll.

Ein geeigneter Zeitpunkt für eine Überprüfung der An-
gemessenheit der gesetzlich verankerten Anpassungsformel
ist das Jahr 2010, da spätestens dann – nach Vorliegen der
Ergebnisse der Evaluation nach § 6c SGB II – auch andere
Organisationsentscheidungen in Zusammenhang mit der
Grundsicherung für Arbeitsuchende zu fällen sind und auch
– wie gesetzlich festgeschrieben – der so genannte Aus-

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