BT-Drucksache 16/3638

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/2969- Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes

Vom 29. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3638
16. Wahlperiode 29. 11. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/2969 –

Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes

A. Problem

Nach geltendem Recht kann der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) nicht mehr auf Daten aus
dem Zentralen Einwohnerregister der DDR (ZER) zurückgreifen, da das Zu-
griffsrecht Ende 2005 ausgelaufen ist. Zum Jahresende 2006 läuft darüber hin-
aus die Frist aus, innerhalb der die so genannte Regelüberprüfung möglich ist,
ob jemand hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst tätig war.
Veränderte technische Möglichkeiten, Forschungsinteressen und praktische
Überlegungen machen zudem eine Modernisierung des Gesetzes notwendig.

B. Lösung

Das Gesetz wird so gefasst, dass der Bundesbeauftragte künftig wieder auf die
Identifizierungsdaten aus dem ZER zurückgreifen kann. Für einen definierten
Personenkreis soll eine Überprüfung auf Mitarbeit beim DDR-Staatssicherheits-
dienst erlaubt bleiben. Die Möglichkeiten, Akten des Staatssicherheitsdienstes
für Forschung und Medien zugänglich zu machen und moderne Kommunika-
tionsmittel zu nutzen, werden erweitert.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten

Keine

Drucksache 16/3638 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/2969 mit folgenden Maßgaben, im Übri-
gen unverändert anzunehmen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. Im äußeren Rahmentext ist die Angabe „BGBl. 1“ jeweils durch die Angabe
„BGBl. I“ zu ersetzen.

2. Nummer 1 Buchstabe b wird wie folgt gefasst:

,b) Die Angaben zu den §§ 32 und 32a werden wie folgt gefasst:

„§ 32 Verwendung von Unterlagen für die politische und historische
Aufarbeitung

§ 32a Benachrichtigung“‘.

3. Nummer 4 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:

,a) In Satz 2 wird die Angabe „der §§ 20 und 21 jeweils Absatz 1 Nr. 6
Buchstabe d bis f, Nr. 7 Buchstabe b bis f“ durch die Angabe „des § 20
Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe c bis h, Nr. 7 Buchstabe b bis f und des § 21
Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe c bis h und Nr. 7 Buchstabe b bis f“ ersetzt.‘

4. Nummer 5 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa wird wie folgt gefasst:

,aa) Die Nummern 6 und 7 werden wie folgt gefasst:

„6. Überprüfung der folgenden Personen nach Maßgabe der dafür gel-
tenden Vorschriften und mit ihrer Kenntnis zur Feststellung, ob sie
hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst tätig
waren, soweit es sich nicht um Tätigkeiten für den Staatssicherheits-
dienst vor Vollendung des 18. Lebensjahres gehandelt hat:

a) Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung
sowie sonstige in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis
stehende Personen,

b) Abgeordnete, Angehörige kommunaler Vertretungskörperschaf-
ten sowie kommunale Wahlbeamte,

c) Beamte, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt
werden können, und Angestellte in entsprechender Funktion,

d) Beamte und Angestellte, die eine Behörde leiten oder eine ver-
gleichbar verantwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen,

e) Berufsrichter und ehrenamtliche Richter,

f) Soldaten, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt
werden können, Soldaten ab dem Dienstgrad Oberst, die eine Be-
hörde leiten, sowie Stabsoffiziere, die auf Dienstposten mit er-
heblicher Außenwirkung im integrierten Bereich (In- oder Aus-
land), im Attachédienst oder bei sonstigen Dienststellen im
Ausland eingesetzt sind,

g) Mitglieder des Präsidiums und des Vorstandes sowie leitende
Angestellte des Deutschen Olympischen Sportbundes, seiner
Spitzenverbände und der Olympiastützpunkte, Repräsentanten
des deutschen Sports in internationalen Gremien sowie Trainer

und verantwortliche Betreuer von Mitgliedern der deutschen Na-
tionalmannschaften,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3638

h) Personen, die sich in den Fällen der Buchstaben c bis g um das
Amt, die Funktion oder die Einstellung bewerben;

die Feststellung kann sich auch auf die Tätigkeit für einen ausländi-
schen Nachrichtendienst beziehen,

7. Überprüfung der folgenden Personen nach Maßgabe der dafür gel-
tenden Vorschriften und mit ihrer Kenntnis zur Feststellung, ob sie
hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst tätig
waren, soweit es sich nicht um Tätigkeiten für den Staatssicherheits-
dienst vor Vollendung des 18. Lebensjahres gehandelt hat:

a) Mitglieder des Beirats nach § 39 und des wissenschaftlichen Be-
ratungsgremiums nach § 39a,

b) der Bundesbeauftragte und seine Beschäftigten,

c) die Landesbeauftragten nach § 38 und ihre Beschäftigten,

d) diejenigen Beschäftigten öffentlicher Stellen, die mit der Be-
arbeitung von Anträgen nach dem Strafrechtlichen, Verwaltungs-
rechtlichen oder Beruflichen Rehabilitierungsgesetz befasst sind,

e) diejenigen Beschäftigten sonstiger Einrichtungen, die überwie-
gend mit der Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheits-
dienstes oder der Herrschaftsmechanismen der ehemaligen Deut-
schen Demokratischen Republik oder der ehemaligen sowje-
tischen Besatzungszone befasst sind,

f) Personen, die sich in den vorgenannten Fällen um das Amt, die
Funktion oder die Einstellung bewerben;

die Feststellung kann sich auch auf die Tätigkeit für einen ausländi-
schen Nachrichtendienst beziehen,“.‘

5. Nummer 5 Buchstabe b wird wie folgt gefasst:

,b) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die Verwendung für die in Absatz 1 Nr. 6 genannten Zwecke ist
nach dem 31. Dezember 2011 unzulässig. Unterlagen zu Auskünften und
Mitteilungen, die im Zusammenhang mit früheren Überprüfungen bei
den anfordernden Stellen angefallen sind, sind dem Bundesarchiv oder
dem zuständigen Landesarchiv bzw. bei Mitgliedern des Deutschen Bun-
destages dem Archiv des Deutschen Bundestages anzubieten.‘

6. Nummer 6 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa wird wie folgt gefasst:

,aa) Die Nummern 6 und 7 werden wie folgt gefasst:

„6. Überprüfung der folgenden Personen nach Maßgabe der dafür gel-
tenden Vorschriften und mit ihrer Kenntnis zur Feststellung, ob sie
hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst tätig
waren, soweit die Feststellung nicht mit den in § 20 genannten Un-
terlagen getroffen werden kann und es sich nicht um Tätigkeiten für
den Staatssicherheitsdienst vor Vollendung des 18. Lebensjahres
gehandelt hat:

a) Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung
sowie sonstige in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis
stehende Personen,

b) Abgeordnete, Angehörige kommunaler Vertretungskörperschaf-
ten sowie kommunale Wahlbeamte,

c) Beamte, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt
werden können, und Angestellte in entsprechender Funktion,
d) Beamte und Angestellte, die eine Behörde leiten oder eine ver-
gleichbar verantwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen,

Drucksache 16/3638 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

e) Berufsrichter und ehrenamtliche Richter,

f) Soldaten, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt
werden können, Soldaten ab dem Dienstgrad Oberst, die eine Be-
hörde leiten, sowie Stabsoffiziere, die auf Dienstposten mit er-
heblicher Außenwirkung im integrierten Bereich (In- oder Aus-
land), im Attachédienst oder bei sonstigen Dienststellen im
Ausland eingesetzt sind,

g) Mitglieder des Präsidiums und des Vorstandes sowie leitende
Angestellte des Deutschen Olympischen Sportbundes, seiner
Spitzenverbände und der Olympiastützpunkte, Repräsentanten
des deutschen Sports in internationalen Gremien sowie Trainer
und verantwortliche Betreuer von Mitgliedern der deutschen Na-
tionalmannschaften,

h) Personen, die sich in den Fällen der Buchstaben c bis g um das
Amt, die Funktion oder die Einstellung bewerben;

die Feststellung kann sich auch auf die Tätigkeit für einen ausländi-
schen Nachrichtendienst beziehen,

7. Überprüfung der folgenden Personen nach Maßgabe der dafür gel-
tenden Vorschriften und mit ihrer Kenntnis zur Feststellung, ob sie
hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst tätig
waren, soweit die Feststellung nicht mit den in § 20 genannten Un-
terlagen getroffen werden kann und es sich nicht um Tätigkeiten für
den Staatssicherheitsdienst vor Vollendung des 18. Lebensjahres
gehandelt hat:

a) Mitglieder des Beirats nach § 39 und des wissenschaftlichen Be-
ratungsgremiums nach § 39a,

b) der Bundesbeauftragte und seine Beschäftigten,

c) die Landesbeauftragten nach § 38 und ihre Beschäftigten,

d) diejenigen Beschäftigten öffentlicher Stellen, die mit der Bear-
beitung von Anträgen nach dem Strafrechtlichen, Verwaltungs-
rechtlichen oder Beruflichen Rehabilitierungsgesetz befasst sind,

e) diejenigen Beschäftigten sonstiger Einrichtungen, die über-
wiegend mit der Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicher-
heitsdienstes oder der Herrschaftsmechanismen der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik oder der ehemaligen
sowjetischen Besatzungszone befasst sind,

f) Personen, die sich in den vorgenannten Fällen um das Amt, die
Funktion oder die Einstellung bewerben;

die Feststellung kann sich auch auf die Tätigkeit für einen ausländi-
schen Nachrichtendienst beziehen,“.‘

7. Nummer 6 Buchstabe b wird wie folgt gefasst:

,b) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die Verwendung für die in Absatz 1 Nr. 6 genannten Zwecke
ist nach dem 31. Dezember 2011 unzulässig. Unterlagen zu Auskünf-
ten und Mitteilungen, die im Zusammenhang mit früheren Überprü-
fungen bei den anfordernden Stellen angefallen sind, sind dem Bun-
desarchiv oder dem zuständigen Landesarchiv bzw. bei Mitgliedern

des Deutschen Bundestages dem Archiv des Deutschen Bundestages
anzubieten.“‘

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3638

8. Nummer 12 wird wie folgt gefasst:

,12. § 32 wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

㤠32
Verwendung von Unterlagen für die politische

und historische Aufarbeitung“.

b) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 werden nach den Worten „Tätigkeit des Staatssicher-
heitsdienstes“ die Worte „oder der Herrschaftsmechanismen der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik oder der ehe-
maligen sowjetischen Besatzungszone“ eingefügt.

bb) In Satz 1 werden in Nummer 5 der Punkt durch ein Komma er-
setzt und nach Nummer 5 folgende Nummern 6 und 7 angefügt:

„6. Unterlagen mit personenbezogenen Informationen zu Ver-
storbenen, deren Tod 30 Jahre zurückliegt; ist das Todes-
jahr nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand festzu-
stellen, endet die Schutzfrist 110 Jahre nach der Geburt;
Nummern 1 bis 5 bleiben unberührt,

7. Unterlagen mit personenbezogenen Informationen darüber
hinaus, soweit

a) dies für die Durchführung der wissenschaftlichen For-
schungsarbeit an Hochschulen und anderen Forschungs-
einrichtungen erforderlich ist,

b) eine Nutzung anonymisierter Informationen zu diesem
Zweck nicht möglich oder die Anonymisierung mit einem
unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist und

c) der Empfänger der Informationen Amtsträger oder nach
dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtet worden
ist.“

cc) Satz 2 wird durch folgenden Satz ersetzt:

„Unterlagen mit personenbezogenen Informationen nach Satz 1
Nr. 3, 4 und 7 dürfen nur zur Verfügung gestellt werden, soweit
durch deren Verwendung keine überwiegenden schutzwürdigen
Interessen der dort genannten Personen beeinträchtigt werden.“

c) In Absatz 3 Satz 1 Nr. 4 wird nach den Wörtern „eingewilligt haben“
der Punkt durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer 5 ange-
fügt:

„5. es sich um Informationen über Verstorbene handelt, deren Tod
30 Jahre zurückliegt; ist das Todesjahr nicht oder nur mit unver-
tretbarem Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist 110 Jahre
nach der Geburt; Nummern 1 bis 4 bleiben unberührt.“

9. Nach Nummer 12 werden folgende Nummern 12a und 12b eingefügt:

,12a. § 32a erhält folgende Überschrift:

㤠32a
Benachrichtigung“.

12b. § 33 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Soweit die Einsichtnahme in Unterlagen gestattet ist, können

auf Verlangen Duplikate der Unterlagen herausgegeben werden; dies
gilt nicht im Falle des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7.“‘

Drucksache 16/3638 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

10. Nummer 14 wird wie folgt gefasst:

,14. § 37 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

a) In Nr. 5 wird das zweite Komma durch ein Semikolon ersetzt.
Danach werden folgende Sätze neu eingefügt:

„die Veröffentlichung kann auch durch ein elektronisches Informa-
tions- und Kommunikationssystem erfolgen; dabei ist durch geeig-
nete technische und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen,
dass die Informationen unversehrt, vollständig und aktuell bleiben
und durch Dritte weder elektronisch kopiert noch verändert werden
können und dass die Veröffentlichung jederzeit ihrem Ursprung
nach zugeordnet werden kann; das elektronische Kopieren kann zu-
gelassen werden, wenn dies nach dem Zweck der Veröffentlichung
erforderlich ist und hierdurch keine überwiegenden schutzwürdigen
Interessen der dort genannten Personen beeinträchtigt werden,“.

b) Nr. 6 wird wie folgt gefasst:

„6. Unterstützung der Forschung und der politischen Bildung bei
der historischen und politischen Aufarbeitung der Tätigkeit des
Staatssicherheitsdienstes durch Gewährung von Einsicht in Un-
terlagen und Herausgabe von Duplikaten von Unterlagen sowie
Unterstützung von Einrichtungen und Gedenkstätten zur Auf-
arbeitung der Geschichte der ehemaligen Deutschen Demokra-
tischen Republik oder der ehemaligen sowjetischen Besat-
zungszone bei der Dokumentation der Tätigkeit des Staats-
sicherheitsdienstes.“‘

11. Nummer 15 wird wie folgt gefasst:

‚15. § 39 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 3 wird aufgehoben.

b) Die bisherigen Absätze 4 und 5 werden die Absätze 3 und 4.

c) Nach dem neuen Absatz 4 wird folgender neuer Absatz 5 angefügt:

„(5) Der Beirat kann sich jederzeit in wichtigen Angelegenheiten
an den Deutschen Bundestag wenden.“‘

12. In Nummer 16 wird § 39a Abs. 3 wie folgt gefasst:

„(3) Mitglieder des wissenschaftlichen Beratungsgremiums sind bei ihrer
Bestellung zur Verschwiegenheit über die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt
gewordenen personenbezogenen Informationen, soweit sie nicht offenkun-
dig sind, zu verpflichten. Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach
Beendigung ihrer Mitgliedschaft im wissenschaftlichen Beratungsgremium
fort.“

Berlin, den 29. November 2006

Der Ausschuss für Kultur und Medien

Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Vorsitzender

Maria Michalk
Berichterstatterin

Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Berichterstatter

Christoph Waitz
Berichterstatter
Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Katrin Göring-Eckardt
Berichterstatterin

men.
Der Sportausschuss hat die Vorlage am 29. November 2006
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der
Fraktion der FDP und Abwesenheit der Fraktion DIE LINKE.

Jörn Mothes (Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen
Mecklenburg-Vorpommern),

Prof. Dr. Dr. Richard Schröder (Humbold Universität zu
Berlin),
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3638

Bericht der Abgeordneten Maria Michalk, Dr. h. c. Wolfgang Thierse,
Christoph Waitz, Dr. Lukrezia Jochimsen und Katrin Göring-Eckardt

I. Überweisung

Der Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/2969 ist
am 19. Oktober 2006 vom Plenum des Deutschen Bundes-
tages zur federführenden Beratung an den Ausschuss für
Kultur und Medien überwiesen worden. Zur Mitberatung
wurde der Entwurf an den Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung, den Innenausschuss, den
Sportausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für
Arbeit und Soziales, den Verteidigungsausschuss, den Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung sowie an den Haushaltsausschuss überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs

Mit der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes werden
eine Reihe von Zielen verfolgt. So soll der BStU die Daten
aus dem Zentralen Einwohnerregister der DDR wieder nut-
zen können, weil nur so Decknamen entschlüsselt und Ver-
bindungen zwischen Akten und realen Personen hergestellt
werden können. Die Möglichkeit zur so genannten Regel-
überprüfung auf Mitarbeit beim Staatssicherheitsdienst wird
von 2007 an auf einen definierten Personenkreis einge-
grenzt. Die Definition des nahen Angehörigen, der ein Recht
auf Akteneinsicht hat, wird erweitert, ebenso die Möglich-
keit, die Akten Verstorbener zu nutzen. Der Zugang zu den
Stasi-Unterlagen für die politische und historische Aufarbei-
tung durch Forschung, Medien und politische Bildung wird
verbessert. Unterlagen sollen zudem nicht länger nur genutzt
werden dürfen, wenn es um den Staatssicherheitsdienst geht,
sondern auch dann, wenn andere Elemente des Herrschafts-
systems der DDR und der sowjetischen Besatzungszone
untersucht werden. Um das Angebot der Behörde moderner
und effizienter gestalten zu können, wird die Gesetzeslage an
die Nutzungschancen moderner Technologien angepasst.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat die Vorlage am 29. November 2006
beraten und einstimmig bei Abwesenheit der Fraktion
DIE LINKE. empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung
der Beschlussempfehlung anzunehmen.

Der Innenausschuss hat die Vorlage am 29. November 2006
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Gesetz-
entwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung anzuneh-

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage am 29. November
2006 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Ge-
setzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung anzu-
nehmen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Vorlage am
29. November 2006 beraten und Annahme des Gesetz-
entwurfs in der Fassung der Beschlussempfehlung emp-
fohlen mit den Stimmen der Fraktion der CDU/CSU, der
Mehrheit der Fraktion der SPD sowie der Fraktionen FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Fraktion
DIE LINKE. sowie eine Stimme der Fraktion der SPD.

Der Verteidigungsausschuss hat die Vorlage am 29. Novem-
ber 2006 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Ge-
setzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung anzu-
nehmen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlage am 29. November 2006 be-
raten und Annahme in geänderter Fassung gemäß Beschluss-
empfehlung empfohlen mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie mit
einer Stimme aus der Fraktion der FDP. Gegen die Vorlage
stimmte die Fraktion DIE LINKE. Zwei Mitglieder der Frak-
tion der FDP enthielten sich.

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage am 29. November
2006 beraten und empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fas-
sung der Beschlussempfehlung anzunehmen. Dabei stimm-
ten die Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN sowie Teile der Fraktion der FDP für die Vorlage.
Gegen die Vorlage stimmten die Fraktion DIE LINKE. und
ein Mitglied der Fraktion der FDP. Ein weiteres Mitglied der
Fraktion der FDP enthielt sich der Stimme.

IV. Beratung im Ausschuss für Kultur und Medien

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat zu dem Gesetz-
entwurf in seiner 21. Sitzung am 25. Oktober 2006 eine
öffentliche Anhörung veranstaltet. Dazu waren sieben Sach-
verständige eingeladen:

Michael Beleites (Sächsischer Landesbeauftragter für die
Stasi-Unterlagen),

Prof. Dr. Klaus Dietmar Henke (Technische Universität
Dresden),

Dr. Hubertus Knabe (Wissenschaftlicher Direktor der Ge-
denkstätte Hohenschönhausen),
empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschluss-
empfehlung anzunehmen.

Prof. Dr. Johannes Weberling (Viadrina Frankfurt/Oder),

Prof. Dr. Uwe Wesel (Emeritus, Freie Universität Berlin).

Drucksache 16/3638 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Sechs der sieben Sachverständigen haben zur Vorbereitung
auf die Anhörung einen Fragenkatalog beantwortet und ge-
mäß Ausschussdrucksachen 16(22)063 bis 16(22)067 sowie
16(22)069 schriftliche Stellungnahmen vorgelegt. Zusatz-
fragen hat der Deutsche Olympische Sportbund schriftlich
gemäß Ausschussdrucksache 16(22)068 beantwortet.

In seiner 23. Sitzung am 29. November 2006 hat der Aus-
schuss seine Beratungen fortgesetzt und abgeschlossen. Mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. stimmte der Ausschuss für den Gesetzent-
wurf in geänderter Fassung gemäß Ausschussdrucksache
16(22)072. Den Änderungsantrag hatten die Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gemeinsam eingebracht.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstrich, mit der Neurege-
lung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes werde kein Schluss-
strich unter die Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihre
Herrschaftsmechanismen gezogen. Das Gegenteil sei der
Fall. Vielmehr verfolge die Novellierung ein zweifaches
Ziel: Zum einen werde für Personen in herausgehobenen
Funktionen und Ämtern die so genannte Regelanfrage, also
ohne Anhaltsbezogenheit, für eine Frist von fünf Jahren fort-
gesetzt. Personen, die unseren Staat und die Interessen der
Bürger repräsentieren, die an gehobener Stelle unseres Ge-
meinwesens tätig sind, die eine besondere Vertrauenswür-
digkeit genießen oder die die rechtsprechende Gewalt vertre-
ten, müssten unvermindert überprüft werden können. In der
Konsequenz werde auch das in der geltenden Fassung des
Stasi-Unterlagen-Gesetzes vorgesehene Vorhalteverbot ge-
strichen. Damit könne im Einzelfall individuell entschieden
werden, ob eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst
arbeits- oder dienstrechtliche Folgen hat. Für die politische
Kultur in unserem Land sei diese Fortentwicklung der Über-
prüfungsmöglichkeiten unverzichtbar.

Zum anderen würden die Zugangsmöglichkeiten zu den Un-
terlagen der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen für
Wissenschaft und Forschung deutlich erweitert. Hierbei wer-
de gleichzeitig sichergestellt, dass keine überwiegenden
schutzwürdigen Interessen der in den Unterlagen genannten
Personen beeinträchtigt werden. So dürften personenbezoge-
ne Informationen, die unter Verletzung des Kernbereichs
menschlicher Lebensgestaltung oder basierend auf einer
Menschenrechtsverletzung erhoben worden sind, nicht zur
Verfügung gestellt werden. Damit werde dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2004 Rechnung
getragen.

Des Weiteren werde die politische und historische Aufarbei-
tung nun auch auf die Herrschaftsmechanismen der ehemali-
gen Deutschen Demokratischen Republik oder der ehemali-
gen sowjetischen Besatzungszone ausgedehnt. Sowohl die
historische Verantwortung der Instanzen und Institutionen,
mit denen der Staatssicherheitsdienst zur Herrschaftssiche-
rung kooperiert habe als auch die entscheidenden Weichen-
stellungen der kommunistischen Diktaturdurchsetzung durch
die SBZ könnten somit präziser herausgearbeitet werden.

Zum Verlauf der Gesetzgebung sei insbesondere hervorzu-
heben, dass durch die Verschiebung der abschließenden Le-
sung im Plenum des Deutschen Bundestages und die daraus

Bundestag und Bundesrat möglich gemacht worden sei. Als
Folge verzichte der Freistaat Thüringen auf einen Einspruch.
Den Koalitionsfraktionen sei es so auch gelungen, einen
breiten demokratischen Konsens im Parlament zu erzielen;
die Fraktion DIE LINKE. sei isoliert mit ihrem Ansinnen,
einen völligen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Tä-
tigkeit des Staatssicherheitsdienstes zu ziehen. Die Opfer-
verbände empfänden die verdachtsunabhängige Fortent-
wicklung der Überprüfungsmöglichkeiten als eine deutliche
Berücksichtigung ihrer Interessen und Schicksale.

Nicht nur historisch-wissenschaftlich, sondern auch poli-
tisch-moralisch werde die Aufarbeitung des SED-Unrechts
mit dieser Novellierung fortgesetzt.

Die Fraktion der SPD begrüßte, dass die Novellierung des
StUG noch rechtzeitig erfolge, bevor Ende des Jahres die so
genannte Regelanfrage auslaufen würde. Künftig sei eine
Überprüfung nur noch für einen eingegrenzten Personenkreis
in gesellschaftlich und politisch verantwortungsvollen Funk-
tionen möglich. Diese Überprüfungsmöglichkeit werde auf
fünf Jahre befristet, um verfassungsrechtliche Bedenken aus-
zuräumen. Neben der differenzierten Fortentwicklung der
Überprüfungsmöglichkeit würden die Zugangsmöglichkei-
ten zu den Unterlagen der Birthler-Behörde für Wissenschaft
und Forschung unter Wahrung der schutzwürdigen Inte-
ressen der Betroffenen deutlich erweitert. Auf rechtsstaat-
liche Weise und dem Rechtsfrieden dienend werde die
historisch-wissenschaftliche und politisch-moralische Auf-
arbeitung des DDR-Unrechts fortgesetzt. Begrüßenswert sei
ferner, dass die Novellierung im Konsens mit der Stasi-
Unterlagen-Behörde und dem zuständigen Staatsminister für
Kultur und Medien erfolge und ein Kompromiss mit allen
Beteiligten gefunden worden sei, auch wenn die ursprünglich
vorgesehene verdachtsabhängige Überprüfung im rechts-
staatlichen Sinne die angemessenere Lösung gewesen wäre.

Die Fraktion der SPD bekräftigte, dass mit der Neuregelung
des Stasi-Unterlagen-Gesetzes kein Schlussstrich unter die
Aufarbeitung der SED-Diktatur und seiner Herrschafts-
mechanismen gezogen werde und dass dieser Vorwurf, auch
bezogen auf den Gesetzentwurf und den ursprünglichen Ent-
wurf für einen Änderungsantrag, absolut ungerechtfertigt
gewesen sei. Die kurzfristige Absetzung der zweiten und
dritten Lesung und die sich anschließenden weiteren Bera-
tungen innerhalb der Koaltionsfraktionen und mit den Frak-
tionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP hätten aber
schließlich einen breiten parlamentarischen Konsens ermög-
licht. Die Fraktion der SPD begrüßte es, dass sich mit Aus-
nahme der Fraktion DIE LINKE. alle Fraktionen im Deut-
schen Bundestag darauf verständigt hätten, die Frist für das
Auslaufen der Regelanfrage nicht – wie es der Entwurf des
Landes Thüringen vorsah – unbefristet zu verlängern, son-
dern dem Vorschlag der einbringenden Fraktionen folgend
eine differenzierte Fortentwicklung der Überprüfungsmög-
lichkeit und deren Befristung auf fünf Jahre zu ermöglichen.
Einer unbefristeten Verlängerung der Regelanfrage hätten
aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion aber auch aus Sicht
des Bundesministeriums der Jusitiz erhebliche verfassungs-
rechtliche Bedenken gegenüber gestanden.

Zum Schluss der Beratungen sei der Entwurf des Ände-
rungsantrages auf Anregung der Fraktion der FDP nochmals
resultierende Veränderung der Überprüfungsmöglichkeiten
eine Übereinstimmung der Beurteilung der Sachlage durch

bezüglich des Personenkreises überarbeitet worden. Die
Fraktion der SPD betonte, dass es natürlich auch das Ziel des

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/3638

ursprünglichen Entwurfs für einen Änderungsantrag gewe-
sen sei, die Beschäftigten öffentlicher Stellen, die mit der
Bearbeitung von Anträgen nach dem Strafrechtlichen, Ver-
waltungsrechtlichen oder Beruflichen Rehabilitierungsge-
setz befasst sind, überprüfen zu können. In den abschließen-
den Beratungen wurde jedoch darauf hingeweisen, dass die
diesbezügliche Formulierung in den §§ 20 und 21 mög-
licherweise missverständlich sei. Aus diesem Grund wurde
der Änderungsantrag dahin gehend überarbeitet und der Per-
sonenkreis präzise benannt, wobei es sich hier aber nicht um
eine Erweiterung gehandelt habe, sondern lediglich um eine
Klarstellung des Gemeinten. Die seitens der Fraktion der
FDP geforderte Ausweitung des zu überprüfenden Personen-
kreises auf den gesamten höheren Dienst sei dagegen für die
Fraktion der SPD mit der ursprünglichen Intention des
Gesetzgebers im Jahr 1991 und mit dem Ziel des aktuellen
Gesetzgebungsverfahrens, eine verhältnismäßige und ange-
messene Überprüfungsmöglichkeit für einen engen Perso-
nenkreis in wichtigen gesellschaftlichen und politischen
Funktionen zu schaffen, nicht vereinbar gewesen.

Dennoch begrüßte die Fraktion der SPD es ausdrücklich,
dass es mit dieser Klarstellung bezüglich der Gruppe von
Personen in den Rehabilitierungseinrichtungen gelungen sei,
einen breiten parlamentarischen Konsens im Deutschen
Bundestag zu erreichen. Mit der Aufnahme dieser Klarstel-
lung ist es gelungen, dass neben den Fraktionen, die den Ge-
setzentwurf eingebracht und den Änderungsantrag auf den
Weg gebracht haben, alle im Deutschen Bundestag vertrete-
nen Fraktionen – mit Ausnahme der Fraktion DIE LINKE. –
angekündigt haben, dem Gesetzentwurf zur Siebten Än-
derung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes in der Fassung des
nun vorliegenden gemeinsamen Änderungsantrages der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zuzustimmen. Auch dies sei ein wichtiges Signal
für die Opfer der Tätigkeit des Ministeriums für Staats-
sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Repu-
blik und die unbestritten weiter notwendige wissenschaft-
liche, mediale und gesellschaftliche Aufarbeitung des Staats-
sicherheitsdienstes und der Herrschaftsmechanismen einer
Diktatur.

Die Fraktion der FDP betonte, dass für sie bei den Überle-
gungen zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes der
Gedanke im Mittelpunkt gestanden habe, dass die Aufarbei-
tung des von SED und Stasi begangen Unrechts auch 16 Jah-
re nach der Wiedervereinigung noch nicht beendet sei und
dass sich jeglicher diesbezügliche Schlussstrich verbiete.
Dies gelte insbesondere angesichts der Tatsache, dass es in
zunehmendem Maße Versuche ehemaliger Stasi-Mitarbeiter
gebe, das Stasi-Unrecht zu verharmlosen. Noch immer seien
viele Opfer der Stasi nicht rehabilitiert und rund ein Drittel
der Stasi-Unterlagen nicht ausgewertet.

Die Fraktion der FDP habe sich deshalb außerstande gese-
hen, dem ersten Entwurf des von den Fraktionen CDU/
CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten
Änderungsgesetzes zuzustimmen. Dabei sei der Fraktion
der FDP klar gewesen, dass sie mit ihrer ablehnenden Hal-
tung gegenüber dem ersten Entwurf die seit der Wieder-
vereinigung bestehende Übereinkunft, Angelegenheiten der
Aufarbeitung des Stasi-Unrechts im Konsens aller demokra-

tionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vorgelegte Vorschlag nicht der richtige Weg gewesen sei.
Ein generelles Ende der Regelüberprüfung sei ebensowenig
vorstellbar gewesen wie die Anknüpfung der Überprü-
fungsmöglichkeit an einen konkreten Verdacht. Ein solcher
Verdachtsvorbehalt hätte das Ergebnis einer Überprüfung zu
ihrer Voraussetzung gemacht. Das Vorhalte- und Verwer-
tungsverbot einer ehemaligen Stasi-Tätigkeit wäre ein fata-
les Schlussstrich-Signal gewesen.

Durch die beharrliche Weigerung, dem Gesetzentwurf auch
in der ersten geänderten Fassung zuzustimmen, und durch
die Ankündigung einer namentlichen Abstimmung sei es ge-
lungen, die Koalitionsfraktionen zu bewegen, die eigenen
Positionen zu überdenken und die geplante Verabschiedung
des Gesetzes Anfang November zu verschieben. Erfreu-
licherweise hätten sich die Koalitionsfraktionen in dem fol-
genden Beratungsprozess den Forderungen der Fraktion der
FDP weitgehend angeschlossen.

Die Fraktion der FDP sei erfreut, dass es zuletzt noch gelun-
gen sei, die Koalitionsfraktionen davon zu überzeugen, dass
auch diejenigen Beschäftigten öffentlicher Stellen über-
prüfbar bleiben müssen, die mit der Bearbeitung von Anträ-
gen nach dem Strafrechtlichen, Verwaltungsrechtlichen oder
Beruflichen Rehabilitierungsgesetz befasst sind. Es sei
unvorstellbar, wenn die von Stasi-Opfern und anderen Ge-
schädigten im Sinne dieser Gesetze gestellten Rehabilitie-
rungsanträge von Personen bearbeitet würden, die durch eine
frühere hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den
Staatssicherheitsdienst belastet sind.

Dennoch gebe es einige Punkte im geänderten Gesetz-
entwurf, die nicht den Vorstellungen der Fraktion der FDP
entsprächen. So hätte nach Auffassung der Fraktion der FDP
der Kreis der überprüfbaren Personen weiter gefasst werden
und um besondere Ämter des höheren Dienstes (Beamte und
Angestellte, die Bezüge nach der Bundesbesoldungsordnung
B oder vergleichbar erhalten) ergänzt werden sollen. Des
Weiteren hält die Fraktion der FDP eine Beibehaltung des
Außenstellenkonzeptes der BStU für sinnvoll und hätte ein
Festhalten an der bisherigen Formulierung des § 35 Abs. 1
Satz 2 StUG für richtig gehalten.

Wichtiger als diese Differenzen sei jedoch der erzielte Kon-
sens in vielen Bereichen und das Signal an die Öffentlich-
keit, dass es in diesem wichtigen Punkt der Aufarbeitung
dieses Teiles der deutschen Geschichte einen „Konsens der
Demokraten“ gebe. Daher werde die Fraktion der FDP dem
Gesetzentwurf in der geänderten Fassung zustimmen.

Die Fraktion DIE LINKE. lehnte den Entwurf eines Sieb-
ten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
ab.

Für die Fraktion DIE LINKE. stehe außer Frage, dass die
Aufarbeitung weitergehen soll. Opfer der Ausspähung durch
das Ministerium für Staatssicherheit müssten weiterhin ein
uneingeschränktes Recht auf Einsicht in ihre Akten haben.
Ebenso müsse die wissenschaftliche Aufarbeitung garantiert
sein, sogar erweitert und vertieft werden.

Die Aufgabe einer vertieften Aufarbeitung der Tätigkeit des
Ministeriums für Staatssicherheit könne auch durch das
Bundesarchiv unterstützt werden, welches die Unterlagen
tischen Parteien zu regeln, durchbrochen habe. Sie sei aber
von Anfang an überzeugt gewesen, dass der von den Frak-

übernehmen sollte. Das Bundesarchiv zeichne sich durch
eine hervorragende wissenschaftliche Bereitstellung für die

Drucksache 16/3638 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Forschung aus. Durch das 2005 novellierte Bundesarchivge-
setz eigne es sich darüber hinaus auch für private Nutzer, so
dass der Zugang zu den Stasi-Unterlagen nach wie vor ge-
währleistet wäre.

Auf lange Sicht sei eine archivrechtliche Normalisierung des
Aktenzugangs im Sinne der geltenden Archivgesetze anzu-
streben. Dafür habe sich auch die Expertenkommission zur
Schaffung eines Geschichtsverbundes „Aufarbeitung der
SED-Diktatur“ ausgesprochen. Aus forschungspraktischer
Perspektive sei dabei wünschenswert, dass die Stasi-Unter-
lagen langfristig ungeteilt in die Obhut des Bundesarchivs
übergehen. In diesem Zusammenhang müsse auch neu über
die Perspektive, die Zuständigkeiten und die Zuordnung der
Stasi-Unterlagenbehörde entschieden werden.

Die Verlängerung der Überprüfungen für bestimmte Perso-
nengruppen hinsichtlich einer Tätigkeit für den Staatssicher-
heitsdienst über das Jahr 2006 hinaus verstoße eindeutig
gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhält-
nismäßigkeit. Wenn man berücksichtige, dass Delikte wie
schwere Körperverletzung oder das Offenbaren von Staats-
geheimnissen jeweils nach zehn Jahren verjährten, sei das
nicht verhältnismäßig.

Der Gesetzgeber habe 1991 die Überprüfungen gemäß § 20
Abs. 10 Nr. 3 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes aus gutem
Grund auf 15 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, das heißt
bis zum 29. Dezember 2006, befristet. Demnach dürfe nach
Ablauf der Frist die Tatsache einer Tätigkeit für den Staats-
sicherheitsdienst dem Mitarbeiter im Rechtsverkehr nicht
mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet
werden. Eine Fortsetzung der Überprüfungen, wenn auch
nunmehr für einen eingeschränkten Personenkreis, sei daher
abzulehnen.

V. Begründung der Beschlussempfehlung
Soweit der Ausschuss für Kultur und Medien den Gesetzent-
wurf unverändert angenommen hat, wird auf die Begrün-
dung in Drucksache 16/2969 verwiesen. Die vom Ausschuss
empfohlenen Änderungen des Gesetzentwurfs werden wie
folgt begründet:

Zu Nummer 1 (Rahmentext)

Redaktionelle Änderung.

Zu Nummer 2 (Inhaltsübersicht)

Bei der Fünften Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
und der Einführung des § 32a wurde versäumt, dieser
Neufassung eine Überschrift zu geben. Dies wird nun nach-
geholt.

Zu Nummer 3 (§ 19)

Folgeänderung aufgrund der Änderungen in § 20 und § 21.

Zu Nummer 4 (§ 20 Abs. 1)

Die hier vorgeschlagenen Änderungen beinhalten überwie-
gend Präzisierungen, vermeiden denkbare Überschneidun-
gen mit bereits bestehenden Regelungen oder beinhalten

Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst verzichtet worden,
um für die genannten Personengruppen die Möglichkeit der
Überprüfung unvermindert zu erhalten.

Auch Kommunale Wahlbeamte – also Wahlbeamte der Ge-
meinden, Gemeindeverbände und Landkreise – sollen we-
gen ihrer verantwortungsvollen Stellung und dem großen
Vertrauen, welches ihnen entgegengebracht wird, weiterhin
überprüft werden können.

Mit der Änderung bei den in Absatz 1 Nr. 6 Buchstabe d ge-
nannten Beamten/Angestellten, die eine verantwortungsvol-
le Aufgabe wahrnehmen („vergleichbar“ anstatt „ähnlich“),
soll deutlich gemacht werden, dass zu diesem Personenkreis
auch die ständigen Stellvertreter von Behördenleitern sowie
insbesondere Intendanten, Schulleiter oder Hochschulprä-
sidenten bzw. -rektoren und deren Stellvertreter gehören sol-
len.

Neben den Berufsrichtern werden auch ehrenamtliche Rich-
ter in den Kreis einbezogen, bei denen weiterhin die Mög-
lichkeit der Überprüfung besteht, da auch sie die rechtspre-
chende Gewalt vertreten und als solche als unabhängig,
zuverlässig und vertrauenswürdig gelten können müssen.

Auch Soldaten in besonders herausgehobener Stellung sol-
len überprüft werden können. Dies entspricht der Notwen-
digkeit, Repräsentanten dieser Staatsgewalt, ausgestattet mit
Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen, die erforderliche
Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit zuschreiben zu
können.

Personen in besonders verantwortungsvollen Positionen des
Sports sollen ebenfalls überprüft werden können, um zum
einen die Klärung von Vorwürfen zu ermöglichen und zum
anderen die Vertrauenswürdigkeit des Sports in der Öffent-
lichkeit nicht zu untergraben. Hintergrund dieser Änderung
ist nicht zuletzt die Rolle des Staatssicherheitsdienstes beim
Komplex der Doping-Problematik und die noch immer zahl-
reichen offenen Fragen. Mit der Aufnahme verantwortlicher
Betreuer sollen neben den Trainern auch Ärzte der Mitglie-
der der deutschen Nationalmannschaft überprüft werden
können.

Aus der Erweiterung des Personenkreises der Buchsta-
ben a bis g ergibt sich die Folgeänderung unter Buchstabe h,
demzufolge die zuvor genannten Personen, die sich um das
jeweilige Amt, die Funktion oder die Einstellung bewerben,
überprüft werden können.

In den Personenkreis derer, die aufgrund ihrer Aufgaben im
Bereich der Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicher-
heitsdienstes überprüft werden können, werden die Mitglie-
der des neu zu gründenden wissenschaftlichen Beratungs-
gremiums aufgenommen. Ebenfalls aufgenommen werden
Beschäftigte öffentlicher Stellen, soweit sie mit Aufgaben
der Bearbeitung von Anträgen nach dem Strafrechtlichen,
dem Verwaltungsrechtlichen oder dem Beruflichen Reha-
bilitierungsgesetz betraut sind. Auf diese Weise soll ausge-
schlossen werden, dass die Anträge von Geschädigten im
Sinne dieser Gesetze von Personen bearbeitet werden, die
durch eine frühere hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit
für den Staatssicherheitsdienst belastet sind. Zudem sollen in
diesen Personenkreis auch Beschäftigte sowohl öffentlicher
als auch nichtöffentlicher Einrichtungen, die mit der Auf-
Erweiterungen der Personenkreise. Zudem ist auf das Erfor-
dernis tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht einer

arbeitung in dem genannten Bereich betraut sind, aufgenom-
men werden, um durch die uneingeschränkte Überprüfungs-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/3638

möglichkeit der notwendigen Sensibilität dieser Tätigkeit
und dem erforderlichen Vertrauen in diese Institutionen zu
entsprechen.

Zu Nummer 5 (§ 20 Abs. 3)

Die Fortführung der Überprüfungsmöglichkeiten in den un-
ter § 20 Abs. 1 Nr. 6 genannten Fällen soll auf weitere fünf
Jahre befristet werden. Aus Gründen der Rechtsklarheit wird
das Enddatum ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenom-
men. Unbefristet dagegen sollen Überprüfungen in den Fäl-
len des § 20 Abs. 1 Nr. 7 möglich sein. Denn in den Fällen
der Nummer 7 soll im Interesse der Glaubwürdigkeit dauer-
haft sichergestellt werden, dass Personen, die Aufarbei-
tungsfunktionen erfüllen, auf eine hauptamtliche oder inoffi-
zielle Mitarbeit bei der Staatssicherheit überprüft werden
können.

Das Vorhalteverbot ist zu streichen. Ob und inwieweit je-
mandem seine frühere Tätigkeit für den Staatssicherheits-
dienst in arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsverhältnissen
vorgehalten werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen. Die im
öffentlichen Interesse erfolgende publizistische und wissen-
schaftliche Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheits-
dienstes nach den §§ 32 bis 34 StUG bleibt davon unberührt.

Akten, die im Zusammenhang mit früheren Überprüfungen
angefallen sind, sollen nicht grundsätzlich vernichtet, son-
dern entfernt und dem Bundesarchiv oder dem zuständigen
Landesarchiv bzw. bei Mitgliedern des Deutschen Bundes-
tages dem Archiv des Deutschen Bundestages, was der in
§ 2 Abs. 2 des Bundesarchivgesetzes anerkannten eigenstän-
digen Existenz des Bundestagsarchivs Rechnung trägt, ange-
boten werden können. Durch eine umfassende Vernichtung
könnten wichtige zeitgeschichtliche Informationen – bei-
spielsweise über Kommissionen zur Aufarbeitung der Tä-
tigkeit des Staatssicherheitsdienstes an Hochschulen und
Universitäten – verloren gehen und bestimmte Personalent-
scheidungen nicht mehr nachvollziehbar sein. Zur Sicherung
der zeitgeschichtlichen Forschung sollen entsprechende Un-
terlagen dem Bundesarchiv oder dem zuständigen Landes-
archiv angeboten werden, die darüber entscheiden können,
ob diese Unterlagen archivwürdig sind und nach Ablauf ent-
sprechender Schutzfristen von der Forschung genutzt wer-
den können. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist auf-
grund der im Falle einer Übernahme durch das Bundesarchiv
bzw. die Landesarchive für die Unterlagen geltenden Be-
stimmungen des Bundesarchivgesetzes bzw. der Landesar-
chivgesetze gewährleistet.

Zu Nummer 6 (§ 21 Abs. 1)

Die Begründung zu Nummer 4 gilt entsprechend.

Zu Nummer 7 (§ 21 Abs. 3)

Die Begründung zu Nummer 5 gilt entsprechend.

Zu Nummer 8 (§ 32)

Der Begriff „Herrschaftsapparat“ stellt eine Verengung auf
die institutionengeschichtliche Forschung dar. Der Begriff

Zu Nummer 8 (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7)

Der Gesetzentwurf verfolgt ein zweifaches Ziel: Neben der
differenzierten Fortgeltung der Überprüfungsmöglichkeiten
für Personen in herausgehobenen Funktionen und Ämtern
verfolgt der Gesetzentwurf das Ziel, den Zugang für die For-
schung zur historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staat-
sicherheitsdienstes zu erweitern. In der wissenschaftlichen
Fachöffentlichkeit wurde immer wieder kritisiert, dass ein
Aktenzugang ausschließlich für behördeninterne Mitarbeiter
der Abteilung Bildung und Forschung der BStU möglich ist
und dass aufgrund dieses ausschließlichen Zugangsrechtes
eine wissenschaftliche Überprüfung der Forschungsergeb-
nisse dieser Abteilung grundsätzlich nur eingeschränkt mög-
lich sei. Dadurch haben sich Beschränkungen für den wissen-
schaftlichen Diskurs zur Aufarbeitung der Tätigkeit des
Staatssicherheitsdienstes ergeben. Aus diesem Grund soll
unter bestimmten Voraussetzungen ein Einsichtsrecht in Ori-
ginal-Unterlagen für die wissenschaftliche Forschungsarbeit
an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen er-
möglicht werden.

Hierzu wird § 32 Abs. 1 Satz 1 um eine neue Nummer 7 er-
gänzt. Danach dürfen Unterlagen mit personenbezogenen
Informationen für die wissenschaftliche Forschungsarbeit an
Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen unter
bestimmten Voraussetzungen auch unanonymisiert eingese-
hen werden.

Um die Persönlichkeitsrechte, insbesondere das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung und den Schutz des Kern-
bereichs privater Lebensführung, zu wahren, sind hierfür
mehrere Sicherungen und Abwägungen vorgesehen. So dür-
fen nur diejenigen Personen Einsicht in Unterlagen mit un-
anonymisierten personenbezogenen Informationen nehmen,
die Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders
Verpflichtete sind. Sie sind also hinsichtlich ihrer Geheim-
haltungspflichten und strafrechtlichen Ahndung bei einer
Verletzung ihrer Geheimhaltungspflichten den Amtsträgern
gleichgestellt.

Bei der konkreten Anwendung des Einsichtsrechtes ist aber
nicht nur dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
nach Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG folgenden
Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu
tragen, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer
wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staats-
sicherheitsdienstes und der Wissenschaftsfreiheit nach Arti-
kel 5 Abs. 3 GG. Dabei darf kein Interesse völlig verdrängt
werden. Es muss ein Ausgleich gefunden werden, der den
genannten Interessen die größtmögliche Wirkung belässt.
Bei dieser Abwägung gilt es insbesondere sicherzustellen,
dass Informationen, die unter Verletzung des Kernbereichs
menschlicher Lebensgestaltung erhoben worden sind, in kei-
nem Fall herausgegeben werden dürfen.

Daneben ist zu berücksichtigen, dass auch der Wissen-
schaftsfreiheit nach Artikel 5 Abs. 3 GG die größtmögliche
Wirkung belassen bleibt. Das Bundesverfassungsgericht
vertritt seit seinem „Hochschulurteil“ in ständiger Recht-
sprechung die Auffassung, dass das Grundrecht der Wissen-
schaftsfreiheit dem Staat die Verpflichtung auferlegt, die
Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die
nachfolgende Generation durch Bereitstellung von personel-
„Herrschaftsmechanismen“ bezieht hingegen den Prozess-
charakter und die Wirkungen der Institutionen mit ein.

len, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermög-
lichen und zu fördern. Daraus folgt auch, dass behördliche

Drucksache 16/3638 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verfahren so ausgestaltet werden müssen, dass der einzelne
Wissenschaftler in der Lage ist, von seinem Recht aus Arti-
kel 5 Abs. 3 GG tatsächlich Gebrauch zu machen. Aus die-
sem Grund lehnt sich die hier formulierte Regelung bezüg-
lich des Einsichtsrechts für die wissenschaftliche Forschung
eng an die persönlichkeitsrechtlich ähnlich sensible Rege-
lung für die Übermittlung personenbezogener Informationen
für wissenschaftliche Zwecke in § 476 StPO an. Auch nach
§ 476 Abs. 3 StPO dürfen personenbezogene Informationen
nur an solche Personen übermittelt werden, die Amtsträger
oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete
sind.

Nach § 34 StUG gelten die §§ 32, 33 StUG grundsätzlich
gleichermaßen für die Verwendung der Stasi-Unterlagen
durch Presse, Rundfunk und Film. Angesichts der aufgrund
der Eingriffstiefe in die Persönlichkeitsrechte notwendigen
Sicherungen wie die Verpflichtung nach dem Verpflich-
tungsgesetz, die für Presse, Rundfunk und Film nicht über-
tragbar sind, erscheint die wissenschaftsspezifische Sonder-
regelung in § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 gerechtfertigt.

Zu Nummer 8 (§ 32 Abs. 1 Satz 2)

Die neu eingefügte Nummer 7 wird in die Abwägungsklau-
sel im Satz 2 aufgenommen. Die Unterlagen dürfen durch
den Bundesbeauftragten nur zur Verfügung gestellt werden,
soweit keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der
in den Unterlagen genannten Personen beeinträchtigt wer-
den. Bei dieser Abwägung ist – nicht zuletzt, um den abwä-
gungsfesten Kernbereich der privaten Lebensführung Rech-
nung zu tragen – insbesondere zu berücksichtigen, ob die
Informationserhebung erkennbar auf einer Menschenrechts-
verletzung beruht. Die neu eingefügte Nummer 7 räumt
lediglich ein Einsichtsrecht für Forschungszwecke ein. Für
die über die Einsichtnahme hinausgehende Verwendung
personenbezogener Informationen – insbesondere für die
Herausgabe als Kopie und die Veröffentlichung – bleibt es
bei den übrigen Regelungen der §§ 32 und 32a.

Von der im Gesetzentwurf vorgesehenen Anfügung eines
neuen Satzes an Absatz 1 wird abgesehen, weil auch bei der
Verwendung von Unterlagen verstorbener Personen ein Aus-
gleich sowohl zwischen dem allgemeinen Persönlichkeits-
recht als auch dem öffentlichen Interesse an der wissen-
schaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicher-
heitsdienstes als auch der Wissenschaftsfreiheit gefunden
werden muss, der den genannten Interessen die größtmög-
liche Wirkung belässt. Es geht hierbei um die ursprünglich
eingefügte besondere Abwägungsklausel für die Verwen-
dung von Unterlagen verstorbener Personen nach § 32 Abs.1
Nr. 6 StUG. Nach der gesetzlichen Neuregelung sollen Un-
terlagen 30 Jahre nach dem Tod der betroffenen Person für
Aufarbeitungszwecke zur Verfügung stehen. Einige Archiv-
gesetze sehen in diesem Bereich sogar deutlich kürzere Fris-
ten von nur 10 Jahren oder Verkürzungsmöglichkeiten im
Einzelfall vor. Der Gesetzgeber hat sich entschieden, im Be-
reich der Stasi-Unterlagen für die Verwendung der Unterla-
gen eine besonders lange Frist ohne weitere Verkürzungs-
möglichkeiten zu setzen. Nach diesem Zeitablauf kann man
mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass
durch die Verwendung von Unterlagen in die Rechte der in

eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Rechte nahezu
ausgeschlossen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese
Personen in einem engen Verhältnis zu den in den Unter-
lagen genannten verstorbenen Person stehen, sind Sachver-
halte, in denen ihre berechtigten Persönlichkeitsinteressen
beeinträchtigt sein könnten, äußerst unwahrscheinlich. Im
Übrigen wird das Persönlichkeitsrecht lebender und verstor-
bener Personen auch durch die allgemeinen Gesetze aus-
reichend geschützt.

Zu Nummer 8 (§ 32 Abs. 3)

Entsprechend der Erweiterung der Zugangsrechte zu Unter-
lagen von Verstorbenen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 wird
mit dieser Ergänzung auch die Regelung zur Veröffentli-
chung der dadurch gewonnenen Informationen angepasst.

Von dem im Gesetzentwurf vorgesehenen neuen Absatz 3
Satz 4 soll ebenfalls abgesehen werden, weil auch bei der
Veröffentlichung sowohl ein Ausgleich zwischen dem allge-
meinen Persönlichkeitsrecht als auch dem öffentlichen Inte-
resse an der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit
des Staatssicherheitsdienstes als auch der Wissenschaftsfrei-
heit gefunden werden muss, der den genannten Interessen
die größtmögliche Wirkung belässt. Hier geht es wiederum
um die ursprünglich eingefügte besondere Abwägungs-
klausel für die Verwendung von Unterlagen verstorbener
Personen. Die Begründung zu § 32 Abs. 1 StUG gilt ent-
sprechend.

Zu Nummer 9 (§ 32a)

Bei der Einführung des § 32a durch das Fünfte Gesetz zur
Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wurde versäumt,
dem § 32a eine Überschrift zu geben. Dies wird nun nach-
geholt.

Zu Nummer 9 (§ 33 Abs. 3)

Die Herausgabe von Duplikaten von Unterlagen, soweit die
Einsicht erlaubt ist, wird bei Unterlagen mit personen-
bezogenen Unterlagen eingeschränkt, da die Abwägung
zwischen Aufarbeitungsinteresse, Wissenschaftsfreiheit und
dem Schutz der Persönlichkeitsrechte lediglich die Mög-
lichkeit zur Einsicht für entsprechend verpflichtete behör-
denexterne Wissenschaftler gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7
rechtfertigt, nicht jedoch die Herausgabe von Duplikaten.

Zu Nummer 10 (§ 37 Abs. 1)

Zu § 37 Abs. 1 Nr. 5

Diese Vorschrift ermöglicht dem Bundesbeauftragten bei
Veröffentlichungen sachgerecht zu differenzieren und einen
Kopierschutz nur in den gebotenen Fällen einzurichten. Da-
mit soll sichergestellt werden, dass der Bundesbeauftragte
die Möglichkeit zur Veröffentlichung im Internet umfassend
nutzen kann. Dies ist nur gewährleistet, wenn auch das Her-
unterladen von Dokumenten, Aufsätzen oder sonstigen Ver-
öffentlichungen und damit das elektronische Kopieren zuge-
lassen werden kann.

Zu § 37 Abs. 1 Nr. 6

Der Aufarbeitung des von der ehemaligen Deutschen Demo-

den Unterlagen erwähnten verstorbenen Person nicht einge-
griffen wird. Auch bei anderen noch lebenden Personen ist

kratischen Republik oder der ehemaligen sowjetischen Be-
satzungszone begangenen Unrechts widmen sich unter-

Berichterstatterin Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/3638

schiedliche Einrichtungen und Gedenkstätten. Historische
Information und Aufklärung, eine kritische Auseinanderset-
zung mit dem politischen System der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik oder der ehemaligen sowjetischen
Besatzungszone oder die Aufarbeitung der Arbeitsweise und
Strukturen des Staatssicherheitsdienstes gehören beispiels-
weise zu ihren Aufgaben. Ihre in § 37 Abs. 1 Nr. 6 vorgese-
hene Unterstützung wird für die Aufarbeitung einen wesent-
lichen und unverzichtbaren Beitrag leisten.

Zu Nummer 11 (§ 39)

In den Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung zum Ent-
wurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unter-
lagen-Gesetzes wurde angeregt, dass der Beirat mit größeren
Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten ausgestattet wer-
den soll, um seine Aufgaben unabhängig wahrzunehmen.
Daher wird jetzt durch die Ergänzung in § 39 Abs. 5 dem
Beirat ein eigenes Anrufungsrecht im Verhältnis zum Deut-
schen Bundestag eingeräumt. Damit wird dem Beirat die
Möglichkeit eröffnet, sich mit Themen und Vorgängen, die
einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen, unmittelbar mit
den Abgeordneten des Deutschen Bundestages in Verbin-
dung zu setzen. Dieses Recht wird nicht einzelnen Mitglie-

dern des Beirates, sondern dem Beirat als Gremium selbst
eingeräumt.

Zu Nummer 12 (§ 39a Abs. 3)

Bei dieser Änderung handelt es sich zunächst um die Korrek-
tur eines redaktionellen Fehlers, nahm doch die Regelung
des Gesetzentwurfs zur Verschwiegenheitsverpflichtung des
wissenschaftlichen Beratungsgremiums versehentlich Be-
zug auf den Beirat. Darüber hinaus wird die Verschwie-
genheitsverpflichtung des wissenschaftlichen Beratungs-
gremiums mit dieser Änderung neu gefasst. Anders als der
Beirat nach § 39 soll das wissenschaftliche Beratungsgremi-
um nach § 39a – entsprechend seiner Aufgabendefinition –
lediglich zur Verschwiegenheit hinsichtlich der bei dieser
Tätigkeit bekannt gewordenen personenbezogenen Informa-
tionen im Sinne des StUG verpflichtet werden. Diese Unter-
scheidung erscheint sachgerecht, soll es doch die Aufgabe
des wissenschaftlichen Beratungsgremiums sein, den Bun-
desbeauftragten bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung
und der Konzeption der Forschungsarbeit zu unterstützen.
Diese Aufgabendefinition des wissenschaftlichen Bera-
tungsgremiums macht eine so weitgehende Verschwiegen-
heitsverpflichtung, wie sie für den Beirat gilt, nicht notwen-
dig.

Berlin, den 29. November 2006

Maria Michalk
Berichterstatterin

Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Berichterstatter

Christoph Waitz
Berichterstatter

Dr. Lukrezia Jochimsen Katrin Göring-Eckardt

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