BT-Drucksache 16/3580

Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus

Vom 24. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3580
16. Wahlperiode 24. 11. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus

Auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Jan
Korte und der Fraktion DIE LINKE. nach dem Zeitpunkt der Vorlage eines
Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus (NAP) antwortete die Bundesregie-
rung, dass sich die Terminierung der notwendigen Kabinettsbefassung heute
noch nicht festlegen lasse (Bundestagsdrucksache 16/2936). Auf die Frage
nach den Gründen, die dazu geführt hätten, dass die Bundesregierung bislang
keinen NAP vorgelegt habe, verweist die Bundesregierung darauf, „dass sich
alle an der Erstellung des „Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus“ beteilig-
ten Ressorts sowie die in der „Durban-Follow-Up-AG“ des „Forum gegen Ras-
sismus“ beteiligten Nichtregierungsorganisationen einig [sind], dass die Um-
setzung der EU-Antirassismusrichtlinien weiterer unverzichtbarer Kernbestand
des deutschen NAP sein muss. Dieser Forderung konnte jedoch erst nach end-
gültig erfolgter Umsetzung der Richtlinien Rechnung getragen werden.“

Auf der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus 2001 in Durban hatte sich die
Bundesregierung verpflichtet, bis Ende 2003 unter Einbeziehung der Zivil-
gesellschaft einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus zu verabschieden
(Presseerklärung Forum Menschenrechte vom 18. März 2004). Die Bundes-
regierung verweist in ihrer Antwort (Bundestagsdrucksache 16/2936) an meh-
reren Stellen auf die „Durban-Follow-Up-AG“ des „Forums gegen Rassismus“,
die gemäß des Punktes 191a des Durbaner „Programme of Action“ die Beteili-
gung der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sicherstellen soll und deren
Finanzierung die Bundesregierung auch übernommen habe. Nach telefonischer
Auskunft des Deutschen Instituts für Menschenrechte existiert die „Durban-
Follow-Up-AG“ seit fast zwei Jahren nicht mehr.

Weiter verweist die Bundesregierung in ihrer Antwort auf das Programm
„Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“, das als Bestandteil des NAP an-
gesehen wird. Unklar bleibt dabei, ob und wie die vor allem jugendliche Ziel-
gruppe dieses Programms bezogen auf das Thema Rassismus auf die gesamte
Gesellschaft ausgeweitet werden soll.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wenn nach Auffassung der Bundesregierung die fehlende Umsetzung der
EU-Antirassismus-Richtlinien der Grund dafür ist, dass der NAP bis heute
nicht vorliegt, wie steht die Bundesregierung zu der Tatsache, dass sie selbst

Drucksache 16/3580 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die Umsetzung der EU-Antirassismus- Richtlinie 2000/43/EG um Jahre ver-
zögert hat und erst mit dem am 18. August 2006 in Kraft getretenen All-
gemeinen Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt hat?

Wie steht die Bundesregierung dazu, dass eine Verzögerung der Umsetzung
einer Richtlinie, die bereits zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfah-
rens von Seiten der EU-Kommission geführt hatte, Anlass für die wiederum
um Jahre verzögerte Erarbeitung des NAP ist, und liegt damit diese Verzöge-
rung nicht eindeutig in der Verantwortung der Bundesregierung?

2. Warum hat sich die Bundesregierung in ihrer Bewerbung um einen
Sitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen dazu verpflichtet, bis
Ende 2006 einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus anzunehmen
(http://missions.itu.int/~germany/willkommen/welcome/stv/Menschenrechts-
rat%20- %20englisch%2010-04-06.pdf), wenn sie gleichzeitig in ihrer Ant-
wort aussagt, eine Terminierung der notwendigen Kabinettsbefassung lasse
sich heute nicht festlegen?

3. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass vor dem Hintergrund der Tat-
sache, dass sich die Bundesregierung in ihrer Bewerbung um einen Sitz im
Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verpflichtet hat, bis Ende 2006
einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus anzunehmen, die Nicht-
erfüllung dieser Verpflichtung die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in
der Menschenrechtspolitik ernsthaft beschädigen kann, und wenn nein,
warum nicht?

4. Welches Abstimmungsverfahren zum NAP ist zwischen der Bundesregierung
bzw. dem interministeriellen Lenkungsausschuss und dem Deutschen Institut
für Menschenrechte vereinbart worden, wann fanden Konsultationen und
Abstimmungen statt und welche Ergebnisse hatten sie?

Wenn kein Verfahren vereinbart worden ist bzw. bisher keine Konsultatio-
nen und Abstimmungen stattfanden, warum nicht?

5. Welches Abstimmungsverfahren zum NAP war zwischen der Bundesregie-
rung bzw. dem interministeriellen Lenkungsausschuss und der „Durban-
Follow-Up-AG“ vereinbart worden, haben Abstimmungen stattgefunden,
und welche Ergebnisse hatten sie?

Wenn kein Verfahren vereinbart worden ist bzw. keine Abstimmungen statt-
gefunden haben, warum nicht?

6. Wurden von Seiten der Bundesregierung Entwürfe zum NAP dem „Forum
gegen Rassismus“ bzw. dessen angebundener Unterarbeitsgruppe „Durban-
Follow-Up-AG“ in der Vergangenheit zugeleitet, und wenn ja, wann und mit
welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

7. Wurden konkrete Zeitabsprachen zwischen dem interministeriellen Len-
kungsausschuss und dem Deutschen Menschenrechtsinstitut sowie dem
„Forum gegen Rassismus“ für die Konsultationen und Abstimmungen zum
NAP vereinbart, und wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

8. Wo liegen nach Auffassung der Bundesregierung die Ursachen dafür, dass
die „Durban-Follow-Up-AG“ aufgelöst wurde?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3580

9. Nach welchem Verfahren soll nach Auffassung der Bundesregierung die
Beteiligung von und Abstimmung mit Nichtregierungsorganisationen be-
treffend den NAP erfolgen, nachdem die „Durban-Follow-Up-AG“ nicht
mehr existiert?

Ist dafür ein Gremium vorgesehen, in dem weder die Bundesregierung
noch Vertreter einzelner Bundesministerien vertreten sind, und welches
öffentlich Stellung nehmen und Beschlüsse fassen kann?

Wenn kein neues Verfahren vereinbart worden ist bzw. kein derartig aus-
gestattetes Gremium vorgesehen ist, warum nicht?

10. Soll nach Auffassung der Bundesregierung das „Forum gegen Rassismus“
die Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen am Konsultationsver-
fahren sicherstellen, obwohl das Forum kein Gremium aus NGOs, sondern
ein Runder Tisch zwischen Vertreterinnen und Vertretern von NGOs und
der Bundesregierung darstellt, den Vorsitz und die Geschäftsstelle des
„Forum gegen Rassismus“ zudem noch das Bundesministerium des Innern
übernommen hat und Entscheidungen nur im Konsensverfahren getroffen
werden können?

11. Sieht die Bundesregierung es als notwendig an, finanzielle Ressourcen
bereitzustellen, die gerade kleineren NGOs ermöglicht, an einem Konsulta-
tions- und Abstimmungsverfahren zum NAP teilzunehmen?

Wenn ja, wie hoch werden die Mittel sein?

Wenn nein, mit welcher Begründung?

12. Wie hoch war bislang die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung
von gerade kleineren NGOs bzw. der „Durban-Follow-Up-AG“ im Kon-
sultationsprozess zum NAP?

13. Sieht die Bundesregierung es als notwendig an, dass die Beteiligung von
Nichtregierungsorganisationen am Konsultationsprozess um einen NAP
vor der Abstimmung mit den einzelnen Ressorts sinnvoll ist, damit mög-
lichst frühzeitig Anregungen und Vorschläge von Seiten der NGOs in den
NAP einfließen?

Wenn nein, warum nicht?

14. Sieht die Bundesregierung es als notwendig an, mit Öffentlichkeitsarbeit
wie z. B. der verstärkten Bekanntmachung der Durbaner Erklärung, Ver-
öffentlichungen von Entwürfen zum NAP etc. für den NAP zu werben
(wenn nicht, bitte begründen)?

15. Welche inhaltlichen Themenschwerpunkte wird der von Regierungsseite
erarbeitete Entwurf eines NAP enthalten?

16. Wird der von Regierungsseite erarbeitete NAP im Detail Ziele, Aufgaben
und Maßnahmen sowie verantwortliche Institutionen nennen und mit wel-
chen finanziellen Ressourcen wird er ausgestattet sein?

Ist ein besonderes Budget für die Implementierung des NAPs vorgesehen?

Wenn keine konkreten Angaben enthalten sind, warum nicht?

17. Welche Vorgaben wird der von Regierungsseite erarbeitete NAP in Bezug
auf ein Monitoring-System enthalten?

Plant die Bundesregierung die Einrichtung einer unabhängigen Beobach-
tungsstelle zur Entwicklung von Rassismus?

Wenn keine konkreten Vorgaben enthalten sind, warum nicht?

Drucksache 16/3580 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
18. Wird der NAP eine Evaluierung und konkrete Kriterien einer Evaluierung
vorsehen, und wenn nein, warum nicht?

19. Lässt sich der Verweis der Bundesregierung auf das Programm „Jugend für
Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ in der Bundestagsdrucksache 16/2936
dahingehend verstehen, dass sie Rassismus vornehmlich als Problem von
Jugendlichen und Heranwachsenden sieht, und wenn nein, wie will die
Bundesregierung eine Thematisierung von Rassismus in der Mitte der
Gesellschaft erreichen?

20. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Ergeb-
nisse der Studie „Deutsche Zustände“ (Heitmeyer 2002 bis 2005), die einen
bedrohlichen Anstieg von Ausgrenzung und Rassismus in der Bevölkerung
zeigen, und welche Schlussfolgerungen für einen NAP zieht sie daraus?

Berlin, den 24. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.