BT-Drucksache 16/3421

Änderung des Bundespolizeigesetzes für Auslandseinsätze der Bundespolizei

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3421
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Jan Korte
und der Fraktion DIE LINKE.

Änderung des Bundespolizeigesetzes für Auslandseinsätze der Bundespolizei

Der Bundestag wolle beschließen:

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

Auslandseinsätze der Bundespolizei nicht zu einem beliebigen und parla-
mentarisch unkontrollierbaren vormilitärischen Instrument der deutschen
Außenpolitik in Krisen- und Konfliktregionen werden zu lassen.

III. Der Deutsche Bundestag stellt fest,

dass das Bundespolizeigesetz (BuPolG) in der Fassung vom 19. Oktober
1994, zuletzt geändert durch Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenz-
schutzes in Bundespolizei vom 21. Juni 2005, die Voraussetzungen für
Auslandseinsätze der Bundespolizei, Informationspflichten der Bundes-
regierung und Kontrollmöglichkeiten des Parlaments nicht hinreichend
regelt.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Bundespolizeigesetz dahinge-
hend ändert, dass

a) es einen eindeutigen Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze und
Auslandsmissionen in Abschnitt 1 § 8 vorschreibt und

b) die Pflicht zu konkreter Vorabinformation des Parlaments und dessen
Recht auf Rückruf bei Auslandsverwendung der Bundespolizei nach
Abschnitt 4 § 65 festschreibt.

Berlin, den 8. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
Begründung

1. Im Konflikt zwischen Libanon und Israel wurden bereits zu einem Zeit-
punkt, zu dem die Verhandlungen um die Ausgestaltung einer internatio-
nalen Mission auf Basis der UN-Resolution 1701 (2006) noch nicht ab-
geschlossen war geschweige denn über eine deutsche Beteiligung hieran

Drucksache 16/3421 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

entschieden war, mindestens vier Beamtinnen oder Beamte der Bundespoli-
zei und der Zollverwaltung auf dem Flughafen Beirut eingesetzt. Dies
geschah nach Absprache zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundes-
ministerium des Innern. Nach Presseberichten, u. a. im „DER SPIEGEL“
37/2006, S. 150, war der Einsatz deutscher Beamter zur Grenzkontrolle im
Flughafen eine Bedingung für die israelische Seite, die Luftblockade des
Libanon aufzuheben. „Das Ende der Luftblockade war einer der entscheiden-
den Schritte des komplizierten Zug-um-Zug-Geschäfts, das Uno-General-
sekretär Kofi Annan eingefädelt hatte und in dem die Deutschen einen wich-
tigen Part spielten“ (DER SPIEGEL, ebda.).

In einer Sondersitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am
Freitag, dem 8. September 2006 erläuterte der Vertreter des Bundesministe-
riums des Innern, dass dieser Einsatz auf Grundlage des § 65 des Bundes-
polizeigesetzes durchgeführt werde, das Parlament deshalb nicht informiert
werden müsse. Perspektivisch könne dieser Einsatz aber durchaus zu einer
internationalen Mission nach § 8 BuPolG entwickelt werden.

Ungeachtet einer Bewertung des deutschen Beitrags und des „Zug-um-Zug-
Geschäfts“ selbst, hat das Vorgehen des Auswärtigen Amts und des Bun-
desministeriums des Innern eine gefährliche Lücke im Bundespolizeigesetz
aufgezeigt. Diese Lücke erlaubt es dem Bundesministerium des Innern und
dem Auswärtigen Amt in internationale Krisen- und Konfliktsituationen
ohne politische und parlamentarische Kontrolle einzugreifen. Weit im Vor-
feld parlamentarischer Information über Zielsetzung und Durchführung
international mandatierter Missionen werden so Tatsachen geschaffen. Die
Bundesrepublik Deutschland wird möglicherweise Teil des Konflikts, bevor
eine Verständigung über Lösungswege erzielt wurde. Einsätze nach § 65
BuPolG dürfen nicht als Vorbereitungsmaßnahme für international manda-
tierte Missionen veranlasst werden.

Bei Nachfragen nach internationalen Einsätzen des Bundesgrenzschutzes
bzw. der Bundespolizei hat diese Lücke zudem dazu geführt, dass in den
Antworten der Bundesregierung lediglich Missionen nach § 8 des Bundes-
grenzschutzgesetzes und des Bundespolizeigesetzes aufgeführt wurden
(siehe Bundestagsdrucksachen 15/1677 und 16/2445). Eine hinreichende
Transparenz von Auslandseinsätzen der Bundespolizei ist demnach nicht
gewährleistet.

Die Aufnahme einer Informationspflicht im Vorfeld von Einsätzen in § 65
BuPolG stellt sicher, dass das Parlament über alle Einsätze der Bundespoli-
zei und ggf. der Zollverwaltung in Verbindung mit der Bundespolizei tat-
sächlich und zeitnah informiert wird. Ein Rückrufrecht, wie es schon jetzt in
§ 8 BuPolG vorgeschrieben ist, auch für Einsätze nach § 65 BuPolG muss
der gewachsenen Bedeutung und der wachsenden Einflussnahme der deut-
schen Außenpolitik in internationalen Krisenregionen Rechnung tragen.

2. Dieser zunehmenden weltweiten Einflussnahme der deutschen Politik durch
Einsätze der Bundespolizei müssen auch Umfang und Qualität der parla-
mentarischen Mitwirkungs- und Kontrollrechte angepasst werden.

Polizeiliche und andere nichtmilitärische Auslandseinsätze sind in der Reali-
tät im Unterschied zum Gesetzestext von militärischen nicht immer zu
unterscheiden. In anderen Worten „… Staatspraxis und die internationale
Verfahrensweise zeigen, dass die in § 8 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgeset-
zes (BGSG) vorausgesetzte Trennbarkeit von polizeilichen und militäri-
schen internationalen – im Gegensatz zu rein nationalen – Maßnahmen nicht
praktizierbar ist.“ (Fischer-Lescano, Andreas. Verfassungsrechtliche Fragen
der Auslandsentsendung des BGS, in: Archiv des öffentlichen Rechts 2003

Heft 1, S. 52 bis 90. Zitiert und als Anlage beigelegt zu einer Ausarbeitung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3421

des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Kurzinforma-
tion. Grundlagen für den Auslandseinsatz von Bundesgrenzschutz, Polizei
und Technischem Hilfswerk).

Ein Parlamentsvorbehalt auch für international mandatierte Einsätze in § 8
des Bundespolizeigesetzes analog zu miltiärischen Einsätzen ist dringend
erforderlich, wenn sich die Bundespolizei nicht in einer rechtlichen Grau-
zone zu einem quasi-militärischen Arm der deutschen Außenpolitik ent-
wickeln soll.

3. Nicht zuletzt erfordert die Herstellung größtmöglicher Rechtssicherheit für
die an Auslandseinsätzen teilnehmenden Beamtinnen und Beamten diese
rechtliche und politische Klärung der Grundlagen eines Einsatzes im Aus-
land.

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