BT-Drucksache 16/3236

Umsatzsteuerpflicht für Anbieter privater Nachhilfe

Vom 2. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3236
16. Wahlperiode 02. 11. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken),
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Umsatzsteuerpflicht für Anbieter privater Nachhilfe

In der Fragestunde am 18. Oktober 2006 gab die Parlamentarische Staats-
sekretärin im Bundesministerium der Finanzen auf die Frage der Abgeordneten
Cornelia Hirsch, warum die Anbieter von privater Nachhilfe in Deutschland
durch die Befreiung von der Umsatzsteuer staatlich subventioniert werden, die
Auskunft, dass dies in der für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Vorschrift
des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe i der 6. EG-Richtlinie geregelt sei.
Eine Aufhebung der Befreiung wäre deshalb aus Sicht der Bundesregierung ein
Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht (Plenarprotokoll 16/56, S. 5428 C).

Diese Darstellung ist für uns nicht nachvollziehbar. In der 6. EG-Richtlinie
heißt es unter dem angegebenen Punkt:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitglied-
staaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und
einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung
von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen
festsetzen, von der Steuer: (…)

(i) die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschul-
unterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung so-
wie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegen-
ständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben
betraut sind oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat
anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viel Geld wird in Deutschland durchschnittlich pro Schüler/Schülerin
des allgemein bildenden Schulwesens für privaten Nachhilfeunterricht aus-
gegeben (bitte falls möglich nach Schulformen differenziert aufschlüsseln)?

2. In welcher Höhe würde die Umsatzbesteuerung der Erteilung von privatem
Nachhilfeunterricht zu Steuermehreinnahmen jährlich führen?

3. Wie haben sich die Inanspruchnahme und das Angebot von privater Nach-

hilfe in den letzten Jahren quantitativ entwickelt, und wie bewertet die
Bundesregierung diese Entwicklung?

4. In welchem Verhältnis stehen die Änderungen in der Höhe der öffentlichen
Ausgaben für den Schulbereich zu den Änderungen in der Höhe bei den
privaten Aufwendungen für Nachhilfeunterricht in den letzten Jahren?

Drucksache 16/3236 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch in der Tatsache, dass sie in
der Umsatzsteuerrichtlinie 112 privat organisierte und kostenpflichtige
Nachhilfe als „Teil der allgemein bildenden und beruflichen Einrichtun-
gen“ definiert, aber zugleich allen Kindern und Jugendlichen unabhängig
von ihrer sozialen Herkunft einen gleichberechtigten Bildungszugang
ermöglichen will?

6. Sieht die Bundesregierung in der Tatsache, dass in der Umsatzsteuerricht-
linie privat organisierte Nachhilfe bundesweit als „Teil der allgemein bil-
denden und beruflichen Einrichtungen“ definiert ist, eine Kompetenzüber-
schreitung des Bundes angesichts der Länderhoheit in der Schulpolitik?

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die in der 6. EG-Richtlinie
in Artikel 13 Teil A Buchstabe i festgehaltene Regelung keine Pflicht zur
Befreiung der Anbieter von privater Nachhilfe von der Umsatzsteuer bein-
haltet?

Falls nein, warum nicht?

8. Auf welche bzw. welche weiteren Gesetze und Richtlinien lässt sich eine
Umsatzsteuerbefreiung der Träger von Nachhilfe aus Sicht der Bundes-
regierung zurückführen?

9. Wann und mit welcher Zielstellung wurde die Umsatzsteuerrichtlinie 112
erlassen?

10. Plant die Bundesregierung Änderungen im Umsatzsteuergesetz bzw. in den
entsprechenden Richtlinien oder weiterer Gesetze, um eine Umsatzsteuer-
pflicht für die Anbieter von Nachhilfe durchzusetzen?

Falls nein, warum nicht?

11. Falls die Bundesregierung die 6. EG-Richtlinie als Grund für die Umsatz-
steuerbefreiung betrachtet, plant sie dann eine Initiative in der Euro-
päischen Union, um hier eine Änderung zu erreichen?

Falls nein, warum nicht?

12. a) Warum spielte das Thema private Nachhilfe im ersten Bildungsbericht
von Bund und Ländern kaum eine Rolle?

b) Wie soll die Frage nach Angebot, Qualität und Inanspruchnahme priva-
ter Nachhilfe in der gemeinsamen Bildungsberichterstattung sowie in
der Bildungsforschung von Bund und Ländern zukünftig berücksichtigt
werden?

Berlin, den 31. Oktober 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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