BT-Drucksache 16/3219

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/453- Elternbeitragsfreie Kinderbetreuung ausbauen 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/552- Leben und Arbeiten mit Kindern möglich machen 3. zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Krista Sager, Kai Boris Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/1673- Kinder fördern und Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken - Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung ausweiten

Vom 1. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3219
16. Wahlperiode 01. 11. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner
Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/453 –

Elternbeitragsfreie Kinderbetreuung ausbauen

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Volker Beck (Köln), Grietje
Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/552 –

Leben und Arbeiten mit Kindern möglich machen

3. zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Krista Sager, Kai Boris Gehring,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/1673 –

Kinder fördern und Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken –
Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung ausweiten

A. Problem

Die bestmögliche Förderung von Kindern und Jugendlichen sowie eine bessere
Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind zentrale Anliegen der Familien-, Kin-
der- und Jugendpolitik. Hierzu wurden und werden Maßnahmen zur finanziellen
Entlastung der Familien, verbesserte Möglichkeiten der Inanspruchnahme von

Elternzeit, der Ausbau der Kindertagesbetreuung sowie die Schaffung eines
familiengerechten Arbeitsumfelds diskutiert. Als wichtige Gesetze in diesem
Zusammenhang sind das Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten
Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG)
vom 27. Dezember 2004, das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum
und Beschäftigung vom 26. April 2006 mit der Möglichkeit der steuerlichen
Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten sowie das Gesetz zur Einführung

Drucksache 16/3219 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

des Elterngeldes zu nennen, das der Deutsche Bundestag am 29. September
2006 beschlossen hat. Die hier vorliegenden Anträge der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthalten weitere Beiträge zu dieser
Diskussion.

B. Lösung

1. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/453 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

2. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/552 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE.

3. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/1673 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme der genannten Anträge.

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3219

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Antrag auf Drucksache 16/453 abzulehnen,

2. den Antrag auf Drucksache 16/552 abzulehnen,

3. den Antrag auf Drucksache 16/1673 abzulehnen.

Berlin, den 27. September 2006

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Kerstin Griese
Vorsitzende

Dr. Eva Möllring
Berichterstatterin

Caren Marks
Berichterstatterin

Ina Lenke
Berichterstatterin

Diana Golze
Berichterstatterin

Ekin Deligöz
Berichterstatterin

steigenden Bedarfs bestünden in Deutschland jedoch bun-
desweit große Lücken im System der Kindertagesbetreuung.

Der Antrag fordert die zeitnahe Verankerung eines Rechts-
anspruchs auf einen qualifizierten Ganztagsbetreuungsplatz.
Außerdem solle der Bund gemeinsam mit den Ländern auf
die Anhebung der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzie-

2. Antrag auf Drucksache 16/552

Der Finanzausschuss hat in seiner 28. Sitzung am 27. Sep-
tember 2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD, und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
Drucksache 16/3219 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Eva Möllring, Caren Marks, Ina Lenke, Diana Golze
und Ekin Deligöz

I. Überweisung
1. Antrag auf Drucksache 16/453

Der Antrag wurde in der 17. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 10. Februar 2006 dem Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung
sowie dem Finanzausschuss, dem Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung und dem Haus-
haltsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

2. Antrag auf Drucksache 16/552

Der Antrag wurde in der 17. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 10. Februar 2006 dem Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung
sowie dem Finanzausschuss und dem Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitbe-
ratung überwiesen.

3. Antrag auf Drucksache 16/1673

Der Antrag wurde in der 40. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 22. Juni 2006 dem Ausschuss für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung sowie
dem Finanzausschuss, dem Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung und dem Haushalts-
ausschuss zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
1. Antrag auf Drucksache 16/453

Im Januar 2006 hat die Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen, im
Zusammenhang mit der Diskussion um die steuerliche Ab-
setzbarkeit der Kinderbetreuungskosten als eine weitere
Möglichkeit zur finanziellen Entlastung der Familien die
Option einer Senkung oder Abschaffung der Gebühren für
Kindertagesstätten durch die Länder und Kommunen ange-
sprochen. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. nimmt hier-
auf Bezug und fordert den gebührenfreien Zugang eines je-
den Kindes in eine öffentliche Betreuungseinrichtung sowie
ein Konzept der Bundesregierung, das die Länder und Kom-
munen in die Lage versetzen soll, gebührenfreie, umfassen-
de und flächendeckende Betreuungsangebote für Kinder auf-
zubauen und anzubieten.

2. Antrag auf Drucksache 16/552

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt
fest, viele junge Eltern seien wegen ihrer doppelten Berufs-
tätigkeit auf eine Betreuung ihrer Kinder angewiesen. Trotz

litätsinitiativen für Betreuungseinrichtungen zur besseren
Umsetzung von Bildungs- und Erziehungsplänen in Gang
gesetzt werden sowie gemeinsam mit den Ländern und Kom-
munen ein Finanzierungskonzept für den qualitativen und
quantitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung erarbeiten.

3. Antrag auf Drucksache 16/1673

Der weitergehende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN fordert darüber hinaus, einen Rechtsanspruch auf
ganztägige Betreuung für Kinder zwischen dem vollendeten
ersten bis dritten Lebensjahr im Kinder- und Jugendhilfege-
setz (SGB VIII) zu verankern und eine „Kinderbetreuungs-
karte“ als Bundesleistung einzuführen, die eine zweck-
gebundene Geldleistung für Betreuungsangebote für diese
Altersklasse bereitstellt. Die Leistung solle pro Kind ge-
währt werden und ausschließlich an die tatsächliche In-
anspruchnahme von öffentlich bereitgestellter Kindertages-
betreuung in Einrichtungen und in der Kindertagespflege
gekoppelt sein. An die Karte gebunden werden solle eine
pauschale Geldleistung, die zwischen Betreuung in Einrich-
tungen oder in der Kindertagespflege unterscheidet. Schließ-
lich fordert der Antrag, das bestehende Ehegattensplitting in
eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Höchstbetrag
von 10 000 Euro umzuwandeln und die sich daraus ergeben-
den gesamtstaatlichen Mehreinnahmen in Höhe von rund
5 Mrd. Euro für die Inanspruchnahme von Kindertages-
betreuung und den Ausbau und die Qualitätsverbesserung
der Betreuungsangebote sowie zur Gebührenreduzierung zu
investieren.

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse
1. Antrag auf Drucksache 16/453

Der Finanzausschuss hat in seiner 28. Sitzung am 27. Sep-
tember 2006 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des An-
trags empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 8. Sitzung am 15. März 2006
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 13. Sitzung am
6. April 2006 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des An-
trags empfohlen.
her zumindest auf Fachhochschulniveau hinwirken, in geeig-
neter Weise dafür Sorge tragen, dass flächendeckende Qua-

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. die Ableh-
nung des Antrags empfohlen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3219

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 8. Sitzung am 15. März 2006
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

3. Antrag auf Drucksache 16/1673

Der Finanzausschuss hat in seiner 28. Sitzung am 27. Sep-
tember 2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 16. Sitzung am 27. September
2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 24. Sitzung am
19. September 2006 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Frak-
tion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis
im federführenden Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend

1. Abstimmungsergebnis

a) Antrag auf Drucksache 16/453

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 19. Sitzung am 27. September 2006
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, die Ab-
lehnung des Antrags zu empfehlen.

b) Antrag auf Drucksache 16/552

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 19. Sitzung am 27. September 2006
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. beschlossen, die Ab-
lehnung des Antrags zu empfehlen.

c) Antrag auf Drucksache 16/1673

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 19. Sitzung am 27. September 2006
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. beschlossen, die Ablehnung des Antrags zu emp-
fehlen.

2. Inhalt der Ausschussberatungen

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führte aus, im
Zusammenhang mit der von der Bundesministerin für Fami-

betreuung sei zu berücksichtigen, dass der Bund auf diesem
Gebiet nicht viele Handlungsmöglichkeiten besitze, weil
die Finanzierungshoheit in den Händen von Ländern und
Kommunen liege. Deswegen sei es schwierig, die Forderung
nach der gebührenfreien Kindertagesbetreuung umzusetzen.
Auch die Debatte um das Tagesbetreuungsausbaugesetz
habe sehr deutlich gezeigt, dass es verfassungsrechtlich
keine Möglichkeit gebe, Finanzmittel des Bundes auf die
Kommunen zu transferieren. Diese Schwierigkeit habe die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Konzept der
Kinderbetreuungskarte gebracht. Es müsse einen Weg ge-
ben, um den Ausbau der Kinderbetreuung von Anfang an zu
ermöglichen. Deshalb werde in dem Antrag auf Drucksache
16/1673 über das Tagesbetreuungsgesetz hinaus ein Rechts-
anspruch für alle Kinder gefordert. Mit der Kinderbe-
treuungskarte werde dazu ein Konzept vorgeschlagen, das
auf das Instrument des Geldleistungsgesetzes zurückgreife,
wie es bereits aus dem Sozialgesetzbuch bekannt sei und im
Bereich des Sachleistungsprinzips in der Sozialhilfe auch
schon sehr erfolgreich eingesetzt werde. Über den Rechts-
anspruch der Eltern sollten die Mittel den Kindertages-
betreuungsstätten und den Tagesmüttern zugute kommen.
Damit bestünde auch die Möglichkeit, dies in einem verfas-
sungsrechtlich sicheren Rahmen durch den Bund finanziell
zu flankieren. Die Eltern könnten auf diese Weise ihre Inte-
ressen durchsetzen und die Kommunen würden mit der gro-
ßen Aufgabe des Ausbaus der Betreuungsinfrastruktur nicht
allein gelassen. Dieses Modell solle über die Umwandlung
des Ehegattensplittings in ein Individualsplittingverfahren
finanziert werden. Auf diese Weise könne man ein Instru-
ment schaffen, für das der Bund über das Kinder- und Ju-
gendhilfegesetz (KJHG – SGB VIII) zuständig sei und das
die Länder und die Kommunen in Bezug auf die Finanzie-
rung nicht im Stich lasse.

Im Hinblick auf das Ehegattensplitting wies die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darauf hin, in Deutschland sei
Ehe nicht mehr mit Familie gleichzusetzen und dem klassi-
schen Bild der Alleinverdienerfamilie stünden zunehmend
alternative Lebensentwürfe gegenüber. Jede dritte Ehe wer-
de geschieden. Es gebe Alleinerziehende mit Kindern, Un-
verheiratete mit Kindern sowie beidseitig Erwerbstätige mit
Kindern. Wenn beispielsweise beide Eheleute arbeiten müss-
ten, um einen Mindestlebensstandard zu sichern, hätten sie
keinerlei Vorteil vom Ehegattensplitting, auch wenn in die-
ser Familie drei Kinder lebten. Eine familienpolitische Un-
terstützung nur des Alleinverdienermodells, wie sie in der
Vergangenheit bestanden habe, werde deshalb den heutigen
Anforderungen nicht mehr gerecht. Eine solche Politik führe
zum Absinken der Geburtenquote und viele familienpoli-
tische Instrumente liefen in die Leere, weil die Lebenswirk-
lichkeit der Menschen nicht berücksichtigt werde.

Dem Antrag auf Drucksache 16/453 hingegen könne die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen. Zwar sei
eine kostenlose Kindertagesbetreuung dem Grunde nach un-
terstützenswert. Zuvor müssten jedoch der quantitative Aus-
bau, dann der qualitative Ausbau der Kindertagesbetreuung
und schließlich auch eine bessere Anerkennung der Erziehe-
rinnenleistung realisiert werden. Erst in einem allerletzten
Schritt könne über die Elternbeiträge nachgedacht werden.
lie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen,
angestoßenen Debatte um die gebührenfreie Kindertages-

Die Fraktion DIE LINKE. erläuterte, sie habe den Antrag
auf Drucksache 16/453 im Zuge der öffentlichen Diskussion

Drucksache 16/3219 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

eingebracht, die von Bundesministerin Dr. Ursula von der
Leyen richtigerweise zur gebührenfreien Kindertagesbe-
treuung angestoßen worden sei. In diesem Antrag gehe es
um den Ausbau öffentlich verantworteter Kindertagesbe-
treuung und um die Abschaffung der bislang erhobenen
Elternbeiträge. Beides sei notwendigerweise miteinander
verknüpft und aus verschiedenen Gründen notwendig. Bil-
dungspolitisch müsse allen Kindern ein gelungenes Auf-
wachsen ermöglicht werden und mehrere Untersuchungen
hätten ergeben, dass dieses möglichst früh und gemeinsam
mit anderen Kindern beginnen sollte. Kinder hätten ab der
Geburt einen Anspruch auf Bildung. Auch wirtschafts- und
arbeitsmarktpolitisch seien die erhobenen Forderungen sinn-
voll. Die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Familie und
Beruf werde zu Recht immer wieder hervorgehoben und in-
sofern sei die Kindertagesbetreuung eine große Herausforde-
rung. Die Fraktion DIE LINKE. verstehe ihren Antrag als
einen steuer- und finanzpolitischen Auftrag an den Bund. Es
müsse eine haushalterische Möglichkeit gefunden werden,
wie der Bund den Ländern und Kommunen hier helfen kön-
ne, damit sie nicht mit den Kosten allein gelassen würden.

Die Fraktion DIE LINKE. unterstützte auch den Antrag auf
Drucksache 16/552 mit seinen Forderungen auf einen
Rechtsanspruch und auf Unterstützung durch den Bund. Der
Antrag auf Drucksache 16/1673 enthalte zwar auch richtige
Aspekte, dennoch könne die Fraktion DIE LINKE. hier nicht
zustimmen. Ein Betreuungsgutschein nütze nichts, wenn
nicht auch gleichzeitig die Betreuungsplätze geschaffen
würden. Er schicke Eltern auf bürokratische Umwege; es
werde ihnen eine scheinbare Wahlfreiheit vorgegaukelt, die
tatsächlich aber nicht existiere.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte den Antrag auf
Drucksache 16/453 als unvollständig. Es fehlten Ausführun-
gen zu der Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden soll-
ten, wie die Kinderbetreuung aussehen solle, wie sie finan-
ziert werden solle und in welchen Schritten sie erweitert
werden könne. Sicherlich werde die Forderung nach einer
vielfältigeren Kinderbetreuung von allen im Deutschen Bun-
destag vertretenen Fraktionen unterstützt. Mit dem Tages-
betreuungsausbaugesetz seien wichtige Voraussetzungen ge-
schaffen worden und nunmehr stünden die Kommunen vor
der gewaltigen Aufgabe, die Anforderungen des Gesetzes in
die Tat umzusetzen. In der laufenden Wahlperiode habe man
bereits die Absetzbarkeit der Betreuungskosten beschlossen.
All dies seien richtige Schritte, es müsse aber auch die im
Grundgesetz vorgesehene Kompetenzverteilung zwischen
Bund, Ländern und Kommunen akzeptiert werden. In den
vorliegenden Anträgen seien Aufgaben angesprochen, die
aus guten Gründen in die Verantwortung der Länder und der
Kommunen fielen, weil die Kommunen vor Ort am besten
beurteilen könnten, welche Form der Kinderbetreuung not-
wendig sei. Gerade im Hinblick auf die finanziellen Mög-
lichkeiten sei allerdings auf Landesebene für die Zukunft ein
Schub zu erwarten, weil infolge des Geburtenrückgangs frei
werdende Gelder aus dem Bildungssektor für diese Aufgabe
eingesetzt werden könnten. Der Bund hingegen könne keine
flächendeckende Betreuung gewährleisten. Im Übrigen be-
tonte die Vertreterin der Fraktion der CDU/CSU, sie sei nicht
der Auffassung, dass es sich bei der Kinderbetreuung um
eine gesellschaftliche Aufgabe handele. Kindererziehung

Zu den Anträgen auf den Drucksachen 16/552 und 16/1673
wies die Fraktion der CDU/CSU auf die bereits nach gelten-
der Rechtslage bestehenden Schwierigkeiten der Kommu-
nen bei der Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes
hin. Die Kommunen müssten jedoch eine Chance erhalten,
diese Aufgabe zu bewältigen. Dabei lehne die Fraktion der
CDU/CSU eine Finanzierung des Ausbaus der Tagesbe-
treuung durch eine Abschaffung des Ehegattensplittings ab.
Das Ehegattensplitting komme sehr vielen Familien sehr
lange zugute und erfülle damit eine wichtige Aufgabe. Ge-
rade Frauen, die durch die Kindererziehung Einkommens-
einbußen erlitten, profitierten jahrelang von dem Ehegatten-
splitting. Durch seine Abschaffung würden insbesondere
ältere Frauen auch deswegen benachteiligt, weil sie aufgrund
ihrer Kinderbetreuungstätigkeit keine oder nur geringe Ren-
tenansprüche erworben hätten.

Die Fraktion der SPD führte aus, alle drei vorliegenden
Anträge höben die Notwendigkeit einer Stärkung der Fami-
lien hervor und unterstrichen die Bedeutung des qualitati-
ven und quantitativen Ausbaus der Kindertagesbetreuung.
Insbesondere betonten die Anträge die Bedeutung der früh-
kindlichen Bildung. Dies sei der Fraktion der SPD schon
seit Jahren ein Anliegen. Das Tagesbetreuungsausbauge-
setz, aber auch Projekte wie die Allianz für Familien trügen
dazu bei, ein familien- und kinderfreundliches Umfeld zu
schaffen. Ebenso wie die finanzielle Ausstattung der Fami-
lien gehöre auch dies zu einem Leben und Arbeiten mit
Kindern. Für die finanzielle Ausstattung der Familien sei
das Elterngeldgesetz ein wichtiger Meilenstein. Bereits in
der letzten Legislaturperiode habe neben dem Tagesbetreu-
ungsausbaugesetz der Ausbau der Ganztagsschulen im
Fokus der Öffentlichkeit gestanden. Die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf ende eben nicht mit einem bestimmten
Alter der Kinder.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sei fest-
gehalten, dass man auf der Grundlage eines Berichtes zum
Ausbaustand der Kindertagesbetreuung im Jahr 2010 über
die Einführung eines Rechtsanspruchs für die unter Dreijäh-
rigen entscheiden wolle. Wichtig sei, den Kommunen diesen
Zeitraum auch tatsächlich zu lassen, um den Ausbau der Be-
treuungsangebote für Kinder unter drei Jahren flexibel und
eigenverantwortlich auf den Weg zu bringen. Wenn eine
Mehrzahl der Kommunen dies dann nicht als Erfolg vorwei-
sen könne, sei allerdings auch der Bund in der Verpflichtung,
gemeinsam mit den Ländern und Kommunen zu prüfen, wie
der Ausbau der Betreuung mit einem Rechtsanspruch voran-
gebracht werden könne. Der Zwischenbericht des Jahres
2006 zeige durchaus erste Erfolge beim Ausbau der Tages-
betreuung, die aber natürlich innerhalb der Bundesrepublik
Deutschland und der einzelnen Länder unterschiedlich struk-
turiert seien. Zu der Gebührenbefreiung insbesondere bei
den Kindergartenjahren sei anzumerken, das sowohl das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend durch das Kompetenzzentrum für Familienleistungen
als auch eine Arbeitsgruppe der Fraktion der SPD alle Fami-
lienleistungen auf den Prüfstand stellten. Eine Evaluierung
und Stellungnahme werde auch unter dem Gesichtspunkt
vorbereitet, die Gebührenfreiheit für die Kindertagesbetreu-
ung positiv zu begleiten und auf den Weg zu bringen. Wich-
tig sei allerdings, dass die Gebührenfreiheit nicht zu Lasten
bleibe die Aufgabe der Eltern, und die Gesellschaft müsse
eine Hilfestellung bieten.

des notwendigen Ausbaus der Kinderbetreuung gehen dürfe.
Hier müsse auch die Verantwortung der Länder und der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3219

Kommunen betont werden, wenngleich der Bund diese nicht
überfordern dürfe und das Konnexitätsprinzip gelten müsse.

Aus Sicht der SPD sei mittelfristig auch eine Überprüfung
des Ehegattensplittings notwendig. Dieses Thema könne je-
doch nicht kurzfristig auf den Weg gebracht werden und
werde deshalb zeitnah nicht zur Finanzierung eines Ausbaus
des Betreuungsangebotes führen. Die Fraktion der SPD
lehne die vorliegenden Anträge ab, weil sie trotz vieler guter
Ideen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zielführend seien.

Die Fraktion der FDP vermochte die vorliegenden Anträge
ebenfalls nicht zu unterstützen. Ebenso wie die von den
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebildete
frühere Bundesregierung habe auch die amtierende Bundes-
regierung die Forderung der FDP nach einem Kinderbetreu-
ungsgipfel bisher ignoriert. Den Kommunen werde bei der
Bewältigung ihrer Aufgaben nicht geholfen; der im Tages-
betreuungsausbaugesetz optional für das Jahr 2010 vorge-
sehene Rechtsanspruch stelle eher eine Drohung dar. Nach
wie vor sei fraglich, ob die zur Finanzierung der Betreuungs-
plätze vorgesehenen Gelder auch tatsächlich zur Verfügung
stünden. Zwar enthielten die Anträge auf den Drucksachen
16/552 und 16/1673 einige Überschneidungen zur Position
der Fraktion der FDP, in anderen Punkten könne man die dort
aufgestellten Forderungen jedoch nicht teilen. Der Antrag
auf Drucksache 16/453 wolle nur eine öffentliche, staatlich
geförderte Kinderbetreuung zulassen. Die Fraktion der FDP
sei demgegenüber jedoch der Ansicht, man benötige eine
flexible Betreuung, die auch private Anbieter einbeziehe.

In ihrem Antrag auf Drucksache 16/1168 habe die Bun-
destagsfraktion der FDP die Bundesregierung aufgefordert,
gemeinsam mit den Ländern und Kommunen ein bedarfs-
gerechtes, an Qualitätsstandards orientiertes, qualitativ hoch-
wertiges Angebot an Betreuungsplätzen ab Ende des Mut-
terschutzes (8 Wochen nach der Geburt) zu schaffen und
grundsätzlich einen Ganztagsplatz in Krippen, Kindertages-
stätten und Schulen (Hort) für Kinder berufstätiger Mütter
und Väter anzubieten. Eine Vertreterin der Fraktion der FDP
betonte, seitens der Bundesregierung existiere bisher kein
schlüssiges Gesamtkonzept für die Betreuung von Kindern
nach dem ersten Lebensjahr. Weder die von den Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebildete frühere
Bundesregierung, die sieben Jahre regiert habe, noch die
Fraktionen der CDU/CSU und SPD hätten die Städte und
Gemeinden beim Ausbau der Kinderbetreuung finanziell
unterstützt. Besonders in den alten Bundesländern bestün-
den Defizite bei der Betreuung der unter Dreijährigen. Damit
fehle jungen berufstätigen Paaren die verlässliche Grundlage
für ein Leben mit Kindern.

Zum Ehegattensplitting betonte eine Vertreterin der Fraktion
der FDP, aus ihrer persönlichen Sicht bestehe das Problem
darin, dass viele Frauen ohne eigene Erwerbstätigkeit über
kein Einkommen verfügen. Deshalb komme das Ehegatten-
splitting ausschließlich dem Einkommen des Ehemannes zu-
gute. Eine umsichtige Gesetzgebung, insbesondere auch im
Zusammenhang mit der Unterhaltsreform, müsse die Inten-
tion haben, Frauen den Beruf auch dann zu ermöglichen,
wenn sie Kinder hätten. Wenn Frauen auf eigenen beruf-
lichen Füßen ständen, werde auf diese Weise auch unter-
haltsrechtlichen Misslichkeiten vorgebeugt. Gefördert wür-

Hause geblieben sei und die Kinder erzogen habe. Die Steu-
erpolitik müsse weg von diesem überholten Familienbild.
Entlastet werden sollten diejenigen, die Kinder hätten. Not-
wendig sei aber ein abgemilderter zeitlicher Übergang bei
der Abschaffung der bisherigen Regelung.

Der Vertreter der Bundesregierung führte aus, eine familien-
fördernde und -wertschätzende Politik definiere sich aus
Sicht seines Hauses im Sinne einer Verbesserung der Ein-
kommenspolitik, einer Verbesserung der Zeitpolitik und
einer Verbesserung der Infrastrukturpolitik. Diese drei Bau-
steine müssten immer im Zusammenhang gesehen werden.
Der qualitative und quantitative Ausbau der Tagesbetreuung
für Kinder im Alter unter drei Jahren – Infrastrukturpolitik –
habe für die Bundesregierung oberste Priorität. Man verfolge
insoweit die Ausbauentwicklungen in den Kommunen sehr
intensiv und stehe hierzu in einem ständigen Austausch mit
den kommunalen Spitzenverbänden. Den Kommunen werde
mehr und mehr bewusst, dass eine gute Kindertagesbe-
treuung vor Ort nicht nur ein weicher, sondern in der Zwi-
schenzeit tatsächlich ein harter Standortfaktor geworden sei.
Lokale Lebensqualität und Erfolg im Wettbewerb der Regio-
nen hingen sehr stark von den Infrastrukturangeboten für
junge Familien und Kinder ab. In diesem Sinne sei auch das
Ergebnis des ersten Zwischenberichts zum Tagesbetreuungs-
ausbaugesetz zu verstehen, denn der Bericht deute auf eine
Vielzahl von Anstrengungen in den Kommunen hin. Sicher-
lich seien diese Anstrengungen noch nicht ausreichend und
es bestünden regional erhebliche Unterschiede. Deshalb
werde das Ministerium weitere Gespräche mit den Kommu-
nen und mit den Ländern zur Verständigung über die Zielset-
zungen, aber auch über die Frage der Umsetzung und damit
über die entscheidende Frage der Finanzierung führen. In
diesem Bereich müsse allerdings die Zuständigkeit der Län-
der und Kommunen respektiert werden. Auf der anderen
Seite gebe es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD auch die Aussage, dass mit den Ländern und Kommu-
nen Gespräche geführt werden sollten, um Möglichkeiten für
den bedarfsgerechten Ausbau zu erörtern, die von allen Be-
teiligten mitgetragen werden könnten. In diesem Zusam-
menhang sei auch zu berücksichtigen, dass die inzwischen
vorliegenden Daten darüber Aufschluss gäben, in welchem
Maß bereits in den nächsten Jahren durch den Rückgang der
Geburtenzahlen Spielräume zur Verfügung stünden. Sowohl
der Bund als auch die Länder und Kommunen seien auf-
gefordert, eine politische Aussage zu der Frage zu treffen,
wie diese Spielräume genutzt werden sollten.

Des Weiteren habe man sich vorgenommen, im Rahmen des
Ausbaus eines wissenschaftlichen Kompetenzzentrums für
Familienleistungen alle existenten Familienleistungen auf
den Prüfstand zu stellen. Dies betreffe sowohl die Transfer-
leistungen als auch die Infrastrukturleistungen und die
steuerlichen Leistungen. Zunächst solle eine systematische
Bestandsaufnahme und anschließend eine Wirkungsanalyse
durchgeführt werden. Ausgehend von deren Ergebnis sollten
dann auch Handlungsempfehlungen für eine Neujustierung
der Familienleistungen erfolgen. Dabei sei es wichtig, die
erkennbaren Wirkungen auch in einen internationalen Ver-
gleich zu stellen.

Im Hinblick auf die Tagesbetreuung seien nicht nur der qua-

de durch das Ehegattensplitting noch heute das Modell der
fünfziger Jahre, als der Mann gearbeitet habe und die Frau zu

litative und quantitative Ausbau angesprochen, sondern auch
die Frage der Gebührenfreiheit im letzten Kindergartenjahr

Drucksache 16/3219 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

und darüber hinaus. Aus Sicht des Hauses sei es allerdings
zutreffend, dass dies nur ein zweiter Schritt sein könne und
der Ausbau den Vorrang genieße. Auch insoweit komme es
darauf an, Finanzierungsgrundlagen zu schaffen, die es den
Kommunen ermöglichten, die Gebührenfreiheit tatsächlich
zu realisieren.

Berlin, den 27. September 2006

Dr. Eva Möllring
Berichterstatterin

Caren Marks
Berichterstatterin

Ina Lenke
Berichterstatterin

Diana Golze
Berichterstatterin

Ekin Deligöz
Berichterstatterin

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