BT-Drucksache 16/3211

Bundeswehreinsatz im Rahmen von UNIFIL

Vom 30. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3211
16. Wahlperiode 30. 10. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Jürgen Koppelin,
Dirk Niebel, Elke Hoff, Dr. Rainer Stinner, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion
der FDP

Bundeswehreinsatz im Rahmen von UNIFIL

Am 11. August 2006 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
die Resolution 1701 (2006). Sie ist die Grundlage für die Beteiligung bewaff-
neter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon
(UNIFIL), die der Deutsche Bundestag auf Antrag der Bundesregierung am
20. September 2006 beschloss.

Der Debatte des Antrags im Deutschen Bundestag war eine intensive Diskussion
bezüglich des genauen Einsatzraumes der Deutschen Marine und der Wahr-
scheinlichkeit des Risikos etwaiger direkter Zusammenstöße zwischen deut-
schen und israelischen Soldaten vorausgegangen. Im Rahmen dieser Diskussion
beantwortete die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, auf einer Pressekonfe-
renz am 13. September 2006 die Frage eines israelischen Journalisten bezüglich
der Befugnisse der Deutschen Marine eine Seemeile vor der Küste des Libanon
wie folgt: „Also der Kontrollraum ist von der Küstenlinie – wie der Verteidi-
gungsminister es gesagt hat – bis in eine Reichweite von 50 Seemeilen gesichert.
Es gibt keine ausgeschlossenen Gebiete für die deutschen Schiffe und die Frage,
die mal die deutsche Öffentlichkeit beschäftigt hat, ob es eine 6/7-Meilen-Zone
gibt, die wir nicht betreten dürfen, die kann man mit einem ganz klaren Nein
beantworten. Wir können den gesamten Bereich befahren, wie das erforderlich
ist.“

Bei der Antragseinbringungsdebatte im Deutschen Bundestag am 19. Septem-
ber 2006 (Plenarprotokoll 16/49) stellte der Bundesminister des Auswärtigen,
Dr. Frank-Walter Steinmeier, fest: „Die Soldaten der Bundeswehr werden das
Recht haben, den Seeverkehr vor der Küste des Libanon zu kontrollieren, ver-
dächtige Schiffe umzuleiten, sie zu betreten und zu durchsuchen. Das steht ein-
deutig in den Einsatzregeln der Vereinten Nationen. Die libanesische Regierung
hat diese Einsatzregeln akzeptiert.“ In derselben Debatte führte der Bundes-
minister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, aus: „Voraussetzungen waren
aus unserer Sicht die Anforderung der libanesischen Regierung, klare Einsatz-
regeln und ein klares Einsatzkonzept. Diese liegen mittlerweile vor.“ Außerdem
stellte er fest: „Es geht um die Absicherung der seeseitigen Grenzen des Liba-

non innerhalb der Territorialgewässer.“

Im Rahmen der Debatte am 20. September 2006 (Plenarprotokoll 16/50), an
deren Ende der Deutsche Bundestag namentlich über den Antrag der Bundes-
regierung abstimmte, führte die Bundeskanzlerin aus: „Die Bundesregierung hat
die Bedingungen sorgfältig geprüft, unter denen ein deutsches Engagement
sinnvoll und vertretbar ist. Das Mandat ist robust.“

Drucksache 16/3211 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Während in der VN-Resolution 1701 keine Angaben zu einem Einsatzgebiet auf
See zu finden sind, wird dieses im besagten Antrag der Bundesregierung (Bun-
destagsdrucksache 16/2572) unter Punkt 7 genau wie folgt definiert: „Das Ein-
satzgebiet von UNIFIL umfasst zu Lande das Gebiet südlich des Litani-Flusses,
westlich der Grenze zu Syrien und nördlich der sog. Blauen Linie. Es umfasst
ferner zur See ein Seegebiet vor der libanesischen Küste, bestehend aus den
libanesischen Küstengewässern sowie einem Seeraum bis ca. 50 Seemeilen
westlich der libanesischen Küste (Area of Maritime Operations, AMO). Hinzu
kommt der Luftraum über beiden Gebieten.“

Am 12. Oktober 2006 wurden, laut der Unterrichtung des Parlaments durch das
Bundesministerium der Verteidigung vom 18. Oktober 2006, die Abstimmungs-
gespräche zur Umsetzung des Mandats für die Mission UNIFIL zwischen den
Vereinten Nationen – unter deutscher Beteiligung – und der libanesischen Seite
mit einem Protokoll abgeschlossen. Als wesentliche Inhalte dieses Protokolls
werden genannt: Volle Zuständigkeit der Maritime Task Force außerhalb der ter-
ritorialen Gewässer des Libanon, gemeinsame Operationen mit Libanon in den
Territorialen Gewässern, Erlaubnis zu Operationen in den Territorialen Gewäs-
sern zwischen 6 und 12 Seemeilen, Operationen auf Anforderung Libanons in
den Territorialen Gewässern zwischen 0 und 6 Seemeilen sowie Boarding/Be-
schlagnahme durch libanesische Kräfte oder in deren Beisein.

Am 24. Oktober 2006 kam es zu einem Zwischenfall, in dem die Deutsche Ma-
rine im Rahmen der UNIFIL-Mission und die israelische Luftwaffe verwickelt
waren. Nach Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung haben israeli-
sche F-16 Kampfflugzeuge ein Schiff der Deutschen Marine überflogen, dabei
zwei Schüsse abgegeben und Raketenabwehrkörper ausgelöst.

Darüber hinaus gab es offenbar mindestens zwei weitere Zwischenfälle.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Dokumente lagen der Versicherung der Bundeskanzlerin in der
Pressekonferenz am 13. September 2006 an den fragenden israelischen
Journalisten zugrunde, dass es vor der libanesischen Küste keine ausge-
schlossenen Gebiete für die deutschen Schiffe in ihrem Einsatz zur Unter-
bindung von Waffenschmuggel gebe?

2. Welche Erkenntnisse/Dokumente lagen dem Bundesminister des Auswär-
tigen vor seiner Rede im Deutschen Bundestag am 19. September 2006 vor,
in der er davon sprach, dass die Soldaten der Bundeswehr das Recht haben
werden, den Seeverkehr vor der Küste des Libanon zu kontrollieren?

3. Welche Erkenntnisse/Dokumente über den Einsatzraum und die Einsatz-
regeln der Deutschen Marine im Rahmen von UNIFIL lagen dem Bundes-
minister der Verteidigung vor seiner Rede im Deutschen Bundestag am
19. September 2006 vor?

4. Welche Dokumente mit den Bedingungen für den Einsatz der Deutschen Ma-
rine im Rahmen von UNIFIL meinte die Bundeskanzlerin bei ihrer Rede vor
dem Deutschen Bundestag am 20. September 2006, aufgrund deren sorgfäl-
tiger Prüfung die Bundesregierung das deutsche Engagement für sinnvoll und
vertretbar erachtete?

5. Wann und in welcher Form hat die Bundesregierung von den UN die Zu-
sicherung erhalten, dass das Einsatzgebiet des maritimen Einsatzverbandes
unter deutscher Führung ein 50 Seemeilen breiter Streifen vor der libanesi-
schen Küste ohne jegliche Beschränkung ist?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3211

6. Wann und in welcher Form hat die libanesische Regierung diesem Einsatz-
raum zugestimmt, und hat sie ausdrücklich auch akzeptiert, dass es darin
keinerlei Beschränkungen gibt?

7. Wann haben die Abstimmungsgespräche zur Umsetzung des Mandates für
die Mission UNIFIL zwischen den UN – unter deutscher Beteiligung – und
der libanesischen Seite begonnen, die am 12. Oktober 2006 mit einem Pro-
tokoll abgeschlossen wurden, und wie war deren Verlauf?

8. Welche rechtliche Qualität hat das Protokoll vom 12. Oktober 2006 zwi-
schen den UN und dem Libanon?

9. Wie genau lauten die Formulierungen des Protokolls vom 12. Oktober 2006
bezüglich der Verantwortlichkeiten und Handlungsoptionen der Deutschen
Marine innerhalb libanesischer Hoheitsgewässer?

10. Was versteht die Bundesregierung unter einem „anerkannten Verdacht“, der
zur Einfahrt in die Sechs-Meilen-Zone berechtigen würde?

Ist diese Definition der Bundesregierung inhaltlich mit der libanesischen
Regierung abgestimmt, und wenn ja, in welcher Form?

11. Was war die Grundlage der Definition des Einsatzgebiets von UNIFIL im
Antrag der Bundesregierung vom 13. September 2006 (Bundestagsdruck-
sache 16/2572)?

12. Trifft es zu, dass es weitere Zwischenfälle gab, und wenn ja, wie viele, wel-
cher Art waren diese Zwischenfälle, und zu welchen Zeitpunkten genau
haben sie stattgefunden?

13. Was hat die Bundesregierung getan, um die Vorfälle aufzuklären?

14. Wurde das Vorkommnis in Zusammenhang mit dem Flottendienstboot
„Alster“ dokumentiert, und wenn ja, in welcher Form?

Wie und wann wurde der Bundesminister der Verteidigung darüber infor-
miert?

15. Was hat die Bundesregierung vor Entsendung der Deutschen Marine in
den Einsatzraum von UNIFIL unternommen, um etwaigen Zwischenfällen/
Zusammenstößen mit den israelischen Streitkräften vorzubeugen?

16. Was hat die Bundesregierung unternommen, um zukünftig Zwischenfälle
oder Zusammenstöße mit den israelischen Streitkräften zu vermeiden?

Welche konkreten Maßnahmen hat der israelische Ministerpräsident Ehud
Olmert in seinem Telefonat mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am
29. Oktober 2006 angekündigt, um künftige Zwischenfälle auszuschließen?

17. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung eine erneute Beschluss-
fassung des Deutschen Bundestages zum Libanoneinsatz für nicht nötig?

Berlin, den 30. Oktober 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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