BT-Drucksache 16/3176

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/54, 16/3158- Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben

Vom 25. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3176
16. Wahlperiode 25. 10. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann,
Renate Künast, Fritz Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/54, 16/3158 –

Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren
für Infrastrukturvorhaben

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Haushaltswahrheit und Planungsklarheit bei gleichzeitiger Stärkung unserer
Demokratie sollten Ziel der Gesetzgebung zu Planungsverfahren sein. Die bis-
her vorliegenden Gesetzentwürfe zur Beschleunigung von Planungen für Infra-
strukturvorhaben erfüllen diese Zielsetzung nicht. Notwendig ist daher die
vertiefte Diskussion um ein verbessertes Planungsrecht. Nicht der Marsch ins
Abseits der Demokratie, sondern deren Stärkung durch neue Instrumente der
Beteiligung ist zukunftsfähig.

Die Planungen von Verkehrsprojekten nehmen in vielen Fällen zu viel Zeit in
Anspruch, so dass sie zum Zeitpunkt ihrer eigentlichen Verwirklichung kaum
noch mit den aktuellen Realitäten kompatibel sind. Zwischen der Projektidee,
der Entscheidung über den Bedarf für eine Straßen-, Bahn- oder Leitungstrasse,
dem Raumordnungsverfahren, der Linienbestimmung und der rechtsverbind-
lichen Festsetzung vergehen oft Jahrzehnte. Lange Planungszeiten sind mit
hohen Kosten und Unsicherheiten für die Vorhabenträger wie auch die Betrof-
fenen verbunden. Im Verlauf langwieriger Planungen ergeben sich überdies
häufig Strukturentwicklungen, wie etwa Siedlungserweiterungen oder FFH-
Festlegungen (FFH: Fauna-Flora-Habitat), die zu Konflikten führen.

Planungsverfahren müssen aktuell und flexibel gehalten werden. Dies erfordert
innovative Planungsinstrumente, wie etwa einen Planungszeitraum von fünf
Jahren und einen planungsbegleitenden Projektkreis späterer Betroffener, z. B.
in Form eines Mediationsverfahrens. Nur so kann Planung auf zwischenzeitli-

che Veränderungen reagieren, transparent sein und an veränderten Bedarf oder
Umweltbelange angepasst werden. Diese Vorgehensweise hätte zwar zur Folge,
dass weniger Projekte, diese aber in kürzerer Zeit und mit deutlich höheren
Erfolgschancen realisiert werden.

Demokratische Rechte der Verfahrensbeteiligung dürfen nicht eingeschränkt
werden; vielmehr gilt es neue Wege der Öffentlichkeitsbeteiligung an Verkehrs-

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planungen – etwa eine frühzeitige Beteiligung Betroffener – sicherzustellen,
will man Konflikte vermindern und so die Planung beschleunigen. Es ist ein
Mythos, dass in erster Linie die Beteiligungsrechte Betroffener Verfahren un-
nötig in die Länge ziehen. Denn die Öffentlichkeitsbeteiligung beispielsweise
bei Straßenplanungen macht nur etwa fünf Prozent des gesamten Projektie-
rungszeitraumes aus. Durch die Diskussion um die Beteiligungsrechte werden
die tatsächlichen Ursachen für Verzögerungen verschleiert: oberflächliche
Planungen, Planungsmängel, Verfahrensfehler und mangelhafte Beteiligung so-
wie Vergabefehler. Gerade die Rechte der Betroffenen, Projektplanungen zu
prüfen, sind ein präventives Instrument zur Sicherung hoher Qualitätsstandards
bei der Planung. Bekanntlich wird in der Praxis nur bei besonders gravierenden
Planungsmängeln und daher hohen Erfolgsaussichten gerichtlicher Schritte,
tatsächlich geklagt. Entsprechend einer Antwort der Bundesregierung auf
eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden derzeit
15 von 76 Fernstraßenprojekten beklagt (Stand: Februar 2006, Bundestags-
drucksache 16/723).

Ohnehin werden Planungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sind,
durch Klagen nicht verzögert. Rechtsmittel gegen Infrastrukturentscheidungen
haben durchgehend keine aufschiebende Wirkung. Eilanträge gegen den Bau-
beginn haben überhaupt nur dann Erfolg, wenn für das Gericht offensichtlich
ist, dass die Entscheidung rechtswidrig war. In allen anderen Fällen kann trotz
der noch ausstehenden rechtlichen Überprüfung gebaut werden. In der Praxis
ist dies der Regelfall.

Ziel der bisherigen Gesetzesvorlagen zur Planungsbeschleunigung ist es ins-
besondere: durch Beschränkung des Rechtsweges für bedeutende Projekte, Ein-
schränkungen bei der Verbändebeteiligung, Kürzung von Beteiligungsfristen
für Betroffene, Streichung von Projektfolgeuntersuchungen und Ausweitung
des zeitlichen Geltungsbereichs bei Planfeststellungen die bisherige Verfahrens-
beteiligung von Naturschutzverbänden und Öffentlichkeit zu schwächen.

Mit dem Gesetzentwurf wird rechtlich an die Regelungen nach der Wieder-
vereinigung angeknüpft. Diese waren jedoch einem historisch einmaligen
Planungsnotstand geschuldet. Heute sind die Voraussetzungen für die Dring-
lichkeit oder gar Ausweitung bzw. Verschärfung dieser rechtlichen Regelungen
nicht mehr gegeben. 16 Jahre nach der Wiedervereinigung gilt es vielmehr,
diese „Notstandsgesetze“ zu beseitigen.

Unbestritten besteht Handlungsbedarf in der Planung; Verfahren lassen sich
beschleunigen, wenn die Planungsqualität erhöht, ein Mehr an Bürgernähe,
bessere Transparenz und Effizienz in den Planungsverfahren sichergestellt wer-
den.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Infrastrukturverantwortung für regionale Netze regionalen Trägern zu
übertragen. Dadurch können Prioritätensetzungen zeitnah überprüft werden;

2. die Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung zu verbessern und Umwelt-
standards zu erhöhen,

a) die Bürger und Verbände frühzeitig zu beteiligen, bei Großprojekten den
planungsrechtlichen Verfahren ein (verbindliches) Mediationsverfahren
vorzuschalten,

b) die Öffentlichkeitsbeteiligung auf drei Monate zu erweitern und alle er-
forderlichen Informationen über das jeweilige Projekt zur Verfügung zu
stellen,
c) die Verbändebeteiligung nicht einzuschränken;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3176

d) die Liste der UVP-pflichtigen Projekte (UVP: Umweltverträglichkeits-
prüfung) zu erweitern auf alle Maßnahmen mit Auswirkungen auf ge-
schützte Bereiche, und Projekte, die entweder zu einer Neuversiegelung
von mindestens 1 ha führen oder deren Umweltauswirkungen zu zusätz-
lichen Beeinträchtigungen auf einer Fläche von mehr als 50 ha führen;

3. Vorgaben für die Planung zu entwickeln, die den behördlichen Vollzug be-
schleunigen und effizienter gestalten;

4. den zeitlichen Geltungsbereich von Planfeststellungsbeschlüssen (PFB) von
derzeit fünf auf zukünftig acht Jahre zu verlängern;

5. die Planungsqualität durch gerichtliche Überprüfbarkeit zu sichern;

6. bei der Vergabe ein hohes Maß an Transparenz zu gewährleisten;

7. eine Zersplitterung der zur Verfügung stehenden Mittel auf zu viele Projekte
zu vermeiden.

Berlin, den 25. Oktober 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Ursachen für lange Planungsverfahren in Deutschland liegen nicht in der
Beteiligung von Bürgern und Verbänden, sondern in mangelnder Konflikt-
bewältigung. Hauptgründe für die Konflikte sind: Intensität der Eingriffe in
Siedlungsstrukturen, in Natur und Umwelt usw., unzureichende Untersuchun-
gen konfliktminimierender Alternativen, wie z. B. Optimierung des Straßennet-
zes und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), sowie man-
gelnde Flexibilität der Planungsverwaltungen.

Die Konflikte vor Ort können nur durch eine integrierte Planung und ein ver-
bessertes Planungsmanagement, das frühzeitig die betroffenen Interessen ein-
bezieht, gelöst werden. Integrierte Verkehrslösungen lassen sich nur auf regio-
naler oder Landesebene entwickeln, da hier alle möglichen Varianten in die
Planung einbezogen werden können.

Die Neuordnung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern und die Ein-
führung einer integrierten Verkehrsplanung würden eine Reihe von Projekt-
planungen gänzlich überflüssig machen.

Eine frühzeitige und qualifizierte Beteiligung der Öffentlichkeit und der Um-
weltschutzverbände kann Verfahren beschleunigen und effektivieren. Planun-
gen, die eine hohe Akzeptanz vor Ort genießen, lassen sich schneller umsetzen.
Während beispielsweise die Planung und der Bau der A 31 in Ostfriesland nur
wenige Jahre benötigten, besteht für die A 94 im Raum Dorfen östlich von
München auch nach etwa dreißig Jahren noch kein Baurecht. Für die Planung
der A 33, Tatenhauser Forst bei Bielefeld, wurde nach jahrelangem Widerstand
gegen eine naturschutzfachlich kritische Variante eine einvernehmliche Trassie-
rung gewählt. Dem Planungsfortschritt stehen nunmehr keine größeren Hinder-
nisse im Wege.

Erfahrungen zeigen, dass nach der formellen Öffentlichkeitsbeteiligung äußerst
selten Planungen tatsächlich überarbeitet werden. In der Regel halten die Vor-
habenträger an ihren Vorzugsvarianten für eine bestimmte Verkehrstrasse fest,

die in allen förmlichen Verfahren bestätigt werden. Daraus lässt sich schluss-

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folgern, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung sehr häufig ihren eigentlichen Sinn
verfehlt und ausschließlich als eher lästige Formalie wahrgenommen wird.

Derzeit sind erst nach Erteilung der abschließenden Baugenehmigung Rechts-
mittel möglich, d. h. erst zum spätestmöglichen Zeitpunkt kann juristisch ver-
sucht werden, mangelhafte Planungen von außen zu korrigieren. Das deutsche
Planungsrecht braucht daher eine frühzeitige und ernsthafte Einbeziehung von
Bürgern, Naturschutzverbänden und anderen Interessenvertretern, also das
Öffentlichkeitsprinzip bei der Planung. Verbände, Bürgerinnen und Bürger
können als Laienexperten oft wertvolle Hinweise für den Planungsprozess ge-
ben, die auch die Qualität der Planung verbessern. Manche Planungsverzöge-
rung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Planungsexperten und -behörden
an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei geplant haben, anstatt ihre Einwände
ernst zu nehmen. Eine frühzeitige und ergebnisoffene Mediation erhöht die
Chancen, einvernehmliche Lösungen zu finden und so die Akzeptanz für Ver-
kehrsprojekte zu erhöhen.

Bürgernähe heißt auch, dass behördliche Entscheidungen und Abwägungen
transparent und nachvollziehbar sein müssen. Die Bundesregierung hat sich mit
der Unterzeichnung der Aarhus-Konvention verpflichtet, die Beteiligungs-
rechte von Bürgerinnen und Bürgern zu stärken. Die Aarhus-Konvention resp.
die Öffentlichkeitsrichtlinie der EU (Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003) muss in deutsches Recht umge-
setzt werden. Mit der Umsetzung sollen die Beteiligung der Öffentlichkeit er-
weitert und die Transparenz erhöht werden, auch um die Qualität der Planun-
gen zu verbessern und die Akzeptanz für Verkehrsprojekte zu sichern. Die im
Beschleunigungsgesetz geplanten Regelungen sind mit der Aarhus-Konvention
bzw. der Öffentlichkeitsrichtlinie 2003/35/EG nicht vereinbar und müssten des-
halb in kürzester Zeit erneut angepasst werden. Deutschland riskiert außerdem
ein weiteres Mal, vom Euopäischen Gerichtshof (EuGH) wegen nicht aus-
reichender Umsetzung europäischen Rechts verurteilt zu werden. Besonders
problematisch sind beispielsweise der Verzicht auf Anhörungen bei Planände-
rungen, die Gleichstellung von Naturschutzverbänden mit Privaten und die Un-
beachtlichkeit auch gravierender Planungsfehler. Alle Projekte, die auf der
Grundlage des neuen Rechts genehmigt würden, könnten wegen der Unverein-
barkeit mit den europarechtlichen Vorgaben beklagt werden. Das neue Gesetz
würde die Rechtsunsicherheit erheblich erhöhen. Auch dies widerspricht dem
Ziel einer effektiveren Planung.

Eine wichtige Grundlage für Planungsqualität ist auch die Einbeziehung be-
troffener Fachressorts. Insbesondere um das Konfliktpotenzial bei den ver-
kehrsbedingten Umweltbeeinträchtigungen von Projekten zu minimieren, sind
die zuständigen Behörden für Naturschutz, Hochwasserschutz, Gewässerschutz
und Immissionsschutz frühzeitig zu beteiligen. Einschränkungen dieser Ab-
stimmungsprozesse, beispielsweise der vorgesehene Verzicht auf die Anhörung
des Bundesamtes für Naturschutz bei Projekten nach dem Wasserstraßengesetz,
sind hingegen kontraproduktiv und mindern die Qualität der Planung.

Ein wesentlicher Handlungsbedarf liegt heute im behördlichen Vollzug. Erheb-
liche Zeitersparnisse sind bei der Bearbeitung durch Planfeststellungs- und An-
hörungsbehörden wie auch bei den Gerichten möglich. Voraussetzungen für
eine zeitnahe Bearbeitung in den Behörden und Gerichten sind jedoch eine
angemessene personelle Ausstattung sowie die entsprechende Qualifikation der
Bearbeiter. Neben der ausreichenden personellen Ausstattung fehlt es den Pla-
nungs- und Genehmigungsbehörden in vielen Fällen auch an geeigneter infor-
mationstechnischer Ausstattung. Obwohl viele Daten in den unterschiedlichen
Behörden vorliegen, wissen die unterschiedlichen Beteiligten oft nichts von

diesen Informationsmöglichkeiten und können wegen der unkoordinierten Er-
fassung und Aufbereitung oft nicht darauf zugreifen. In vielen Fällen lassen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3176

sich mit modifizierten Strukturen in den Behörden Kapazitäten für die Bearbei-
tung der Verkehrsplanungen erschließen. Erste Fusionen in der Praxis zeigen:
bundesländerübergreifende Planungsträger, Planfeststellungsbehörden und Ge-
richte sind eine effiziente und realistische Option.

Die derzeit vorgeschriebenen Verfahren bis zum Baurecht binden erhebliche
Kapazitäten, wobei sich Verfahrensschritte wiederholen. Für die Planung von
Bundesfernstraßen beispielsweise sind i. d. R. ein Raumordnungsverfahren, ein
Linienbestimmungsverfahren sowie ein Planfeststellungsverfahren erforder-
lich. Die Länder haben im Raumordnungsverfahren die Möglichkeit, Korridore
für die Streckenführung zu beurteilen. Der Bund legt dann die Linie im Linien-
bestimmungsverfahren fest. Dabei überschneiden sich teilweise die Inhalte und
Funktionen der Raumordnungs- und Linienbestimmungsverfahren für Straßen-
projekte. Die Projektunterlagen müssen daher z. T. doppelt erstellt werden. In
diesen Verfahren werden verschiedene Trassenvarianten untersucht. Sinnvoller
ist es, Elemente des Raumordnungs- und des Linienbestimmungsverfahrens zu
kombinieren. Bedingung dafür ist allerdings, dass die Beteiligungsmöglich-
keiten effizienter werden. Ohnehin sieht bislang zumeist nur das Raumord-
nungsverfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Linienbestimmungsverfah-
ren sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und daher intransparent. Der
Bearbeitungsaufwand für Verkehrsträger steigt mit der Anzahl der einzelnen
Streckenabschnitte, für die gesonderte Verfahren durchgeführt werden müssen.
Dadurch besteht auch die Gefahr, dass die einzelnen Abschnitte nicht im Zu-
sammenhang gesehen werden. Außerdem nimmt der politische Druck auf einen
sog. Lückenschluss erheblich zu, wenn mit einigen Bauabschnitten bereits be-
gonnen wird, während die ökologisch bedenklichsten zunächst zurückgestellt
werden. Mit dieser sog. Salami-Taktik riskiert der Vorhabensträger erhebliche
Fehlinvestitionen, ohne dass die Trasse verkehrswirksam wird. Längere
Strecken- und damit weniger Planungsabschnitte sind daher dringend nötig.

Der zeitliche Geltungsbereich von Planfeststellungsbeschlüssen (PFB) ist von
derzeit fünf auf zukünftig acht Jahre zu verlängern. Der Gültigkeitszeitraum
beginnt mit dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses. Der PFB gilt aber
nur dann als nicht verjährt, wenn das durch ihn geregelte Projekt innerhalb der
Achtjahresfrist in seiner Hauptsache zu mindestens einem Fünftel der dies-
bezüglichen Flächeninanspruchnahme umgesetzt ist. Diese Regelungen gelten
auch bei planfeststellungsersetzenden Bebauungsplänen.

Durch die Anknüpfung der Verjährung an die Realisierung der Maßnahme wird
erreicht, dass das Projekt innerhalb eines überschaubaren Zeitraums auch tat-
sächlich umgesetzt wird. Die Verlängerung der Gültigkeit von fünf auf acht
Jahre trägt dem Rechnung. Planungen, deren Umsetzung acht Jahre nach ihrer
Genehmigung immer noch nicht begonnen wurde, müssen dagegen aktualisiert
werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich bei Verwirklichung des Pro-
jekts die zugrunde liegenden Annahmen komplett geändert haben.

Durch die begrenzte Gültigkeitsdauer sind die Behörden gefordert, zügig Pla-
nungen zu bearbeiten und sich auf eine Anzahl umsetzbarer Projekte zu
beschränken. Der maximale Gültigkeitszeitraum garantiert die Aktualität der
Planung. Die Konzentration auf zeitnah umsetzbare Maßnahmen schafft Finan-
zierungssicherheit und Planungsklarheit.

Gerichtliche Entscheidungen sind zunächst in der Region zu fällen. Die zustän-
digen Gerichte, i. d. R. die Oberverwaltungsgerichte der Länder, fungieren als
erste Instanz für entsprechende Verfahren, da sie Ortstermine und Tatsachen-
ermittlungen vornehmen und Landesrecht auslegen. Dagegen ist die Aufgabe
des Bundesverwaltungsgerichtes grundsätzlich eine rein rechtliche Überprü-
fung der vorangegangenen Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichtes.

Drucksache 16/3176 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Es gibt erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, dem Bundesverwaltungs-
gericht bestimmte Verfahren erstinstanzlich zuzuweisen. Dies wäre rechtlich
nur in einer Ausnahmesituation zulässig, wie dies die Wiedervereinigung war.
Diese Ausnahmesituation liegt für diejenigen Projekte, für die das Bundes-
verwaltungsgericht nunmehr allein zuständig sein soll, aber nicht mehr vor. Die
Auswahl der 58 Bundesfernstraßenprojekte „mit überragender verkehrlicher
Bedeutung“ im Gesetzentwurf der Bundesregierung erscheint willkürlich und
bedarf einer juristischen Überprüfung. So gehören zu dieser Auswahl Projekte,
die im Bundesverkehrswegeplan nicht einmal dem Vordringlichen Bedarf zu-
geordnet wurden, beispielsweise der Abschnitt Eilenburg-Torgau der B 87.

Die Übertragung der Zuständigkeiten auf das Bundesverwaltungsgericht kann
dort einen Prozessstau hervorrufen, während der Sachverstand der Gerichte vor
Ort brachliegen bleibt. Die Beschränkung auf eine Instanz verkürzt den Rechts-
schutz von Betroffenen und Naturschutzverbänden, weil entscheidende
Aspekte erst im Laufe der Gerichtsverfahren konkretisiert und rechtlich be-
wertet werden können.

Unser Rechtsstaat nimmt Schaden, wenn er ohne erkennbare Notwendigkeit die
Rechtsmittel von Bürgern einschränkt. Das trifft in besonderer Weise zu, wenn
er im Verkehrsplanungsrecht dem Bürger nur eine Instanz zubilligt. Ein Ver-
fahren am Bundesverwaltungsgericht ist wegen höherer Gebühren und der
Reisekosten für den Bürger zumeist kostenaufwendiger als an einem Ober-
verwaltungsgericht. Verkehrsprojekten fehlt die Akzeptanz, wenn ihre Planung
und Durchsetzung von Betroffenen als Behörden- und Gerichtswillkür wahr-
genommen werden. Dem leistet jedoch die Bestimmung im Bundesfernstraßen-
gesetz (§ 17e Abs. 6) Vorschub, wonach Mängel vor Gericht nur dann geltend
gemacht werden können, wenn sie einerseits offensichtlich sind und anderer-
seits auf das Abwägungsergebnis, beispielsweise eine Entscheidung für eine
Verkehrstrasse, Einfluss hätten. Gerade diese zweite Bedingung ist kaum durch
Kläger nachzuweisen. Im Sinne der Akzeptanz wie auch der Planungsqualität
ist diese Bedingung im Rahmen des Artikelgesetzes zu streichen. Diese Art der
Fehlerheilung ist im Übrigen mit der bereits oben erwähnten Öffentlichkeits-
richtlinie 2003/35/EG nicht vereinbar, da dort verlangt wird, dass Genehmigun-
gen sowohl materiell- als auch verfahrensrechtlich vollständig vor Gericht
überprüfbar sein müssen. Die Verabschiedung des Gesetzes in der vorgesehe-
nen Form würde zu jahrelanger Rechtsunsicherheit führen, da das Bundesver-
waltungsgericht diese Frage entweder selbst entscheiden oder dem EuGH vor-
legen müsste.

Betrachtet man den gesamten Planungsverlauf bis zur Verkehrsfreigabe, so
kann man feststellen, dass ein Großteil der Verzögerungen nicht auf die Pla-
nungs-, sondern auf die Bauphase zurückzuführen ist. Ursächlich dafür sind
Klagen unterlegener Bieter im jeweiligen Ausschreibungs- und Vergabever-
fahren. Daher muss weiterhin ein klares, bundesweit einheitliches Vergaberecht
existieren. Vergabeverfahren müssen nachvollziehbar und überprüfbar sein,
denn Transparenz beugt Korruption vor. Im Vordergrund der Angebotsbewer-
tung und Vergabe darf nicht der Preis, sondern muss die Leistung stehen.

Die Anzahl der Baustellen scheint vielen politisch Verantwortlichen ein Zei-
chen für Tatkraft und Aktivität. Dies führt dazu, dass die Realisierungszeiten
für alle Projekte meist weit hinter dem bautechnisch Machbaren zurückbleiben,
da mit den jährlich zur Verfügung stehenden Mitteln nur für zwei bis drei
Monate gebaut werden kann (und teilweise aufwändige Baustellensicherungen
notwendig werden). Verkehrlich und auch volkswirtschaftlich wäre es sehr viel
sinnvoller, das knappe Geld so einzusetzen, dass Verkehrsfreigaben möglichst
schnell nach dem Baubeginn erfolgen können. Daher sollten die Mittel auf we-

nige Projekte konzentriert werden, die aber dafür durchfinanziert sind, anstatt
mit dem symbolischen Spatenstich Aktivität zu demonstrieren, hinter der noch

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3176

finanzielle Unsicherheit steht. Große und teure Baustellen für Komplettsanie-
rungen können auch dadurch wirksam verhindert werden, dass die Reparaturen
frühzeitig und regelmäßig durchgeführt werden und nicht erst dann, wenn nur
noch Abriss und Neubau möglich sind.

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