BT-Drucksache 16/3155

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/2293- Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. April 2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union

Vom 25. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3155
16. Wahlperiode 25. 10. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(21. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 16/2293 –

Entwurf eines Gesetzes
zu dem Vertrag vom 25. April 2005
über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens
zur Europäischen Union

A. Problem

Nachdem am 14. Dezember 2004 die Beitrittsverhandlungen der Europäischen
Union mit der Republik Bulgarien und Rumänien erfolgreich beendet worden
waren, wurde am 25. April 2005 im Rahmen des Rates Allgemeine Angelegen-
heiten und Außenbeziehungen der Europäischen Union in Luxemburg der Ver-
trag zum Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen
Union unterzeichnet. Der Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur
Europäischen Union bildet den Abschluss der fünften Erweiterungsrunde.

Durch das Vertragsgesetz sollen die von deutscher Seite erforderlichen Voraus-
setzungen für den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Euro-
päischen Union geschaffen werden. Der Beitrittsvertrag bedarf nach Artikel 59
Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes der Zustimmung bzw. der Mitwirkung der für
die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundes-
gesetzes, da er die politischen Beziehungen des Bundes regelt und sich auf
Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.

B. Lösung

Zustimmung zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 16/2293.

Einstimmige Annahme

C. Alternativen

Keine

Drucksache 16/3155 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

D. Kosten

Für den Beitritt von Bulgarien und Rumänien sind für die Jahre 2007 bis 2009
auf der Preisbasis von 2004 insgesamt 16,194 Mrd. Euro in der EU-Finanzpla-
nung vorgesehen. Der Bund leistet über den deutschen Finanzierungsanteil sei-
nen Beitrag am Gesamthaushalt der erweiterten Europäischen Union, der 2005
bei rd. 20 Prozent des EU-Haushaltes lag.

Für die Verwaltungen von Bund, Ländern und Gemeinden ist ein zusätzlicher
Vollzugsaufwand durch den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens
nicht zu erwarten. Die administrativen Kosten auf Ebene der Europäischen
Union fallen vorrangig für die Europäische Kommission und das Europäische
Parlament an.

Zusätzliche Kosten für soziale Sicherungssysteme entstehen nicht. Auswirkun-
gen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind
nicht zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3155

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/2293 unverändert anzunehmen,

2. folgende Entschließung anzunehmen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die verfassungsrechtliche Grundlage
für die Ratifizierung Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ist. Durch
den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union
werden weder Hoheitsrechte übertragen, noch Änderungen der vertraglichen
Grundlage der Europäischen Union oder vergleichbare Änderungen vorge-
nommen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder er-
gänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden.
Des Weiteren eröffnet der Vertrag über die Europäische Union allen euro-
päischen Staaten die Perspektive des Beitritts und dies ist vom Deutschen
Bundestag und vom Bundesrat bereits mit verfassungsändernden Mehrheiten
gebilligt worden.

Berlin, den 25. Oktober 2006

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Matthias Wissmann
Vorsitzender

Gunther Krichbaum
Berichterstatter

Axel Schäfer (Bochum)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Hakki Keskin
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

Drucksache 16/3155 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Gunther Krichbaum, Axel Schäfer (Bochum),
Markus Löning, Dr. Hakki Keskin, Rainder Steenblock

Mit Schreiben vom 20. Juli 2006 sind dem Deutschen Bun-
destag der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Druck-
sache 16/2293, Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom
25. April 2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und
Rumäniens zur Europäischen Union, die Stellungnahme des
Bundesrates vom 7. Juli 2006 zu dem Gesetzentwurf sowie
die Gegenäußerung der Bundesregierung vom 7. Juli 2006
zugeleitet worden.

I.

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung auf Drucksache 16/2293 in seiner 57. Sitzung am
19. Oktober 2006 beraten und federführend an den Aus-
schuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und
mitberatend an den Auswärtigen Ausschuss, den Innenaus-
schuss, den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss, den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, den
Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für Ge-
sundheit, den Ausschuss für Tourismus sowie den Haus-
haltsausschuss gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwie-
sen.

Der Bundesrat hat in seiner 824. Sitzung am 7. Juli 2006
festgestellt, dass das Gesetz seiner Zustimmung mit zwei
Dritteln seiner Stimmen gemäß Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 in
Verbindung mit Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes bedarf.
Zur Begründung hat er angeführt, der Beitrittsvertrag regele
erstmalig verbindlich die Zahl der Sitze für die Republik
Bulgarien und Rumänien im Europäischen Parlament, ihre
Stimmenzahl im Rat sowie das künftig geltende Quorum für
Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit. Insbesondere
der geltende EG-Vertrag werde durch diese Regelungen des
Beitrittsvertrages entsprechend angepasst. Die Mitgliedstaa-
ten hätten sich bei der Regierungskonferenz von Nizza zwar
im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union auf
27 Mitglieder politisch in einer Erklärung auf eine Neu-
verteilung der Sitze im Europäischen Parlament, im Wirt-
schafts- und Sozialausschuss und im Ausschuss der Regio-
nen sowie auf eine neue Stimmengewichtung im Rat ge-
einigt (Erklärung Nr. 20). Erst durch den Beitrittsvertrag
würden jedoch endgültig und rechtlich verbindlich die insti-
tutionellen Bestimmungen geändert und damit der Kreis der
Befugten, die übertragene Hoheitsrechte ausüben, geändert.

Durch den Beitritt verschöben sich im Ergebnis Stellung und
Gewicht der Bundesrepublik Deutschland im institutionellen
Gefüge der Europäischen Union. Das relative Stimmenge-
wicht Deutschlands insbesondere im Rat und damit die Mög-
lichkeit seiner Einflussnahme bei der Ausübung der auf die
Europäische Union übertragenen Hoheitsrechte verändere
sich. Dies stelle eine wesentliche Änderung der vertrag-
lichen Grundlagen der Europäischen Union dar, durch die
das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert bzw. ergänzt
werde.

In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates
hat die Bundesregierung dessen Auffassung, das Gesetz be-

dürfe seiner Zustimmung mit zwei Dritteln seiner Stimmen,
widersprochen.

Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes setze für das
Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti-
kel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes mit Zweidrittelmehrheit
eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der Euro-
päischen Union oder vergleichbarer Regelungen voraus,
durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder
ergänzt werde oder solche Änderungen oder Ergänzungen
ermöglicht werden. Eine derartige verfassungsändernde
Wirkung komme dem Beitrittsvertrag indes nicht zu.

Die Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäi-
schen Union infolge des Beitrittsvertrages für Bulgarien und
Rumänien beschränke sich auf die beitrittsbedingte Anpas-
sung der organisatorischen Regelungen in den Verträgen mit
dem Ziel, den Beitrittskandidaten die mitgliedschaftlichen
Teilhaberechte am Rechtsetzungsprozess der Europäischen
Union zu verschaffen. Eine materielle Änderung der Ver-
träge sei damit nicht verbunden, weil eine Erweiterung der
Hoheitsbefugnisse der Europäischen Union im Verhältnis zu
ihren Mitgliedstaaten damit nicht einhergehe.

Die mit jedem Beitritt neuer Mitgliedstaaten verbundene re-
lative Änderung der Stellung und des Gewichts Deutsch-
lands in der Europäischen Union führe nicht zu einer auto-
matischen Anwendung des Artikels 23 Abs. 1 Satz 3 des
Grundgesetzes. Die organisatorischen Neuregelungen hätten
keine verfassungsändernde Wirkung. Die Erweiterung führe
lediglich zu einer linearen Anpassung des Gewichts des Mit-
gliedstaats Deutschland in den Organen der Europäischen
Union. Die Verringerung des deutschen Stimmgewichts
allein stelle keine Verfassungsänderung im Sinne des Arti-
kels 23 Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes dar. Solange die Er-
weiterung der Europäischen Union nicht zu einer struktu-
rellen Minderung direkter Einwirkungsmöglichkeiten der
Mitgliedstaaten führe, komme es nicht zu Verschiebungen
im Rechte- und Pflichtenverhältnis zwischen der Euro-
päischen Union und den Mitgliedstaaten. Die Minderung der
Möglichkeiten Deutschlands, innerhalb der Europäischen
Union Mehrheiten bzw. Sperrminoritäten zustande zu brin-
gen, liege unterhalb dieser Schwelle und führe nicht zu
rechtlichen Einbußen. Der mit jedem Beitritt weiterer Mit-
gliedstaaten verbundene relative Verlust an Durchsetzungs-
möglichkeiten mitgliedstaatlicher Interessen entfalte aus-
schließlich politische Bedeutung.

Gegen die Anwendung des Artikels 23 Abs. 1 Satz 3 des
Grundgesetzes spreche schließlich der Normzweck. Das da-
rin aufgestellte Erfordernis verfassungsändernder Mehrhei-
ten nach Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes sei eng auszu-
legen, um der Norm des Artikels 23 des Grundgesetzes nicht
ihren integrationsoffenen Charakter zu nehmen.

Die Bundesregierung weist darauf hin, dass das Ratifika-
tionsgesetz zum Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001,
dem der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt ha-
be, nach dem Wortlaut des Artikels 1 sämtliche von der Re-
gierungskonferenz angenommenen Erklärungen einschließ-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3155

lich derjenigen zur Erweiterungen der Europäischen Union
erfasse und somit auch die vom Bundesrat erwähnte Erklä-
rung Nr. 20 bereits abdecke.

Der Vertrag von Nizza sollte ausdrücklich der institutionel-
len Vorbereitung der Europäischen Union auf die bevorste-
hende Erweiterung dienen. Dieser Erklärung komme daher
im Rahmen des gesamten Vertragswerks besondere Bedeu-
tung zu. Zwar handele es sich bei ihr – entsprechend dem
damaligen Stand der Beitrittsverhandlungen – erst um die
Festlegung der Gemeinschaftsposition der 15 „alten“ Mit-
gliedstaaten für die Anpassung der Sitzverteilung im Euro-
päischen Parlament, die Stimmgewichtung im Rat sowie die
Anzahl der Mitglieder im Wirtschafts- und Sozialausschuss
und im Ausschuss der Regionen anlässlich der Erweiterung,
die von den Bundesländern im weiteren Verlauf noch akzep-
tiert werden musste. Dies sei jedoch zwischenzeitlich im
Rahmen der Beitrittsverhandlungen geschehen. Entspre-
chend habe die vom Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit ak-
zeptierte Gemeinschaftsposition bis auf geringfügige Ab-
weichungen Eingang in den Beitrittsvertrag gefunden.

II.

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 27. Sitzung am
25. Oktober 2006 einstimmig empfohlen, den Gesetzentwurf
anzunehmen.

Der Innenausschuss hat in seiner 23. Sitzung am 25. Oktober
2006 einstimmig empfohlen, den Gesetzentwurf anzuneh-
men.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 31. Sitzung am 25. Okto-
ber 2006 einstimmig empfohlen, den Gesetzentwurf anzu-
nehmen.

Der Finanzausschuss hat in seiner 36. Sitzung am 25. Okto-
ber 2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung
der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Gesetzentwurf an-
zunehmen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner 22. Sitzung am 25. Oktober 2006 einstimmig bei zwei
Gegenstimmen aus der Fraktion der CDU/CSU empfohlen,
den Gesetzentwurf anzunehmen.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz hat in seiner 29. Sitzung am 25. Oktober
2006 einstimmig bei zwei Gegenstimmen und einer Stimm-
enthaltung jeweils aus der Fraktion der CDU/CSU empfoh-
len, den Gesetzentwurf anzunehmen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 29. Sit-
zung am 25. Oktober 2006 einstimmig empfohlen, den Ge-
setzentwurf anzunehmen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 27. Sitzung am
25. Oktober 2006 einstimmig empfohlen, den Gesetzentwurf
anzunehmen.

Der Ausschuss für Tourismus hat in seiner 21. Sitzung am
25. Oktober 2006 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, DIE LINKE. bei einer Gegenstimme aus der
Fraktion der CDU/CSU und bei Abwesenheit der Mitglieder
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den
Gesetzentwurf anzunehmen.

Der Haushaltsausschuss hat in einem gesonderten Bericht
gemäß § 96 der Geschäftsordnung Stellung genommen.

III.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Bun-
destagsdrucksache 16/2293 und das mit ihm vorliegende
Vertragswerk, bestehend aus dem Beitrittsvertrag mit der an-
gefügten Beitrittsakte mit ihren neun Anhängen nebst Anla-
gen, das dem Beitrittsvertrag angefügte Beitrittsprotokoll so-
wie die Schlussakte, bestehend aus sieben Erklärungen und
einem Briefwechsel, in seiner 20. Sitzung am 25. Oktober
2006 beraten.

Der Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen
Union ist wie der Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten am
1. Mai 2004 Teil eines historischen Prozesses zur Überwin-
dung der jahrzehntelangen Spaltung Europas in Ost und
West und bildet den Abschluss der fünften Erweiterungs-
runde.

Rumänien reichte seinen Beitrittsantrag im Juni 1995 ein,
Bulgarien im Dezember 1995. Der Europäische Rat am
15. und 16. Dezember 1995 forderte die Europäische Kom-
mission auf, diese Anträge zu beurteilen und die Folgen
einer solchen Erweiterung für die Europäische Union zu ana-
lysieren. Die Europäische Kommission legte im Juli 1997
Stellungnahmen zu den Beitrittsanträgen Bulgariens und
Rumäniens vor. Auf dieser Grundlage beschloss der Euro-
päische Rat am 12. und 13. Dezember 1997, einen Beitritts-
prozess einzuleiten, der zehn mittel- und osteuropäische
Bewerberstaaten sowie Zypern umfasste. Nachdem im Früh-
jahr 1998 die Beitrittsverhandlungen mit Zypern, Ungarn,
Polen, Estland, der Tschechischen Republik und Slowenien
begonnen hatten, wurden im Frühjahr 2000 Beitrittsverhand-
lungen mit Bulgarien, Rumänien, der Slowakei, Lettland,
Litauen und Malta aufgenommen. Vorausgegangen war
ein entsprechender Beschluss des Europäischen Rates am
10. und 11. Dezember 1999. Die Beitrittsverhandlungen
folgten dem vom Europäischen Rat am 12. und 13. Dezem-
ber 1997 festgelegten Prinzip der Differenzierung, wonach
das Tempo des Beitrittsprozesses sich an den individuellen
Leistungen eines jeden Beitrittslandes ausrichtet. Daher
konnten einige Kandidaten aus der zweiten Gruppe „aufho-
len“, so dass die Beitrittsverhandlungen mit der Slowakei,
Lettland, Litauen und Malta noch 2002 abgeschlossen wur-
den und sie am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beitre-
ten konnten.

Der Europäische Rat hat am 12. und 13. Dezember 2002 in
Bezug auf Bulgarien und Rumänien beschlossen, einen Bei-
tritt im Jahr 2007 anzustreben.

Grundlage für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
und die Ausgestaltung des Beitrittsprozesses waren die seit
1998 jährlich vorgelegten Monitoringberichte der Europäi-
schen Kommission zum Stand der Annäherung der einzel-
nen Beitrittsländer an die Kopenhagener Kriterien. Als Be-
dingungen für einen Beitritt hatte der Europäische Rat am
21. und 22. Juni 1993 Voraussetzungen formuliert, die alle
Staaten erfüllen müssen, die der Europäischen Union beitre-
ten wollen: institutionelle Stabilität, demokratische und
rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte
sowie Achtung und Schutz von Minderheiten, eine funk-

Drucksache 16/3155 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tionsfähige Marktwirtschaft, die Fähigkeit, dem Wettbe-
werbsdruck innerhalb des europäischen Binnenmarktes
standzuhalten und die Fähigkeit, sich die aus einer Mitglied-
schaft in der Europäischen Union erwachsenden Verpflich-
tungen und Ziele zu eigen zu machen.

Die Monitoringberichte der Europäischen Kommission er-
lauben einen tiefen Einblick in den Entwicklungsstand jedes
Beitrittslandes und bedeuten gleichzeitig einen Anreiz für
die Beitrittsländer, ihre auf die Annäherung an die Euro-
päische Union gerichteten Anstrengungen zu intensivieren.
Auch im Zeitraum zwischen der Unterzeichnung des Bei-
trittsvertrages und dem tatsächlichen Beitritt überwacht die
Europäische Kommission im Rahmen des sog. Monitoring-
prozesses weiterhin den Stand der Beitrittsverhandlungen
und legt regelmäßig Berichte über die Beitrittsländer vor.
Der letzte Fortschrittsbericht zu Bulgarien und Rumänien
stammt vom 26. September 2006.

Am 14. Dezember 2004 wurden die Beitrittsverhandlungen
mit Bulgarien und Rumänien abgeschlossen. Gemäß dem in
Artikel 49 des EU-Vertrages festgehaltenen Verfahren für
Beitritte zur Union gab die Europäische Kommission am
22. Februar 2005 ein positives Votum zu den Beitrittsanträ-
gen beider Länder ab, das Europäische Parlament stimmte
den Beitrittsanträgen Bulgariens und Rumäniens am
13. April 2005 zu. Schließlich beschloss der Rat Allgemeine
Angelegenheiten und Außenbeziehungen der Europäischen
Union am 25. April 2005 in Luxemburg einstimmig die An-
nahme der Beitrittsanträge. Am selben Tag wurde der Bei-
trittsvertrag von den Bevollmächtigten der 25 Mitgliedstaa-
ten sowie der Beitrittskandidaten unterzeichnet.

Das Verhandlungsergebnis spiegelt vieles von dem wider,
was bereits mit den zum 1. Mai 2004 beigetretenen Mit-
gliedsländern vereinbart worden war. Es trägt aber auch den
Besonderheiten Rumäniens und Bulgariens Rechnung und
enthält mit der Möglichkeit, den Beitrittstermin um ein Jahr
zu verschieben (Superschutzklausel), ein neues Instrument,
das zusätzlichen Druck auf die Beitrittsländer ausübt, ihre
Verpflichtungen hinsichtlich der Herstellung der Beitrittsrei-
fe nachzukommen.

Der Vertrag sieht einen Beitritt beider Länder zur Euro-
päischen Union zum 1. Januar 2007 vor. Sofern sich bei der
Vorbereitung auf die Übernahme des gemeinschaftlichen
Besitzstands oder bei der Umsetzung der Verpflichtungen
aus dem Beitrittsvertrag in der Republik Bulgarien oder in
Rumänien jedoch erhebliche Mängel ergeben sollten und die
Gefahr besteht, dass eines dieser Länder die Anforderungen
der Mitgliedschaft nicht bis zum Beitrittstermin 1. Januar
2007 erfüllen kann, so kann der Europäische Rat nach Arti-
kel 39 Abs. 1 der Beitrittsakte einstimmig auf Empfehlung
der Europäischen Kommission für eines oder für beide Län-
der beschließen, den Beitritt um ein Jahr auf den 1. Januar
2008 zu verschieben. Im Falle Rumäniens reicht für diesen
Beschluss auch eine qualifizierte Mehrheit, wenn die aufge-
tretenen Mängel Verpflichtungen aus den Kapiteln „Justiz
und Inneres“ oder „Wettbewerb“ betreffen. In Rumänien und
der Republik Bulgarien wird ab dem Zeitpunkt des Beitritts
der gesamte gemeinschaftliche Besitzstand (Acquis commu-
nautaire) gelten, jedoch sind für verschiedene Politikberei-
che der neuen Mitgliedstaaten Übergangsfristen zu den Vor-
schriften der Europäischen Union – etwa im Bereich der

Arbeitnehmerfreizügigkeit, des Erwerbs von Agrarland und
der Aufhebung der Binnengrenzen – vereinbart.

Die wichtigsten Ergebnisse sind:

– Die Regeln des Binnenmarktes mit den vier Freiheiten
werden sich auf die Republik Bulgarien und Rumänien
erstrecken.

– In dem Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit wird es
eine gestaffelte siebenjährige Übergangsfrist geben,
die es den Mitgliedstaaten erlaubt, ihre nationalen Re-
gelungen vorerst für zwei Jahre beizubehalten. Eine
Notwendigkeit zur Verlängerung der Übergangsfrist
wäre nach zwei Jahren und sodann nach weiteren drei
Jahren zu prüfen. Deutschland und Österreich können
für die Dauer ihrer jeweiligen nationalen Regelung der
Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in bestimmten Berei-
chen der grenzüberschreitenden Dienstleistungen ihre
nationalen Regelungen weiterhin anwenden.

– Der Erwerb von Agrar- und Forstland wird in beiden
Beitrittsländern während einer Frist von sieben Jahren
weiterhin grundsätzlich den nationalen Regelungen
dieser Länder unterworfen sein.

– Die finanziellen Auswirkungen des Beitritts in den ersten
drei Jahren wurden in einem Finanzpaket zusammenge-
fasst verhandelt. Das Finanzpaket für 2007 bis 2009 hat
einen Gesamtumfang von ca. 16,2 Mrd. Euro und orien-
tiert sich in Inhalt und Umfang an einer analogen Verein-
barung mit den im Jahr 2004 beigetretenen Mitgliedstaa-
ten. Den Zahlungen an Rumänien und Bulgarien stehen
Beiträge dieser Länder in Höhe von ca. 3,5 Mrd. Euro ge-
genüber, so dass der Europäischen Union durch den Bei-
tritt in den ersten drei Jahren Nettokosten von maximal
rund 12,7 Mrd. Euro entstehen, sofern alle Mittel abgeru-
fen werden. Das Finanzpaket ist folgendermaßen unter-
gliedert:

– Im Bereich Landwirtschaft sind im Rahmen des
Finanzpakets 5,5 Mrd. Euro für die Beitrittsländer
vorgesehen. Es ist eine Sonderregelung für die Di-
rektzahlungen vereinbart worden, die über einen Zeit-
raum von zehn Jahren schrittweise in den Beitritts-
ländern eingeführt werden. Die Direktzahlungen be-
ginnen im Jahre 2007 bei 25 Prozent vom Niveau der
Zahlungen, die die 15 Mitgliedstaaten vor Beitritt der
zehn neuen Mitgliedstaaten im Jahr 2004 erhielten
und werden bis zum Jahre 2016 auf 100 Prozent
erhöht werden. Die Beitrittsländer, die im Zeitraum
der schrittweisen Steigerung die Direktzahlungen mit
Eigenmitteln aufstocken können, werden mit ent-
sprechenden Quoten für Acker- und Tierprodukte am
gemeinsamen Agrarmarkt beteiligt, ohne dass Über-
schussproduktionen zu befürchten sind. In den ersten
drei Jahren nach dem Beitritt erhalten die Beitrittslän-
der außerdem Mittel für die ländliche Entwicklung,
die Unterstützung bei der Erfüllung der europäischen
Standards in den Bereichen Lebensmittelsicherheit,
Tierschutz und Umwelt geben und als Mittel zur Auf-
stockung der Direktzahlungen im Agrarbereich die-
nen sollen.

– Im Bereich der Strukturpolitik (Struktur- und Kohä-
sionsfonds) sieht das Finanzpaket Zahlungen in Höhe

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3155

von insgesamt ca. 8,3 Mrd. Euro für den Zeitraum von
2007 bis 2009 vor.

– Mit dem Beitritt übernehmen die Beitrittsländer das
System der Eigenmittel der Gemeinschaften. Die
Europäische Union hat den Beitrittsländern keinen
Beitragsrabatt eingeräumt. Allerdings erhalten die
Beitrittsländer bis Ende 2009 befristete Finanzhilfen:
Pauschale Budgetzuschüsse (cashflow- und Schen-
gen-Fazilität) von ca. 0,8 Mrd. Euro sollen die Stabi-
lität der Staatshaushalte nach Wegfall der Vorbeitritts-
hilfen und den Ausbau der Grenzsicherung an den
künftigen Außengrenzen der Union sichern, drei jähr-
liche Zuwendungen von jeweils 70 Mio. Euro an Bul-
garien sollen die von der Schließung des Kernkraft-
werks Kosloduj betroffene Region stützen; 82 Mio.
Euro für beide Länder zusammen sollen im Jahr 2007
den Verwaltungsaufbau zwecks besserer Umsetzung
des Besitzstandes beschleunigen. Darüber hinaus er-
halten Bulgarien und Rumänien für die Teilnahme an
existierenden Politiken eine Mrd. Euro.

– Die Beitrittsländer verpflichten sich im Rahmen eines
zweistufigen Verfahrens zur Übernahme des Schengen-
Besitzstands. Danach werden die Personenkontrollen an
den Binnengrenzen – im Gegensatz zu den Warenkontrol-
len – noch nicht entfallen. Ein Teil der Schengen-Rege-
lungen wird erst nach einer weiteren Entscheidung des
Rates in Kraft treten, wenn die Beitrittsländer jeweils den
Nachweis erbracht haben, dass sie insbesondere den An-
forderungen hinsichtlich des Zugangs zum Schengener
Informationssystem genügen und zu einer wirksamen
Kontrolle der Außengrenzen imstande sind. Dann werden
auch die Personenkontrollen an den Binnengrenzen ent-
fallen.

– Die Beitrittsländer werden entsprechend ihrem demogra-
phischen Gewicht an den Organen und Ausschüssen der
Europäischen Union beteiligt.

– Weitere länderspezifische Regelungen betreffen die Be-
reiche Wettbewerb, Verkehr, Steuern, Energie und Um-
welt. Mit Bulgarien wurde die Schließung des technisch
veralteten Kernkraftwerkes Kosloduj innerhalb bestimm-
ter Fristen vereinbart. Hierfür hat im Gegenzug die Euro-
päische Union finanzielle Unterstützung zugesagt.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur Euro-
päischen Union intensiv unterstützt und als kritischer Wäch-
ter begleitet. Die Mitglieder des Ausschusses haben sich
mehrfach durch Gespräche mit Delegationen aus Bulgarien
und Rumänien über den Stand der Beitrittsvorbereitungen
informiert. So wurden am 6. und 7. Februar 2006 Gespräche
mit dem bulgarischen und dem rumänischen Außenminister
geführt. Die Fortschrittsberichte zu Bulgarien und Rumänien
vom 16. Mai 2006 wurden am 18. Mai 2006 in der 12. Sit-
zung des Ausschusses und am 31. Mai 2006 im Plenum des
Deutschen Bundestages debattiert. Im Rahmen einer Son-
dersitzung des Ausschusses am 21. September 2006 wurde
der rumänische Staatspräsident Traian Ba ∏sescu zu den noch
bestehenden Problemen und den Fortschritten im Beitritts-
prozess befragt. Am 31. Mai 2006 und am 18. Oktober 2006
erstattete der Kommissar der Europäischen Union für Erwei-
terung Prof. Dr. Olli Rehn dem Ausschuss Bericht über den
Stand der Vorbereitungen Bulgariens und Rumäniens für den
Beitritt zur Europäischen Union.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf
Drucksache 16/2293 in seiner 20. Sitzung am 25. Oktober
2006 einstimmig angenommen.

Berlin, den 25. Oktober 2006

Gunther Krichbaum
Berichterstatter

Axel Schäfer (Bochum)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Hakki Keskin
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.